Kleine Frauen, Band 4: Jo und ihre Jungs - Louisa May Alcott - E-Book

Kleine Frauen, Band 4: Jo und ihre Jungs E-Book

Louisa May Alcott

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Beschreibung

Mit diesem Band beschließt die Schriftstellerin die Geschichten um ihre amüsanten Charaktere aus den drei Bänden der "Kleinen Frauen". Jo, die Vertrauensperson für alle und jeden, zeigt uns nochmals ihr warmes Herz, ihr hitziges Temperament und ihr überbordendes Mitgefühl. Das Buch dreht sich hauptsächlich um die Leben der Plumfield-Jungs, die in "Kleine Männer", dem dritten Band der Geschichte, vorgestellt wurden, insbesondere Tommy, Emil, Demi, Nat, Dan, sowie Professor Bär und Jos Söhne Rob und Teddy - obwohl auch andere Charaktere häufig auftauchen, darunter Josie und Bess, zwei Cousinen von Demi und Daisy. Das Buch spielt zehn Jahre nach "Kleine Männer". Dolly und George gehen aufs College und müssen gegen die Versuchungen aus Snobismus, Arroganz, Selbstgefälligkeit und Eitelkeit ankämpfen. Tommy wird Medizinstudent, um seine Jugendliebe Nan zu beeindrucken, aber nachdem er versucht hat, ihre Gunst zu gewinnen, indem er sich "versehentlich" in Dora verliebt und dieser einen Heiratsantrag macht, stellt er fest, dass er mit ihr glücklicher ist und tauscht das Studium gegen die Herausforderungen einer Familie. Aber auch die anderen Charakteren müssen lernen, mit den Herausforderungen ihrer Leben als junge Erwachsen umzugehen. Louisa May Alcott hat nie den Anspruch auf literarischen Stil erhoben, und diese Geschichte ist in diesem Punkt ebenso angelegt und einzigartig wie ihre früheren. Wer wissen will, wie die Geschichte um die March-Familie endet, kommt um dieses Werk nicht herum.

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Seitenzahl: 494

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KLEINE FRAUEN

 

Band 4: Jo und ihre Jungs

Deutsche Neuübersetzung

 

LOUISA MAY ALCOTT

 

 

 

 

 

 

Jo und ihre Jungs, L. May Alcott

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849661977

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

Inhalt:

Kapitel 1. Zehn Jahre später1

Kapitel 2. Der Berg Parnass.14

Kapitel 3. Jos verrückter Tag. 28

Kapitel 4. Dan. 44

Kapitel 5. Ferien. 59

Kapitel 6. Letzte Worte. 78

Kapitel 7. Der Löwe und das Lamm.93

Kapitel 8. Josie spielt Meerjungfrau. 106

Kapitel 9. Das Blatt wendet sich. 119

Kapitel 10. Demi findet seinen Weg. 131

Kapitel 11. Emils Thanksgiving. 141

Kapitel 12. Dans Weihnachten. 148

Kapitel 13. Nats Neujahr157

Kapitel 14. Aufführungen in Plumfield. 167

Kapitel 15. Warten. 180

Kapitel 16. Auf dem Tennisplatz. 186

Kapitel 17. Und nun zu den Mädchen. 198

Kapitel 18. Die Abschlussfeier208

Kapitel 19. Weiße Rosen. 218

Kapitel 20. Leben um Leben. 229

Kapitel 21. Der edle Ritter241

Kapitel 22. Der wirklich letzte Auftritt252

 

Kapitel 1. Zehn Jahre später

 

"Wenn mir jemand gesagt hätte, welch wunderbare Veränderungen sich hier in zehn Jahren vollziehen würden, hätte ich es nicht geglaubt", sagte Jo zu Meg, als sie an einem Sommertag auf der Veranda von Plumfield saßen und mit stolzen und freudestrahlenden Gesichtern um sich blickten.

"Das ist die Art von Magie, die Geld und gütige Herzen bewirken können. Ich bin sicher, dass man Mr. Laurence kein besseres Denkmal hätte setzen können als das College, das er so großzügig gestiftet hat; und ein Haus wie dieses wird Tante March für alle Zeiten in guter Erinnerung halten ", antwortete Meg, die immer gerne die Abwesenden lobte.

"Erinnerst du dich? Früher haben wir an Feen geglaubt und überlegt, was wir uns ausbitten würden, wenn wir drei Wünsche frei hätten. Sieht es nicht so aus, als ob meine Wünsche endlich erfüllt worden wären? Geld, Ruhm und viel von der Arbeit, die ich so sehr liebe", sagte Jo und strich sich nachlässig durch die Haare, während sie die Hände über dem Kopf zusammenschlug, wie sie es als Mädchen zu tun pflegte.

"Ich bin mit meinem Leben zufrieden, und Amy genießt ihres nach Herzenslust. Wenn die liebe Mami, John und Beth hier wären, wäre es perfekt", fügte Meg mit leicht bebender Stimme hinzu, denn Mamis Platz war mittlerweile leer.

Jo legte ihre Hand auf die ihrer Schwester, und beide saßen eine Weile schweigend da und betrachteten die vor ihnen liegende, schöne Szene mit einer Mischung aus traurigen und glücklichen Gedanken.

Es sah wirklich so aus, als sei Magie am Werk gewesen, denn das ruhige Plumfield hatte sich in eine geschäftige, kleine Welt verwandelt. Das Haus wirkte gastfreundlicher als je zuvor, mit neuem Anstrich, angebauten Flügeln, gepflegtem Rasen und Garten, und einer wohltuenden Ausstrahlung, die es noch nicht hatte, als sich überall randalierende Jungen tummelten und es für die Bärs ziemlich schwierig war, über die Runden zu kommen. Auf dem Hügel, wo man früher Drachen steigen ließ, stand das schöne College, das Mr. Laurence mit seinem großzügigen Erbe errichten hatte lassen. Fleißige Studenten gingen auf den Pfaden hin und her, die einst von Kinderfüßen betreten worden waren, und viele junge Männer und Frauen genossen alle Vorteile, die Reichtum, Weisheit und Güte ihnen bieten konnten.

Direkt vor Plumfields Toren schmiegte sich ein hübsches braunes Cottage zwischen die Bäume, und westlich davon, an einem grünen Hang, glänzte Lauries weißgetäfeltes Herrenhaus im Sonnenschein – denn als das schnelle Wachstum der Stadt das alte Haus einschloss, Megs Nest verunzierte, und die Oberen es sogar wagten, eine Seifenfabrik unter Mr. Laurence' empörter Nase zu errichten, wanderten unsere Freunde nach Plumfield aus, wo die großen Veränderungen begannen.

Viele davon waren sehr angenehm, und der Verlust der lieben alten Leute wurde durch die Wohltaten gemildert, die sie gewirkt hatten; alles gedieh in der kleinen Gemeinschaft, und Mr. Bär als Präsident und Mr. March als Kaplan des Colleges sahen ihren lang gehegten Traum auf wunderbare Weise verwirklicht. Die Schwestern teilten die Betreuung der jungen Leute unter sich auf, wobei jede die Rolle übernahm, die ihr am besten passte. Meg war die mütterliche Freundin der jungen Frauen, Jo die Vertraute und Verteidigerin aller Jugendlichen, und Amy die großzügige Dame, die bedürftigen Schülern den Weg ebnete und sie alle so herzlich bewirtete, dass es kein Wunder war, dass sie ihr schönes Haus den Berg Parnass nannten, so voll von Musik, Schönheit und der Kultur, nach der sich hungrige junge Herzen und Launen sehnten.

Die ursprünglichen zwölf Jungen hatten sich in diesen Jahren natürlich über alle Erdteile verstreut, aber alle erinnerten sich an das geliebte Plumfield und kamen immer wieder aus allen Himmelsrichtungen zurück, um von ihren verschiedenen Erlebnissen zu erzählen, über die Freuden der Vergangenheit zu lachen und sich den Pflichten der Gegenwart mit frischem Mut zu stellen, denn die Erinnerungen an die glücklichen Tage ihrer Jugend erfüllten nicht nur die Herzen mit zarten Gefühlen, sondern verschafften den Bewohnern auch die eine oder andere hilfreiche Hand. Lasst uns in ein paar Worten die Geschichte eines jeden Jungen erzählen, damit wir bald mit dem neuen Kapitel ihres Lebens fortfahren können.

Franz arbeitete bei einem gut situierten und mit ihm verwandten Kaufmann in Hamburg und war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Emil war der fröhlichste Seemann, der je über den blauen Ozean gesegelt ist. Sein Onkel hatte ihn auf eine lange Reise geschickt, um ihm das Abenteuerleben abzugewöhnen, aber von dieser kam er so begeistert zurück, dass bald klar war, dass dies sein Beruf werden würde – und der deutsche Verwandte verschaffte ihm stets gute Jobs auf seinen Schiffen, damit der Junge fröhlich blieb. Dan war ein echter Weltenbummler, nach geologischen Forschungen in Südamerika, hatte er sich als Schafzüchter in Australien versucht und war nun in Kalifornien, um nach Gold zu suchen. Nat war am Konservatorium mit seiner Musik beschäftigt und bereitete sich auf ein oder zwei Jahre in Deutschland vor, um dort sein Studium abzuschließen. Tom studierte Medizin und versuchte, sich mit dem Beruf eines Arztes anzufreunden. Jack war ins Geschäft seines Vaters eingestiegen und versuchte, reich zu werden. Dolly war mit Pummelchen auf dem College und Ned studierte Jura. Der arme kleine Dick war tot, und Billy auch, aber da ihr Leben aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Behinderungen niemals wirklich lebenswert gewesen war, gehörte die Trauer um sie bald der Vergangenheit an.

Rob und Teddy wurden der "Löwe und das Lamm" genannt, denn letzterer war so wild wie der König der Tiere und ersterer so sanft wie jedes Schaf, das jemals bähte. Jo nannte ihn "meine Tochter" und fand, dass er das pflichtbewussteste aller Kinder war, obwohl sich seine Männlichkeit oft hinter seinem ruhigen Betragen und dem zarten Wesen versteckte. In Ted dagegen schien sie all die Macken, Launen, Hoffnungen und den Spaß ihrer eigenen Jugend wiederzusehen. Mit seinen gelbbraunen Locken, die immer wild durcheinander lagen, seinen langen Beinen und Armen, seiner lauten Stimme und seiner ständigen Überdrehtheit war Ted eine markante Persönlichkeit in Plumfield. Er hatte seine trübsinnigen Momente und verfiel etwa einmal pro Woche in tiefe Niedergeschlagenheit, aus der ihn der geduldige Rob oder seine Mutter, die genau wusste, wann sie ihn in Ruhe zu lassen hatte und wann sie ihn aufrütteln konnte, wieder herausholten. Er war ihr Stolz und ihre Freude, aber auch ihre Pein, denn er war ein sehr aufgeweckter Junge für sein Alter und so voller vielversprechender Talente, dass seine Mutter sehr gespannt war, was aus diesem bemerkenswerten Jungen einmal werden würde.

Demi hatte das College mit Auszeichnung absolviert, und Meg hatte sich in den Kopf gesetzt, dass er Pfarrer werden sollte – sie malte sich bereits die erste Predigt aus, die ihr ehrwürdiger junger Priester halten würde, nebst dem langen, dienlichen und ehrenvollen Leben, das er führen sollte. Aber John, wie sie ihn nun nannte, lehnte ein Studium der Theologie entschieden ab, weil er genug von Büchern hatte und mehr über die Menschen und die Welt erfahren wollte, und er enttäuschte seine liebe Mutter sehr, als er beschloss, eine journalistische Laufbahn einzuschlagen. Es war ein schwerer Schlag für sie, aber ihr war klar, dass junge Menschen nicht gedrängt werden konnten und dass Erfahrung der beste Lehrer war; also ließ sie ihn seinen eigenen Neigungen nachgehen und hoffte dennoch, ihn eines Tages auf der Kanzel zu sehen. Tante Jo war wütend, als sie erfuhr, dass es einen Reporter in der Familie geben würde, und nannte ihn auf der Stelle "Jenkins". Sie schätzte seine literarischen Neigungen, aber hatte auch Grund, den selbsternannten Naseweis zu verabscheuen, wie wir später sehen werden. Demi jedoch wusste, was er wollte, und führte seine Pläne in aller Ruhe aus, unbeeindruckt von den Worten der besorgten Mama oder den Scherzen seiner Kumpels. Onkel Teddy ermutigte ihn und prophezeite ihm eine glänzende Karriere, als er Dickens und andere Berühmtheiten erwähnte, die als Reporter begannen und als berühmte Schriftsteller oder Verleger endeten.

Den Mädchen ging es prächtig. Daisy, süß und häuslich wie immer, war der Trost und die Gefährtin ihrer Mutter. Josie war mit ihren vierzehn Jahren ein höchst origineller junger Mensch, voller Streiche und sonderbarer Ideen, von denen die jüngste ihre Leidenschaft für die Bühne war, was ihrer ruhigen Mutter und ihrer Schwester viel Sorgen bereitete, sie aber auch amüsierte. Bess war zu einem großen, schönen Mädchen herangewachsen, das einige Jahre älter aussah, als es war. Sie hatte noch die gleiche Anmut und den gleichen Geschmack wie die kleine Prinzessin, und bekam dank zweier großzügiger Erbschaften, sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits, jede Förderung und Hilfe, die man für Geld erwerben kann. Der Stolz der Bewohner war jedoch die freche Nan; denn wie so viele unruhige, eigensinnige Kinder war auch sie zu einer Frau herangewachsen, die voller Energie und Verheißung war, und die plötzlich aufblühte, als die ehrgeizige Sucherin die Arbeit gefunden hatte, die ideal zu ihr passte. Nan hatte mit sechzehn Jahren begonnen Medizin zu studieren und schlug sich mit Zwanzig weiter tapfer, denn dank anderer intelligenter Frauen standen ihr nun Hochschulen und Krankenhäuser offen. Seit den Kindertagen, als sie Daisy auf der alten Weide schockiert hatte, indem sie sagte: "Ich will keine Familie, um die ich mich kümmern muss. Ich werde ein Büro haben, mit Fläschchen und Mörsern darin, und herumfahren und Leute heilen. Die Zukunft, die das kleine Mädchen vorausgesagt hatte, ging für die junge Frau rasch in Erfüllung, und sie fand darin so viel Glück, dass nichts sie von der gewählten Berufung abbringen konnte. Mehrere ehrenwerte junge Herren hatten versucht, sie umzustimmen, und versucht sie, wie Daisy, für "ein nettes kleines Haus und eine Familie, um die man sich kümmern kann", zu begeistern. Aber Nan hatte nur gelacht und die Verehrer vertrieben, indem sie auf ihre belegte Zunge schaute, die gerade von Hingabe sprach, oder professionell den Puls einer männlichen Hand fühlte, die ihr zur Annahme angeboten wurde. So gingen alle ihrer Wege, bis auf einen hartnäckigen Jungen, der so anhänglich war, dass es schier unmöglich schien, ihn loszuwerden.

Natürlich reden wir von Tom, der seiner Jugendliebe so ergeben war wie sie selbst ihren "Mörsern", und der ihr einen Treuebeweis lieferte, der sie sehr berührte. Er studierte nur ihr zuliebe Medizin, obwohl er keine Lust dazu hatte und ihm ein kaufmännischer Beruf entschieden lieber gewesen wäre. Aber da Nan standhaft blieb, hatte auch Tom kein Einsehen und hoffte inständig, dass er nicht viele seiner Mitmenschen umbringen würde, wenn er eines Tages praktizierte. Sie waren immer noch beste Freunde und ihre heiteren, wechselseitigen Liebesbezeigungen bereiteten ihren Kameraden viel Vergnügen.

An dem Nachmittag, als Meg und Jo sich auf der Veranda unterhielten, näherten sich beide Plumfield. Allerdings nicht zusammen, denn Nan ging allein die sonnendurchflutete Straße entlang, um über einen Fall nachzudenken, der sie interessierte, während Tom hinter ihr her trottete, um sie wie zufällig zu überholen, als die Vororte der Stadt vorbeigezogen waren.

Nan war ein hübsches Mädchen mit rosarotem Teint, leuchtenden Augen, einem gewinnenden Lächeln und dem selbstbewussten Blick, den junge Frauen, die ihr Lebensziel gefunden haben, immer haben. Sie war einfach, aber zweckdienlich gekleidet, ging leichten Schrittes und schien mit ihren breiten Schultern, die weit nach hinten gezogen waren, den frei schwingenden Armen und der Anmut von Jugend und Gesundheit in jeder Bewegung, voller Kraft zu stecken. Die wenigen Leute, denen sie begegnete, drehten sich zu ihr um, als sei es ein außergewöhnlicher Anblick, ein fröhliches Mädchen an einem schönen Tag auf dem Lande spazieren gehen zu sehen; und der rotgesichtige junge Mann, der hinter ihr her stapfte, den Hut in der Hand und jede Locke ungeduldig schwenkend, stimmte ihnen offensichtlich zu.

Plötzlich trug die sanfte Brise ein leises "Hallo!" an Nans Ohr, woraufhin diese anhielt, sich umsonst bemühte, überrascht auszusehen, und freundlich sagte:

"Oh, bist du das, Tom?"

"Sieht so aus. Ich dachte mir schon, dass du heute hier herauskommst." Toms heiteres Gesicht strahlte vor Freude.

"Du hast es doch gewusst. Wie geht es deinem Hals?", fragte Nan in ihrem professionellen Ton, der jedes unangemessene Verzücken grundsätzlich im Keim erstickte.

"Hals? Ach, ja, ich erinnere mich. Es geht ihm gut. Die Wirkung deines Rezepts war sensationell. Ich werde Homöopathie nie wieder als Schwindel bezeichnen."

"Diesmal warst du der Schwindel, und die Tabletten, die ich dir gegeben habe, waren es auch. Wenn Zucker oder Milch Diphtherie auf solch bemerkenswerte Weise heilen können, sollte ich mir das notieren. Ach, Tom, hörst du denn nie auf, mir Streiche zu spielen?"

"Ach, Nan, und du, wirst du nie aufhören, mich zu ärgern?" Das fröhliche Pärchen schüttete sich aus vor Lachen, genau wie in den alten Zeiten, die immer wieder in ihre Erinnerungen zurückkamen, wenn sie nach Plumfield fuhren.

"Ich wusste, dass ich dich eine Woche lang nicht sehen würde, wenn ich nicht eine Ausrede für einen Besuch in deiner Praxis hätte. Du bist die ganze Zeit so unglaublich beschäftigt, dass ich dich fast nie zu Gesicht bekomme", erklärte Tom.

"'Du solltest genauso beschäftigt sein und solchen Unsinn einfach sein lassen. Wirklich, Tom, wenn du dich nicht um deine Vorlesungen kümmerst, wirst du nie weiterkommen", sagte Nan nüchtern.

"Die stehen mir bis zum Hals", antwortete Tom mit einem Anflug von Abscheu. "Man muss sich als Ausgleich auch ein bisschen amüsieren, wenn man schon den ganzen Tag Leichen seziert. Ich halte es nie lange aus, während es manche Leute anscheinend sehr genießen."

"Warum lässt du es dann nicht sein und tust etwas, was dir besser gefällt? Ich habe es immer für Blödsinn gehalten, und das weißt du", sagte Nan mit einer Spur von Besorgnis in den scharfen Augen, die in einem Gesicht, das so rot wie ein Augustapfel war, nach Anzeichen einer Krankheit suchten.

"Du weißt, warum ich mich dafür entschieden habe, und warum ich weiterkämpfen werde, selbst, wenn es mich umbringt. Ich sehe zwar nicht so zerbrechlich aus, aber ich habe ein ganz tiefsitzendes Herzleiden, und das wird mich früher oder später umbringen, denn es gibt nur einen Arzt auf der Welt, der es heilen könnte, und der wird es nicht tun."

Tom wirkte merkwürdig nachdenklich und resigniert, was einerseits komisch als auch rührend war. Er meinte es ernst, und auf alle Andeutungen dieser Art folgte nie auch nur die geringste Ermutigung.

Nan runzelte die Stirn, aber sie war an solche Ausbrüche gewöhnt und wusste, wie sie sie kurieren musste.

"Sie versucht ständig, ihn auf die beste und einzige Weise zu heilen – aber einen widerspenstigeren Patienten hatte sie nie gehabt. Warst du auf dem Ball, wie ich es dir gesagt habe?"

"Ja, war ich."

"Und du hast dich ganz der hübschen Miss West hingeben?"

"Ich habe den ganzen Abend mit ihr getanzt."

"Und dein empfindliches Organ hat keine Sprünge gemacht?"

"Nicht einen einzigen. Ich habe ihr einmal ins Gesicht gestarrt, vergessen, ihr etwas zu essen zu holen und einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, als ich sie ihrer Mutter zurückgab."

"Wiederhole die Dosis so oft wie möglich und beobachte dabei die Symptome. Ich prophezeie dir, dass du nach und nach "süchtig" danach werden wirst."

"Niemals! Ich bin sicher, es wird meiner Verfassung in keinster Weise abhelfen."

"Wir werden sehen. Halte dich genauestens an meine Anweisungen!", sagte sie streng.

"Jawohl, Frau Doktor", antwortete er kleinlaut.

Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann sagte Nan plötzlich, als habe sich ihre kleine Meinungsverschiedenheit in den angenehmen Erinnerungen, die die vertrauten Gegenstände weckten, aufgelöst:

"Wie viel Spaß wir in diesem Wald hatten! Weißt du noch, wie du von dem großen Nussbaum gestürzt bist und dir fast das Schlüsselbein gebrochen hast?"

"Und ob! Und wie du mich in Wermut getränkt hast, bis ich schön mahagonifarben war, und Tante Jo wegen meiner ruinierten Jacke gezetert hat", lachte Tom, der in derselben Minute wieder zum Jungen geworden war.

"Und wie du das Haus angezündet hast?"

"Und wie du deine Hutschachtel geholt hast?"

"Sagst du immer noch manchmal 'Donnerkröte'?"

"Nennen dich die Leute oft noch 'Springnudel'?"

"Oh ja, Daisy. Die Gute, ich habe sie seit einer Woche nicht mehr gesehen."

"Ich habe Demi heute Morgen getroffen, und er hat mir verraten, dass sie für Mutter Bär den Haushalt führt."

"Das tut sie immer, wenn Tante Jo wieder mal anfängt, herumzuwirbeln. Daisy ist eine vorbildliche Haushälterin, und dir könnte nichts Besseres passieren, als ihr einen Antrag zu machen – falls du nicht warten willst, bis du erwachsen wirst und ernsthaft anfängst zu lieben."

"Nat würde mir seine Fiedel auf den Kopf hauen, wenn ich so etwas tun würde. Nein, vielen Dank. In meinem Herzen ist ein anderer Name so unauslöschlich eingraviert wie der blaue Anker auf meinem Arm. "Hoffnung" ist mein Motto und "Nicht aufgeben" deins; mal sehen, wer von uns länger durchhält."

"Ihr dummen Jungs denkt doch immer, dass wir alle zu den Pärchen unserer Kindheit zurückfinden –aber das läuft so nicht. Wie hübsch der Parnass von hier aussieht!", sagte Nan und wechselte schon wieder abrupt das Thema.

"Es ist ein schönes Haus, aber am besten gefiel mir immer noch das alte Plumfield. Wie würde Tante March staunen, wenn sie die Veränderungen hier sehen könnte!", antwortete Tom, als sie beide vor dem großen Tor innehielten, um die schöne Landschaft vor ihnen zu betrachten.

Dann ließ sie ein plötzlicher Schrei aufschrecken, und ein schlaksiger Junge mit einem blonden Wuschelkopf sprang wie ein Känguru über eine Hecke, gefolgt von einem schlanken Mädchen, das im Weißdorn landete und dort wie eine Hexe lachend sitzen blieb. Sie war ein hübsches kleines Ding mit lockigem dunklem Haar, leuchtenden Augen und einem ausdrucksstarken Gesicht. Ihren Hut hatte sie auf dem Rücken liegen, und ihre Röcke waren von den Bächen, die sie überquert hatte, von den Bäumen, auf die sie geklettert war, und von dem letzten Sprung über die Hecken, der ihr einige schöne Risse eingebracht hatte, ziemlich mitgenommen.

"Hilf mir raus, Nan, bitte. Tom, halt Ted fest; er hat mein Buch, und ich will es zurück", rief Josie, ohne sich durch das Erscheinen ihrer Freunde einschüchtern zu lassen.

Tom hatte den Dieb sofort am Schlafittchen, während Nan die zwischen den Dornen sitzende Josie aufhob und sie ohne ein Wort des Tadels auf die Beine stellte. Da sie selbst in ihrer Kindheit eine Herumtreiberin gewesen war, war sie sehr nachsichtig mit Kindern, die ähnlich veranlagt waren. "Was ist denn los, Liebes?", fragte sie, während sie den längsten Riss mit einer Nadel zusammensteckte und Josie die Kratzer an ihren Händen untersuchte. "Ich saß auf der Weide und habe meine Rolle einstudiert, als Ted sich angeschlichen und mir das Buch mit seiner Rute aus der Hand geschlagen hat. Dann fiel ich in den Bach, und bevor ich mich aufrappeln konnte, war er schon weg. Du Schuft, gib es sofort zurück oder ich geb' dir eins auf die Ohren ", schrie Josie und lachte und schimpfte im gleichen Atemzug.

Nachdem er sich aus Toms Griff befreit hatte, nahm Ted eine rührselige Haltung ein, betrachtete das nasse, zerfledderte Mädchen vor ihm und versuchte sich mit einer Rede aus dem Stück, die unwiderstehlich lustig war und mit "Gefällt dir das Bild, Liebes?" endete. Dabei machte er sich selbst zum Gegenstand allgemeiner Erheiterung, indem er seine langen Beine fast verknotete und sein Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse verzerrte.

Plötzlicher Applaus von der Veranda beendete diesen Ulk, und die jungen Leute gingen zusammen die Allee hinauf, ganz im Damals, als Tom seinen Vierspänner lenkte und Nan das beste Pferd seiner Mannschaft war. Mit rotem Gesicht, atemlos und fröhlich begrüßten sie die beiden Damen und setzten sich auf die Stufen, um sich auszuruhen. Meg bemühte sich, das zerfetzte Kleid ihrer Tochter zu flicken, während Jo die Mähne des Löwen glättete und das Buch an sich nahm. Gleich darauf erschien Daisy, um ihre Freundin zu begrüßen, und alle begannen durcheinanderzureden.

"Es gibt Muffins zum Tee; ihr solltet lieber bleiben und sie essen; Daisy ist eine fantastische Bäckerin", sagte Ted gastfreundlich.

"Er muss es wissen, letztes Mal hat er neun Stück gegessen. Deshalb ist er auch so fett", fügte Josie mit einem vernichtenden Blick auf ihre Cousine hinzu, die so dünn wie eine Bohnenstange war.

"Ich muss los und nach Lucy Dove sehen. Sie hat ein Nagelgeschwür, und das muss dringend behandelt werden. Ich trinke auf dem College schon genug Tee ", antwortete Nan und fühlte in ihrer Tasche, um sicherzugehen, dass sie ihre Instrumente nicht vergessen hatte.

"Danke, ich schließe mich an. Tom Merryweather hat entzündete Augenlider, und ich habe versprochen, danach zu sehen. Das spart ihm nicht nur das Arzthonorar, sondern ist auch eine gute Übung für mich. Ich bin immer so ungeschickt mit meinen Daumen", sagte Tom, der unbedingt in der Nähe seines Vorbilds bleiben wollte, solange es die Umstände erlaubten.

"Ruhe jetzt! Daisy mag es nicht, wenn ihr Kurpfuscher über eure Arbeit redet. Muffins mögen wir viel lieber", meinte Ted. Er grinste süßlich und hatte bei seinen Worten nichts als künftige Begünstigungen in Sachen Mahlzeiten im Kopf.

"Gibt es Neuigkeiten vom Kommodore?", fragte Tom.

"Er ist auf dem Weg nach Hause, und Dan hofft, auch bald kommen zu können. Ich sehne mich nach meinen Jungs und habe die Streuner gebeten, spätestens zum Erntedankfest herzukommen", antwortete Jo und strahlte bei dem Gedanken an das Wiedersehen.

"Wenn es ihnen möglich ist, werden sie kommen, jeder einzelne von ihnen. Sogar Jack wird auf den einen oder anderen Dollar verzichten, um eines unserer fröhlichen Abendessen zu genießen", lachte Tom.

"Dort läuft der Truthahn, der für das Festmahl gemästet wird. Ich jage ihn nicht mehr, sondern füttere ihn gut, damit er schön fett wird. Gott segne seine Keulen", lachte Ted und zeigte auf das für das Festmahl bestimmte Federvieh, das stolz auf einem benachbarten Feld paradierte.

"Wenn Nat uns Ende des Monats verlässt, werden wir ihm zu Ehren ein Abschiedsgelage geben. Ich schätze, der gute alte Fiedler wird als zweiter Ole Bull zurückkehren", sagte Nan zu ihrer Freundin. [Anm. des Übersetzers: Ole Bull war ein norwegischer Violinist und Komponist]

Daisys Wangen bekamen eine hübsche Farbe, und die Falten des Musselins auf ihrer Brust hoben und senkten sich im Gleichklang mit ihren schnellen Atemzügen, aber sie antwortete gelassen: "Onkel Laurie sagt, er hat großes Talent, und nach der Ausbildung, die er im Ausland erhalten wird, kann er hier ein gutes Leben führen – auch wenn er vielleicht nie berühmt werden wird."

"Junge Leute entwickeln sich selten so, wie man es vorhersagt, also ist es wenig sinnvoll, etwas zu erwarten", sagte Meg seufzend. "Wenn aus unseren Kindern gute, brauchbare Männer und Frauen werden, sollten wir zufrieden sein; aber sicher ist es angebracht, ihnen zu wünschen, dass sie viel Ruhm ernten und erfolgreich sind."

"Sie sind wie meine Hühner, man kann sich nie sicher sein. Mein schönster Hahn ist der dümmste von allen, und der hässliche, langbeinige ist der König des Hofes; er ist so klug und kräht so laut, dass er einen Siebenschläfer aufwecken würde, während der schöne Hahn krächzt und ein echter Feigling ist. Verachtet mich, nur zu, aber wartet, bis ich groß bin, dann werdet ihr schon sehen", sagte Ted und sah seinem langbeinigen Liebling so ähnlich, dass alle über seine bescheidene Prophezeiung lachten.

"Mir wäre lieb, wenn Dan irgendwo sesshaft werden würde. 'Ein rollender Stein setzt kein Moos an', sagt man, und mit Fünfundzwanzig irrt er immer noch durch die Welt, ohne jede belastbare Bindung, außer der zu uns", sinnierte Meg und nickte ihrer Schwester zu.

"Dan wird schon noch seinen Platz finden, und Erfahrung ist ein guter Lehrmeister. Er ist immer noch ungeschliffen, aber jedes Mal, wenn er nach Hause kommt, sehe ich eine Veränderung zum Besseren, und ich verliere nie meinen Glauben an ihn. Er wird vielleicht nie etwas Großes tun oder reich werden, aber wenn aus dem wilden Jungen irgendwann ein ehrlicher Mann wird, bin ich zufrieden", sagte Jo, die die schwarzen Schafe ihrer Herde grundsätzlich verteidigte.

"Das stimmt, Mutter, wir sollten alle zu Dan stehen! Er ist mehr wert als ein Dutzend Jacks und Neds, die mit Geld prahlen, angeben und sich aufspielen. Ich bin sicher, dass er eines Tages etwas tun wird, worauf er stolz sein kann und mit dem er allen den Wind aus den Segeln nimmt", fügte Ted hinzu, dessen Liebe zu seinem 'Danny' durch die Bewunderung eines Jungen für den kühnen, abenteuerlustigen Mann nur noch stärker wurde.

"Das hoffe ich doch. Er ist genau der Richtige, um waghalsige Unternehmungen zu starten und zu Ruhm zu gelangen – das Matterhorn zu besteigen, einen "Kopfsprung" in den Niagara zu machen oder einen riesigen Goldnugget zu finden. Das ist seine Art, sich die Hörner abzustoßen, und vielleicht ist sie sogar besser als unsere", sagte Tom nachdenklich, der während seines Medizinstudiums eine Menge Erfahrung mit dieser Redewendung gesammelt hatte.

"Viel besser!", sagte Jo mit Nachdruck. "Ich lass meine Jungs lieber so in die Welt hinausziehen, als sie in einer Stadt voller Verlockungen allein zu lassen, wo sie nichts zu tun haben, als Zeit und Geld zu verschwenden und ihre Gesundheit zu ruinieren, wie es so vielen ergeht. Dan muss sich seinen Weg erarbeiten, und das wird ihn Mut, Geduld und Selbstvertrauen lehren. Um ihn mache ich mir nicht so viele Sorgen wie um George und Dolly am College. Die beiden sind wie Babys, und genauso wenig in der Lage, für sich selbst zu sorgen."

"Was ist mit John? Er treibt sich als Reporter in der Stadt herum und berichtet über alles Mögliche, von Vorlesungen bis zu Boxkämpfen", fragte Tom, dem diese Art von Leben viel mehr gefiel als medizinische Vorlesungen und Arbeiten im Krankenhaus.

"Demi hat drei Schutzengel – gute Prinzipien, einen feinen Geschmack und eine weise Mutter. Die Arbeit wird ihm nicht schaden, und die dabei gemachten Erfahrungen werden sogar nützlich sein, wenn er zu schreiben beginnt – und ich bin sicher, dass er das mit der Zeit tun wird", erklärte Jo in ihrem prophetischen Tonfall, denn sie wollte unbedingt, dass aus einigen ihrer Gänse Schwäne wurden.

"Da spricht man von Jenkins, und schon hört man das Rascheln seiner Zeitung", rief Tom, als ein junger Mann mit aufgewecktem Gesicht und braunen Augen die Allee hinaufkam und eine Zeitung über seinem Kopf schwenkte.

"Hier kommt Ihr Abendklatschblatt! Neueste Ausgabe! Schrecklicher Mord! Bankangestellter untergetaucht! Explosion in der Pulvermühle und großer Streik der Lateinschüler", brüllte Ted und eilte mit dem grazilen Gang einer jungen Giraffe auf seinen Cousin zu.

"Der Kommodore ist da! Er wird sein Tau kappen und vor den Wind laufen, sobald er von Bord gehen kann", rief Demi, der ob seiner Freude über die gute Nachricht mal wieder alle möglichen seemännischen Fachbegriffe durcheinanderwarf.

Alle redeten einen Augenblick lang durcheinander, und die Zeitung wanderte von Hand zu Hand, damit jedes Auge die erfreuliche Tatsache lesen konnte, dass die "Brenda" aus Hamburg sicher im Hafen lag.

"Er wird morgen hier herauflatschen, die übliche Sammlung von Meeresungeheuern und wilden Geschichten im Gepäck. Ich habe ihn gesehen, fröhlich, mit Teer verschmiert und braun wie eine Kaffeebohne. Seine Fahrt ist prima gelaufen und er hofft, Zweiter Maat zu werden, da der andere mit einem gebrochenen Bein im Bett liegt", fügte Demi hinzu.

"Ich wünschte, ich hätte es ihm richten können", flüsterte Nan mit einer professionellen Handbewegung.

"Wie geht es Franz?", fragte Jo.

"Er wird heiraten! Sind das nicht hervorragende Neuigkeiten? Der erste aus der Herde, Tantchen, also verabschiede dich von ihm. Sie heißt Ludmilla Hildegard Blumenthal, ist aus guter Familie, wohlhabend, hübsch, und ganz und gar ein Engel. Der alte Knabe braucht nur noch Onkels Zustimmung, und dann wird er ein glücklicher und anständiger Bürger werden. Möge ihm ein langes Leben beschieden sein!"

"Ich bin froh, das zu hören. Ich wünsche mir, dass alle meine Jungs eine gute Frau finden und sich in einem netten kleinen Heim niederlassen. Wenn alles so ist, wie es ihm gefällt, dann kann ich Franz wirklich loslassen ", antwortete Jo und faltete zufrieden die Hände; allzu oft fühlte sie sich wie eine verwirrte Henne, die für eine große Brut aus Hühnern und ein paar Enten verantwortlich war.

"Da denke ich auch", seufzte Tom mit einem verschmitzten Blick auf Nan. "Das ist es, was ein Kerl braucht, um sesshaft zu werden; und nette Mädchen haben die Pflicht, so schnell wie möglich zu heiraten, nicht wahr, Demi?"

"Wenn es dafür genug nette Kerle gibt. Die weibliche Bevölkerung übersteigt die männliche, weißt du, besonders in Neuengland; das erklärt vielleicht den hohen Stand unsere Kultur", antwortete John, der sich über den Stuhl seiner Mutter beugte und ihr ins Ohr flüsterte, was er an diesem Tag erlebt hatte.

"Das ist eine irrige Annahme, meine Lieben, denn es braucht drei oder vier Frauen, um einen Mann in die Welt hinein, durch sie hindurch und wieder aus ihr heraus zu bringen. Ihr seid kostspielige Geschöpfe, Jungs, und ihr könnt euch glücklich schätzen, dass Mütter, Schwestern, Ehefrauen und Töchter ihre Pflicht lieben und sie so gut erfüllen – sonst wärt ihr schon vom Erdboden verschwunden", sagte Jo feierlich, während sie einen Korb mit verschlissenen Strümpfen aufhob. Mit dieser Art von Fußbekleidung stand der gute Professor immer noch auf Kriegsfuß, und seine Söhne ähnelten ihm in dieser Hinsicht.

"So gesehen gibt es für die "überflüssigen Frauen" viel zu tun, wenn sie sich um die vielen hilflosen Männer und ihre Familien kümmern müssen. Ich bemerke das jeden Tag mehr und bin sehr froh und dankbar, dass mein Beruf mich zu einer nützlichen, glücklichen und unabhängigen Jungfer machen wird."

Nans Betonung des Wortes "Jungfer" entlockte Tom ein Stöhnen und brachte die anderen zum Lachen.

"Ich bin sehr stolz auf dich, Nan, und hoffe, dass du sehr erfolgreich sein wirst, denn wir brauchen Frauen wie dich überall in der Welt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich meine Berufung verfehlt habe und besser ledig geblieben wäre; aber meine Pflicht schien mir diesen Weg zu weisen, und ich bereue nicht, ihn eingeschlagen zu haben", sagte Jo und drückte eine große und sehr löchrige blaue Socke an ihrem Busen.

"Ich auch nicht. Was hätte ich nur ohne meine liebste Mama tun sollen", fügte Ted hinzu und umarmte sie stürmisch, woraufhin beide kurz hinter der Zeitung verschwanden, in die er einige Minuten lang vertieft gewesen war.

"Mein lieber Junge, wenn du dir ab und zu die Hände waschen würdest, wären zärtliche Liebkosungen weniger verhängnisvoll für meinen Kragen. Aber keine Sorgen, mein lieber Wuschelkopf, lieber Grasflecken und Schmutz als gar keine Streicheleinheiten", lachte Jo, als sie wieder aus dieser kurzen Finsternis auftauchte und sehr erfrischt aussah, obwohl sich ihr Haar in Teds Knöpfen und ihr Kragen unter seinem Ohr verfangen hatte.

An diesem Punkt stieß Josie, die am anderen Ende der Veranda ihre Rolle einstudiert hatte, plötzlich einen unterdrückten Schrei aus und gab Julias Rede in der Gruft so ausdrucksvoll wieder, dass die Jungen applaudierten, Daisy erschauderte und Nan murmelte: "Zu viel Aufregung für ein Hirn ihres Alters."

"Ich fürchte, du wirst der Wahrheit ins Auge sehen müssen, Meg. Das Kind ist eine geborene Schauspielerin. Wir waren alle noch nicht einmal halb so gut, nicht einmal beim Hexenfluch", sagte Jo und warf ihrer erröteten und keuchenden Nichte einen Strauß bunter Socken vor die Füße, als diese sich anmutig auf den Türvorleger fallen ließ.

"Vermutlich ist es eine Art Strafe für mich wegen meiner Leidenschaft für die Bühne, als ich noch ein Mädchen war. Jetzt weiß ich, wie sich die liebe Mami fühlte, als ich darum bat, Schauspielerin werden zu dürfen. Ich kann diesem Plan niemals zustimmen, aber vielleicht werde ich erneut gezwungen sein, meine Wünsche, Hoffnungen und Pläne aufzugeben."

In der Stimme seiner Mutter lag ein vorwurfsvoller Unterton, der Demi dazu veranlasste, seine Schwester sanft zu schütteln und ihr den strengen Befehl zu erteilen, "diesen Unsinn in der Öffentlichkeit zu lassen".

"Lass mich los, Scherge, oder ich spiele gleich 'Die verrückte Braut!' ", schrie Josie und starrte ihn an wie ein beleidigtes Kätzchen. Als sie wieder auf den Beinen war, vollführte sie eine herrliche Geste der Höflichkeit und rief dramatisch aus: "Mrs. Woffingtons Kutsche wartet." Dann rauschte sie die Treppe hinunter und um die Ecke, wobei sie Daisys scharlachroten Schal majestätisch hinter sich her schleifte.

"Ist sie nicht lustig? Ich könnte nicht an diesem langweiligen Ort sein, wenn da nicht dieses Kind wäre, das ihn so lebendig macht. Wenn sie jemals prüde wird, bin ich weg; also pass auf, dass du ihre Fröhlichkeit nicht  im Keim erstickst", sagte Teddy und schaute Demi an, der mittlerweile auf der Treppe stenografische Notizen machte.

"Ihr zwei seid ein tolles Team, und es braucht eine starke Hand, um euch zu führen, aber ich mag das. Josie hätte mein Kind sein sollen und Rob deines, Meg. Dann wäre in deinem Haus alles friedlich und in meinem alles chaotisch verlaufen. Aber nun muss ich gehen und Laurie die Nachricht überbringen. Komm mit, Meg, ein kleiner Spaziergang wird uns gut tun", sagte Jo, setzte sich Teds Strohhut auf den Kopf und ging mit ihrer Schwester weg, während Daisy sich um die Muffins kümmerte, Ted Josie besänftigte und Tom und Nan ihren jeweiligen Patienten ein paar sehr schmerzhafte Minuten bescherten.

 

Kapitel 2. Der Berg Parnass.

 

Der Name war gut gewählt, und die Musen schienen an diesem Tag zu Hause zu sein, denn als die Neuankömmlinge den Hang hinaufgingen, wurden sie von entsprechenden Anblicken und Klängen begrüßt. Als sie an einem offenen Fenster vorbeikamen, erblickten sie eine Bibliothek, der Clio, Kalliope und Urania vorstanden; Melpomene und Thalia vergnügten sich im Saal, wo einige junge Leute tanzten und ein Theaterstück einstudierten; Erato ging mit ihrem Geliebten im Garten spazieren, und im Musikzimmer bildete Phoebus persönlich einen melodischen Chor aus.

Unser alter Freund Laurie war zu einem echten Apollo gereift, aber dennoch anmutig und liebenswürdig wie immer – die Zeit hatte aus dem launischen Knaben einen vornehmen Mann gemacht. Sorge und Kummer, aber auch Ungezwungenheit und Glück hatten dabei ihre Beiträge geleistet, und die Verantwortung, die Wünsche seines Großvaters zu erfüllen, war eine Pflicht, der er sehr gewissenhaft nachkam. Wohlstand passt zu vielen verschiedenen Menschen, und die meisten blühen am besten in der Sonne auf; andere wiederum brauchen den Schatten und sind umso süßer, wenn sie einen Hauch von Frost abbekommen. Laurie gehörte zu der ersteren Sorte, Amy zur zweiten; seit sie geheiratet hatten, war ihrer beider Leben eine Art Gedicht – nicht nur harmonisch und glücklich, sondern auch innig, dienlich und bestimmt von dem Wohlwollen, das so viel bewirken kann, wenn Reichtum und Weisheit mit Nächstenliebe Hand in Hand gehen. Ihr Haus war eine Mischung aus schlichter Schönheit und Behaglichkeit, und der Ort, an dem die kunstliebenden Gastgeber Künstler aller Art empfingen und diese unterhielten. Laurie hatte jetzt genug Musik und war ein großzügiger Mäzen für die Klasse, der er am liebsten half. Amy hatte ihre Schützlinge unter den ehrgeizigen jungen Malern und Bildhauern, und ihre eigene Kunst war ihr doppelt lieb geworden, seit ihre Tochter alt genug war, um ihre Arbeit und ihre Freuden mit ihr zu teilen; sie gehörte zu den Frauen, die treue Gattinnen und Mütter sein konnten, ohne die besondere Gabe zu opfern, die ihnen für ihre eigene Entwicklung und das Wohl anderer verliehen worden war.

Ihre Schwestern wussten genau, wo sie zu finden war, und Jo ging sofort ins Atelier, wo Mutter und Tochter gemeinsam arbeiteten. Bess war mit der Büste eines kleinen Kindes beschäftigt, während ihre Mutter einem Abbild des Kopfes ihres Mannes den letzten Schliff verlieh. Die Zeit schien bei Amy stehen geblieben zu sein, denn das Glück hatte sie jung gehalten und der Wohlstand ihr die nötige Bildung verliehen. Eine stattliche, anmutige Frau, die durch den Geschmack, mit dem sie ihr Kleid auswählte, und die Anmut, mit der sie es trug, zeigte, wie elegant Schlichtheit sein konnte. Oder, wie jemand einmal sagte: "Ich weiß nie, was Mrs. Laurence gerade trägt, aber ich habe immer den Eindruck, dass sie die bestgekleidete Dame im Raum ist."

Es war offensichtlich, dass sie ihre Tochter anbetete, und das war umso verständlicher, als die Schönheit, nach der sie selbst lange getrachtet hatte, zumindest in ihren liebevollen Augen in diesem jüngeren Ich verkörpert zu sein schien. Bess hatte die einer Diana ähnlichen Figur ihrer Mutter geerbt, die blauen Augen, die helle Haut und das goldene Haar, das zu demselben, klassischen, gelockten Knoten gebunden war. Außerdem – ach! Eine nie versiegende Quelle der Freude für Amy – hatte sie die hübsche Nase und den Mund ihres Vaters geerbt, die in ihrem hübschen Gesicht zu weiblichen Formen gegossen worden waren. Die strenge Schlichtheit einer langen Leinenschürze passte zu ihr, und sie arbeitete mit der völligen Versunkenheit einer wahren Künstlerin, ohne sich der liebevollen Augen auf ihr bewusst zu sein, bis Tante Jo hereinkam und eifrig rief:

"Meine lieben Mädchen, hört mit euren Tontörtchen auf und lauscht meinen Neuigkeiten!"

Die beiden Künstlerinnen ließen ihre Werkzeuge fallen und begrüßten die unbändige Frau herzlich, obwohl ihre künstlerische Ader gerade voll entflammt war und ihr Hereinplatzen eine kostbare Stunde verdarb. Sie befanden sich mitten in einer angeregten Unterhaltung, als Laurie, den Meg herbeigerufen hatte, eintraf, sich ungezwungen zwischen die Schwestern setzte und mit Interesse den Neuigkeiten von Franz und Emil lauschte.

"Jetzt ist die Epidemie ausgebrochen, und sie wird weiter wüten und auch deine Herde heimsuchen. Mach dich für die nächsten zehn Jahre auf mehr Romantik und Unbesonnenheiten gefasst, als du ertragen kannst, Jo. Deine Jungen wachsen heran und werden sich kopfüber in ein Meer von schlimmeren Kratzern und Schrammen stürzen, als du sie bisher erlebt hast", sagte Laurie und genoss ihren Blick, in dem sich Freude und Verzweiflung mischten.

"Das ist mir klar, und ich hoffe, dass ich ihnen hindurchhelfen und sie sicher zurück an Land bringen kann; aber es ist eine schrecklich große Verantwortung, denn sie werden zu mir kommen und darauf bestehen, dass ich ihre Techtelmechtel in Ordnung bringe. Nichtsdestotrotz freue ich mich darauf, und Meg ist so gefühlsduselig, dass sie in den Aussichten geradezu schwelgt", antwortete Jo, die ihre eigenen Jungen vorerst in Sicherheit sah, weil diese noch jung waren.

"Ich fürchte, sie wird nicht mehr darin schwelgen, wenn unser Nat ihrer Daisy zu nahekommt. Du verstehst sicher, warum, oder? Als musikalischer Leiter bin ich auch sein Vertrauter und würde gerne wissen, welchen Rat ich ihm geben soll", sagte Laurie nüchtern. "Pst! Du vergisst das Kind", flüsterte Jo und nickte in Richtung Bess, die wieder an die Arbeit gegangen war.

"Danke für den Tipp! Aber sie weilt gerade in Athen und hört kein einziges Wort. Dennoch sollte sie damit aufhören und etwas hinausgehen. Mein Schatz, lass dein Baby eine Runde schlafen und geh etwas spazieren. Tante Meg ist im Salon; geh und zeige ihr die neuen Bilder, bis wir kommen", fügte Laurie hinzu und sah sein großes Mädchen an, wie Pygmalion wohl Galatea betrachtet hätte; für ihn war sie die schönste Statue im ganzen Haus.

"Gut, Papa; aber sag mir bitte erst, ob es gut geworden ist", antwortete Bess und legte gehorsam ihr Werkzeug nieder, während ihr Blick immer wieder zu der Büste schweifte.

"Meine geliebte Tochter, um Wahrheit Genüge zu tun, muss ich gestehen, dass eine Wange dicker ist als die andere, und die Locken auf der kindlichen Stirn sehen eher aus wie Hörnern und sind nicht wirklich anmutig; aber der Rest steht in echter Konkurrenz zu Raffaels singenden Engeln, und ich bin sehr stolz auf dich."

Laurie lachte, während er sprach, denn Bess' erste Versuche waren denen von Amy so ähnlich, dass es unmöglich war, sie so nüchtern zu betrachten, wie es die begeisterte Mutter tat.

"Du erkennst Schönheit nur, wenn es um Musik geht", antwortete Bess und schüttelte das goldene Köpfchen, das den einzigen hellen Fleck im kalten Licht des großen Studios bildete.

"Nun, ich erkenne Schönheit in dir, Liebes. Und wenn du keine Kunst bist, wer wäre es dann? Ich möchte dir nur die Natur etwas näherbringen, dich von diesem kalten Ton und Gips losreißen und unter die Sonne stellen, damit du tanzen und lachen kannst wie die anderen auch. Ich will ein Mädchen aus Fleisch und Blut, keine süße Statue in einer grauen Schürze, die alles außer ihrer Arbeit vergisst." Während er sprach, umarmten zwei staubige Hände seinen Hals, und Bess sagte ernst, wobei sie die Worte mit sanften Bewegungen ihrer Lippen unterstrich:

"Dich vergesse ich nie, Papa, aber ich möchte auch etwas Schönes herstellen, damit du irgendwann stolz auf mich sein kannst. Mama sagt mir oft, ich solle eine Pause machen; aber wenn wir hier drin sind, vergessen wir beide, dass es eine Welt da draußen gibt, weil wir so beschäftigt und glücklich sind. Aber jetzt gehe ich los, laufe und singe und bin ein Mädchen, um dir zu gefallen." Dann warf Bess die Schürze weg, verschwand aus dem Zimmer und schien das ganze Licht mitzunehmen.

"Ich bin froh, dass du das gesagt hast. Das liebe Kind ist zu sehr mit seinen künstlerischen Träumen beschäftigt für dieses Alter. Das ist auch meine Schuld, aber ich fühle so sehr mit, dass ich manchmal vergesse, was vernünftiger für sie wäre", seufzte Amy und deckte das Baby vorsichtig mit einem nassen Handtuch zu.

"Ich glaube, dass die Fähigkeit, sich vollständig in unsere Kinder hineinzuversetzen, ´zu den schönsten Dingen im Leben gehört. Aber ich versuche mich immer daran zu erinnern, was Mami einmal zu Meg gesagt hat – dass die Väter immer ihren Anteil an der Erziehung von Mädchen und Jungen bekommen sollten; deshalb überlasse ich Ted seinem Vater, so oft ich kann, während Fritz mir immer wieder Rob leiht, dessen ruhige Art für mich ebenso erholsam und gut ist wie Teds Gefühlsausbrüche für seinen Vater. Ich rate dir, Amy, lass Bess nun eine Zeit lang ihre Tonkunstwerke vergessen und mit Laurie Musik machen; das erweitert ihren Horizont und dein Mann wird nicht eifersüchtig."

"Hört, hört! Ein Daniel - ein echter Daniel!", rief Laurie erfreut. "Ich dachte schon, dass du mir beispringen und ein gutes Wort für mich einlegen würdest, Jo. Ich bin tatsächlich ein wenig eifersüchtig auf Amy und möchte mehr von meinem Mädchen haben. Kommt, Mylady, lasst sie mir für diesen Sommer, und nächstes Jahr, wenn wir nach Rom fahren, überlasse ich sie Euch und der hohen Kunst. Ist das nicht ein gutes Geschäft?"

"Einverstanden; aber wenn du ihr deine Hobbies, Natur und Musik, näherbringen möchtest, vergiss dabei nicht, dass unsere Bess, obwohl sie erst fünfzehn Jahre alt ist, reifer ist als die meisten Mädchen in diesem Alter und nicht wie ein Kind behandelt werden sollte. Sie ist mir so kostbar, dass ich sie immer so rein und schön halten möchte wie den Gips, den sie so sehr liebt."

In Amys Stimme lag ein bedauernder Tonfall, während sie sich in dem schönen Zimmer umsah, in dem sie so viele glückliche Stunden mit ihrem lieben Kind verbracht hatte.

" 'Einer nach dem anderen, das ist nur gerecht', wie wir zu sagen pflegten, als wir alle auf 'Ellen Tree' reiten oder die rostroten Stiefel tragen wollten", sagte Jo munter; "genauso solltet ihr euer Mädchen unter euch aufteilen und herausfinden, wer ihr am meisten beibringen wird."

"Das werden wir", antworteten die liebevollen Eltern und lachten über die Erinnerungen, die Jos Sprichwort in ihnen wachrief.

"Wie habe ich es genossen, auf den Ästen des alten Apfelbaums herumzuhüpfen! Kein echtes Pferd hat mir je auch nur halb so viel Freude und sportliche Betätigung bereitet", sagte Amy und schaute aus dem hohen Fenster, als sähe sie dort den lieb gewonnenen alten Obstgarten und die kleinen Mädchen beim Spielen.

"Und was für einen Spaß ich mit diesen himmlischen Stiefeln hatte!", lachte Jo. "Ich habe die Überreste immer noch. Die Jungs haben sie fast vollständig ruiniert, aber ich liebe sie immer noch und würde gerne mal wieder theatralisch in ihnen herumstapfen, wenn es möglich wäre."

"Meine schönsten Erinnerungen ranken sich um die Wärmflasche und die Wurst. Was haben wir für Blödsinn vollführt! Und wie lange es her ist", sagte Laurie und starrte die beiden Frauen vor sich an, als fiele es ihm schwer zu begreifen, dass sie einmal die kleine Amy und die ausgelassene Jo gewesen waren.

"Unterstell' uns bloß nicht, dass wir alt werden, mein Herr. Wir sind gerade erst erblüht, und unsere Knospen ergeben zusammen einen sehr schönen Strauß", antwortete Amy und glättete die Falten ihres rötlichen Musselinstoffs mit der gewissen Verliebtheit, die jedes Mädchen bei einem neuen Kleid zu zeigen pflegt.

"Ganz zu schweigen von den Dornen und dem Laub", fügte Jo seufzend hinzu. Ihr Leben war nie leicht gewesen, und selbst jetzt hatte sie noch ihre Probleme mit sich selbst und der Welt.

"Komm mit, trink eine Tasse Tee, meine Liebe, und sieh dir an, was die jungen Leute so treiben. Ihr seid beide müde und wollt 'mit Blumen erquicket werden und euch an Äpfeln laben' ", sagte Laurie, bot jeder Schwester einen Arm an und führte sie zum Nachmittagstee, der auf dem Parnass so reichlich floss wie der Nektar auf dem Berg der griechischen Mythologie. [Lauries Zitat stammt aus dem Hohelied Salomos Vers 2:5. Anm. des Übersetzers]

Sie fanden Meg im Sommersalon, einem luftigen und entzückenden Raum, der gerade von der Nachmittagssonne und dem Rauschen der Bäume erfüllt war, denn die drei langen Fenster gingen alle zum Garten hinaus. An einem Ende befand sich das große Musikzimmer, am anderen, in einer tiefen Nische mit violetten Vorhängen, war ein kleiner Hausschrein eingerichtet worden. Dort hingen drei Porträts, in den Ecken befanden sich zwei Gipsbüsten, während ein Sofa und ein ovaler Tisch mit einer Blumenurne die einzigen Möbelstücke waren, die dort standen. Die Büsten stellten John Brooke und Beth dar – Amys Werk – und waren beide fast lebensecht getroffen und von jener friedlichen Schönheit, bei der einem immer das Sprichwort einfällt: "Ton steht für das Leben, Gips für den Tod, Marmor für die Unsterblichkeit." Auf der rechten Seite hing, wie es sich für den Gründer des Hauses gehörte, das Porträt von Mr. Laurence, mit einem Ausdruck von Stolz und Wohlwollen, der so erfrischend und anziehend war wie damals, als er das Mädchen Jo dabei ertappte, wie es das Bild bewunderte. Gegenüber befand sich Tante March, deren Abbild eine Dame mit imposantem Turban, ausladenden Ärmeln und langen Handschuhen zeigte, die auf der Vorderseite ihres pflaumenblauen Satinkleides schicklich gekreuzt waren. Die Zeit hatte ihr strenges Aussehen etwas abgemildert, und der starre Blick des gut aussehenden, alten Herrn gegenüber schien das freundliche Lächeln auf den Lippen zu erklären, über die seit Jahren kein spitzes Wort mehr gekommen war.

Auf dem Ehrenplatz, der von der warmen Sonne beschienen wurde und von einer grünen Girlande umrahmt war, strahlte dem Besucher Mamis liebevolles Gesicht entgegen, das ein großer, äußerst begabter und mit ihr befreundetet Künstler gemalt hatte, als dieser noch arm und unbekannt gewesen war. Es war so schön und lebensecht, dass es auf ihre Töchter herabzulächeln und fröhlich zu sagen schien: "Seid glücklich, ich bin immer noch bei euch."

Die drei Schwestern standen einen Moment still da und betrachteten das geliebte Bild mit Augen voller zärtlicher Ehrfurcht und der Sehnsucht, die nie abgeebbt war, denn diese großmütige Mutter hatte ihnen so viel bedeutet, dass niemand jemals ihren Platz einnehmen konnte. Nur zwei Jahre waren vergangen, seit sie für immer fortgegangen war, um woanders neu zu leben und zu lieben, und die Erinnerung an sie war für alle im Haus eine Inspiration und ein stetiger Trost geblieben. Alle spürten dies, als sie sich dem Bild etwas näherten, und Laurie drückte es in Worten aus, als er leise sagte:

"Ich kann mir nichts Besseres für mein Kind wünschen, als dass sie eine Frau wie eure Mutter wird. Ich bete zu Gott, dass sie es wird, und werde mein Bestes dafür tun, denn ich verdanke fast alles, was ich bin und was ich kann, dieser lieben Heiligen."

In diesem Augenblick begann eine klare Stimme im Musikzimmer das "Ave Maria" zu singen, und Bess wiederholte damit unbewusst das Gebet ihres Vaters für sie, während sie pflichtbewusst seinen Wünschen nachkam. Der sanfte Klang des Liedes, das Mami zu singen pflegte, brachte die Zuhörer aus der Welt, in der sie sich nach dem Geliebten und Verlorenen sehnten, zurück in die Wirklichkeit, und sie setzten sich gemeinsam an die offenen Fenster, um die Musik zu genießen, während Laurie ihnen Tee brachte.

Dann kamen Nat und Demi herein, gefolgt von Ted und Josie, dem Professor und seinem treuen Rob, die alle gespannt waren, mehr über "die Jungs" zu erfahren. Das Klirren von Tassen und die Gespräche wurde lebhafter, sodass die untergehende Sonne bald auf eine fröhliche Gesellschaft blickte, die sich in dem hellen Raum von den vielfältigen Arbeiten des Tages erholte.

Professor Bär war grau geworden, aber so robust und genial wie immer; denn er tat die Arbeit, die er liebte, und er verrichtete sie so herzlich, dass das ganze Kollegium seinen erfrischenden Einfluss spürte. Rob war ihm so ähnlich, wie es für einen Jungen nur möglich war, und wurde bereits der "junge Professor" genannt, so sehr liebte er das Studium der Bücher und ahmte seinen verehrten Vater in jeder Hinsicht genauestens nach.

"Nun, meine Herzallerliebste, dann bekommen wir wohl unsere Jungen wieder, gleich alle zwei, und dürfen uns sehr freuen", sagte Mr. Bär, setzte sich mit strahlendem Gesicht neben Jo und drückte ihr gratulierend die Hände.

"Ach, Fritz, ich freue mich so sehr für Emil, und natürlich auch für Franz. Kennst du Ludmilla? Passt sie gut zu ihm?", fragte Jo, reichte ihm ihre Tasse Tee und rückte näher an ihn heran, ihrer wahren Zuflucht sowohl in Freude als auch in Trauer.

"Ich glaube, die beiden sind ein gutes Paar. Ich habe das Mädchen früher einmal getroffen. Sie war damals noch ein Kind, aber äußerst lieb und charmant. Blumenthal ist zufrieden, denke ich, und der Junge wird auch glücklich sein. Er ist zu Deutsch, um außerhalb des Vaterlandes glücklich zu werden, also wird er unser Bindeglied zwischen der Neuen und der Alten Welt werden, und das freut mich sehr."

"Und Emil soll auf der nächsten Reise Zweiter Maat werden, ist das nicht schön? Ich bin so glücklich, dass deine beiden Jungs es geschafft haben; du hast so viel für sie und ihre Mutter aufgegeben und tust immer so, als sei das selbstverständlich gewesen, mein Lieber, aber ich vergesse es nie", sagte Jo und legte ihre Hand so gefühlsbetont in die seine, als wäre sie wieder ein Mädchen und ihr Fritz auf Freiersfüßen.

Er lachte wie immer fröhlich und flüsterte hinter ihrem Fächer: "Wenn ich nicht wegen der armen Jungs nach Amerika gekommen wäre, hätte ich doch meine Jo nie gefunden. Die harten Zeiten sind sehr süß geworden, und ich danke Gott für alles, was ich zu verlieren schien, denn ich habe dafür den Segen meines Lebens gewonnen."

"Schmusealarm! Hier wird heimlich geflirtet", rief Teddy, der gerade in diesem besonderen Moment über den Fächer spähte, sehr zur Verwirrung seiner Mutter und zur Belustigung seines Vaters – obwohl sich der Professor nie dafür schämte, dass er seine Frau immer noch für die beste Frau der Welt hielt. Prompt schubste Rob seinen Bruder aus dem einen Fenster, nur um ihn durch das andere wieder hereinhüpfen zu sehen, während Jo ihren Fächer schloss und ihn bereithielt, um ihrem widerspenstigen Jungen auf die Finger zu klopfen, falls er sich ihr erneut nähern sollte.

Als Mr. Bär mit dem Teelöffel winkte, ging Nat direkt auf ihn zu und baute sich vor ihm auf. In seinem Gesicht war die respektvolle Zuneigung, die er für den famosen Mann empfand, der so viel für ihn getan hatte, abzulesen.

"Ich habe die Briefe für dich bereit, mein Sohn. Sie gehen an zwei alte Freunde von mir in Leipzig, die dir einen guten Start in dein neues Leben ermöglichen werden. Du wirst sie brauchen, denn am Anfang hat jeder nicht nur mit Heimweh zu kämpfen, Nat, sondern wird auch Trost benötigen", sagte der Professor und gab ihm mehrere Briefe.

"Danke, Sir. Ich glaube schon, dass ich ziemlich einsam sein werde, bis es richtig los geht, aber dann werden mich meine Musik und die Hoffnung, besser zu werden, schon aufmuntern", antwortete Nat, der sich danach sehnte und gleichzeitig fürchtete, all diese Freunde hinter sich zu lassen und neue zu finden.

Er war mittlerweile ein Mann geworden, aber die blauen Augen waren so ehrlich wie immer, der Mund immer noch ein wenig weich, trotz des sorgfältig gepflegten Schnurrbarts darüber, und die breite Stirn verriet deutlicher als je zuvor die musikbegeisterte Natur des Jungen. Bescheiden, liebevoll und pflichtbewusst, wurde Nat von Jo als freudiger, wenn auch nicht herausragender Erfolg betrachtet. Sie liebte ihn und vertraute ihm und war sich sicher, dass er sein Bestes geben würde – aber sie erwartete nicht, dass er in irgendeiner Weise großartig oder berühmt werden würde, es sei denn, der Anreiz einer Ausbildung in der Fremde und die damit verbundene Selbstständigkeit machten ihn zu einem besseren Künstler und einem stärkeren Mann, als sie voraussah.

"Ich – oder besser gesagt, Daisy – haben alle deine Sachen markiert, und sobald du deine Bücher beisammen hast, können wir ans Packen gehen", sagte Jo, die so daran gewöhnt war, Jungen in die ganze Welt zu verfrachten, sodass eine Reise zum Nordpol für sie kein Problem gewesen wäre.

Bei der Erwähnung dieses Namens wurde Nat rot – oder war es doch das letzte Glühen des Sonnenuntergangs auf seinen eher blassen Wangen? Jedenfalls schlug sein Herz etwas schneller bei dem Gedanken an das liebe Mädchen, das Ns und Bs auf seine bescheidenen Socken und Taschentücher gestickt hatte. Nat betete Daisy geradezu an, und der geheime Traum seines Lebens war es, sich als Musiker verdingen zu können und diesen Engel als Ehefrau zu gewinnen. Diese Hoffnung brachte ihn weiter als die Ratschläge des Professors, Jos Fürsorge oder die großzügige Hilfe von Herrn Laurie. Ihr zuliebe arbeitete, wartete und hoffte er, und der Traum von einer glücklichen Zukunft, in der Daisy ihm ein kleines Heim bereiten und er ihr ein Vermögen in den Schoß legen konnte, spendete ihm Mut und Geduld. Jo wusste das, und obwohl er nicht gerade der Mann war, den sie für ihre Nichte ausgesucht hätte, spürte sie, dass Nat immer genau die weise und liebevolle Fürsorge brauchen würde, die Daisy ihm geben konnte, und dass ohne sie die Gefahr bestand, dass er zu den liebenswürdigen, aber ziellos umherirrenden Männern gehören würde, die scheitern, weil ihnen der richtige Lotse fehlte, der sie sicher durch die Welt lenkte. Meg wollte nichts von den Liebesbezeigungen des armen Jungen wissen und wollte ihr liebes Mädchen einfach nur dem besten Mann geben, den es auf der Welt gab. Sie war sehr nett, aber gleichzeitig so unnachgiebig, wie es solch sanfte Seelen nur sein können, und Nat flüchtete sich zum Trost stets zu Jo, die sich immer für die Interessen ihrer Jungen einsetzte. Jetzt, da diese heranwuchsen, traten neue Sorgen auf, und sie sah in den Liebesaffären, die in ihrer Herde bereits aufkeimten, sowohl endlosen Kummer als auch fortwährendes Vergnügen voraus. Normalerweise war Meg ihre beste Verbündete und Beraterin, denn sie liebte Romanzen immer noch so sehr wie damals, als sie selbst noch ein Mädchen gewesen war. Aber in diesem Fall war ihr Herz verhärtet und sie wollte Jos Flehen nicht hören. Nat war nicht Manns genug, würde es wohl nie sein, niemand kannte seine Familie, das Leben eines Musikers war hart, Daisy war zu jung, vielleicht in fünf oder sechs Jahren, mal sehen, wie ihn die Fremde verändert, und so weiter, und so fort." Damit war alles gesagt, und wenn die mütterliche Henne einmal erregt war, dann konnte sie sehr standhaft sein, obwohl sie sich für ihre kostbaren Kinder die letzte Feder ausgerupft und den letzten Tropfen ihres Blutes gegeben hätte.

Jo musste genau daran denken, als sie Nat ansah, während er sich mit ihrem Mann über Leipzig unterhielt, und sie nahm sich vor, mit ihm ein klares Einvernehmen zu erzielen, bevor er abreiste; sie war an Vertrautheiten gewöhnt und sprach mit ihren Jungen ungezwungen über die Prüfungen und Versuchungen, die zwangsläufig jedes Leben heimsuchen und es so oft verderben, wenn man nicht das richtige Wort zur rechten Zeit findet.

Dies ist die erste Pflicht der Eltern, und kein falscher Leichtsinn sollte sie von der wachsamen Sorge und der sanften Warnung abhalten, die Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung zum Kompass und Lotsen der Jungen macht, wenn sie den sicheren Hafen des Hauses verlassen.

"Platon und seine Jünger kommen", verkündete der respektlose Teddy, als Mr. March mit mehreren jungen Männern und Frauen im Schlepptau eintrat. Der kluge alte Mann war allseits beliebt und diente seiner Herde so wunderbar, dass viele seiner Schutzbefohlenen ihm ihr Leben lang für die Hilfe dankten, die er ihren Herzen und Seelen spendete.

Bess ging sofort zu ihm; denn seit Mami gestorben war, galt Großpapa ihr besonderes Augenmerk, und es war süß zu sehen, wie sich das goldene Haupt über das silberne beugte, als sie ihm seinen Sessel hin rollte und ihn mit zärtlichem Eifer bediente.

"Hier gibt es stets geschmackvollen Tee, Sir; möchten Sie eine Tasse davon, oder lieber ein Stückchen Ambrosia?", fragte Laurie, der mit einer Zuckerdose in der einen und einem Teller Kuchen in der anderen Hand herumlief, weil Tassen zu versüßen und Hungrige zu füttern eine Arbeit war, die er besonders liebte.

"Weder noch, danke; dieses Kind hat bereits für mich gesorgt", erwiderte Mr. March und zeigte auf Bess, die auf einer Armlehne seines Stuhls saß und ein Glas mit frischer Milch bereithielt.

"Gott schenke ihr dafür ein langes Leben, Sir; und ich bin hoffentlich hier, um diesen schönen Widerspruch zu dem Lied zu sehen, in dem es heißt, dass "Jugend und Alter nicht zusammenleben können!", antwortete Laurie und lächelte über das ungleiche Paar.

"Jung gebliebenes Alter, Papa, das macht einen großen Unterschied", erwiderte Bess, die Gedichte liebte und nur die besten las.

"Wenn ich frische Rosen wachsen seh', in einem Bett aus Schnee!", zitierte Mr. March, als Josie kam und sich auf den anderen Arm setzte. Sie sah selbst aus wie eine sehr dornige Rose, weil sie gerade eine heiße Diskussion mit Ted hinter sich und den Kürzeren gezogen hatte.

"Großvater, müssen Frauen immer den Männern gehorchen und sagen, dass sie die Klügsten sind, nur weil sie mehr Kraft haben?", rief sie mit einem wütenden Seitenblick auf ihren Cousin, der mit einem provozierenden Lächeln auf dem jungenhaften Gesicht, das ob seiner hochgewachsenen Gestalt immer sehr komisch wirkte, auf sie zustürmte.

"Nun, meine Liebe, das ist eine sehr altmodische Auffassung, und es wird noch einige Zeit dauern, bis sich diese ändert. Aber ich glaube, die Stunde der Frau hat geschlagen, und mir scheint, dass die Jungen fortan ihr Bestes geben müssen, denn mittlerweile sind die Mädchen in der Überzahl und könnten das Ziel zuerst erreichen", antwortete Mr. March und betrachtete die strahlenden Gesichter der jungen Frauen, die zu den besten Schülern des Colleges gehörten, mit väterlicher Zufriedenheit.

"Leider werden die armen kleinen Atalantas durch die Hindernisse, die ihnen in den Weg geworfen werden, etwas abgelenkt und aufgehalten – und das sind mitnichten keine goldenen Äpfel; dennoch glaube ich, dass sie eine gute Chance haben werden, wenn sie erst einmal gelernt haben, besser zu laufen", lachte Onkel Laurie und streichelte Josies zerzaustes Haar, das sich wie das Fell eines wütenden Kätzchens aufrichtete.

"Ganze Fässer voller Äpfel werden mich nicht aufhalten, wenn ich einmal loslaufe, und ein Dutzend Teds schon gar nicht. Er soll es nur versuchen. Ich werde ihm zeigen, dass eine Frau genauso gut, wenn nicht sogar besser, handeln kann als ein Mann. So etwas ist bereits geschehen und wird es wieder – und ich werde nie zugeben, dass mein Gehirn nicht so gut ist wie seins, auch wenn es kleiner sein mag", rief die erhitzte, junge Person.

"Wenn du deinen Kopf so heftig schüttelst, wirst du noch dein letztes bisschen Hirn ruinieren, und an deiner Stelle würde ich darauf aufpassen", witzelte Ted neckend.

"Was, bitte schön, hat denn diesen Bürgerkrieg ausgelöst?", fragte der Großvater mit einer sanften Betonung des Adjektivs, was die Streithähne dazu veranlasste, ihren Eifer ein wenig zu zügeln.

"Wir haben uns mit der Ilias beschäftigt und sind zu der Stelle gekommen, wo Zeus Juno sagt, sie solle sich nicht in seine Plänen einmischen, sonst würde er sie auspeitschen. Jo war empört, weil Juno kleinlaut schwieg, während ich sagte, es sei in Ordnung und dem alten Mann zustimmte, dass Frauen nicht viel im Kopf haben und den Männern gehorchen sollten", erklärte Ted zur großen Belustigung seiner Zuhörer.

"Göttinnen mögen tun, was sie wollen, aber diese griechischen und trojanischen Frauen waren arm dran, wenn sie sich um Männer kümmern mussten, die ihre Schlachten nicht selbst schlagen konnten und die Unterstützung von Pallas, Venus und Juno brauchten, wenn sie auf der Verliererseite standen. Allein der Gedanke – zwei Armeen halten inne und verweilen, während sich zwei Helden gegenseitig mit Steinen bewerfen! Ich halte nicht viel von deinem alten Homer. Meine Helden heißen Napoleon oder General Grant."

Josies Schelte war so komisch, als würde ein Kolibri einen Strauß beschimpfen, und alle lachten, während sie über den unsterblichen Dichter herzog und die Götter kritisierte.

"Napoleons Juno hat sich gut amüsiert, nicht wahr? Aber so sind die Mädchen eben – erst behaupten sie das Eine, dann das Andere", spottete Ted.

"Genau wie Johnsons junge Dame, die 'nicht parteiisch war, sondern sich von einer Seite auf die nächste schlug' ", fügte Onkel Laurie hinzu und amüsierte sich köstlich über den Streit.

"Ich habe nur von ihnen als Soldaten gesprochen. Aber was die Frauen betrifft, war Grant nicht ein liebenswürdiger Ehemann und Mrs. Grant eine glückliche Frau? Er drohte ihr nicht mit der Peitsche, wenn sie eine berechtigte Frage stellte; und auch, wenn Napoleon Josephine Unrecht tat, er konnte immerhin kämpfen und brauchte keine Minerva, die ihm zu Hilfe eilte. Irgendwie waren die alle blöd, vom geschniegelten Paris bis zu Achilles, der in seinen Schiffen schmollte. Ich jedenfalls werde meine Meinung nicht ändern, nicht einmal für alle Hektors und Agamemnons in Griechenland", blaffte Josie, die immer noch standhaft blieb.

"Jedenfalls kannst du wie ein Trojaner kämpfen, das ist schon mal klar; dann werden wir die beiden gehorsamen Armeen sein, die zusehen, während du und Ted den Kampf austragen", lachte Onkel Laurie und nahm die Haltung eines Kriegers ein, der sich auf seinen Speer stützte.

"Ich fürchte, wir müssen uns vertagen, denn Pallas ist im Begriff, herabzusteigen und unseren Hektor hier mitzunehmen", sagte Mr. March lächelnd, als Jo ihren Sohn daran erinnerte, dass gleich Zeit fürs Abendessen war.

"Wir werden es später ausfechten, wenn sich keine Göttinnen einmischen", beschloss Teddy und wandte sich mit ungewöhnlicher Eile ab, weil er an die Leckereien dachte, die ihm bevorstanden.

"Erobert von einem Muffin, beim Jupiter!", rief Josie ihm nach und freute sich über die Gelegenheit, den klassischen Ausruf benutzen zu dürfen, der ihrem Geschlecht sonst verboten war.

Aber bevor er sich brav zurückzog, Ted schoss noch einen parthischen Pfeil ab, indem er mit einem höchst tugendhaften Gesichtsausdruck antwortete:

"Gehorsam ist die erste Pflicht eines Soldaten."

Josie, die auf das Privileg ihres Geschlechts bedacht war, immer das letzte Wort zu haben, rannte hinter ihm her, brachte aber die bissige Antwort nicht mehr über ihre Lippen, als ein braungebrannter junger Mann in einem blauen Anzug die Treppe heraufgesprungen kam und fröhlich rief: "Ahoi! Ahoi! Wo sind denn alle?"

"Emil! Emil!", rief Josie. Ted war im Nu bei ihr und die kürzlichen Feinde beendeten ihren Streit mit einem freudigen Willkommen für den Neuankömmling.

Die Muffins waren schnell vergessen, als die Kinder ihren Cousin wie zwei penible kleine Schlepper ein edles Handelsschiff zurück in den Salon zogen, wo Emil alle Frauen küsste und den Männern die Hand schüttelte – mit Ausnahme seines Onkels, den er zur großen Freude aller Zuschauer auf die gute alte deutsche Art umarmte.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute schon abhauen könnte, aber als es dennoch möglich war, steuerte ich direkt auf das alte Plumfield zu. Aber keine Menschenseele dort, also luvte ich und machte mich auf den Weg zum Parnass – und hier seid ihr ja alle! Du meine Güte, wie froh ich bin, euch alle zu sehen", rief der Matrosenjunge und strahlte sie an, während er so breitbeinig dastand, als würde er noch immer das schaukelnde Deck unter seinen Füßen spüren.