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Der Sammelband enthält Buchbesprechungen und Schreibtipps, die zum Teil bereits veröffentlicht sind: bei den Internetmagazinen suite101 und Pagewizz oder in der Zeitung Oberhessische Presse.
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Seitenzahl: 104
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Titelseite
November ist internationaler Romanschreibe-Monat
Besprechung eines schlechten Romans
Der Magazinbericht als journalistische Stilform
Eisenbahnkönig Strousberg, sein Aufstieg und sein Fall
Sagen vom bretonischen Ende der Erde
Über Marburg wacht das Herz einer Heiligen
Unter Hörbüchern - als „Führhund“ auf der Frankfurter Buchmesse
Oliver Bottini: Jäger in der Nacht werden gejagt
Alexander Lohmann, Der Tag der Messer
Die Söhne der Schlange
Pratchetts Fantasy wird von Realität eingeholt
Eine Billion Dollar und die Zukunft der Menschheit
Inspector Barnaby in Buch und Film
Inspector Barnaby und die Esoteriker
Coetzee, Warten auf die Barbaren
Die posthume Autobiografie des Malers Volker Benninghoff
Haarsträubende und kuriose Geschichte vom Brenner
Der „stürmerische Drang“ des jungen Eduard
Die Steine in der Mauer
Pagewizz
Mario Wirz, Dichter
Rock ’n’ Roll auf der Scheibenwelt
Monstrous Regiment
Der weite Weg zum eigenen Hörbuch
Historischer Roman: „Das Erbe der Füchsin“
Das Volk der Dichter und Denker
Die Krim in der russischen Literatur
Die jüdische Zeichenkünstlerin
Als die Welt unterging …
Was ich nicht lesen will
Die beiden Leben des Dick Francis
Eva Finkenstädt
Impressum
Buchbesprechungen und Schreibtipps
suite101 war ein Internet-Magazin mit journalistischem Anspruch. Dazu gehörte, dass alle Artikel den entsprechenden Standards zu genügen hatten; ein Team qualifizierter und sehr engagierter Redakteure betreute die einzelnen Sparten.
Ich begann meine Arbeit dort mit diesem Artikel über den NaNoWriMo, den „National Novel Writing Month“; und ich war ungemein stolz, als der Fachredakteur den Artikel freigab mit den Worten: „Selten kommt es vor, dass bei einem ersten Artikel überhaupt nichts zu verbessern ist. Bei Ihnen ist das der Fall.“
Das Internet vereint auch Romanautoren. Beim National Novel Writing Month schreibt man nicht allein, sondern einen Monat lang in einer internationalen Community.
Am 1. November 2009 begannen wieder Punkt Mitternacht Tastaturen zu klappern und Federn über Papier zu kratzen. Mehr als 150.000 Menschen in über 90 Ländern brachen auf in das Abenteuer, einen Roman zu schreiben.
Für einen Monat lang wird ihr Alltagsleben zurücktreten ins zweite Glied. Eine andere Welt wird sie beanspruchen: die Welt ihrer Träume, ihrer Phantasie, ihrer Kreativität. Tagsüber mögen sie gelegentlich geistesabwesend wirken, aber abends werden sie sich in ihre Geschichten stürzen und all ihre Energie den Helden ihrer noch ungeschriebenen Romane widmen.
Ihr Ziel? Sie wollen das Abenteuer bestehen und die Herausforderung meistern, innerhalb eines Monats einen Roman von 50 000 Wörtern zu schreiben.
Die Geschichte des NaNoWriMo
1999 verabredeten sich in Kalifornien 21 Freunde, sich einen Monat lang dem Schreiben eines Romans zu widmen. Dummerweise hatten sie sich dafür einen Sommermonat ausgesucht. Trotz all der Ablenkungen eines kalifornischen Sommers hatten am Ende des Monats sechs von ihnen ihr Ziel erreicht, die Romane waren gar nicht so schlecht geworden wie erwartet, und vor allem: Es hatte allen so viel Spaß gemacht, dass sie sich gleich für das nächste Jahr wieder verabredeten. Allerdings dann doch lieber für den November, den sie kurzerhand zum nationalen Monat des Romanschreibens erklärten - zum „National Novel Writing Month“.
Ihr Beispiel machte Schule. Immer mehr Menschen schlossen sich ihnen an. Schon im Jahr 2000 gab es eine Website, und es waren Teilnehmer aus Kanada dabei. 2007 wurde die Grenze von 100 000 Teilnehmern geknackt, von denen über 15 000 ihr Ziel erreicht haben. Allen hat es Freude gemacht, sich einer so kreativen Gemeinschaft zu befinden, gemeinsam auf ein Ziel hinzusteuern, sich in Foren auszutauschen und ermutigende E-Mails zu bekommen.
Dutzende der bei NaNoWriMo entstandenen Romane haben auch Verleger gefunden und sind veröffentlicht worden. Natürlich nicht, ohne vorher gründlich überarbeitet worden zu sein.
Warum sollte jemand einen Roman in einem Monat schreiben wollen?
Vor allem: Es macht Spaß. Es vereint die wichtigsten Antriebsfedern: Zeit, Motivation und Ziel.
Das Schreiben rutscht auf der To-do-Liste nicht immer weiter nach unten. Es hat einen festen Termin.
In der Gruppe ist es leichter, durchzuhalten.
Die Teilnehmer befinden sich in einem Wettbewerb; die Zahl der geschriebenen Wörter kann täglich aktualisiert und verglichen werden.
Der Schreiber konzentriert sich einen Monat lang ganz auf seine Figuren.
Wer das anvisierte Ziel erreichen will, darf zwischendurch keinen Tag Pause machen. Das erleichtert es den Figuren, ein Eigenleben zu entwickeln und die Geschichte voranzutreiben.
Das Schreiben wird zu einer Herausforderung und einem Abenteuer. Das nimmt ihm den Schrecken, den es manchmal haben kann.
Perfektionisten haben keine Chance. Sie müssen einfach drauflosschreiben. Qualitative Kriterien sind erst im Dezember wieder dran.
Was braucht ein Mensch, der einen Roman schreiben will? NaNoWriMo meint: eine strenge Deadline und sehr, sehr viel Kaffee.
Und was tun die Romanautoren am 1. Dezember?
Zunächst feiert man weltweit große Thank-God-it’s-Over-Parties. Dann wacht jeder allmählich aus seinem Schaffensrausch auf. Wer es geschafft hat, 50 000 Wörter zu schreiben, bekommt ein Zertifikat.
Wer auf der Suche nach Aufregung und Abenteuer war, tut nun etwas anderes. Vielleicht ein Haus bauen oder einen Baum pflanzen. Und er kann sein Leben lang mit Stolz verkünden, dass er einmal, einmal einen Roman geschrieben hat.
Ernsthafte Autoren finden sich nach dem Schreib-Marathon vor einem Berg von Rohmaterial wieder, das nun sortiert, ergänzt, gefeilt - mit einem Wort: bearbeitet werden muss. Und das ist dann die eigentliche Arbeit.
Diesem ersten Artikel bei suite101 folgten über hundert weitere aus allen möglichen Wissensgebieten. In die vorliegende Sammlung wurden diejenigen aufgenommen, die sich direkt mit dem Lesen und dem Schreiben beschäftigen. Kommen wir zunächst zum Schreiben – auch wenn es jetzt auf den ersten Blick nicht so aussieht:
Von guten Autoren kann der angehende Schriftsteller viel lernen. Aber misslungene Bücher können ihm zeigen, welche Fehler er vermeiden sollte.
Der Roman „Der Herzschlag der Sehnsucht“ spielt auf einem schottischen Schloss während des Zweiten Weltkriegs. Leider ist das Buch sehr langweilig, und man kann schön beobachten, dass die Autorin viele grundlegende Regeln für das Schreiben guter Romane nicht beachtet hat.
Figuren schaffen, die lebendig sind und Emotionen wecken
Der Leser weiß bis zum Schluss nicht, wer in „Der Herzschlag der Sehnsucht“ die Hauptfigur ist. Die Schlossherrin Annie vielleicht? Oder doch eher ihre Tochter Heather? Beide machen keinen wirklich lebendigen Eindruck, sie bleiben eindimensional. Zwar behauptet die Autorin immer wieder, es gebe tiefe seelische Abgründe in ihnen. Aber was hat der Leser davon, das gesagt zu bekommen? Er will es miterleben. Und so etwas überzeugt ihn nicht:
„Dennoch konnte Annie die anklagenden Stimmen in ihrem Kopf nicht gänzlich zum Schweigen bringen. […] Diese Stimmen – sie hatten Annie geformt. Sie hatten aus ihr das gemacht, was sie heute war: die unfreiwillige Herrin eines […] Schlosses […]“
Ja, das ist jetzt natürlich sehr betrüblich. Aber wirklich nachvollziehen kann es der Leser beim besten Willen nicht. Dazu müsste er zumindest wissen, was die Stimmen zu sagen hatten. Das ist keine Figur, mit der man mitleiden, mitfiebern, sich mitfreuen kann. Das ist eine abstrakte Konstruktion.
Die Figuren in Konflikte stürzen
In einem spannenden Roman haben wir einen Helden, der in die Bredouille gerät. Klassisch ist die Variante mit einem Widersacher und einem Gefährten. Aber auch innere Konflikte können den Leser mitreißen, wenn sie entsprechend beschrieben sind.
In „Der Herzschlag der Sehnsucht“ plätschert das Geschehen vor sich hin, es tut der eine dies, es tut der andre jenes, Figuren tauchen auf oder verlassen die Bühne, Jahre gehen ins Land, und es ist vom Anfang bis zum Ende nicht ersichtlich, welche Geschichte eigentlich erzählt werden soll. Am Schluss wird noch gesagt, was all die Figuren dann in den kommenden Jahren noch getan haben werden, wer inzwischen gestorben ist, wer geheiratet und wer Kinder bekommen hat. Ein Abend mit alten Urlaubsdias könnte langweiliger nicht sein.
Eine spannende Geschichte erzählen
Eine spannende Geschichte setzt einen Handlungsablauf voraus. Figuren, die uns sympathisch sind, geraten in eine Situation, die ausweglos erscheint, und wir kauen vor Spannung die Fingernägel. Wird es unserem Liebling gelingen, aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen?
In diesem Roman ist von Spannung keine Spur. Nicht nur, weil einzelne Episoden erzählt werden oder weil uns die Figuren nicht berühren. Außerdem schwimmen sie auch noch mit einer befremdlichen Indifferenz durch die Geschichte, als wäre es ihnen völlig gleichgültig, was mit ihnen geschieht. Der Leser kann an jeder beliebigen Stelle das Buch zuklappen. Um seinen Nachtschlaf braucht er nicht zu fürchten.
Eine Prämisse aufstellen und sie einer Bewährungsprobe aussetzen
Im Verlaufe eines Romans sollte sich etwas verändern. Die Hauptfigur sollte reifen an den Konflikten, die sie durchlebt, oder sie sollte an ihnen scheitern, die Welt sollte gerettet werden oder das Böse triumphieren.
James N. Frey erklärt in dem lesenswerten Ratgeber „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“, dass diese Veränderung in eine knappe Sentenz zu fassen sein sollte, ähnlich einem Sprichwort. Der Roman soll eine Botschaft vermitteln und sie durch seine Geschichte belegen.
Erfunden hat dieses Prinzip der Autorenratgeber Lajos Egri. Sein Buch „Dramatisches Schreiben“ erschien bereits 1946 und gilt bis heute als Standardwerk.
Angenommen, die Prämisse lautet „wahre Liebe überwindet alle Hindernisse“, dann muss es schon ein paar Hindernisse in dem Buch geben, die überwunden werden können. Die Prämisse soll dynamisch sein, eine Entwicklung beinhalten, die im Roman erzählt wird.
In „Der Herzschlag der Sehnsucht“ entwickelt sich nichts. Es werden nur alle ein paar Jahre älter.
Gute Dialoge, sinnliche Prosa
Am ermüdendsten ist dieser Roman, wenn seine Figuren zu reden beginnen. In anderen Büchern tragen Dialoge zur Belebung bei, aber dann müssen die Leute auch auf den Punkt kommen, eine Meinung äußern, etwas von sich preisgeben oder die Handlung vorantreiben. Hier reden sie vor sich hin wie im richtigen Leben, als hätten sie nichts Besseres zu tun, sie betreiben seitenweise gepflegte Konversation, und der Leser quält sich Seite um Seite vorwärts. All das will keiner wirklich wissen.
Der Mensch hat fünf Sinne. Gute Prosa spricht sie alle an. Dadurch wird eine Szene nachvollziehbar, und dann kann der Leser auch die Gefühle und Gedanken der Figuren mitempfinden. An einer beliebigen Stelle aufgeschlagen, den ersten Absatz gelesen:
„Ohne die starken Augengläser sah er nicht einmal schlecht aus, obwohl sein Gesicht im Augenblick nur Angst und Verwundbarkeit ausdrückte. Heather sah ihn an und verspürte eine Welle von Mitleid.“
Das ist nicht erlebt, nicht mit allen fünf Sinnen erfahren, und deshalb kann der Leser es auch nicht miterleben. Das ist ausgedacht und völlig abstrakt mitgeteilt. Oder hatten Sie das Gefühl, diese beiden Sätze könnten direkt zu einer ungewollten Schwangerschaft führen? So schreibt man keine Romane, sondern Sachbücher.
Überarbeiten, streichen und umschreiben
Offenbar hatte dieser Roman eine Reihe von Vorgängern, in denen es um die selbe Familie ging. Nun fühlt sich die Autorin bemüßigt, die wesentlichen Inhalte dieser Vorgängerromane in die vorliegende Geschichte einzuflechten. Dabei haben sie nicht das Geringste damit zu tun, und man könnte das Buch ohne jeglichen Verlust lesen, ohne zu wissen, wer zwanzig Jahre zuvor mit wem eine Liebschaft oder einen Streit gehabt hat.
Aber leider – es ist dem Leser nicht vergönnt. Er soll sich für Figuren interessieren, die uninteressant sind und keinerlei Sympathie in ihm wecken; er soll eine Geschichte lesen, die aus belanglosen Episoden besteht und keinen Spannungsbogen hat; er soll aus abstrakter Prosa sinnliche und emotionale Eindrücke ziehen; und zusätzlich soll er auch noch Rückblenden verkraften, die mit der Gegenwart des Romans nichts zu tun haben.
Der sehr wesentliche Punkt „überarbeiten und umschreiben“ ist bei diesem Buch offensichtlich zu kurz gekommen. Er wurde wohl in Eile geschrieben. Schade. Und wer hat eigentlich diesen nichtssagenden Titel erfunden?
Alexandra Jones: Der Herzschlag der Sehnsucht. Bastei Lübbe. 8,95 Euro.
James N. Frey: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt. Emons-Verlag. 16,80 Euro.
Der Zeitungsjournalist hat es leichter: Entweder er macht aus seiner Nachricht eine Meldung, in der er kurz und knapp erklärt, wer was getan hat, samt allen Begleitumständen und der Quelle seines Wissens. Oder er bastelt noch ein bisschen was drumrum, erklärt die Hintergründe, blickt in die Zukunft. Dann hat er einen Zeitungsbericht geschrieben.
Der Zeitschriftenbericht und seine Anforderungen
Wenn eine Zeitschrift erscheint, haben ziemlich alle ihre Leser die reine Nachricht bereits zur Kenntnis genommen. Sie ist durch die Tagespresse gegangen, im Radio und im Fernsehen gesendet worden. Man weiß schon, was passiert ist. Ähnliches gilt für Internetmagazine wie Suite101. Zwar können sie gelegentlich hochaktuell sein, aber gelesen werden sollen sie tendenziell auch in späteren Jahren noch. Deshalb gilt für Magazine, egal ob Print oder online: Ein Magazinbericht muss interessanter sein. Er muss wissenswerte Hintergründe enthalten, er muss persönliches Interesse wecken, und er muss sehr gut geschrieben sein. Eine Anleitung gibt Volker Wolff in seinem Buch „ABC des Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus“.
Titel und Teaser
Der Titel eines Magazinberichts kann im Printbereich durchaus phantasievoll sein. Der Spiegel hat sogar lange Zeit Wert darauf gelegt, dass die Überschrift ein Rätsel aufgibt, das erst im hinteren Teil des Textes gelöst wird. Im Online-Journalismus hat sich der Titel daran zu orientieren, dass Suchmaschinen ihn finden müssen. Das schränkt den Autor ein wenig ein. Der Vorspann oder Teaser, gelegentlich auch der Untertitel, müssen dann aber wieder in beiden Fällen klar und deutlich sagen, worum es geht. Sie enthalten nicht wie ein Zeitungsbericht die Hauptnachricht, sondern die These, die Leitidee des gesamten Berichtes. Sie sollen nicht informieren, sondern neugierig machen.
Das Portal – der Mann mit der roten Mütze und die Geschichte in der Nussschale