Klima schützen kinderleicht - Maik Meuser - E-Book

Klima schützen kinderleicht E-Book

Maik Meuser

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Beschreibung

Dieses Buch zeigt, wie Klimaschutz im Familienalltag gelingt

• Die sympathische Geschichte einer Familie, die zeigt, wie wir klimafreundlicher leben können

• Praktische Tipps und viele Anleitungen zum Selbermachen im Haushalt

Hintergrundinfos darüber, warum wir heute handeln müssen

Das Klima zu retten ist natürlich nicht kinderleicht – aber erste Schritte können es in der Tat sein. Dass das auch mit zwei Jobs und drei Kindern gelingt und durchaus Spaß machen kann, zeigen Nicole und Maik Meuser in diesem sehr persönlichen Buch. Die beiden haben gemeinsam mit ihren Kindern vieles probiert und wissen, was wirklich hilft und auf was man verzichten kann.

In ihrem Buch beschreiben sie, was sich bewährt hat:

• Einzelne Themen-Kapitel schaffen einen schnellen Überblick: Weniger Plastik – Essen – Verkehr – Einkaufen – Strom – Pflanzen

Checklisten am Ende jedes Kapitels zeigen, was wir jetzt für das Klima tun können

Info- und Tippkästen erklären Hintergründe und laden dazu ein, selbst loszulegen

• Spannende Reportagen führen an die Schauplätze, an denen der Klimawandel heute schon zeigt: Wir müssen handeln!

Eine Familie macht den Selbstversuch:

Alles beginnt an einem Silvesterabend: Maik und Nicole Meuser nehmen sich vor, ihren schon lange gehegten Wunsch nach einem ökologisch nachhaltigen Leben in die Tat umzusetzen. Denn als dreifache Eltern wissen sie, dass sich heute entscheidet, welche Welt unsere Kinder in Zukunft erwartet. Gemeinsam nehmen sie das Familienleben unter die Lupe: Sie vermeiden unnötigen Müll, essen gesünder, kaufen Klamotten und Spielzeug bewusster ein. Und trotz gelegentlicher Rückschläge zeigt sich schnell, wie gut auch den Kindern der neue Lebenswandel gefällt. Ihre Geschichte ist eine echte Inspiration für alle, die es auch probieren wollen.

Maik, Nicole und ihre Kinder haben es geschafft, als Familie klimafreundlicher zu leben und hier zeigen sie, wie auch uns das gelingen kann!

Nachhaltige und klimaneutrale Buchproduktion. Die Printausgabe dieses Buches wird vollständig auf Recyclingpapier gedruckt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 320

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Maik Meuser, Jahrgang 1976, war Redakteur bei arte und Moderator bei der Deutschen Welle. Er moderiert neben Peter Kloeppel die Hauptnachrichten von RTL. Daneben hat er mehrere investigative Reportagen für das RTL Nachtjournal produziert. 2017 erschien sein gemeinsam mit David Schraven und Wigbert Loer geschriebenes Buch Die Mafia in Deutschland. Seit 2019 ist er ein wichtiges Gesicht der Nachhaltigkeitswochen der Mediengruppe RTL. 2021 moderierte er erstmals das von ihm mitentwickelte Klima Update auf ntv.

Dr. Nicole Kallwies-Meuser, Jahrgang 1978, ist Director einer internationalen Unternehmensberatung mit Sitz in Berlin, Paris und Detroit. Sie studierte in Mannheim und Granada und promovierte am Romanischen Seminar der Universität Mannheim. Ihre Dissertation »Leichte Tiefe, komischer Ernst« erschien 2008 im Gardez Verlag.

Die beiden sind seit 14 Jahren verheiratet und haben drei Kinder im Schul- und Kindergartenalter. Seit 2019 schreiben sie gemeinsam den Nachhaltigkeitsblog Familie minus Plastik und haben einen gleichnamigen Podcast produziert.

Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook.

Maik Meuser Nicole Kallwies-Meuser

Klima schützen kinderleicht

Wie wir als Familie fast ohne Plastik leben, Energie sparen, anders essen – und Spaß dabei haben

Mit vielen praktischen Tipps

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright © 2022 Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Grafik: Sabine Timmann

Umschlaggestaltung: Hafen Werbeagentur Hamburg

Umschlagabbildung: Marina Weigel

Satz: Vornehm Mediengestaltung, München

ISBN 978-3-641-29225-6V001

www.penguin-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1 Unser Start in ein nachhaltiges Leben

2 Klimawandel - Die Uhr tickt

Reportage: Sturmfluten und Hochwasser – Wie sich Küstenregionen auf den Klimawandel einstellen

3 Andere, bessere Ernährung

Checkliste 1

4 Plastik, Viel zu viel Plastik

Checkliste 2

Reportage: Warum unser Plastikkonsum das Klima anheizt

5 Mobilität und Verkehr

Checkliste 3

6 Konsum – Weniger ist mehr

Checkliste 4

Reportage: Bald sind sie weg, für immer – Die Gletscherschmelze als Sinnbild für die Klimakrise

7 Energie – Erneuerbar ist alternativlos

Checkliste 5

8 Pflanzen – Nicht nur was fürs Auge

Checkliste 6

Reportage: Wo der Klimawandel brandgefährlich wirkt – unterwegs in Brandenburg

Unser Fazit

Yannis – Jetzt rede ich!

Reportage: Epilog – Die Weltklima–Konferenz

Weitere Empfehlungen

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

Anmerkungen

Für Maya, Mattis und Yannis

Vorwort

»Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.«

Mahatma Gandhi

Das schon mal vorweg: Das Klima zu schützen, der Kampf gegen den Klimawandel: das ist alles andere als kinderleicht. Im Gegenteil, es ist die größte Aufgabe und Herausforderung der Menschheit. Und auch wenn es wie ein Kampf von David gegen Goliath aussieht und der eigene Beitrag so verschwindend klein wirkt – er ist es nicht! Wir haben keine Wahl, wir müssen handeln und zwar jetzt. Dafür braucht es uns alle! Wir haben keine Zeit mehr, darauf zu hoffen, dass die Politik alles reguliert oder die Wirtschaft vorwegschreitet. Wir haben auch keine Zeit mehr zu sagen, dass uns alles zu kompliziert und anstrengend ist oder dass jeder Einzelne ja ohnehin nur so wenig bewirken könne und dass DIE Politik oder DIE Wirtschaft doch bitte etwas tun sollte. Auch WIR müssen handeln, jeder und jede von uns. Und wir alle haben mehr Möglichkeiten, als wir oft denken. Wir können nicht auf den perfekten Moment warten, auf die perfekte Lösung. Jeder kleine Schritt hin zu einem nachhaltigeren Leben, zum Klimaschützen zählt. Dass es auch mit wenig Zeit, zwei Vollzeitjobs und als fünfköpfige Familie gelingen und dabei durchaus Spaß machen kann, viele Veränderungen anzustoßen, das wollen wir in diesem Buch zeigen. Wir, das sind Nicole (44) und Maik (45), zusammen mit unseren drei Kindern Yannis (11), Mattis (8) und Maya (6).

Quelle: Marina Weigl

Wir erzählen von unserem persönlichen Weg hin zu einem möglichst nachhaltigen Leben, zeigen die größten Hebel im alltäglichen Kampf gegen den Klimawandel und geben viele Tipps, wie man mit weniger oder auch mit mehr Einsatz viel nachhaltiger leben kann. Für Fortgeschrittene gibt es auch weitergehende Tipps und immer wieder wichtige Hintergrundinformationen. Dabei geht es nicht um Perfektionismus, sondern um viele Veränderungen im Alltag, die auch mal klein ausfallen können, deshalb aber nicht weniger wichtig sind. Es geht nicht um reinen Verzicht, sondern darum, Sachen anders zu machen als vorher und dabei Spaß zu haben. Wir sind davon überzeugt, dass viel im Kleinen starten kann. Es geht um die kleinen Veränderungen in unserem Alltag, um unser Konsumverhalten, unsere Kaufentscheidungen. Mit diesen alltäglichen Kaufentscheidungen haben wir durchaus Macht. Macht gegenüber der Industrie und auch gegenüber der Politik. Wenn wir umweltfreundliche Produkte nachfragen, wird es immer mehr davon geben. Wenn wir zeigen, dass Klimaschutz wichtig für uns ist, zwingen wir auch die Politik zu reagieren. Diese Welle hat bereits begonnen, lasst sie uns noch höher, noch wirkungsvoller machen. Die Zeit drängt. Diese Krise ist die größte Krise, die wir zu bewältigen haben, unser Lebensraum ist in Gefahr, ebenso unsere Gesundheit und die unserer Kinder. Es bleibt nicht mehr viel Zeit zu handeln. Klimaschutz ist Sicherung unserer Existenzgrundlagen. Klimaschutz ist Gesundheitsschutz, denn mit unerträglichen Außentemperaturen wird es sich schon bald nicht mehr so leben und arbeiten lassen wie jetzt, ganz zu schweigen von Überflutungen und Dürren, die mit fortschreitendem Klimawandel sehr viel häufiger auftreten werden. Klimaschutz ist das Beste, was wir für unsere Zukunft und die unserer Kinder tun können.

Der Inhalt dieses Buches ist in acht Kapitel unterteilt, die auch alle einzeln gelesen werden können. Je nach Interesse kann auch mitten im Buch mit einem bestimmten Thema gestartet werden. Nach dem ersten Kapitel, in dem wir erzählen, wie unser Weg in ein nachhaltigeres Leben angefangen hat, zeigen wir im zweiten Kapitel auf, warum die Zeit so drängt, die Klimakrise so ernst ist und jetzt der Moment zu handeln gekommen ist. Dann folgen sechs Kapitel zu den sehr wichtigen Hebeln Energie, Ernährung, Mobilität, Konsum, Plastik und Müll, Pflanzen und Biodiversität.

Wir zeigen auf, warum dies so wichtige Hebel im Klimaschutz sind und geben immer wieder konkrete Tipps (gekennzeichnet mit ), was jede und jeder tun kann, liefern mehr Infos (gekennzeichnet mit ) für diejenigen, die tiefer gehen wollen, und geben Anregungen zum Selbermachen (gekennzeichnet mit ). Am Ende der sechs thematischen Kapitel findet sich jeweils eine Checkliste, in der alle wichtigen Tipps noch einmal zusammengefasst sind. Zwischendurch zeigen vier Reportagen, die Maik im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche bei RTL gemacht hat, wie Kinder den Klimawandel schon jetzt in Deutschland erleben und welche Sorgen sie sich machen.

Man muss nicht in jedem Bereich Veränderungen zur gleichen Zeit anstoßen, man kann auch nach und nach vorgehen, sich erst einen oder zwei Bereiche aussuchen und zu Beginn die leichteren Schritte gehen. Egal wie, Hauptsache anfangen, denn jedes bisschen zählt.

Sind Sie dabei? Los geht’s!

Quelle: Marina Weigl

1 Unser Start in ein nachhaltiges Leben

»Es gibt nur zwei Tage im Leben, an denen du nichts ändern kannst: Der eine ist gestern und der andere ist morgen.«

Dalai Lama

Wie alles begann

Silvesterabend 2018, die Kinder sind im Bett und wir sitzen auf der Couch. Ohne Babysitter heißt das: Wohnzimmer statt Party, nachdenken statt tanzen. Dabei lassen wir das Jahr noch mal Revue passieren. Maya ist gerade drei geworden, einiges wird einfacher. Wir merken, dass wir nicht mehr ganz so erschöpft sind wie an den Silvesterabenden zuvor. Und dann, wie so oft an Silvester, überlegen wir, was das neue Jahr bringen wird. Wollen wir uns was vornehmen? Aber bitte nicht die klassischen guten Neujahrsvorsätze, wie weniger arbeiten, mehr Zeit für uns selbst, mehr Zeit für die Kinder, mehr Sport. Das ist uns ohnehin wichtig, dafür braucht es keine extra Vorsätze. Eher: Was wollen wir anders, besser machen – auch für unsere Kinder? Was hat uns in den vergangenen Wochen und Monaten beschäftigt, das wir im kommenden Jahr ändern wollen? Recht schnell wird klar: Es ist der Plastikmüll und auch der Einfluss von Kunststoff auf unsere Gesundheit. Wir finden es erschreckend zu sehen, wie viel Müll wir Menschen produzieren und was das für die Umwelt bedeutet. Und natürlich ist uns klar, dass wir daran auch beteiligt sind. Dass es auch unser Müll ist. Weiter alle Verpackungen einfach in die Tonne stecken, ohne darüber nachzudenken, was das für Folgen hat, das wollen wir so nicht mehr. Und auf einmal haben wir beide das Gefühl, es müsste doch auch mit weniger gehen. Wir leben heute in einer Plastikwelt, aber muss das so sein? »Könnten wir nicht versuchen, Plastik aus unserem Leben zu verbannen – zumindest da, wo es Alternativen gibt?«, fragt Nicole, und Maik ist sofort begeistert. Uns beiden ist sehr schnell klar: Dafür müssen wir auch unsere drei Kinder Yannis, Mattis und Maya gewinnen. Denn sie mitzuschleppen, das wird nicht reichen, wir wollen sie bewusst einbinden. Sie wird es ja auch betreffen, wenn wir unseren Fußabdruck auf dieser Welt nachhaltiger gestalten. Wir überlegen, dass wir schon jede Menge erreichen könnten, wenn wir bewusster kaufen, benutzen und verbrauchen.

Schnell wächst bei uns beiden die Idee und auch die Leidenschaft für das Projekt. Wir überlegen, was wir als Erstes tun könnten und wann. Am besten gleich morgen. Einfach mal anfangen. Nicht dogmatisch, sondern pragmatisch. Und Plastik vermeiden, wo wir es eben können. Und warum nicht auch darüber berichten, über unsere Erfahrungen, über Schwierigkeiten und Erfolge. Maik schlägt einen Blog vor, im Internet. So könnten auch andere teilhaben und wir noch mehr bewirken als die Veränderungen im kleinen Familienkreis. Und wir könnten uns so gleichzeitig dazu verpflichten, weiterzumachen, nicht aufzuhören, auch wenn es mal schwieriger werden sollte. Maik schnappt sich seinen Laptop. Er hat schon früher während seiner Redakteursausbildung aus Singapur, Brüssel oder Berlin gebloggt. Jetzt setzt er eine neue Seite auf. Wir überlegen, wie die Familienunternehmung heißen könnte: »Familie ohne Plastik«? Wenig realistisch, ein Leben ganz ohne Plastik. »Plastikfrei mit drei (Kindern)« – schwierig, schon alleine wegen der Klammern. Irgendwann aber steht der Titel: Familie minus Plastik. Wir wollen versuchen zu reduzieren, ohne Druck, ohne konkretes Ziel. Einfach anfangen, loslegen und am besten immer weitermachen. Uns fällt das Zitat von Mahatma Gandhi ein, dass man für sich selbst die Veränderung sein sollte, die man sich von der Welt wünscht. Es kommt mit auf die Seite. Um Mitternacht stoßen wir an, mit einem guten Gefühl im Bauch und einem Schluck Sekt im Glas – auf das Jahr 2019 und auf das neue Projekt, das wir gemeinsam mit den Kindern starten werden.

Uns war von Anfang an klar, dass wir es nicht schaffen werden, völlig auf Plastik zu verzichten. Plastikfrei leben war auch gar nicht das Ziel, sondern plastikreduziert – versuchen, richtig viel Plastik einzusparen, eine drastische Reduktion zu erreichen. Und dann schauen, wie weit wir kommen, welche Probleme auf uns zukommen und welche Ideen oder Lösungen wir finden. Wie toll die Kinder mitmachen würden, wie viel Überzeugungsarbeit es kosten würde, wo sie nicht mitgehen würden und wie wir darauf reagieren sollten – das alles wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber wirklich große Zweifel hatten wir nicht, denn Kinder sind generell sehr offene und interessierte Menschen, die man immer gut bei ihrer Neugier packen kann.

2019 begann dann wie erwartet früh. Maya mit ihren drei Jahren war es wie immer komplett egal, dass wir länger wach waren und Pläne geschmiedet hatten. Aber so ist es nun mal mit Kindern, es sei denn, man hat die Version Eule bekommen. Wir nicht, alle drei sind eindeutig Typ Lerche, also extreme Frühaufsteher (nur Yannis entwickelt sich gerade hin zur Eule). Das Positive daran: Der Morgen ist lang, man hat, wenn man die positive Seite sehen will, immer sehr viel vom Tag. Genug Zeit jedenfalls, um damit anzufangen, unseren Plan direkt in die Tat umzusetzen.

Erst mal haben wir die Kinder eingeweiht. Wir haben ihnen erklärt, was übermäßiger Plastikkonsum und Plastikmüll für uns und die Welt bedeutet, und versucht, all das möglichst kindgerecht zu erläutern. Gelungen ist uns das am Ende vor allem über Tiere, die an unserem übermäßigen Plastikkonsum und -müll leiden. Fische, Vögel, Delphine und Meeresschildkröten – das haben sie sofort verstanden. Für Maya war das alles komplett neu, aber Yannis und Mattis hatten schon entsprechende Bilder gesehen. Und da konnten wir prima andocken, konnten ihnen zeigen, was das mit unserem alltäglichen Verhalten zu tun hat und auch mit unserem eigenen Müll. Nicht alles kam am Ende bei jedem an, aber doch immerhin so viel, dass sie neugierig wurden und bereit waren mitzumachen. Denn für Abenteuer sind Kinder ja immer zu haben, und das haben wir ihnen an diesem Vormittag versprochen – ein großes Abenteuer, mit dem wir jetzt loslegen wollten.

Als Erstes haben wir uns überlegt, wie wir ab jetzt anders und umweltfreundlicher einkaufen könnten. Anfangs haben wir zusammen mit den Kindern aus eher langweiligen Stoffbeuteln schöne Einkaufstaschen gestaltet, mit denen wir in Zukunft Obst und Gemüse nach Hause transportieren wollten – sei es vom Markt oder vom Supermarkt. Für die Kleinen war das natürlich super, denn sie durften sich kreativ austoben – mit Stiften und Farben selbst entscheiden, wie die Beutel in neuer Farbe erstrahlen sollten. Alle haben eifrig verschönert und gemalt, jeder in seinem eigenen Stil. Die Begeisterung für unser neues Familienprojekt war allen anzusehen. Der Start war geglückt.

Die neuen Einkaufsbeutel hatten wir jetzt, aber für plastikfreie Einkäufe reichte das so ja noch nicht. Käse oder Wurst mussten ja auch irgendwo untergebracht werden. Wir hatten gelesen, dass es im Prinzip möglich sein sollte, die Waren an der Frischetheke in die mitgebrachten Dosen zu packen. Freundliche Hartnäckigkeit wurde einem empfohlen und der Tipp gegeben, dass die mitgebrachte Dose zwar wegen der Hygienevorschriften nicht hinter die Theke wandern darf, dass man sich aber sehr wohl oben auf der Theke treffen dürfte. So weit die Theorie. Die Praxis in einem ganz normalen Supermarkt, der nicht in einer Großstadt mit hipper Umgebung, sondern in einer Kleinstadt auf dem flachen Land stand, sollte beim ersten Versuch eine ganz andere sein, wie wir beide bald erfahren mussten.

Die wirklich einzigartigen Stoffbeutel waren ein guter Anfang. Häufig wird Obst und Gemüse in Plastik eingeschweißt, aber schon damals gab es auch unverpackte Varianten. Gerade bei Äpfeln, Karotten, Gurken oder Bananen war und ist das kein Problem. Und unsere Kinder haben uns immer wieder überrascht. Maik erinnert sich gerne an einen unserer Einkäufe mit dem damals sechsjährigen Mattis. Gemeinsam hatten Mattis und er im Supermarkt unseren Einkauf auf das Band gelegt, so gut wie nichts davon war in Plastik verpackt, Joghurt und Milch im Glas, Käse und Wurst in mitgebrachten Dosen, Obst und Gemüse einzeln. Das Abwiegen dauerte zwar etwas länger, was der netten Kassiererin aber nichts ausmachte. Und während Mattis stolz darauf war, den Einkauf so gut hinbekommen zu haben, geriet ein älterer Herr hinter uns immer mehr ins Grummeln. Irgendwann motzte er, wir sollten der armen Kassiererin nicht noch zusätzliche Arbeit machen. Die entgegnete freundlich: »Ach, das ist schon o. k. so. Besser so als die ganzen Plastiktüten.« Mattis strahlte, aber irgendwie fühlte Maik auch seine Anspannung. Beim Einräumen ins Auto sagte er zu ihm: »Der war komisch, der Mann eben, oder?« Die Antwort von Mattis war überraschend: »Ja, aber weißt du, Papa, vielleicht hat der keine Schildkröte.« Maik fragte nach, was Mattis damit meinte, und erhielt die Erklärung: »Der weiß vielleicht gar nicht, dass die Schildkröten im Meer das ganze Plastik fressen und davon krank werden.« Solche kleinen Geschichten gab es mehrere im Verlauf des Familienabenteuers, und sie haben uns immer darin bestätigt, dass unsere Kinder mit im Boot sind.

Nach und nach sind wir dann immer weiter gegangen, haben uns mit Mikroplastik auseinandergesetzt, haben Ideen zu Upcycling entwickelt. Wir haben gemerkt, dass man sehr viele Reinigungsmittel selber machen kann, haben auch mit selbst gemachtem Shampoo und Deo experimentiert – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Manche DIY-Ideen (Do it yourself) haben sich fest etabliert, andere wurden nach kurzer Zeit wieder verworfen. Roggenmehl-Shampoo etwa war eine irgendwie verlockende Idee, aber weder für unsere Haare noch für die Dusche eine überzeugende Lösung.

Der bewusste Umgang mit Plastik und mit der Müllvermeidung hat dazu geführt, dass wir auch auf andere Dinge aufmerksam wurden, die uns vorher nicht in dem Maße aufgefallen waren. Das ist das Schöne an diesem Abenteuer – es hört einfach nicht auf. Wer einmal damit angefangen hat, entdeckt immer wieder Neues und kann Schritt für Schritt neue Wege gehen.

Nach einem Jahr wollten wir nicht mehr nur unseren Plastikverbrauch reduzieren, sondern mehr tun, so nachhaltig wie möglich leben. Wir wollten unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten, weniger CO2 verursachen, mehr tun – ganz nach Gandhi: »Sei du selbst die Veränderung die du dir wünschst für diese Welt.«

Wir haben uns immer öfter gefragt, wie wir nachhaltiger leben könnten, und uns dabei nach und nach verschiedene Bereiche unseres Lebens genauer angesehen, von der Ernährung über unseren Bezug zu und unseren Umgang mit Energie bis hin zu unserem Konsum und unserer Mobilität.

Viele dieser Schritte haben allerdings auch neue Konflikte entstehen lassen: zwischen der Anfangsbemühung, auf Plastik zu verzichten, und unserer zweiten Ambition, so nachhaltig wie möglich zu leben. So sind wir als Familie Vegetarier geworden, aber die Kinder wollten weiter »Wurst« auf dem Brot essen, allerdings bald keine tierische mehr, sondern vegetarische Wurst. Die gibt es aber leider nicht an der Frischetheke unserer Supermärkte. Es gibt sie nur in Plastik verpackt im Kühlregal. Das Gleiche gilt für veganen Käse, etwa auf Nussbasis. Beides verursacht Verpackungsmüll. Was Yannis dazu gebracht hat, seinem Lieblingshersteller von Wurst und vegetarischem Hackfleisch einen Brief zu schreiben, in dem er die leckeren Produkte lobte, gleichzeitig aber fragte, ob nicht auch ein Pfandsystem möglich sei. Eine Antwort hat er leider nie bekommen.

Wir haben in den letzten Monaten und Jahren gelernt, dass immer wieder Abwägungen getroffen werden müssen und man sich manchmal auch auf dem Holzweg befindet. Trotzdem hat uns das alles nie wirklich frustriert. Wir kennen das beide aus der Arbeit: Um vorwärtszukommen, muss man manchmal das eigene Tun in Frage stellen und wenn nötig korrigieren. Es ist wichtig, einfach anzufangen, keine Angst vor Veränderungen zu haben. Denn Schritt für Schritt ist alles viel leichter, als es zunächst erscheint. Wir sind davon überzeugt, dass viel im Kleinen starten kann. Wir glauben nicht daran, dass der Einzelne nichts tun kann. Natürlich würde es noch viel mehr bringen, wenn vieles nachhaltiger reguliert würde oder mit Anreizen versehen, damit wir schneller von fossilen Brennstoffen wegkommen oder damit Firmen ihre Produktion und ihre Verpackungen auf umwelt- und klimafreundlichere Varianten umstellen. Wir denken dennoch, dass jeder kleine Schritt zählt. Je mehr Menschen anfangen, auf Nachhaltigkeit zu achten, desto präsenter wird das Thema sowohl in der Politik, die auf uns als Wähler angewiesen ist, als auch bei den Unternehmen in der Wirtschaft, die uns als Kunden brauchen und nach deren veränderten Bedürfnissen sie sich richten. Je mehr Menschen auf Nachhaltigkeit achten und entsprechend einkaufen, desto mehr nachhaltige Produkte wird es auch geben. Nachfrage bestimmt das Angebot.

Wir alle haben mehr Macht, als wir denken. Je mehr wir auf Nachhaltigkeit achten und zeigen, dass es uns wichtig ist, das Klima zu schützen, desto präsenter wird das Thema in der Politik, die auf uns als Wähler angewiesen ist und um unsere Stimmen buhlt. Je mehr wir unseren Einkauf als Stimmzettel nutzen und nachhaltige Produkte kaufen, desto mehr wird es davon geben.

Als wir mit unserem Plastikverzicht angefangen haben, gab es zum Beispiel noch keine festen Shampoos in Drogerien oder Supermärkten zu kaufen. Seitdem die Plastik-Problematik aber immer mehr Menschen bewusst wird und sie entsprechend einkaufen, erhält man es fast überall. Es eröffnen immer mehr Unverpackt-Läden. Und auch das Angebot an veganem oder vegetarischem Fleischersatz hat immens zugenommen. Und wo es zu Beginn unseres plastikreduzierten Lebens noch Diskussionen an der Frischetheke unseres Supermarktes gab, ob der Käse jetzt in die mitgebrachte Dose gefüllt werden darf oder nicht, stehen mittlerweile Schilder, die einen dazu einladen, ja fast schon auffordern, genau das zu tun. Kurzum, es bewegt sich etwas. Langsam, aber stetig, und dennoch bleibt nach wie vor viel Raum für weitere Veränderungen.

Mit diesem Buch hoffen wir vielen Menschen Anregungen zu geben, selbst auch kleine Veränderungen anzustoßen, denn es muss nicht der ganz große Verzicht sein. Manchmal hat man auch einfach vergessen, dass es auch anders geht. Maik erinnert sich gerne an eine ältere Dame, die ihn im Supermarkt an der Frischetheke mit großen Augen ansah, als er den Käse von der Frischetheke in seiner mitgebrachten Dose in seinen Einkaufswagen packte, und zu ihm sagte: »Mensch, das ist ja eine gute Idee, junger Mann, so haben wir das früher eigentlich immer gemacht. Ich habe das total vergessen und wusste gar nicht, dass man das hier machen kann.« Und mit Blick zum Verkäufer hinter der Theke: »Da bring ich beim nächsten Mal auch meine Dose mit.« Worauf der Verkäufer freundlich lächelnd erwiderte: »Aber natürlich, machen Sie das ruhig.«

Wir wollen mit diesem Buch zeigen, dass wir alle oft mehr bewirken können, als wir glauben, auch und gerade mit Kindern. Wir wollen Mut machen, anspornen. Wir sind mit Lust statt Frust diesen Weg gegangen, und haben alle Überlegungen und Diskussionen, die mit ihm verbunden waren, als sehr bereichernd empfunden. Innerhalb der Familie, aber auch mit Außenstehenden. Denn die gab es natürlich zuhauf. Es gab und gibt viele Diskussionen und Einwände von außen. Zum Beispiel, dass das ja alles gar nichts bringen würde. Dass der Einzelne doch eh nichts verändern kann. Das ist auch erst mal verständlich und hat oft mit dem Verteidigen der eigenen Komfortzone, der Vorlieben und Gewohnheiten zu tun. Ein »Augen zu und weiter so wie bisher« ist ja immer bequemer als eine aktive Veränderung. Aber man darf nicht vergessen, wie gut es sich anfühlt, die eigene Wirkmächtigkeit zu erfahren.

Die vier Argumente, die wir am häufigsten hören, sind:

Nummer 1: »Ja, der Klimawandel ist wirklich schlimm, man müsste eigentlich etwas dagegen machen, aber jetzt gerade passt es nicht.«

Leider muss man darauf entgegnen, dass wir keine Wahl mehr haben, denn der Zeitraum, in dem wir die schlimmste Katastrophe noch abwenden können, ist kurz (mehr dazu im zweiten Kapitel).

Nummer 2: »Es wird schon nicht so schlimm, ist ja alles übertrieben.«

Dieses Argument widerspricht allen Vorhersagen von Wissenschaftlern, die zu diesem Thema seit Jahren forschen und deren Warnungen wir ernst nehmen sollten. Während Klimakatastrophen all die Jahre weit weg von uns passierten, uns scheinbar nicht berührten, mussten wir vor Kurzem, im Juli 2021, hier in Deutschland aufgrund der Flutkatastrophe die schlimmen Folgen des Klimawandels hautnah miterleben. Eigentlich sollte spätestens jetzt klar sein, wie real die Gefahr ist. Und dass wir, wenn wir so weitermachen, mehr derartige Überflutungen haben werden oder aber Hitzeperioden, wie zuletzt in Kanada, mit Temperaturen, für die wir einfach nicht gemacht sind, die unsere Gesundheit extrem belasten.

Argument Nummer 3 lautet: »Wir Bürger allein können rein gar nichts bewirken, unsere Macht ist begrenzt, Verzicht bringt nichts, die Politik muss Rahmenbedingungen setzen.«

Natürlich ist es extrem wichtig, dass von Seiten der Politik insbesondere die Energiewende ganz entscheidend vorangetrieben wird, sehr viel mehr Anreize und Regularien für die Förderung erneuerbarer Energien, die Abkehr von fossilen Brennstoffen, hin zu einer veränderten Mobilität und Landwirtschaft sowie zu einer energetischen Sanierung getroffen werden. Aber für all das muss eine Bevölkerung auch bereit sein, denn sonst werden Veränderungen nicht angenommen und umgesetzt, oder viel zu zögerlich oder zu spät. Wir müssen alle bereit sein für Maßnahmen, wir müssen den Klimaschutz als oberste Priorität verstehen, ihn einfordern. Nur dann wird etwas passieren.

Nummer 4: »Wenn wir hier in Deutschland klimafreundlich leben, ist damit noch gar nichts gewonnen, denn in China, Indien und anderen Ländern wird doch weiterhin viel zu viel CO2 in die Luft geblasen.«

Wenn wir so argumentieren, wird uns das für immer lahmlegen, denn wenn niemand anfängt und alle auf die anderen verweisen, wird sich nichts tun. Die Entwicklungsländer wollen zu Recht auch zunehmenden Wohlstand erleben. Sie sind nicht für all das CO2 verantwortlich, das sich bereits in der Atmosphäre angesammelt hat. Dafür sind wir, die wohlhabenden Industrienationen, verantwortlich. Diesen »Whataboutism« hören wir häufiger. Whataboutism meint, dass man immer andere findet, die sich ja angeblich noch schlimmerer Vergehen schuldig machen, was von der eigenen Verantwortung ablenken soll. Eines der Argumente ist dabei häufig, es bringe ja nichts, wenn man selbst weniger Müll verursacht, während in Entwicklungsländern der Müll in die Landschaft geschmissen wird. Und da das ja das viel größere Problem sei, müsse man selbst hier erst mal nichts tun, das sei ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das ist zu bequem, aus dem goldenen Käfig heraus, den uns die Geburtslotterie beschert hat, während andere in genau der gleichen Lotterie das Los Bangladesch, Niger oder Pakistan gezogen haben und nun mal ohne funktionierende Müllentsorgung leben müssen. Und nur um die Dinge etwas in Relation zu bringen: Wir Deutschen haben im Durchschnitt einen jährlichen CO2-Ausstoß von ca. zehn Tonnen pro Person, in Indien liegt dieser nur bei zwei Tonnen. Natürlich ist diese globale Krise auch nur global zu lösen, jedoch haben wir als Industrieland, das für einen Großteil des sich bereits in der Atmosphäre befindlichen CO2 verantwortlich ist, auch eine besondere Verantwortung, bei der Suche nach einer Lösung für dieses Dilemma voranzuschreiten. Es ist an uns, Entwicklungsländern vorzuleben, wie nachhaltige Entwicklung aussehen kann. Wir müssen diesen Ländern helfen, denn natürlich wollen auch sie zu mehr Wohlstand kommen, wofür sie mehr Energie brauchen. Daher sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen, und dürfen nicht warten bis sich alle Nationen auf notwendige Maßnahmen geeinigt haben. Immerhin es gibt Hoffnung, dass sich beispielsweise mit dem Machtwechsel in den USA und dem Wiederbeitritt der USA zum Klimaabkommen auch dort in den nächsten Jahren mehr tun wird.

Wir selbst haben jedenfalls beschlossen nicht länger zu warten, zu diskutieren und zu hoffen, sondern aktiv zu werden. Uns ist klar, dass wir damit nur einen kleinen Beitrag leisten. Die ganz großen Hebel, wie die notwendige Energiewende, haben wir nicht in der Hand. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass jeder Beitrag zählt. Viele kleine Hebel ergeben zusammen eben doch etwas Großes. Einen Umbruch, der von vielen getragen wird, und der so gestaltet werden kann, dass er kein Verzicht ist, sondern ein Zugewinn mit sich bringt: an Lebensqualität, erträglichen Temperaturen, gesunden Lebensgrundlagen und sauberer Luft. Kurzum einem Umfeld, in dem unsere Kinder groß werden können.

Uns ist auch klar, dass wir nicht nur positive Resonanz, sondern auch Kritik ernten werden. Wer Klimaschutz vorantreiben will, macht für die einen zu wenig, für die anderen zu viel, wird schnell als Öko-Tyrann abgestempelt oder nervt sein Umfeld als personifiziertes schlechtes Gewissen. Wir sind dieser Diskussionen langsam, aber sicher überdrüssig. Und stellen die Gegenfrage: Was, wenn jeder bei sich selbst anfängt, in seinem direkten Mikrouniversum, was, wenn wir uns alle gegenseitig motivieren und unterstützen, statt Fehler beieinander zu suchen?

Wir haben beschlossen, diesen Weg als Familie zu gehen. Jeder Schritt zählt, und nichts muss perfekt sein, aber es muss etwas geschehen, denn die Zeit läuft uns davon …

Quelle: Rowena Naylor/Stocksy

2 Klimawandel - Die Uhr tickt

»Wir nähern uns beim Klima gefährlichen Kipppunkten, die, einmal überschritten, zu abrupten und unumkehrbaren Veränderungen im Erdsystem führen können.«1

Horst Köhler

Warum ist CO2 ein Problem?

Kohlenstoffdioxid ist heute vielleicht das bekannteste Gas der Welt – CO2 ist in aller Munde. In mehr als 50 Ländern weltweit wird sein Ausstoß mittlerweile besteuert. Das kleine Molekül mit großer Wirkung hat die Menschheit zu mehreren großen Gipfeln zusammengebracht, und selbst Kinder kennen seinen Namen. Das Gas ist geruch- und farblos, unauffällig eigentlich. Aber auch hartnäckig, denn wenn es in die Atmosphäre gelangt, bleibt es dort. Lange. Der natürliche Abbau dauert. Nach 1000 Jahren sind noch bis zu 40 Prozent des ursprünglich emittierten Gases vorhanden, schreibt das Umweltbundesamt. Um es restlos abzubauen, braucht es richtig viel Geduld und Hunderttausende Jahre. Das macht CO2 (unter anderem) so problematisch, denn wir Menschen haben seit der Industrialisierung bereits viel zu viel Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen, vor allem durch Verbrennung von fossilen Energieträgern, also von Kohle, Erdöl und Erdgas, aber auch von Holz.

Ein Baum ist ein wachsender Kohlenstoffspeicher. Verbrennt man ihn, entsteht CO2. Das Speichern dauert, das Verbrennen aber geht ruckzuck. »Zu fällen einen schönen Baum, braucht’s eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht er, bedenkt es, ein Jahrhundert« – dieses Gedicht von Eugen Roth hatte Maik als Kind in die Freundschaftsbücher geschrieben. Heute hat es für ihn eine neue Bedeutung erhalten. Es beschreibt das Problem, in dem wir seit einigen Jahrzehnten stecken, besonders gut. Denn wir Menschen haben seit Beginn der Industrialisierung viel zu viel vom eigentlich im Boden oder in den Bäumen gut gespeicherten Kohlenstoff in die Atmosphäre geschickt und so den vom Menschen gemachten Klimawandel befeuert.

Mit der steigenden Konzentration von CO2, das gut 80 Prozent aller Treibhausgase ausmacht, und mit seinen Verwandten wie Methan (CH4) oder Lachgas (N2O), haben wir die Erwärmung des Planeten mit einer unglaublichen Geschwindigkeit vorangetrieben. Und dann haben wir im letzten Jahrzehnt zum Endspurt angesetzt. Trotz Kyoto-Protokoll und aller Warnungen des Weltklimarates hat die Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes noch mal ordentlich Gas gegeben.

Den Anstieg der Treibhausgase und allen voran den von CO2 kann man sehr gut messen. Den Anfang machte Hawaii. Auf der Hauptinsel Hawaiis liegt einer der größten aktiven Vulkane, der Mauna Loa. Auf seinem Gipfel, in 3397 Metern Höhe, befindet sich das Observatorium mit der ältesten CO2-Messreihe der Welt. Acht Jahre nachdem Arbeiter 1950 eine Straße durch die karge Mondlandschaft des Vulkans bauten und ihn so zugänglich machten, begann Professor Charles David Keeling dort seine Messungen. Er wollte wissen, welchen Einfluss der Mensch auf die Atmosphäre hat, oder besser gesagt: auf die Zusammensetzung der Atmosphäre. Seine Ergebnisse bilden die Grundlage der nach ihm benannten Keeling-Kurve. Sie liefert Antworten, die uns nicht gefallen, denn sie kennt nur eine Richtung: nach oben. Und das hat ganz klar mit uns Menschen zu tun. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre um gut 45 Prozent erhöht. Seine Konzentration wird in ppm angegeben, also parts per million: ein Molekül CO2 pro eine Million Moleküle trockener Luft. Zu Beginn der Industrialisierung lag der durchschnittliche Wert noch bei 280 ppm. Als Maik geboren wurde, waren es schon 333 ppm, und zwei Jahre später, bei Nicoles Geburt, 335 ppm. Heute, während wir dieses Buch schreiben, haben wir die 420 ppm überschritten. Der höchste Wert seit mehreren Millionen Jahren. Und diese Zahl wächst immer schneller.

Wissenschaftler warnen seit Jahren vor dem Überschreiten der Grenze von 450 ppm CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Denn dann könnten, wie bei einem Dominospiel, weitere Steine angestoßen werden, die den Klimawandel beschleunigen und Entwicklungen in Gang setzen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Diese sogenannten Kipppunkte wären zum Beispiel das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien, in denen seit Jahrtausenden das besonders aggressive Treibhausgas Methan gebunden ist. Wird es durch das Auftauen infolge steigender Temperaturen freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre, wird der Klimawandel weiter beschleunigt. Es ist, als spritzten wir mit einer Flasche Spiritus in ein Lagerfeuer.

Die entscheidende Dekade

Wir entscheiden jetzt, in dieser Dekade, welchen Klimawandel wir erleben werden. Nicht, ob er kommt. Deutschland wird ein anderes, ein heißeres Land. Wie heiß, wie drastisch, das liegt an uns.

2050, schreiben Nick Reimer und Toralf Staud in ihrem Buch Deutschland 20502, wird es deutlich mehr Tage mit Hitze und Temperaturen über 40 °C geben – Häuser, Gleise etc. sind darauf nicht ausgelegt. Zudem müssen wir mit einem Wechsel von deutlich mehr Starkregen und mehr Trockenphasen rechnen sowie mit mehr und größeren Hagel-Niederschlägen. Sturmfluten an den Küsten werden zunehmen. Es ist ein düsteres Bild, das die beiden Autoren zeichnen. Zu wenig Kühlwasser im Rhein, der zu niedrig wird, um Schiffe auf ihm fahren zu lassen. Für die Unternehmen ist das schon jetzt mit Kosten verbunden, aber zur Mitte des Jahrhunderts wird es besonders schwierig. Auf dem Bau wird man im Sommer mittags teilweise gar nicht arbeiten können, weil auch das Material zu heiß wird. Risikoberater sind schon jetzt alarmiert: Typische Gewerbearchitektur, Blechhütten werden in naher Zukunft nicht mehr benutzbar. Kühlen wird sehr teuer – eine große Bürde für den Mittelstand. Jetzt schon werden Hirse, Soja und Kichererbsen für den Anbau in Brandenburg getestet. Weil der Weizenanbau bei den zu erwartenden Temperaturen zu teuer wird.

Es wird heißer und trockener. Die ehemalige Umweltministern Svenja Schulze hat einen Wasserplan erstellen lassen, dem zufolge es schon bald eng werden könnte. Eine nationale Wasserstrategie wird angeschoben. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass Wasserknappheit in Zukunft als kritischer Parameter die CO2-Konzentration ergänzen wird. Deutschland wird sich gut vorbereiten müssen auf das, was da schon sehr bald kommt. Schon jetzt ist Deutschland um zwei Grad wärmer als im späten 19. Jahrhundert, das hat der international anerkannte Klimaforscher Stephan Rahmstorf 3 ausgerechnet.

Die Zeit rennt also, nur haben es scheinbar noch immer viele Menschen nicht bemerkt, oder sie wollen es nicht wahrhaben. Dabei ist die Sache am Ende einfach und faktisch belegt. Es ist reine Physik: Wir haben ein gewisses Budget an Treibhausgasen, die wir in die Atmosphäre entlassen können. Wird es überschritten, ist die Erderwärmung nicht mehr auf 1,5 °C zu begrenzen. Auf diese notwendige Begrenzung hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 bei der Klimakonferenz in Frankreich geeinigt und den Pariser Klimavertrag verabschiedet. Danach ist allerdings zu wenig passiert. Und so sind wir schon 2021 bei einer globalen Erderwärmung von 1,2 °C angekommen. Die Uhr tickt, daran wollen die Macher der Klima-Uhr erinnern, die als Countdown bis zu dem Zeitpunkt entwickelt wurde, an dem eine Erderwärmung um 1,5 °C, ausgelöst durch den vom Menschen gemachten Klimawandel, nicht mehr abzuwenden ist. Man kann sie sich im Internet ansehen oder auch als App herunterladen. Neben der alarmierend roten Deadline zeigt die Uhr aber auch eine hoffnungsvoll grüne »Lebenslinie«. Sie zeigt den langsam steigenden Anteil erneuerbarer Energien am globalen Strommix. Steigt er auf 100 Prozent, bevor die rote Uhr abgelaufen ist, sei das »Klima-Desaster« noch abzuwenden. Am 1. März 2022 waren es weniger als 20 Prozent. Da bleibt noch Luft nach oben, oder wie es die Macher der Klima-Uhr formulieren: Die Lebenslinie der erneuerbaren Energien wächst nicht schnell genug, um die Deadline zu treffen.

Andrew Boyd, einer der Entwickler der Klima-Uhr, ist fest davon überzeugt, dass uns dafür noch Zeit bleibt. Allerdings nur, wenn wir schnell und entschlossen handeln. Das Problem: Dieses notwendige Handeln geht über das hinaus, was die meisten Politiker auf der Welt als für politisch umsetzbar halten. Dabei sind die nächsten Jahre entscheidend. Wir brauchen, so betonen es Wissenschaftlicher und die Macher der Klima-Uhr, einen wirklichen Wandel der Weltwirtschaft, um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gäbe. Noch haben wir ein Zeitfenster, um zu handeln, doch es schließt sich langsam, aber sicher. Wer sich die Uhr online anschaut, kann live dabei zusehen, wie die Stunden verrinnen. In Glasgow wurde sie 2021 auch eingesetzt – als Mahnung für die Teilnehmer der Klimakonferenz – und war 2019 bereits in Berlin zu sehen. Die Uhr zeigt, dass wir Menschen unsere Emissionen reduzieren müssen, so umfangreich und schnell, wie wir nur können. Über die technischen Mittel verfügen wir bereits und könnten mit ihnen schon heute eine gesündere und gerechtere Welt für uns alle schaffen.

Im September 2020 schreckte diese Uhr die New Yorker auf. Am Union Square konnten sie in riesigen Zahlen sehen, wie uns die Zeit davonläuft. Damals waren es noch sieben Jahre und gut drei Monate. Und damals war noch Donald Trump der Präsident der Vereinigten Staaten. Ein Mann, der das internationale Klimaabkommen aufgekündigt hatte und den menschengemachten Klimawandel anzweifelte. Heute ist die Situation eine andere: Im Weißen Haus regiert jetzt Joe Biden, und eine seiner ersten Amtshandlungen war es, dem Klimaabkommen wieder beizutreten. Und nicht nur das: Er berief auch einen internationalen Klimagipfel ein und machte Tempo. 40 Staats- und Regierungschefs, darunter der chinesische Präsident Xi Ching Pin und selbst der Russe Wladimir Putin, erschienen zur digitalen Konferenz und versprachen mehr Engagement. Führungsanspruch made in USA in Sachen Klimaschutz.

Und darüber hinaus veränderte Biden auch den Fokus. Statt auf die Sorgen über die Folgen des Klimawandels setzt Biden auf die Chancen, die in Klimaschutzmaßnahmen liegen, und lädt den Begriff so neu und positiv auf: Klimapolitik werde der Jobmotor der Zukunft. Viele neue Jobs würden entstehen, neue Möglichkeiten. Und weil Joe Biden mit einem so klaren Verständnis von Klimaschutz in seine Amtszeit startete, bekam er überraschend Rückenwind aus einer Ecke, von der das nicht zu erwarten war: Die Gewerkschaft der Kohlearbeiter, eine der größten Arbeitervertretungen in den USA, applaudierte Bidens Plänen, statt auf die Barrikaden zu gehen. Change is coming – der Wandel kommt, egal, ob wir ihn wollen oder nicht. Natürlich ist dieser Applaus mit Forderungen verbunden: Wir brauchen massive Investitionen, verlangte Gewerkschaftspräsident Cecil Roberts Ende April 2021 und forderte Subventionen für Firmen, die Solar- und Windenergie in die Kohleregionen bringen wollen. Und auch die neue Regierung gibt Anlass zur Hoffnung: Sie plant das Aus für den Kohle-Strom schon zum Ende dieses Jahrzehnts.

Der Klimawandel vor unserer Haustür

2021, das Jahr, in dem wir dieses Buch schreiben, ist ein besonderes Jahr. Ein Aufbruchjahr. Denn neben Joe Biden sorgten auch noch andere dafür, dass Klimapolitik und Klimaschutzmaßnahmen anders wahrgenommen wurden als bisher. Auch hier bei uns. Von der Mehrheit der Bevölkerung eher nicht erwartet, setzten die Richter des höchsten deutschen Gerichts in Karlsruhe ein Zeichen und erließen ein Urteil mit Signalwirkung: Die Klimaschutzgesetze der Bundesregierung, so entschieden die Richter, sind bei Weitem nicht ausreichend, und sie belasten die kommenden Generationen zu sehr, nehmen ihr Handlungsspielräume.

Das Urteil hatte mehrere Folgen. Zum einen wurde es von der Klimabewegung Fridays for Future um Luisa Neubauer bejubelt. So weit so erwartbar. Zum anderen aber gab es auch Applaus von den Politikern, die die entsprechenden Gesetze ja so unzureichend gestaltet und verabschiedet hatten, wie es das Bundesverfassungsgericht monierte. Eine seltsame Situation. Immerhin führte sie auch dazu, dass die scheidende schwarz-rote Bundesregierung unter Merkel schnell neue Maßnahmen verabschiedete und die Klimaziele anpasste. Zumindest etwas. Den ganz großen Wurf gab es nicht, im Sommer vor der Bundestagswahl. Trotzdem war ein gewisser Veränderungswille in der Politik und auch bei den Bürgern zu spüren. Schon vor der Hochwasserkatastrophe vom Juli 2021, aber erst recht danach.