Klimapanik - Bjorn Lomborg - E-Book

Klimapanik E-Book

Bjorn Lomborg

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Beschreibung

Ein Buch über die Klimapolitik, das den Klimawandel nicht leugnet, aber die Maßnahmen zu dessen Eindämmung kritisch hinterfragt. Hitzewellen, Dürren und Starkregen in Deutschland, Wirbelstürme, Waldbrände und schmelzende Gletscher im Rest der Welt. Die Reaktion von Politikern, Aktivisten und die Medien besteht in einer einzigen, gemeinsam vorgetragen und dramatisch zugespitzten Botschaft: Der Klimawandel zerstört den Planeten, und wir müssen sofort drastische Maßnahmen ergreifen, um ihn zu stoppen. Diese Hysterie ist nicht nur übertrieben, sondern sie ist auch nicht hilfreich, so argumentiert der Naturwissenschaftler und »skeptische Umweltschützer« Bjorn Lomborg. Ja, der Klimawandel ist real, aber zum einen ist er nicht die apokalyptische Bedrohung, als die er dargestellt wird, zum anderen stellt er ein lösbares Problem dar. Doch in ihrer Panik haben sich die Staats- und Regierungschefs zu extrem teuren, aber weitgehend unwirksamen Maßnahmen verpflichtet. Unsere Obsession mit dem Klimawandel führt also dazu, dass wir Billionen für nutzlose Aktionen aus dem Fenster werfen, anstatt mehr Geld in Forschung und Entwicklung zu stecken, um die Energiefrage zu lösen und die Erderwärmung einzudämmen. »Falscher Alarm« wird Sie davon überzeugen, dass alles, was Sie über den Klimawandel zu wissen glauben, falsch ist. Doch Bjorn Lomborg bleibt nicht bei der Kritik der aktuellen Politik stehen: Er unterbreitet eine Vielzahl konkreter Vorschläge, wie man die Welt auf einem bezahlbaren Weg zu einem weitaus besseren, wenn auch etwas wärmeren Ort für uns alle machen könnte.

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Seitenzahl: 492

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BJORN LOMBORG

KLIMA PANIK

WARUM UNS EINE FALSCHE KLIMAPOLITIK BILLIONEN KOSTET UND DEN PLANETEN NICHT RETTEN WIRD

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

3. Auflage 2023

© 2021 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Copyright der Originalausgabe: © 2020 by Bjorn Lomborg

Die englische Originalausgabe erschien 2020 bei Basic Books, einem Imprint von Perseus, einem Teil der Hachette Book Group unter dem Titel False Alarm. How Climate Change Panic Costs Us Trillions, Hurts the Poor, and Fails to Fix the Planet.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with Basic Books, an imprint of Perseus Books, LLC, a subsidiary of Hachette Book Group, Inc., New York, USA.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Martin Bauer

Redaktion: Silke Panten

Korrektorat: Anne Horsten

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch, in Anlehnung an das Cover der Originalausgabe: © 2020 Hachette Book Group, Inc.

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-521-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-993-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-994-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

INHALT

TEIL I Klima der Angst

Einleitung

Kapitel 1 Warum ordnen wir den Klimawandel so völlig falsch ein?

Kapitel 2 Die Vermessung der Zukunft

TEIL II Die Wahrheit über den Klimawandel

Kapitel 3 Der Klimawandel im breiteren Kontext

Kapitel 4 Extremes Wetter oder extreme Übertreibung?

Kapitel 5 Was wird uns die Erderwärmung kosten?

TEIL III Wie man den Klimawandel nicht bekämpfen sollte

Kapitel 6 Der Einzelne kann den Klimawandel nicht stoppen

Kapitel 7 Warum die grüne Revolution noch nicht stattfindet

Kapitel 8 Warum das Pariser Übereinkommen scheitert

Kapitel 9 Wählen Sie einen Pfad: Welche Zukunft ist die beste?

Kapitel 10 Wie die Klimapolitik den Ärmsten schadet

TEIL IV Wie man den Klimawandel bekämpft

Kapitel 11 CO2-Steuer: Die Marktlösung

Kapitel 12 Innovation: Was wir am meisten brauchen

Kapitel 13 Anpassung: Einfach, aber effektiv

Kapitel 14 Geoengineering: Nur für den Notfall

Kapitel 15 Wohlstand: Die weitere, unbedingt nötige Klimapolitik

TEIL V Wie man den Klimawandel und alle anderen Probleme dieser Welt bekämpft

Kapitel 16 Zusammenfassung: Wie man die Welt zu einem besseren Ort macht

Epilog

Danksagung

Anmerkungen

Bibliografie

TEIL I

KLIMA DER ANGST

EINLEITUNG

Wir leben in einem Zeitalter der Angst – insbesondere der Angst vor dem Klimawandel. Meiner Ansicht nach bringt ein Foto unser Zeitalter perfekt auf den Punkt. Es handelt sich um das Bild eines Mädchens, das ein Schild hochhält. Darauf steht:

»Du stirbst an Altersschwäche,

ich sterbe am Klimawandel.«

Unentwegt hämmern die Medien1 uns ein: Der Klimawandel zerstört unseren Planeten und droht, uns alle umzubringen. Die Wortwahl erinnert an die Apokalypse. Die Medien reden von der »unmittelbar bevorstehenden Einäscherung unseres Planeten«,2 Analysten drohen, die globale Erwärmung könnte die Menschheit innerhalb weniger Jahrzehnte ausrotten. Zuletzt warnten uns die Medien, die Menschheit habe nur noch ein Jahrzehnt, um den Planeten zu retten. Es bleibe uns nur noch Zeit bis zum Jahr 2030, um die Zivilisation zu retten,3 weshalb wir alle größeren Volkswirtschaften radikal verändern müssten: den Verbrauch fossiler Brennstoffe beenden, die Emissionen an Kohlenstoffdioxid (CO2) auf null herunterfahren und alles wirtschaftliche Handeln auf ein nachhaltiges Fundament stellen.

Kinder leben in Angst und gehen demonstrieren. Aktivisten blockieren Straßen und Flughäfen,4 um in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass dem Planeten »Hungersnöte, Not und Gemetzel« bevorstehen.5

Einflussreiche Bücher verstärken diese Auffassung weiter. 2017 beschrieb der Journalist David Wallace-Wells in der Zeitschrift New York ausführlich und drastisch, wie sich der Klimawandel auswirken würde.6 Obwohl Wissenschaftler den Artikel allgemein als übertrieben und irreführend brandmarkten,7 machte Wallace-Wells ein Buch daraus, Die unbewohnbare Erde. In seinem Bestseller heißt es unverhohlen alarmistisch: »Es ist schlimmer, viel schlimmer, als Sie denken.«8

In seinem Buch Die taumelnde Welt schlug der Umweltaktivist Bill McKibben 2019 in die gleiche Kerbe. Darin benannte er den Treibhauseffekt als die größte Bedrohung der menschlichen Zivilisation, gefährlicher noch als mögliche Atomkriege. Die Erwärmung könnte die Menschheit ausrotten, nicht in einer Riesenexplosion, sondern »mit dem Gurgeln eines steigenden Meeresspiegels«.9

Bücherregale würden unter dem Gewicht aktueller Veröffentlichungen mit bewusst alarmistischen Titeln und Botschaften ächzen, etwa Field Notes from a Catastrophe: Man, Nature and Climate Change (auf Deutsch erschienen unter dem Titel Wir Klimawandler: Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft),10Storms of my Grandchildren: The Truth About the Coming Climate Catastrophe and Our Last Chance to Save Humanity,11The Great Derangement: Climate Change and the Unthinkable12 sowie This Is the Way the World Ends: How Droughts and Dieoffs, Heat Waves and Hurricanes Are Converging on America.13

Die Medienkonzerne befeuern die Radikalität des Diskurses, indem sie Umweltaktivisten ausführlich zur Sprache kommen lassen und ihren eigenen Aktivismus betreiben. Die New York Times warnte: »Auf dem gesamten Globus vollzieht sich der Klimawandel schneller, als die Wissenschaft dies vorhersagte.«14 Die Zeitschrift Time raunte auf ihrem Cover: »Sei besorgt. Sei sehr besorgt.«15 Doch die britische Zeitung Guardian toppte all das, als sie Journalisten in ihren Stilvorgaben anwies, statt vom »Klimawandel« doch von »Klimanotstand«, »Klimakrise« oder »Klimazusammenbruch« zu sprechen.16 Und die Erderwärmung wurde zur »Erderhitzung«. Der Herausgeber der Zeitung findet, »Klimawandel« klinge einfach nicht dramatisch genug, sondern »irgendwie unverschuldet und geruhsam, wo doch die Wissenschaft eine wahrhafte Katastrophe für die Menschheit heranziehen sieht«.17

Kein Wunder also, dass so viele Menschen sich große Sorgen machen. 2016 ergab eine Umfrage in verschiedensten Ländern, von den Vereinten Arabischen Emiraten bis hin zu Dänemark, dass die Menschen mehrheitlich glauben, mit der Welt gehe es bergab. In Großbritannien und den Vereinigten Staaten, zwei der reichsten Volkswirtschaften der Erde, sehen erstaunliche 65 Prozent der Menschen für die Zukunft schwarz.18

Einer weltweiten Umfrage zufolge glaubte 2019 fast die Hälfte der Befragten, der Klimawandel werde die Menschheit vernichten. Auch in den Vereinigten Staaten glaubten vier von zehn Befragten das.19

Diese Angst hat ganz reale Folgen. Sie hält manche Paare davon ab, Kinder in diese Welt zu setzen. Eine Frau erzählte einem Journalisten: »Ich weiß, es steckt tief im Menschen, sich fortzupflanzen, aber mein Instinkt rät mir nur, meine Kinder vor den Schrecken der Zukunft zu beschützen, indem ich sie nicht in die Welt setze.«20

Die Medien bestärken die Menschen darin; die Nation fragt schon: »Wie entschließt man sich zu einem Kind, wenn der Klimawandel das Leben auf der Erde auf den Kopf stellt?«21

Erwachsene machen sich große Sorgen, und ihre Kinder sind nachgerade entsetzt. Eine Umfrage der Washington Post unter Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren ergab 2019, dass der Klimawandel bei 57 Prozent der Befragten Angst auslöst, bei 52 Prozent Wut und bei 42 Prozent Schuldgefühle.22 Einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2012 zufolge gaben 82 Prozent der befragten zehn- bis zwölfjährigen Kinder aus drei Schulen Denvers an, es mache sie wütend, ängstlich oder traurig, über die Umwelt nachzudenken.23 Eine Mehrheit der Kinder hatte apokalyptische Vorstellungen von der Zukunft des Planeten. Bezeichnend war dabei, dass 70 Prozent der Kinder ihre Meinung hauptsächlich über das Fernsehen, konkret über Nachrichten und Filme, gebildet hatten. Der zehnjährige Miguel befürchtete etwa:

»In zehn Jahren wird es wegen des Treibhauseffekts nicht mehr so viele Länder geben. Aus dem Discovery Channel und aus anderen Wissenschaftssendern weiß ich, dass die Welt in drei Jahren überflutet wird, weil die Hitze zu groß wird.«

Sollten diese Zahlen sich auf das ganze Land übertragen lassen, hätten mehr als zehn Millionen amerikanische Kinder panische Angst vor dem Klimawandel.

Diese Angst treibt Kinder weltweit dazu, freitags die Schule zu schwänzen, um gegen den Klimawandel zu protestieren. Warum sollten sie noch etwas lernen, wenn die Welt ohnehin bald endet? Kürzlich fragte ein dänischer Erstklässler seine Klassenlehrerin ganz ernsthaft: »Was tun wir, wenn die Welt untergeht? Wohin sollen wir? Auf das Hausdach?«24 Eltern finden im Internet etliche Seiten und Anleitungen unter Titeln wie Parenting in a World Hurtling Toward Catastrophe25 (Erziehung in einer Welt, die auf die Katastrophe zusteuert) oder On Having Kids at the End of the World (Soll man am Ende der Welt noch Kinder bekommen?).26 Und so kommt es dann, dass ein junges Mädchen ihr Schild hochhält, auf dem steht: »Ich sterbe am Klimawandel.«

Seit 20 Jahren beteilige ich mich an der globalen Diskussion über Klimapolitik, seit ich The Sceptical Environmentalist veröffentlichte.27 In all dieser Zeit habe ich gewarnt, der Klimawandel stelle ein echtes Problem dar. Auch wenn Sie vielleicht etwas anderes gehört haben, deuten so ziemlich alle Erkenntnisse der vergangenen 20 Jahre darauf hin. Die Wissenschaft ist sich einig, dass der Treibhauseffekt in allererster Linie vom Menschen verursacht wird, einigermaßen einig ist sie sich auch über die Auswirkungen auf die globalen Temperaturen und den Anstieg des Meeresspiegels.[1]

Die Reaktionen der Politik lassen bisher schwer zu wünschen übrig – was ich ebenfalls seit Jahrzehnten anprangere. Es gäbe, das predige ich schon lange und bleibe dabei, klügere Wege, das Problem der Erderwärmung anzupacken. In den letzten Jahren hat sich der öffentliche Diskurs dramatisch gewandelt. Die Wortwahl wurde extremer, der Bezug zu den Erkenntnissen der Wissenschaft loser. Während der letzten 20 Jahre hat die Wissenschaft mit großem Aufwand zum Klimawandel geforscht; es stehen uns mehr und verlässlichere Daten zur Verfügung als je zuvor. Doch gleichzeitig hat sich das, was Kommentatoren und Medien so von sich geben, immer mehr von jeder Rationalität verabschiedet.

Die Wissenschaft zeigt, dass Sorgen wegen einer Klima-Apokalypse unbegründet sind. Der Klimawandel findet statt. Er bedeutet aber nicht das Ende der Welt, sondern stellt ein lösbares Problem dar. Trotzdem glaubt fast die Hälfte der Weltbevölkerung, der Klimawandel werde die Menschheit ausrotten. Das hat die politische Realität zutiefst verändert. Immer mehr und weitreichendere Gesetze werden verabschiedet – nur sind die Maßnahmen meist verfehlt. Mit stierem Blick aufs Klima fixiert, vernachlässigen wir zahllose andere Probleme wie Pandemien, Hungersnöte, politische Konflikte oder Kriege. Oder wir subsumieren sie unter der Flagge des Klimawandels.

Unsere Besessenheit vom Klimawandel führt dazu, dass wir heute nicht mehr nur Milliarden für nutzlose Maßnahmen aus dem Fenster werfen, sondern Billionen. Gleichzeitig ignorieren wir die dringlicheren und viel einfacher lösbaren Probleme der Welt – und jagen Erwachsenen wie Kindern eine Heidenangst ein, die sachlich unbegründet ist und moralisch verwerflich.

Wenn wir ihr nicht Einhalt gebieten, wird die Klimapanik, allen guten Absichten der Menschen zum Trotz, die Welt zu einem viel schlechteren Ort machen, als möglich wäre. Deswegen schreibe ich dieses Buch. Wir müssen unsere Panik überwinden, wieder auf die Wissenschaft hören, die wirtschaftlichen Folgen unseres Handelns beachten und das Problem rational angehen. Wie sollen wir den Klimawandel bekämpfen, und welche Priorität sollen wir diesem Kampf angesichts der vielen Probleme auf dieser Welt einräumen?

* * *

Der Klimawandel[2] ist real und wird hauptsächlich von Kohlenstoffdioxid verursacht, das Menschen beim Verbrennen fossiler Brennstoffe freisetzen. Wir sollten dringend etwas dagegen tun – aber intelligent. Damit das gelingt, müssen wir aufhören, so fürchterlich zu übertreiben, ständig von »Jetzt oder nie« zu sprechen und alle anderen Probleme dieser Welt zu vernachlässigen. Viele Klimaaktivisten behaupten Dinge, die wissenschaftlich schlicht nicht belegt sind. Implizit oder sogar explizit gehen sie davon aus, dass bei einem so wichtigen Thema Übertreibungen erlaubt seien. Als 2019 ein Klimareport der Vereinten Nationen zu übertriebenen Forderungen von Aktivisten führte, warnte einer der Mitautoren vor Panikmache. Er schrieb: »Wir riskieren, die Öffentlichkeit mit extremistischen Forderungen zu verprellen, die einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren.«28 Damit hat er recht. Doch die Folgen übertriebener Klimaforderungen reichen viel tiefer.

Verlangt wird, dass alles sofort geschehen muss. Der gängigen Meinung zufolge, in den Medien bis zum Erbrechen wiedergekäut, bleibt uns nur bis zum Jahr 2030 Zeit, den Klimawandel zu stoppen. Das sagt doch die Wissenschaft!29

Das stimmt aber nicht. Die Politik sagt uns das. Diese Frist ist die Antwort der Wissenschaft auf eine ebenso konkrete wie hypothetische Frage, nämlich die, was nötig wäre, um die Temperaturerhöhung auf einen schier unerreichbar niedrigen Wert zu beschränken. Die Wissenschaft antwortete darauf, wie zu erwarten war, dass dieses Ziel fast unmöglich zu schaffen sei und gewaltige Änderungen in allen Teilen der Gesellschaft bis 2030 erfordern würde.

Stellen Sie sich vor, um die Verkehrssicherheit würde ähnlich radikal diskutiert. In den USA sterben jährlich 40.000 Menschen bei Verkehrsunfällen.30 Würde die Politik die Wissenschaft fragen, wie sich die Zahl der Toten auf annähernd null (also einen fast unerreichbar niedrigen Wert) drücken ließe, würde der wissenschaftliche Rat vielleicht lauten, ein landesweites Tempolimit von 5 Stundenkilometern einzuführen.[3] Niemand müsste mehr im Straßenverkehr sterben. Doch die Wissenschaft verlangt ja gar nicht, dass die Höchstgeschwindigkeit auf 5 Stundenkilometer sinken muss – sie verrät uns nur, dass wir, wenn wir null Verkehrstote anstreben, das gut über eine landesweite, strikt kontrollierte Höchstgeschwindigkeit von 5 Stundenkilometern erreichen könnten. Doch es bleibt eine politische Entscheidung, wie wir Verkehrstote gegen die Kosten einer solchen Beschränkung für eine mobile Gesellschaft abwägen.

Heutzutage sind wir vom Klimawandel derart besessen, dass wir viele globale, regionale und selbst private Probleme als dessen Folge betrachten. Ihr Haus liegt in einem möglichen Überschwemmungsgebiet – Klimawandel! Ihre Gemeinde droht von Wirbelstürmen verwüstet zu werden – Klimawandel! In Entwicklungsländern verhungern Menschen – Klimawandel! Betrachtet man den Klimawandel als Wurzel fast aller Probleme, scheint das auch drastischste Maßnahmen zu rechtfertigen. Aber ist ein radikaler Schnitt bei den CO2-Emissionen wirklich die beste Lösung?

Angenommen, man wollte den Anwohnern des Mississippi helfen, das Risiko von Flutschäden zu verringern. Dann ließe sich das mit anderen politischen Maßnahmen besser, schneller, billiger und effektiver erreichen als über eine Senkung des Kohlenstoffdioxidausstoßes. Man könnte beispielsweise das Wassermanagement verbessern, die Deiche erhöhen oder neue Überflutungsflächen ausweisen, die dann Wasser aufnehmen und andere Gebiete vor Überschwemmungen bewahren könnten. Wollte man hungernden Menschen in Entwicklungsländern helfen, wäre es fast tragikomisch, den Kohlenstoffdioxidausstoß zu senken, wo doch verbessertes Saatgut, mehr Dünger, verbesserter Marktzugang und allgemein bessere Möglichkeiten zur Förderung der Entwicklung so viel besser und schneller wirken würden – zu erheblich niedrigeren Kosten. Solange wir rechts und links den Klimawandel verantwortlich machen, greifen wir oft zu unfassbar ineffizienten Mitteln.

Die Menschheit droht nicht, in den nächsten Jahrzehnten auszusterben. Ganz im Gegenteil geht es uns Menschen besser als je zuvor – auch wenn die Propheten der Apokalypse das nicht wahrhaben wollen.

Seit 1900 hat sich unsere Lebenserwartung mehr als verdoppelt.31 Im Jahr 1900 lag sie bei gerade einmal 33 Jahren, heute liegt sie bei über 71 Jahren. Am dramatischsten haben von dieser Steigerung die Ärmsten der Welt profitiert. Zwischen 1990 und 2015 fiel der Anteil derjenigen, die ihren Darm in freier Natur entleeren mussten, von 30 auf 15 Prozent.32 Die Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung sank erheblich. Ein größerer Anteil der Menschen kann lesen, die Kinderarbeit geht zurück, und wir leben in einer der friedlichsten Zeiten der Geschichte.33 Auch der Planet wird gesünder. Im vergangenen halben Jahrhundert haben wir die Luftverschmutzung in Innenräumen erheblich gesenkt,34 diejenige Gesundheitsgefahr, der früher die meisten Menschen zum Opfer fielen. 1990 war sie für 8 Prozent aller Todesfälle verantwortlich; inzwischen ist der Anteil fast um die Hälfte auf 4,7 Prozent zurückgegangen. Jahr für Jahr überleben also 1,2 Millionen Menschen, die früher an schlechter Raumluft gestorben wären. Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft und erhöhtes Umweltbewusstsein führen in den Industrienationen zunehmend dazu, dass Wälder erhalten oder sogar wieder aufgeforstet werden.35 Seit 1990 hat sich für 2,6 Milliarden Menschen die Wasserversorgung entscheidend verbessert, heute haben 91 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu akzeptablem Wasser.36

Viele dieser Verbesserungen resultierten aus unserem steigenden (individuellen wie gesellschaftlichen) Wohlstand. Über die vergangen 30 Jahre hat sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen weltweit annähernd verdoppelt.37 Dadurch verringerte sich die Armutsquote erheblich. Heute liegt sie bei unter 10 Prozent.38 Wohlhabendere Menschen leben gesünder und länger. Die Luft in unseren Häusern ist sauberer geworden. Regierungen verbessern die Gesundheitsversorgung und die sozialen Sicherungssysteme, sie verabschieden strengere Umweltschutzgesetze und setzen sie auch durch.

Und, sehr wichtig, der Fortschritt macht nicht Halt. Im vergangenen Jahrhundert hat sich die Welt dramatisch zum Besseren gewendet, und auch in diesem Jahrhundert wird diese Entwicklung anhalten. Vermutlich werden wir in Zukunft erheblich wohlhabender sein als heute. So prognostizieren Fachleute der Vereinten Nationen, dass das Durchschnittseinkommen bis 2100 auf das Viereinhalbfache des heutigen Werts steigen wird.[4] Die Lebenserwartung wird ebenfalls steigen, auf 82 Jahre, möglicherweise sogar auf über 100 Jahre.39 Im Zuge dieses steigenden individuellen wie gesellschaftlichen Wohlstands wird die Luftverschmutzung weiter zurückgehen.

Ja, der Klimawandel hat unterm Strich negative Konsequenzen für die Welt, aber angesichts der bisherigen und für dieses Jahrhundert erwarteten positiven Entwicklungen wird dieser Effekt verblassen. Den seriösesten aktuellen Forschungen zufolge werden die Kosten des Klimawandels zum Ende des Jahrhunderts etwa 3,6 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts betragen – für den Fall, das wir gar nichts unternehmen.40 Diese Zahl umfasst alle Schäden, nicht nur diejenigen durch stärkere Stürme, sondern auch die sozialen Kosten, wenn mehr Menschen an Folgen der Hitze sterben, sowie diejenigen für verlorene Küstengebiete aufgrund steigender Meeresspiegel. Wegen des Klimawandels steigen die Einkommen bis 2100 also nicht um 450 Prozent, sondern »nur« um 434 Prozent. Das ist unschön, aber offenkundig kein katastrophales Problem. Der Weltklimarat selbst erklärt:

»Für die meisten Wirtschaftssektoren werden die Auswirkungen des Klimawandels relativ klein sein im Vergleich zu anderen Faktoren wie Bevölkerungsgröße, Altersstruktur, Einkommen, technischem Fortschritt, relativen Preisen, Lebensstil, Gesetzgebung, Governance und zahlreichen anderen Aspekten der sozioökonomischen Entwicklung.«41 [Kursivierung hinzugefügt]

Das ist, was wir unseren Kindern beibringen sollten. Das Mädchen mit dem Schild »Ich sterbe am Klimawandel« wird nicht daran sterben. Statistisch betrachtet, wird es länger leben als ihre Eltern und Großeltern, in größerem Wohlstand, in einer saubereren Umwelt und einer Welt, in der weniger Menschen arm sind.

Aufgrund des Getöses um den Klimawandel nehmen die meisten Menschen solche guten Nachrichten gar nicht wahr. Da wir den Klimawandel für ein so viel größeres Problem halten, als er tatsächlich ist, geben viele Länder immer mehr Geld zu seiner Bekämpfung aus, wodurch immer weniger Geld für sinnvolle Maßnahmen bleibt. Nachweislich kostet uns der Kampf gegen den Klimawandel – in Form von Investitionen in erneuerbare Ressourcen, Subventionen und entgangenem Wachstum – schon heute jährlich mehr als 400 Milliarden Dollar.[5]

Und diese Kosten steigen vermutlich bald rasch an. Das Übereinkommen von Paris, das 2015 von 195 Staaten unterzeichnet wurde, ist das teuerste Abkommen aller Zeiten. Bis 2030 wird es jährliche Kosten von 1 bis 2 Billionen Dollar verursachen. Angesichts einer stetig steigenden Zahl von Ländern, die sich zur Klimaneutralität innerhalb der nächsten Jahrzehnte verpflichten, könnten diese Kosten in den folgenden Jahren auf zig Billionen Dollar jährlich steigen.42

Jede Maßnahme gegen den Klimawandel kostet Geld (sonst müsste man ja nicht darum ringen; jeder würde sie freiwillig ergreifen). Das wäre gut ausgegeben, wenn das Problem sich relativ billig beheben ließe. Doch leider bewirkt das Pariser Übereinkommen im besten Fall gerade einmal 1 Prozent dessen, was die Politik versprach (nämlich den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu beschränken), und zwar zu immensen Kosten.43 Das ist schlicht ein schlechtes Geschäft für die Welt.

Darüber hinaus wird sich das Pariser Klimaabkommen (oder ein anderer überaus teurer Klimaplan) nicht langfristig aufrechterhalten lassen. Zwar sorgen sich viele Menschen um das Klima, die meisten sind aber nicht bereit, zu seinem Schutz viel auszugeben. Weltweit erklären Befragte, sie wären bereit, 100 bis 200 Dollar jährlich zur Rettung des Klimas zu bezahlen.44 Einer Umfrage der Washington Post zufolge halten zwar mehr als drei Viertel aller Amerikaner den Klimawandel für ein gewaltiges oder wichtiges Problem, doch eine Mehrheit will nicht einmal 24 Dollar jährlich ausgeben, um ihn abzuwenden.45 Dabei kosten die gängigen Politikmaßnahmen viele Tausend oder sogar zigtausend Dollar pro Person und Jahr.

Sobald der Kampf gegen den Klimawandel zu teuer wird, wählen die Menschen ihn ab. Schon jetzt protestieren Bürger gegen Umweltschutzmaßnahmen, die die Energie verteuern. In Frankreich entstand die Gelbwesten-Bewegung, in den USA, in Brasilien, in Australien und auf den Philippinen wurden Politiker gewählt, die sich gegen jeden Klimaschutz aussprachen. Auch aus diesem Grund wären sanftere Kurskorrekturen effektiver: Die Wählerschaft würde sie sich eher gefallen lassen. Klimapolitik braucht einen langen Atem, sie wirkt nur langfristig. Wird sie zu teuer, wenden sich die Bürger von ihrer Regierung ab, und ein sinnvoller Wandel wird daraufhin nur schwer zu erreichen sein.

Ironisch an der Debatte um den Klimawandel ist auch, dass oft jene Menschen am lautesten protestieren, die ebenso die globale Einkommensungleichheit kritisieren. Dabei übersehen sie aber die Tatsache, dass die Kosten für den Klimaschutz überproportional auf die Ärmsten der Welt entfallen. Denn zur Klimapolitik gehört oft, dass fossile Brennstoffe verteuert werden.

Wird Energie teurer, bezahlen wir letztlich alle mehr, um unseren Wohnraum zu beheizen. Da Arme aber einen größeren Anteil ihres Einkommens für Energie ausgeben, trifft eine Preiserhöhung sie im Verhältnis viel stärker. Schon heute leiden selbst in der reichen Welt geschätzt 200 Millionen Menschen an Energiearmut, was bedeutet, dass Energiekosten mehr als ein Zehntel ihres Einkommens auffressen.46 Sie müssen ihren Verbrauch also einschränken oder haben weniger Geld für andere Dinge übrig. Aber Energiearmut ist nicht nur eine Extrabürde für die ohnehin schon Schwachen – sie kann ihr Leben stark beeinträchtigen. Beispielsweise bedeutet Energiearmut, dass manche finanzschwache alte Menschen ihr Zuhause nicht mehr ausreichend heizen. Sie bleiben dann länger im Bett, um es warm zu haben.47 Die Elite hingegen gibt nur einen kleinen Teil ihres Budgets für Energie aus, selbst dramatische Preisanstiege kümmern sie also kaum. Deshalb können Wohlhabende auch so unbekümmert zusätzliche Steuern auf Energie fordern. Tatsächlich gehen die allermeisten Subventionen für Klimaschutz (wie Zuschüsse für Solaranlagen, Fassadenisolierungen oder Elektroautos) an Wohlhabende.48

In ärmeren Ländern unterlaufen höhere Energiekosten viele Bemühungen, den Lebensstandard zu verbessern. Ein Solarpanel liefert vielleicht genug Strom für eine Lampe oder das Laden von Handys, aber nicht genug zum Kochen, wodurch offenes Feuer und die damit einhergehende Luftverschmutzung in Innenräumen vermieden würden. Es liefert auch nicht genügend Strom für einen Kühlschrank, in dem sich Lebensmittel länger halten würden, oder für landwirtschaftliche Maschinen, die benötigt würden, um Menschen aus ihrer Armut zu befreien. Entwicklungsländer brauchen billige und verlässliche Energie, die heute hauptsächlich aus fossilen Energieträgern kommt, um wachsen zu können. Eine Folge des Pariser Übereinkommens wäre also, wie eine aktuelle Studie zeigt, dass es die Armut erhöht.49

Wir fixieren uns derart auf das Klima, dass uns für andere Probleme weniger Zeit, Geld und Aufmerksamkeit bleiben. In den Industrienationen reden wir so viel über den Klimawandel, dass wir all die anderen Probleme dieser Welt darüber vergessen. Die einseitige Fixierung erstickt jede Debatte darüber, wie wir unsere Renten sichern, das Bildungssystem modernisieren und die Gesundheitsversorgung verbessern könnten. In ärmeren Ländern droht der Kampf ums Klima, die Diskussion um die Behebung erheblich wichtigerer Probleme in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Arbeit und Ernährung zu verdrängen. Dabei liegt das Heil von Entwicklungsländern genau in diesen Bereichen – dort entscheidet sich, ob ein Land sich aus der Armut befreit und in eine glänzende Zukunft aufbricht.

Wie geht es also weiter?

Erstens fordere ich, dass wir die Klimapolitik ebenso evaluieren wie alle anderen Politikmaßnahmen auch: anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse. In unserem Fall bedeutet das, dass wir Kosten und Nutzen (weniger klimabedingte Schäden) unserer Klimapolitik abwägen. Die drohenden Schäden werden uns ständig unter die Nase gerieben, aber die Kosten verminderter Emissionen sind ebenso real, und sie treffen oft die Schwächsten der Gesellschaft. Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid ist schlicht eine Begleiterscheinung einer Gesellschaft mit Zugang zu verlässlicher und billiger Energie. Und mit dieser Energie werden all die notwendigen oder angenehmen Dinge des Lebens bereitgestellt: Nahrungsmittel, Wärme, Kälte, Beförderungsleistungen und so weiter. Verteuert man die Energie (oder sorgt dafür, dass sie weniger zuverlässig zur Verfügung steht), kostet das mehr als nur entgangenes Wirtschaftswachstum.

Im Fall des Kohlenstoffdioxids zeigt eine Kosten-Nutzen-Analyse mit den aktuellsten Zahlen, dass wir einige, aber keineswegs alle Emissionen vermeiden sollten. Wir könnten dies über eine CO2-Steuer erreichen, die anfangs bei etwa 17 Euro pro Tonne liegen könnte (was den Liter Benzin um etwa 4 Cent verteuern würde) und dann im Lauf des Jahrhunderts langsam steigen sollte. Idealerweise würde diese Besteuerung weltweit koordiniert, in Wirklichkeit ergibt sich bestimmt ein Flickenteppich, der die Effizienz der Maßnahme schmälert. Trotzdem würde diese Politik den weltweiten Temperaturanstieg ein wenig verringern und damit helfen, die schädlichsten Extreme zu vermeiden. Allerdings würde die Besteuerung auch das Wirtschaftswachstum senken; das ist eine unvermeidliche Nebenwirkung verteuerter Energie.

Insgesamt würde es sich aber um ein gutes Geschäft handeln. (Die Wirkungsweise klimaökonomischer Modelle erkläre ich später; hier soll uns das Fazit genügen.) Die Kosten einer leichten Energiepreiserhöhung rühren aus einer leicht verringerten Wachstumsrate der Weltwirtschaft über die nächsten Jahrhunderte. Kurz gefasst, würde das Welt-Bruttoinlandsprodukt (BIP) leicht unter dem ohne Energiebesteuerung liegen, und zwar um 0,4 Prozent.

Auf der anderen Seite hilft die Steuer, die extremsten Temperaturanstiege zu vermeiden, entsprechend geringer fallen die Schäden durch den Klimawandel aus. Unter dem Strich ersparen wir uns 0,8 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts an Schäden. Offenkundig würde es sich lohnen, 0,4 Prozent des BIP auszugeben, um 0,8 Prozent zu sparen.

Es ergäbe also Sinn, die CO2-Emissionen leicht zu senken. Erstens, weil die ersten Sparmaßnahmen uns ganz leichtfallen würden. Wir würden nach niedrig hängenden Trauben greifen. An vielen Stellen ließe sich die Effizienz mit geringem Aufwand steigern. So muss man den Innenhof nicht heizen, wenn eh niemand draußen sitzt. Man muss sich nur die minimale Mühe machen, den Schalter umzulegen. Gleichzeitig sorgt die letzte vermiedene Tonne auch für den größten Nutzen, weil sie die höchste (und damit schädlichste) Temperaturspitze zu verhindern hilft.

Allerdings darf man nie übersehen, wie wenig mit dieser Maßnahme gewonnen ist. Wir bezahlen mit 0,4 Prozent unseres BIP und bekommen dafür einen Nutzen in Höhe von 0,8 Prozent. Insgesamt gewinnen wir dadurch gerade einmal 0,4 Prozent des weltweiten BIP. Eine gut gemachte CO2-Steuer kann die Welt verbessern, aber nicht um viel.

Eine rigorose Kosten-Nutzen-Analyse zeigt uns vor allem, was wir nicht tun sollten. Wir sollten nicht versuchen, in kürzester Zeit die CO2-Emissionen fast auf null herunterzufahren. Doch genau das fordern die meisten Aktivisten und versprechen viele Politiker. Dabei würde ein solcher Kurs astronomische Kosten verursachen. Der Sprit müsste sich um 5 bis 20 Euro pro Liter, vielleicht sogar noch mehr, verteuern, um die CO2-Emissionen rasch auf null zu bringen. Das würde uns weitere 3,4 Prozent des weltweiten BIP kosten. Der zusätzliche Nutzen läge aber viel niedriger, etwa bei 1 Prozent des BIP.[6] Die Welt würde bei einer solchen Politik also draufzahlen. Wir würden ein schlechtes Geschäft machen, selbst wenn die Politik klug konzipiert, umgesetzt und weltweit koordiniert würde.

Vermutlich aber wäre eine hektisch zusammengeschusterte Klimapolitik schlecht gemacht und ineffektiv, was die Gesamtkosten in unfassbare Höhen treiben könnte. Am Ende würden wir einen exorbitanten Preis für einen geringen Extranutzen bezahlen. Die Welt würde viel ärmer als nötig.

Kehren wir noch einmal zur Tempolimit-Analogie zurück. Kein vernünftiger Mensch würde bestreiten, dass es Tempolimits braucht, ebenso wie kein vernünftiger Mensch bestreiten kann, dass wir etwas gegen die Erderwärmung tun müssen. Gleichzeitig plädiert niemand dafür, die Höchstgeschwindigkeit auf 5 Stundenkilometer zu begrenzen, auch wenn man damit Tausende Leben retten würde. Denn die finanziellen und persönlichen Kosten dieses Limits wären für uns unerträglich hoch. Also suchen wir nach einer Kompromisslösung irgendwo zwischen 90 und 130 Stundenkilometern (im Rest der Welt zumindest). Menschen, die sich eher um die Verkehrssicherheit sorgen, wünschen sich ein Tempolimit am unteren Ende dieser Spanne, während diejenigen, die wegen der steigenden Kosten der persönlichen Mobilität Bedenken haben, eher für ein Limit am oberen Ende der Spanne plädieren. Innerhalb dieses Rahmens lässt sich trefflich diskutieren.

Aber mit der Forderung nach einer sofortigen und drastischen Senkung des CO2-Ausstoßes weltweit verhalten sich die Klimaaktivisten wie Befürworter eines Tempolimits von 5 Stundenkilometern. Das ist eine lächerliche Forderung, zumindest für alle, die morgens zur Arbeit pendeln.

Zweitens müssen wir uns klügere Antworten auf den Treibhauseffekt ansehen. Die führenden Klimaökonomen stimmen darin überein, dass negative Effekte sich am besten durch Investitionen in grüne Innovationen bekämpfen ließen.[7] Wir sollten also lieber die Technologien von morgen entwickeln, anstatt die ineffizienten Turbinen und Sonnenkollektoren von heute zu installieren. Wir sollten zur Kernfusion forschen, zur Kernspaltung, zur Wasserspaltung und vielem mehr. Wir könnten probieren, ob sich mit an der Ozeanoberfläche wachsenden Algen Öl produzieren ließe. Da Algen Sonnenlicht und CO2 in Biotreibstoff umwandeln, würde die Verbrennung dieses Treibstoffs kein zusätzliches CO2 freisetzen. Aktuell lohnen sich solche Algen-Plantagen wirtschaftlich noch nicht, doch es würde nicht viel kosten, die Forschung auf diesem und etlichen anderen Gebieten zu fördern. Und, wer weiß, vielleicht entstehen daraus ja bahnbrechende Technologien!

Es reicht ja, durch Innovationen den Preis grüner Energie unter den fossiler Brennstoffe zu drücken – ab diesem Punkt würden alle umsteigen, nicht nur die reichen Länder, sondern auch China und Indien. Den Modellen zufolge erspart jeder Dollar, der in die Forschung und Entwicklung grüner Energien gesteckt wird, Klimaschäden von 11 Dollar. Damit ist diese Maßnahme Hunderte Male effektiver als die aktuelle Klimapolitik.50

Vielleicht dauert es zehn Jahre, vielleicht auch vierzig, bis unsere Forschungsanstrengungen zur Lösung der Energiefrage im 21. Jahrhundert führen – andererseits wissen wir aber auch, dass wir das Problem nicht lösen, indem wir unhaltbare Versprechungen machen und ineffiziente Methoden verwenden. Wir müssen den menschlichen Erfindungsgeist entfesseln.

Leider geschieht genau das Gegenteil. Obwohl sich im Grunde alle einig sind, dass wir mehr in Forschung und Entwicklung (F&E) stecken sollten, hat sich der Anteil der Ausgaben für F&E gemessen am BIP in den reichen Ländern seit den 1980er-Jahren halbiert.51 Warum? Weil man bei der Eröffnung ineffizienter Solarparks ganz tolle Pressefotos machen kann und allen das Gefühl vermittelt wird, es geschähe etwas. Wissenschaftlern in der Forschung Geld zuzustecken, ergibt viel weniger schöne Bilder.

Auch dieser Aktionismus ist eine Folge der unablässigen Panikmache. Wir brennen derart darauf, sofort etwas zu unternehmen, und sei es noch so trivial, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken, welche technologischen Durchbrüche es der Menschheit tatsächlich erlauben würden, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden.

Drittens müssen wir uns an neue Gegebenheiten anpassen. Die gute Nachricht ist, dass wir das jahrhundertelang gemacht haben, als wir noch viel ärmer und technologisch rückständiger waren. Also schaffen wir das in der Zukunft auch! Nehmen wir die Landwirtschaft. Bei steigenden Temperaturen werden manche Sorten weniger Ertrag bringen. Doch dann pflanzen Landwirte einfach andere Sorten oder steigen auf andere Feldfrüchte um. Beispielsweise wird der Weizenanbau in nördlichere Regionen vordringen. Umstellungen sind zwar mit Kosten verbunden, verringern unter dem Strich aber die Kosten des Klimawandels erheblich.

Immer und immer wieder haben Menschen eine meisterliche Anpassungsfähigkeit bewiesen. Nehmen wir Bangladesch, wo die Zahl der Toten nach Wirbelstürmen seit den 1970er-Jahren erheblich gesenkt werden konnte, und zwar durch intelligenten Katastrophenschutz und strengere Bauvorschriften. Oder die Stadt New York, die aus dem Hurrikan Sandy gelernt hat und ein paar einfache Neuerungen einführte, etwa Sturm-Abdeckungen für das U-Bahnsystem.

Viertens sollten wir die Chancen des Geoengineerings ausloten. Beim Geoengineering werden natürliche Prozesse imitiert, um die Temperatur auf der Erde zu senken. Als 1991 der Vulkan Pinatubo ausbrach, blies er etwa 15 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre, wo ein Dunstschleier entstand, der sich über den ganzen Globus verteilte. Dieser Dunst reflektierte einen Teil des einfallenden Sonnenlichts und kühlte die Oberfläche des Planeten über eineinhalb Jahre hinweg durchschnittlich um ein gutes halbes Grad Celsius ab.

Manche Wissenschaftler plädieren dafür, diesen Effekt zu nutzen und die Welt so finanziell äußerst günstig abzukühlen. Außerdem würde solch eine Maßnahme sehr rasch greifen, innerhalb von Tagen oder Wochen. Geoengineering könnte also einen guten Notfallplan darstellen für den Fall, dass etwa die Eisdecke über der Antarktis anfinge, rasend schnell abzuschmelzen. Die üblichen Maßnahmen zur CO2-Reduktion brauchen Jahrzehnte zur Umsetzung und ein halbes Jahrhundert, bis sie sich merklich auf das Klima auswirken. Nur mit Geoengineering lässt sich die Temperatur der Erde rasch senken.

Noch sollten wir mit solchen Plänen vorsichtig sein, weil die Folgen unabsehbar sein könnten. Aber wir sollten weiter dazu forschen, um zu sehen, ob sie in einigen Fällen nicht doch eine gangbare Lösung darstellen würden.

Fünftens dürfen wir nie vergessen, dass der Klimawandel nicht das einzige globale Problem ist. Die meisten Menschen betrachten die Erderhitzung nicht als ihr dringlichstes Problem – für viele ist sie sogar total nebensächlich. Eine Umfrage im Auftrag der UN unter fast zehn Millionen Menschen weltweit ergab, dass das Klima bei den meisten Menschen auf der Prioritätenliste ganz unten rangierte, weit hinter Bildung, Gesundheit und Ernährung (siehe Abbildung I.1).52 Die Bevölkerung der reichen Nationen, wo es viel besser um Bildung, Gesundheit und Ernährung steht, fürchtet sich tendenziell stärker vor dem Klimawandel, doch selbst Europäer sehen ihn nur als ihre zehntgrößte Sorge. Für die Ärmsten der Welt kommt er robust an letzter Stelle.

Abbildung I.1 Die Politikprioritäten der Weltbevölkerung. Für eine Erhebung im Rahmen der UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung gaben 9,7 Millionen Menschen aus aller Welt ihre Prioritäten zu 16 Politikfeldern an.

Durch unsere Fixierung auf den Klimawandel verlieren wir andere, wichtigere Probleme aus dem Blick, deren Lösung die Welt zu einem erheblich besseren Ort machen würde, und zwar für Milliarden Menschen. Impfprogramme und die Ausrottung der Tuberkulose, verbesserter Zugang zu modernen Verhütungsmitteln, bessere Ernährung und Bildung, die Bekämpfung der Energiearmut – all diese Dinge lägen für uns durchaus in Griffweite und könnten, wenn wir uns nur darauf konzentrierten, das Leid eines erheblichen Anteils der Weltbevölkerung lindern.

Durch eine echte Entwicklungshilfe würden wir die Begünstigten auch widerstandsfähiger gegen den Klimawandel machen. In einer wohlhabenderen Gesellschaft verfügen mehr Menschen über die Mittel, um in Anpassungen und Vorsorge zu investieren, wodurch sie Klimaschocks besser abfangen können. Wie sich zeigt, können sich diejenigen Armen am besten an den Klimawandel anpassen, deren Lebensumstände sich vorher schon gebessert haben.

Wir müssen uns bewusst sein, dass wir imperialistisch denken, wenn wir Entwicklungsländer über unsere Hilfsleistungen dazu zwingen, unsere Klimaprioritäten zu übernehmen. Wir hören nicht darauf, was die Bevölkerung dieser Länder möchte. Aus Sorge um unser Wohl hindern wir sie daran, sich aus ihrer Armut zu kämpfen. Das ist nicht nur politisch dumm, sondern vor allem moralisch inakzeptabel.

Wir müssen alle mal tief durchatmen und neu durchdenken, was der Klimawandel wirklich bedeutet. Klimawandel, das ist kein riesiger Asteroid, der auf die Erde zurast, der rechtfertigen würde, dass wir alles andere unterbrechen und die gesamte Weltwirtschaft darauf konzentrieren, diese Bedrohung abzuwenden. Vielmehr ist der Klimawandel eine chronische Krankheit wie Diabetes – ein wichtiges Problem, um das wir uns kümmern müssen, aber ein Zustand, mit dem wir leben können.53 Und während wir uns darum kümmern, leben wir unser Leben weiter und gehen auch all die anderen Probleme an, die in der Zukunft letztlich eine viel größere Rolle spielen werden.

Zunächst (in Teil I) betrachten wir die daher die Angstkultur, die sich um den Klimawandel entwickelt hat. Danach (in Teil II) fragen wir, was wir der Wissenschaft zufolge wirklich zu erwarten haben, und was die Kosten steigender Temperaturen sind. Anschließend (in Teil III) untersuchen wir dann, was am aktuellen Ansatz nicht stimmt. Wie kommt es, dass der Klimawandel unser Denken so beherrscht, wir aber trotzdem kein Mittel gegen ihn finden? Was bewirken wir mit einer bewussteren Lebensweise? Was erreichen wir als Weltgemeinschaft, wenn wir die Versprechungen des Pariser Klimaübereinkommens erfüllen? Zuletzt (in Teil IV) gehen wir der Frage nach, wie wir den Klimawandel tatsächlich anpacken sollten. Welche Politik sollten wir verfolgen, um den Temperaturanstieg einigermaßen in Schach zu halten und unseren Enkeln einen einigermaßen gesunden Planeten zu hinterlassen?

Es steht in unserer Macht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Doch zuerst sollten wir uns ein wenig beruhigen.

KAPITEL 1

WARUM ORDNEN WIR DEN KLIMAWANDEL SO VÖLLIG FALSCH EIN?

Vielen Menschen verursacht der Klimawandel echte Panik. Kein Wunder, schließlich verkünden Medien, Umweltaktivisten und (manche) Politiker ständig, dass die Lage dramatisch sei. Dabei werden die wahrscheinlichen Auswirkungen oft übertrieben und wissenschaftliche Erkenntnisse häufig ohne den entscheidenden Zusammenhang präsentiert. Was nämlich fast immer unter den Tisch fällt, ist, wie geschickt wir Menschen uns an sich verändernde Umstände anpassen. Das tun wir seit Jahrtausenden, und wir werden es auch weiterhin tun. Folglich ist jede Prognose zu den Auswirkungen des Klimawandels, die menschliche Anpassungsmaßnahmen nicht berücksichtigt, unrealistisch.

Es gibt starke Anreize, die Folgen des Klimawandels in den düstersten Farben zu schildern. Reißerische Medienberichte bekommen die meisten Klicks und das größte Publikum. Aktivisten sichern sich mit finsteren Prognosen maximale Aufmerksamkeit und locken Spender an. Forscher, die auf die Apokalypse-Schiene setzen, werden eher wahrgenommen, schmücken ihre Universitäten und bekommen zukünftige Projekte leichter finanziert. Politiker, die Klimaängste schüren, versprechen uns, uns vor der Katastrophe zu schützen – und bekommen im Gegenzug die Macht, all die enormen Ressourcen zu verteilen, die es zur Lösung des Problems braucht.

Klar, interessierte Kreise übertreiben – was aber nicht bedeutet, dass wir solche, möglicherweise aufgebauschten Probleme einfach ignorieren dürfen. Wir möchten ja, dass Wissenschaftler Krisen vorhersehen, Medien über mögliche Bedrohungen berichten und Politiker uns retten – wenn es denn wirklich nötig ist. Dennoch sollten wir skeptisch bleiben, weil all diese Beteiligten enorm von ihrer Schwarzmalerei profitieren.

Mit besonderer Skepsis sollten wir die Medienberichterstattung zum Klimawandel betrachten. Fast täglich lesen wir neue Berichte über steigende Temperaturen und extreme Schäden, die der Klimawandel verursachen wird. Noch einmal: Die Medien leben von Sensationsmache; je wilder eine Nachricht aufgebauscht wird, desto mehr Klicks bekommt sie, desto mehr Zeitungen verkaufen sich. Kein Mensch klickt auf einen Link mit der Schlagzeile: »Unser zukünftiges Leben wird sich nicht viel vom heutigen unterscheiden, in ein paar Aspekten wird es vielleicht ein bisschen schwieriger sein.« Also lesen wir Schlagzeilen wie die der New York Post kürzlich: »Studie: Klimawandel könnte die menschliche Zivilisation bis 2050 zerstören.« Die Post, eine seriöse Zeitung, wollte die Leser wohl nicht bewusst hinters Licht führen. Aber natürlich wünschten sich der Autor des Artikels und der Redakteur, der die Überschrift formulierte, möglichst viele Leser anzulocken. Was da so genau in der Studie wirklich stand, interessierte da offenbar nicht sehr. Und auch nicht, was die etablierte Wissenschaft zu den Erkenntnissen sagt.1

Die Studie von 2019, auf die sich der Artikel bezieht, stammt von einer obskuren Denkfabrik, umfasst magere sieben Seiten und widerspricht den akzeptierten Erkenntnissen des UN-Klimarats erheblich.2 Von wilden Annahmen ausgehend, zeichnet sie ein finsteres Schreckensbild von einem Klimawandel, der viel extremer ausfällt, als von der großen Mehrheit der Wissenschaftler vorhergesagt. Die Folgen, raunen die Autoren, seien gar nicht mehr modellierbar oder abschätzbar, es bestehe also eine »hohe Wahrscheinlichkeit, dass die menschliche Zivilisation zugrunde geht«.3

Einen Termin dafür nennt die Studie allerdings nicht, vom Jahr 2050 ist keine Rede. Ein Klimaforscher kommentierte den Artikel folgendermaßen: »Ein typischer Fall: Da schreibt irgendjemand eine Studie, die nicht von Fachkollegen überprüft wird, und behauptet Dinge, die von der etablierten Wissenschaft nicht gedeckt sind oder ihr sogar widersprechen. Die Medien nehmen die Studie dann und bauschen ihre Aussagen noch weiter auf.«4

Anders ausgedrückt: Schon die Studie und dann auch noch der Artikel gehören ins Reich der Fiktion, nicht der Tatsachen. Dennoch schaffte diese erschreckende Geschichte es abgewandelt auch in die Zeitung USA Today,5 in die Fernsehnachrichten von CBS6 und CNN7 sowie in etliche weitere überregionale Medien.

Welches Problem haben die Medien mit dem Klimawandel?

Natürlich erscheinen in den Medien auch sorgsam recherchierte und ausgewogene Artikel, aber diese gehören zu einer kleinen Minderheit. Ein Teil des Problems besteht ironischerweise darin, dass viele Medien ausgewogen berichten wollen und deshalb gewohnheitsmäßig auch der Gegenposition breiten Platz einräumen. Leider bekommen auf diese Weise Leugner des Klimawandels eine Bühne, deren Argumente längst von der Wissenschaft widerlegt sind. Neuerdings hört man weniger von diesen Leuten – was gut ist. Dafür berichten die Medien umso alarmistischer, vielleicht als Wiedergutmachung für ihre Sünden der Vergangenheit. Dabei begehen Journalisten den gleichen Fehler wie zuvor, nur am anderen Ende des Spektrums: Sie bieten Panikmachern eine Plattform, ohne deren übertriebenen Behauptungen zu hinterfragen.

Nehmen wir die Titelgeschichte der Zeitschrift Time vom 13. Juni 2019. Auf dem Titelfoto steht António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, in Anzug und Krawatte bis zu den Hüften im Wasser am Strand der winzigen Pazifikinsel Tuvalu. Im dazugehörigen Artikel heißt es: »Tuvalu droht im Meer zu versinken.« Da die Insel sich kaum über den Meeresspiegel erhebe, raunt der Artikel, drohe schon der kleinste Anstieg des Meeresspiegels, Tuvalu und seine 10.000 Einwohner »von der Landkarte verschwinden zu lassen«.8

Leider hat der Generalsekretär da ganz umsonst einen prima Anzug ruiniert. Die Wissenschaft sagt nämlich etwas anderes. Ja, aufgrund des Klimawandels steigen die Meeresspiegel, auch um die mehr als 124 Riffinseln Tuvalus. Aber es hätte die Journalisten nur fünf Minuten Arbeit gekostet, die neueste wissenschaftliche Studie zu Tuvalu herauszusuchen, die in dem Magazin Nature erschienen war. Diese bestätigt, dass der Meeresspiegel dort anstieg, und zwar doppelt so stark wie im weltweiten Durchschnitt. Doch obwohl der Meeresspiegel seit vier Jahrzehnten ansteigt, wuchs die Landfläche Tuvalus in dieser Zeit um 2,9 Prozent. Das ist eine Folge der Anschwemmung. Ja, der Meeresspiegel steigt und lässt Land verschwinden, gleichzeitig aber werden tote Korallen von Wellen zermahlen und an niedrigen Stränden als Sand abgelagert. Wie die Studie aus dem Jahr 2018 zeigte, gleicht dies den Landverlust mehr als aus. Unter dem Strich wächst Tuvalu also. Daran ändert sich voraussichtlich auch nichts, weshalb es in der Studie von Nature auch heißt, Tuvalu »ist auch im nächsten Jahrhundert noch bewohnbar«.9

Die Titelgeschichte der Time hingegen warnt überdies, zwei weitere Inselnationen, Kiribati und die Marshallinseln, könnten von der Landkarte verschwinden. Auch hier hätten ein paar Minuten Recherche die ganze Geschichte kaputt gemacht. In Kiribati wuchsen seit 1943 alle vier Atolle durch natürliche Anschwemmung stärker, als jeder Meeresanstieg zunichtemachen konnte. Die Fläche des Hauptatolls, Tarawa, auf dem die Hälfte der Bevölkerung lebt, wuchs über 30 Jahre hinweg um 3,5 Prozent (dazu kommen 15 Prozent aus einem Landgewinnungsprojekt in Südtarawa).10 Auch auf den Marshallinseln wuchs die Landfläche durch natürliche Anschwemmung um 4 Prozent.11

Ein aktueller Übersichtsartikel, in dem alle Studienergebnisse zu Mikronesien zusammengetragen wurden, zeigt, dass die Anschwemmung auf allen Atollen und größeren Inseln der Marshallinseln, Kiribatis, Französisch-Polynesiens, der Malediven und Tuvalu den Meeresanstieg mehr als ausglich. Trotz steigenden Meeresspiegeln in den vergangenen Jahrzehnten sind alle untersuchten Atolle gewachsen. Ebenso sind alle untersuchten größeren Inseln mindestens gleich groß geblieben oder sogar gewachsen.12

Eine anständig recherchierte Geschichte hätte diese Information nicht unterschlagen und stattdessen über die Probleme von Menschen berichtet, die von Gegenden, wo das Land erodiert, in Gegenden umsiedeln müssen, wo Land hinzukommt. Doch statt über die wahren Schwierigkeiten zu schreiben, die ein Land wie Tuvalu aufgrund des Klimawandels bekommt, schwadroniert die Time lieber von »unserem versinkenden Planeten«. Klar, das knallt ganz anders, mit solchen Gruselgeschichten verkaufen sich Zeitschriften. Wen stört es da, wenn sie gar nicht wahr sind?

Eine ähnlich schaurige Geschichte ging 2019 um die Welt, diesmal verbreitet von der New York Times und vielen, vielen anderen Medien: Dass gewaltige Flächen bewohnten Landes bis 2050 von Meerwasser überflutet und ganze Städte »ausgelöscht« würden.13 Diesmal bezogen sich die Schlagzeilen auf seriöse Forschung: ein in Nature veröffentlichtes Paper von 2019, wonach die Schätzungen zu den Auswirkungen steigender Meeresspiegel falschlagen, weil manchmal versehentlich die Höhe von Baumkronen oder Hausdächern genommen worden war statt der Höhe des Bodens darunter. Entsprechend würde die Gefahr durch einen Meeresanstieg unterschätzt.14

Das war eine wichtige Korrektur der Daten – aus der die Medien jedoch eine Horrorvision für das Jahr 2050 ableiteten. Die New York Times brachte dazu eine erschreckende Landkarte (siehe Abbildung 1.1). Sie zeigt, welche Gebiete Südvietnams bei Flut unter dem erwarteten Meeresspiegel liegen würden. Das Bild sieht natürlich furchterregend aus, und der Zeitung zufolge belegt die Karte, dass Südvietnam »praktisch verschwindet«, weil es »bei Flut unter dem Meeresspiegel liegt«. Der Artikel führt aus, »mehr als 20 Millionen Vietnamesen, fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung, lebt auf einem Gebiet, das dann überflutet wird«. Ähnliche Grafiken zeigten die Folgen in anderen Weltregionen.

Abbildung 1.1 Diese Abbildung zeigt das Gebiet Südvietnams, das bei Flut unter dem Meeresspiegel liegt. Links die Karte der New York Times. Dem Text zufolge liegt dieser ganze Teil Vietnams bis 2050 »bei Flut unter Wasser«. Außer Acht gelassen wird dabei aber der schon bestehende Hochwasserschutz. Tatsächlich liegt schon heute ein großer Teil Südvietnams bei Flut unter dem Meeresspiegel, und fast die gesamte Bevölkerung wird bereits geschützt. Auf der Karte rechts sieht man die zusätzlichen Gebiete, die bis 2050 unter dem Meeresspiegel liegen werden.[8] (Die Abbildung links wurde mit Genehmigung wiedergegeben.)15

Die Meldung verbreitete sich viral. »Der Klimawandel lässt den Planeten schrumpfen. Furchterregender geht es nicht mehr!«, tweetete Bill McKibben, der Gründer der Klimaschutzorganisation 350.org.16 Der Klimawissenschaftler Peter Kalmus schreibt, früher habe er es gehasst, als »Panikmacher« zu gelten, doch nach Nachrichten wie dieser sei er sogar stolz darauf.17

Was haben die Medien vergessen? Sie haben es versäumt, den aktuellen Stand der Dinge zu erwähnen. Und der unterscheidet sich fast gar nicht von der Lage, die für 2050 erwartet wird. Beim Betrachten der rechten Karte von Abbildung 1.1 sieht man, wie viel Land bis 2050 zusätzlich Risikogebiet wird – nämlich fast keines.[9] Beide Karten zeigen schlicht, was ohnehin jeder weiß: Die Menschen im Mekongdelta leben buchstäblich auf dem Wasser. In der südvietnamesischen Provinz An Giang wird praktisch das gesamte Flachland von Deichen geschützt.18 Es liegt ebenso »unter Wasser« wie weite Teile Hollands: Ein riesiges Gebiet, das auch Schiphol umfasst, den 14.-größten Flughafen der Welt, liegt unter dem Meeresspiegel bei Flut. In London lebt fast eine Million Menschen unter diesem Niveau. Trotzdem braucht niemand in Holland, London oder Südvietnam eine Taucherausrüstung, wenn er das Haus verlässt. Denn die Menschheit hat sich angepasst, mit Deichen und Flutwehren.

Das wissenschaftliche Paper, auf das sich der Artikel der New York Times bezieht, erwähnt eingangs ausdrücklich, dass der »Küstenschutz nicht berücksichtigt wurde«.19 Für ein akademisches Paper ist eine solche Vereinfachung akzeptabel, aber es ist lächerlich, wenn die Medien daraus gleich die Behauptung ableiten, »20 Millionen Menschen« würden »unter Wasser stehen«, oder wenn Aktivisten meinen, sie dürften deswegen Panik verbreiten. Die Studie beschreibt, dass heute 110 Millionen Menschen regelmäßig »unter Wasser stehen«. Tatsächlich hat aber fast keiner von ihnen nasse Füße – ein Triumph der menschlichen Erfindungskraft und Anpassungsfähigkeit.

Bis 2050 geraten der Studie zufolge weltweit 40 Millionen Menschen zusätzlich »unter Wasser«, insgesamt werden es dann 150 Millionen sein. Weiter unten werde ich zeigen, dass sich diese 40 Millionen Menschen zu recht geringen Kosten schützen lassen.20

Auch hier wollten die Medienschaffenden ihr Publikum nicht absichtlich täuschen, aber ihre Berichterstattung war ungerechtfertigt alarmistisch. Tatsächlich gab die Studie nur her, dass künftig 40 Millionen Menschen zusätzlich bei Flut unter dem Meeresspiegel leben werden, was eine gewisse Herausforderung darstellt. Doch wir Menschen haben ja bereits bewiesen, dass wir damit prima umgehen können – und die Welt wird im Jahr 2050 erheblich reicher und resilienter sein als heute. Kontext ist alles.

Eines der gravierendsten Beispiele für alarmistische Berichterstattung ist die Reaktion auf einen großen Bericht des Weltklimarats, der 2018 veröffentlicht wurde.21 Die meisten Medien berichteten, die Autoren – Wissenschaftler im Auftrag der Vereinten Nationen – würden eine drastische Senkung der Emissionen bis 2030 fordern, gewaltige Einschnitte, damit der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius beschränkt bliebe. CNN zufolge blieben der »Erde noch zwölf Jahre, um die Klimakatastrophe abzuwenden«.22 Weltweit stießen die Medien ins gleiche Horn, und seitdem plappern Politiker und Aktivisten diese Botschaft nach.

Was tatsächlich passiert war: Auf der Klimaschutzkonferenz in Paris drei Jahre zuvor hatten Staatenlenker aus aller Welt beschlossen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dieses Ziel wurde dann in die Präambel des Klimaschutzabkommens aufgenommen. Dies geschah auf den Druck von Aktivisten hin, die damit ihre Entschlossenheit und ihren Ehrgeiz demonstrieren wollten. Es geschah nicht, weil die Wissenschaftler dieser Welt diesen willkürlich gewählten Wert als irgendwie kritisch angesehen hätten.

Nachdem sie 2015 beschlossen hatten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, fragten die Politiker den Weltklimarat, was es denn bräuchte, um dieses unfassbar ehrgeizige Ziel zu erfüllen. Die Antwort darauf stand dann im Klimareport 2018. Die Experten, die den UN-Richtlinien zufolge »politikrelevante Informationen« liefern, die »Politik aber nicht vorgeben«23 sollen, antworteten gehorsam, das 1,5-Grad-Ziel sei zwar technisch machbar, würde aber »rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft erfordern«.24 Auf den Punkt gebracht: Die Politik fragte, was nötig wäre, um ein fast utopisches Ziel zu erreichen, und die Wissenschaftler antworteten, dass es dafür fast utopischer Anstrengungen bedürfe.[10]

Trotzdem wurde der Bericht in den Medien als Beweis angeführt, dass wir dringend extreme Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes ergreifen müssten. Dabei war es doch ein bisschen, als hätten wir die NASA gefragt, was erforderlich wäre, um die gesamte Erdbevölkerung auf den Mars auszufliegen. Die NASA hätte geantwortet, das wäre technisch möglich, es bräuchte dafür aber weitreichende Veränderungen unserer aktuellen Prioritäten und beispiellose Investitionen in Raumfahrttechnik. Aktivisten hätten dann ebenso unrecht, wenn sie uns sagten: »Schaut, der NASA zufolge sollen wir alle auf den Mars auswandern.«

Die völlig verzerrende Darstellung des UN-Klimaberichts veränderte alles.25 Denn die Behauptung, es blieben uns nur noch zwölf Jahre, ist einer der Gründe, warum Kinder die Schule schwänzen, um zu streiken, warum Städte und Nationen den »Klimanotstand« ausrufen und viele Menschen ernsthaft erwägen, die Demokratie vorübergehend auszusetzen, um diese existenzielle Bedrohung zu bekämpfen.[11]

Manche Menschen lasen aus dem Bericht, wir müssten den Temperaturanstieg bis 2030 auf 1,5 Grad Celsius zügeln, sonst würden Prozesse unumkehrbar, die die Welt letztlich ins Verderben reißen würden. Andere hingegen glauben, die Klima-Apokalypse stehe unmittelbar vor der Tür, wenn wir das Problem nicht bis 2030 lösen. Aktivisten wie Politiker fordern, angesichts dieser letzten Frist bis 2030 müssten wir endlich aufhören, über die Kosten der Klimapolitik zu streiten: Wenn das Ende der Welt droht, kann ja wohl nichts anderes mehr zählen.

Die Rolle der Medien bei der Verbreitung von Endzeitszenarien kann nicht vollständig erklären, warum sich die Ansichten zum Klimawandel so extrem unterscheiden. Hier spielt ein weiterer wichtiger Aspekt hinein: Der Klimawandel wird zunehmend zu einem Feld, auf dem Politiker sich den Wählern gegenüber profilieren können, nach dem Motto: »Ich rette euch vor dem Ende der Welt, mein Konkurrent lässt euch einfach verrecken.«

Beide Seiten der Klimadebatte radikalisieren sich zusehends. Bis Anfang der 1990er-Jahre waren die Ansichten zu Umweltproblemen und auch dem Klimawandel in den USA bemerkenswert homogen. Noch 2008 traten der Republikaner Newt Gingrich, der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses, und Nancy Pelosi, die Demokratin und spätere Sprecherin des Repräsentantenhauses, gemeinsam in einem Werbefilm für Al Gores Klimastiftung auf. Darin saßen sie gemütlich auf einem Sofa beisammen und waren sich einig, dass Klimaschutz keine Frage der Parteizugehörigkeit sein sollte.26

Doch die Zeit der Einigkeit ist vorbei. Heute wird die Erderwärmung, oft ganz explizit, als Rechtfertigung für Maßnahmen vorgebracht, die der Agenda einzelner Parteien entspricht und Auswirkungen auf die USA, Großbritannien, Australien und einen Großteil der ganzen Welt haben. Dieser Umstand erklärt auch den gesteigerten Alarmismus, der die Klimadebatte momentan prägt. Bis zu den Zwischenwahlen zum Kongress 2018 galt der Klimawandel als derart nebensächliches Wahlkampfthema, dass in der großen Fernsehdebatte zur Wahl keine einzige Frage dazu gestellt wurde.27 Danach änderte sich alles sehr rasch. Schon 2019 veranstaltete der Nachrichtensender CNN ein eigenes Bürgerforum, in dem die Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten allein zur »Klimakrise« befragt wurden.

Seitdem hat sich eine parteipolitische Kluft in den Ansichten zum Klimawandel aufgetan – ein Prozess, der von beiden großen Parteien durchaus gefördert wurde. Heute sind Demokraten und Republikaner in der Frage, welche Priorität der Kampf gegen den Klimawandel bekommen sollte, stärker gespalten als bei jedem anderen Thema.28 Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Bei Waffenkontrolle, Wirtschaftspolitik, Mindestlohn, Arbeitnehmerrechten, allgemeiner Krankenversicherung, Außenpolitik, Einwanderung und Abtreibung liegen die Anhänger der beiden Parteien näher beieinander als beim Klimawandel!

Demokratisch regierte Bundesstaaten wie New York, Kalifornien, Washington, New Jersey, New Mexico, Nevada und Maine haben sämtlich Gesetze erlassen, die bis spätestens 2050 »CO2-Neutralität« vorschreiben. (CO2-Neutralität bedeutet, dass die Kohlenstoffdioxidemissionen auf null heruntergefahren oder durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen wurden.) In republikanisch dominierten Bundesstaaten gibt es keine vergleichbaren Gesetze, und im Jahr 2019 verhinderte die republikanische Minderheit im Senat Oregons ein Gesetz zur CO2-Neutralität, indem sie buchstäblich aus dem Staat floh und so den Senat beschlussunfähig machte. Während Demokraten Versprechen in Gesetzesform gossen, die sich als unglaublich teuer herausstellen werden, tat Präsident Donald Trump mithilfe der Republikaner genau das Gegenteil: gar nichts.29 Beide Ansätze sind falsch.

Eine ähnliche parteipolitische Spaltung wie in den USA sieht man auch im Rest der Welt: Die Lenker mancher Staaten tragen ihre Sorge um die Erderwärmung wie ein Ehrenabzeichen, mit dem sie sich von der Regierung Trumps und ihrer beklagenswerten klimapolitischen Untätigkeit abgrenzen.

Die Abneigung gegenüber Trump beeinflusste die Berichterstattung zur Klimapolitik weltweit. Nach der Wahl Trumps etwa berichteten einige wichtige Medien übereinstimmend, China mache sich bereit, die Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel einzunehmen.30 China an der Front des Klimaschutzes? Das Land hat seinen CO2-Ausstoß seit dem Jahr 2000 verdreifacht und schleudert heute mehr Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre als irgendein anderes Land. Der Anteil grüner Energie fiel von fast 20 Prozent im Jahr 2000 auf etwa 10 Prozent im Jahr 2020 (2011 lag der Anteil allerdings noch niedriger, bei 7,5 Prozent).31 Offiziellen Schätzungen zufolge wird der Anteil erneuerbarer Ressourcen in China 2040 gerade mal bei 18 Prozent liegen – wenn das Land all seine grünen Versprechen erfüllt. 76 Prozent des Energiemixes werden weiter aus fossilen Brennstoffen stammen.32 China als obersten Streber in Sachen Klimaschutz hinzustellen, ist eine faustdicke Lüge, die uns mehr über diejenigen verrät, die sie verbreiten (nämlich, dass sie Trump ablehnen), als über die Realität in China.

Künstliche Fristen zu setzen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, gehört zu den beliebtesten Methoden von Klimaaktivisten: »Wenn wir nicht bis … etwas tun, geht der Planet zugrunde.« 2019 verkündete Großbritanniens Prinz Charles, uns blieben nur 18 Monate, um den Klimawandel zu stoppen, danach wäre es zu spät.33 Übrigens war dies nicht sein erster Versuch, künstlich Fristen zu setzen. Zehn Jahre zuvor hatte er seine Zuhörer gewarnt, er habe »errechnet, dass uns noch 96 Monate für die Rettung der Welt bleiben«.34 2006 prophezeite Al Gore, die Welt würde in zehn Jahren den Kipppunkt erreichen, wenn keine drastischen Maßnahmen ergriffen würden, um den Ausstoß von Klimagasen zu verringern.35

Früher gab es das auch schon. 1989 erklärte der Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, innerhalb der folgenden drei Jahre würde sich entscheiden, ob wir »den Klimakampf gewinnen oder verlieren«.36 Die UN fasste die Bedrohung zusammen: »Wir alle wissen, dass die Welt einer Gefahr gegenübersteht, mit möglichen Konsequenzen, die katastrophaler wären als alles, was die Menschheit erlebt hat: dem Klimawandel und der globalen Erwärmung.«37 Echt? Katastrophaler als ein möglicher Atomkrieg? Katastrophaler als die hundert Millionen Toten der zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert? Katastrophaler als Tuberkulose, die in den vergangenen 200 Jahren etwa eine Milliarde Menschen tötete?38

Fast ein Jahrzehnt zuvor, 1982, prophezeiten uns die Vereinten Nationen eine »vollständige Verwüstung, irreversibel wie nach einem nuklearen Holocaust«39 bis zum Jahr 2000, aufgrund des Klimawandels und anderen Bedrohungen wie dem Ozonloch, saurem Regen und Versteppung.40 Auch früher im 20. Jahrhundert machte man sich Sorgen um einen Klimawandel, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Während der 1970er-Jahre, als die etablierte Wissenschaft schon von steigenden Temperaturen ausging, schürten einige einflussreiche Forscher die Angst vor einer »katastrophalen« Eiszeit.41 1975 prangte auf dem Titelblatt der Science News das Bild eines Gletschers, der die Skyline New York Citys überragte. 1974 veröffentlichte Time den Artikel »Die nächste Eiszeit?« Darin hieß es: »Verräterische Hinweise [auf eine Abkühlung] finden sich überall«, die Auswirkungen könnten »extrem ernst, wenn nicht gar katastrophal sein«. Selbst wenn die Eiszeit ausfallen sollte, so der Artikel, könnte schon ein leichtes Absinken der Temperaturen Ernten vernichten und die Welt so für den Menschen unbewohnbar machen.

Aus dem Umstand, dass wir uns sowohl vor einer Erderwärmung als auch vor einer Abkühlung fürchten, folgt aber nicht, dass wir uns um keines der beiden Szenarien Sorgen machen sollten. Die Medien lieben es nun mal, Katastrophen vorauszusagen, vorzugsweise mit einem festen Eintrittsdatum. Und etwas in der menschlichen Psyche sorgt dafür, dass wir solchen Prophezeiungen gerne glauben.

Eines der bezeichnendsten Beispiele für unsere Lust an der Apokalypse stammt aus dem Jahr 1968, als eine Gruppe Akademiker, Beamter und Industrieller sich in Rom traf, um über die scheinbar unlösbaren Probleme der modernen Welt zu sprechen. Ende der 1960er-Jahre herrschte weltweit eine eher gedrückte Stimmung; der Techno-Optimismus der 1950er- und frühen 1960er-Jahre war verflogen, man sorgte sich um eine ganze Latte von Problemen, seien sie geopolitischen (Vietnamkrieg), gesellschaftlichen (»Jugendrevolte«) oder wirtschaftlichen Ursprungs (Arbeitslosigkeit und Stagflation). Newsweek fasste die Stimmung mit einem Uncle Sam auf dem Titelblatt zusammen, der verwirrt in ein leeres Füllhorn blickt. Die Schlagzeile dazu lautete: »Alles geht aus.«42 Im gleichen Jahr, da der Club of Rome zusammenkam, warnte der Bestseller Die Bevölkerungsbombe die Menschheit, sie dürfe sich nicht weiter fortpflanzen wie die Kaninchen und alle Ressourcen verschlingen, sonst sei unsere Spezies zum »Untergang« verdammt.43

Vor diesem Hintergrund nahm der Club of Rome sich vor, »die Notlage der Menschheit sichtbarer, verständlicher zu machen«,44 erinnerte sich einer der Teilnehmer später. Die Mitglieder der Gruppe waren überzeugt, dass die Menschheit zugrunde gehen würde, weil zu viele Menschen zu viele Ressourcen verbrauchen würden, dass wir drauf und dran waren, uns alle und den Planeten durch Übervölkerung, Ressourcenfraß und Umweltverschmutzung umzubringen. Die einzige Hoffnung läge darin, das Wirtschaftswachstum zu stoppen, den Ressourcenverbrauch zu senken, Recycling zu betreiben, die Menschen zu zwingen, weniger Kinder zu bekommen, und die Gesellschaft auf einem erheblich niedrigeren Wohlstandsniveau zu »stabilisieren«.

Der Abschlussbericht des Clubs, Die Grenzen des Wachstums, schlug ein wie eine Bombe. Zeitschriften von Time bis Playboy diskutierten darüber, die allgegenwärtigen Experten für alles durchkämmten ihn mit feinem Kamm und die Befürworter radikaler Veränderungen hielten ihn hoch wie eine Bibel. Für die Medien war der Bericht gefundenes Fressen (und wirkte besonders seriös), weil er auf Computersimulationen beruhte, die damals revolutionär und ultramodern waren. Anhand ihrer Modelle sagten die Wissenschaftler mit großer Gewissheit voraus, dass das Gold 1979 ausgehen würde und eine ganze Latte weiterer für die Menschheit wichtiger Bodenschätze wie Aluminium, Kupfer, Blei, Quecksilber, Molybdän, Erdgas, Öl, Silber, Zinn, Wolfram und Zink noch vor dem Jahr 2004.45

Spoileralarm: Der Club of Rome lag spektakulär daneben. Betrachten wir nur die vier wichtigsten Bodenschätze. Seit 1946 sind die verfügbaren Vorkommen an Kupfer, Aluminium, Eisen und Zink tatsächlich gewachsen – wir können die Erze gar nicht so schnell abbauen, wie wir neue finden oder durch technischen Fortschritt wirtschaftlich nutzbar machen, und die Rohstoffpreise sind im Allgemeinen gefallen. Öl sollte den Forschern und ihren Computern zufolge 1990 ausgehen, Erdgas 1992. Tatsächlich würden die heute schon bekannten Vorkommen der Brennstoffe weiter reichen als die 1970 bekannten Vorkommen damals, obwohl wir erheblich mehr davon verbrauchen. Dank den Schiefergasvorkommen hat sich in den letzten sechs Jahren die Menge des in den USA verfügbaren Erdgases verdoppelt, die Preise halbierten sich. Klar, keine Ressource ist unendlich. Aber die Ressourcen, die wirtschaftlich gefördert werden können, übertreffen immer noch weit, was wir verbrauchen können.46