Kolonien und Manschettenknöpfe - Thomas Kunst - E-Book

Kolonien und Manschettenknöpfe E-Book

Thomas Kunst

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Beschreibung

Ein Gedichtband wie ein Streifzug durch einen Luna-Park: Wir treffen einen Wikinger an der 54. Straße, versuchen, aufblasbare Münzen durch die ihnen zugewiesenen Löcher zu quetschen, besteigen Barthelmes Ballon in der Nähe des Central Park, fliegen in einer Disziplin unserer Wahl zu den inoffiziellen Weltmeisterschaften nach Milwaukee, behalten einen Kaugummi während eines Kreditgesprächs im Mund. Alles in allem sind wir in diesen Gedichten keine Freunde von mittelmäßiger Gesellschaft. Eine letzte Arche Noah sticht in See, mit Walen, Salamandern und Ratten, wenn nur genügend Gewässer rund um den Ararat zusammengefunden haben.

Die neuen Gedichte von Thomas Kunst verlassen den Pfad des Fernwehs und der Liebessehnsucht. Sie geben sich regional, sind aber durch und durch international: Im Toom Baumarkt sammeln sich arabische Reiter. Zwischen Carports und Gartenmöbelauflagen tobt die Schlacht von Tours und Poitiers im Jahre 732. Das Ordnungsprinzip des Sonettenkranzes soll verbinden, was sich ausschließt. Prosagedichte und jambische Elfsilber. Disziplin und Ernüchterungsrausch.

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Seitenzahl: 85

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Thomas Kunst

Kolonien und Manschettenknöpfe

Gedichte

Suhrkamp

»Ich war dermaßen glücklich, daß ich mich aus Versehen in einer Mauer spiegelte.«

Fleur Jaeggy

I

Disziplin der Idioten

Wasserkerne

Wie kamen wir nur darauf, in Malawi,

An den Ufern des Chilva-Sees, sämtliche

Pferde zu beschädigen, uns war nach abgeflauter

Zufriedenheit zumute, in der unteren Etage

Eines Kugelschreibers wurde die handfeste Stimmung

Auf den Feldern enthüllt, dem Elend war nicht

Die geringste Regierbarkeit anzusehen, getrocknete

Fische und Raphiapalmen, Makumba und

Matemba, Kolonien an Körpertemperatur

Unter den Manschettenknöpfen, die Beine in

Den Flanken eines minuziösen Kontinents, mit den

Ausritten in den Festspielhallen unserer Tennisschuhe

Bewiesen wir nur die Hellsichtigkeit, Teile

Des bis zur Unkenntlichkeit versachlichten Militärs zu

Blenden, die Bürgerkriege an den Booten nach

Chisi Island rüber, Madagaskar,

Moçambique, verkorkste,

Ausgegliederte Landwirtschaft,

Rohrhalme und Äffchenstecker in der

Von Überlebensspitzen ausgehöhlten

Disziplin von Idioten, in der

Oberen Etage eines Kugelschreibers wurden die

Fahrradgestelle knapp, die roten, sich an

Nichts mehr erinnernden Fahrradgestelle, warum

Nicht die blauen, die stiefmütterlich

Blauen, die immer wieder nur

Auf den Basaren, im Rahmen einer

Altersbedingten Stehblockverkleinerung

Umstandshalber abzugebenden blauen

Modelle eines noch unversehrten

Sentimentalen Fortschritts, Eroberungsgebärden

Aus Besitz, Betrug und einer bis zur Rücksichtslosigkeit

Anmutenden Begehbarkeit von schon fast

Blöde angelaufenen,

Versteinerten Tieren, Gauner, Mameluken,

Beschädigte Pferde, die notierte, die

Von zu Hause aus notierte

Fäulnis der Gehöfte, eingesackte, vom

Dösenden Geschick der Raphiapalmen nicht mehr zu

Unterscheidende Reiter, mit Heimweh

Einundsiebzig Prozent Weltraum

Am Savannenrand, ohne Heimat

Nur zwei Türriegel weniger, Herden von

Bindfäden über den Wegweisern, wie das wohl

Alles zusammengehörte, unser Handwerk

Im Wasser der Tagesverzögerung kam

Montags von Gott, wenn wir all die Feste

Einer hingebungsvollen Unterwerfung

Für Kriege gehalten hätten, hätten

Wir die Münzen abweisender

In die Stämme gedrückt.

Wenn wir all die Feste einer hingebungsvollen

Unterwerfung schon für Kriege gehalten hätten,

Hätten wir das Wort Syldanch vor den

Feiernden niemals aussprechen dürfen, Syldanch,

Syldanch beim Tanzen, beim Tauschen, beim Trinken, Syldanch

Bei der Ausgliederung der Muttertiere, manchmal half es

Einem nicht weiter, einfach nur frei zu

Haben, in den Lagern wurden die Gebete

Knapp, Anleitungen zur Sterbeverrohung, wir schossen auf

Alles, was sich dem Anschein nach

Nicht mehr bewegte, so unterbanden

Wir die moderne Ethnologie noch ausstehender

Höflichkeitsmuster, bleibe immer

Da, wo es belebt ist, aber meide alle

Öffentlichen Plätze, wir hätten zu gern gewußt, wer

Wir später sein könnten, unsere Kultur des Verzichts wurde

Mit Wasserkernen zufriedengestellt,

Mit haushohen, unmöblierten, durch

Keinen Beton zu ersetzenden Wasserkernen, keine

Ahnung, ob wir mit den Karten schon weiter

Waren, wir hatten zwei Drittel von

Arabien ausgeschlossen und ein

Viertel von Afrika, die Ähnlichkeiten wurden

Mehr und mehr zu Verträglichkeitsgiften, die

Schwimmverbote

Kippten an den Stränden

In ihre Ursprungsverankerung

Zurück, die Fernhalteträger hatten sich schon

Längst ins Untrügerische abgesetzt, wir hätten um

Sieben an der Grenze ankommen sollen, früh, gegen

Sieben, an nichts als an der

Grenze.

Wir hätten früh um sieben

An der Grenze ankommen sollen, vielleicht wäre

Es ja gut gewesen, ein paar versuchte Schüsse

In die Dunkelheit abzugeben, die Bögen auszufüllen und

Auf der Stelle wieder zurück an die Theke zu

Bringen, ein paar verfluchte Schüsse in der Dunkelheit:

In die Dunkelheit der Theke abzugeben,

Blockhüttengeglitzer, sinnlose

Feuchtigkeitsplakate, dünner,

Unterbrochener oder

Gleichmäßiger Strahl, dünner –

Von dort aus zu Fuß weiter bis

Quelimane, zu Fuß, wir wußten

Nichts davon, daß die Paradeplätze in Afrika

Ohne Delphingeschirr in der Luft so

Wehleidig gespenstisch sein

Konnten, wir hatten

Vor, den Indischen Ozean beim

Betreten für ein Quellblech zu

Halten, der eine von uns

Beiden, ich glaube er, er wußte

Bescheid, er nahm das Wasser im Hafen

So, wie es war, Stahlrandbetreiber und

Hinterrücksplattform, getürkte

Schienenlosigkeit der Wellen, ich nahm

Den Hafen im Wasser so, wie er

War, die Containerbeseitigung,

Im Normalfall, hätte das

Ablegen sein können, ohne

Schuhwerkbegleitende Tritte

In die Seitenfront, die

Solide Früherkennung des

Sphärischen, der Wahn, es nicht

Auf die untermotorisierten

Kontaktplanken der Behälter zu

Schaffen, wohin mit unserer privaten

Religion, wohin auch

Mit der Durchsichtigkeit unserer Angst

An der Schwelle zur Reinlichkeitsüberbietung, wir

Glaubten einfach daran, daß Entschlußfreudigkeit

Unglück bringen würde, aber wie oft sind wir

Im Durchschnitt nachts aufgestanden, um zu

Stottern, weil die Container

Nichts wogen.

Wir glauben einfach nicht daran,

Daß Entschlußfreudigkeit Glück bringen

Soll, unsere Tiere in Tüten, unsere Tiere

An der Grenze, unsere Tiere an der

Grenze in Tüten, aber unsere Tiere laufen an

Der Grenze in den Tüten nicht im

Kreis, wir wollten ohne Hebebühne

Am Hafen auskommen, der Wind

In dieser Höhe –

Wie ein Wind in dieser

Höhe an der Delitzscher Küste, das Wegfegen der

Tüten auf einer Plattform unserer Tiere an der

Grenze, unsere Tiere in Tüten, unsere Tiere an

Der Grenze in Tüten, wie der Wind

Stutzt, sich an Pflegewesen

Auskaspert, wir müssen uns verhört

Haben, beim Aufzug der Lasten, die Pfötchen nicht

Stabil, eher steif, Geruch des Handschuhträgers

An den Winterspitzen, infektiöses Material, die

Schinnfarbenen Fingerlinge zur Inspektion des

Schiffshalses, Schluckanbahnung,

Abweichende Muskelspannung und eine

Unterspannte Zungenbewegung im Gesichtsbereich

Des Bordcomputers, der Übergang

In eine seltenere Kostform, Tüten

Auf einer Bühne sind

Tiere, zum resoluten Umgang mit

Niederen Lebensformen neigende

Tiere, sie sollten sich still verhalten, wir

Dachten, sie würden sich zu benehmen

Wissen, trotz des Verzichts auf Früchte und

Spott, trotz der Hinhaltetaktik einer nach oben hin

Offenen Milchschaumdosierung, die

Pinguin Eisbar am Rande der

Stadtmitte, früher hatten wir doch auch nicht

Solch ein Gedöns im Maul, wer sollte diesen

Aufenthalt verstehen, den Luxus

Aus Verantwortung und Reue, ein

Königreich für die grundierte Keramik in

Handschuhfächern, keinerlei

Durchkommen, kein Scharren und

Stochern mit den Zehen, unsere

Tiere an der Grenze, noch ganz

Auf der Höhe, sie sollten ohne Treppensimulation

Aus Nahrungszusatz und Impfpapieren

An den Tütenwänden

Ausharren, ohne das Schlenkern für diese eine

Unterlassene Aufmunterung zu

Halten, bei Schräglage in der Luft nach

Den Stufen zu tasten, aber wir

Glauben nicht daran.

Wir wollten ohne Hebebühne in Delitzsch-West

Auskommen, an der Shell Tankstelle, Höhe Securiusstraße, die

Letzte Überprüfung der Zapfsäulen ergab bei einer Tankmenge

Von 907,4 Litern nur eine Abweichung von 0,002 Prozent zugunsten

Der wolgadeutschen Spätaussiedler, falls sie mit

Ihren Maschinen an den Wochenenden hier jemals

Vorgefahren wären, die Dinge lägen anders,

Russischer, Nordsachsen und seine

Spitzen Zweige, nachmittags, die maximale

Helligkeit in meinem Hausaufgabenheft, heute habe ich

Erfahren, daß ich meine Schere verloren

Habe, Schere, Zirkel und Kleber, reine, ungefochtene

Gestüte auf dem Heimweg, go home,

Area, go, der Kleber hat genügend

Mit sich selbst zu tun, Verklärung

Bis zum Anschlag, Pferdehälse in Federtaschenringen, die

Gestalten auf den Einbrüderungswiesen, zieh

Die Klamotten aus, nimm meine

Schlechten, o Falada, die Rennlenker und Neuntöter vom

Paupitzscher See, der Irrsinn,

Mit einem Faschisten einen Zirkel

Aufzuspießen, ich würde hier im Ernstfall sogar

Ein Kerngehäuse als Waffe benutzen, den Schorf, den

Stiel der Rubinette, die nahe Großstadt leer und

Morsch, mit einem Luftgewehr wohl kaum noch zu

Zerlegen, ist da wer, auf der Monheimer Allee

Geht die Zahl der arbeitslosen Skater

Zurück, die Bundesstraße hat am Wochenende kaum

Geschwister, Hitze und Militär, Geräusche einer

Säge im Vorbeigehen, abgeschöpfte

Pferde und Insekten, der Einbau der Exportfeder bei

Regen, Rost im Beet, Zeesenboote im Poolglanz der

Hochzaundämmerung, so etwas könnte

Auf dem Land den perfekten Abend

Einläuten, muß aber nicht, ein Auto ist gerade

Um die Ecke gebogen, lieber ein Dreitürer, von

Hier aus, keine Mittelklasse, nur ein Dreitürer, ein

Wenig Zeit noch, die bleibt, zu Hause, bei Tisch, das

Abrutschen unserer Ideen in die Nähe der

Besteckkästen, die Lehnen auf der Straße

In der Schräge.

Die Dinge lägen anders, russischer –

Gebäudeborschtsch mit Knochen, hier ein Draht

Und dort ein Birkenschimmer, kein Soldat.

Der Liebestaumel ist ein muskelfrischer

Gedichtverlauf mit Äpfeln an den Rändern.

Die Säure stößt sich an den Vorderzähnen.

Gebietsverlassenheit zum Gegenlehnen.

Die Dinge lägen anders, kaum verändern

Gestalten, weiter weg, das Kriegsgeschehen,

Verschieben sich die Linien mit den Schiffen.

Geschäfte, Draht und saure Lagerzonen.

Wir könnten slawisch immer weitergehen.

Geduld ist im Gesang mit inbegriffen.

Die Wiederholbarkeit ist zu bewohnen.

Geschäfte, Strand und saure Lagerzonen,

In Bombay hält ein Fußweghaus kein Jahr,

Gewebeplanen Easy, abwaschbar,

UV-stabilisiert, zur Not bewohnen

Zur Regenzeit auch Tiere diese Zelte,

Stabile Ösen, Seile zum Verschnüren

Der Häuser an den Zäunen ohne Türen.

Es fehlt die Obdachlosigkeit bei Kälte.

Von allen Seiten in sein Zimmer gehen,

Hotel Taj President, zur Straße offen

In Worli gibt es Häuserwasserfälle.

Die Bahnen halten hier nicht souverän:

Sekunden sind nicht vom Zerfall betroffen,

Wer aussteigt, springt in fließende Modelle.

II

Anhaltinische Delphine

Rhenania

Von allen Seiten in sein Zimmer gehen,

Wenn es die Statik zuläßt, alle Wände,

Die Türen, Fenster rausgebombt, die Hände

Gekrallt in sächsisches Gestein, zu stehen

Gelingt uns nicht, die Böden und die Flieger,

Das Zittern der Gebäude an den Gleisen.

Als wenn Waggons auch unter Tage reisen,

Vor allem quer und eruptiv, die Sieger –

Verließen uns noch vor den Plünderungen.

Wir gaben alles, Schmuck und Raubkopien,

Versuchten, unsere Bücher zu behalten.

Wir hatten uns den Fortschritt ausbedungen,

Nicht ohne Schriftverkehr zu sein, es schien,

Als folgten wir dem Rückstau der Gewalten.

Wir geben alles, Schmuck und Raubkopien,

Für Pferde und Delphine auf den Steinen.

Bewundere die großen, reit die kleinen,

Die nicht ins Flachwasser der Küste fliehen.

Für den Mestizo kriegst du keine Scheine,

Er wird als Mischling nirgends registriert,

Wir sind auf Grau- und Gelbfalben fixiert,

Die ähneln fast der Farbe unserer Beine.

Delphin im Sand, vertrocknet, trotz der Rufer.

Touristen, Smartphones, Gier der Bildernetze,

In Santa Teresita, Aguas Verdes.

Die Franciscana Tiere, braun ans Ufer

Gespült, Skulpturen schierer Bodenschätze:

Der Horizont am Schädel eines Pferdes.

Der Horizont am Schädel eines Pferdes, Pontoporia

Blainvillei, ich wollte an der argentinischen Küste immer weiter Geburtstag

Haben, aber die größten Dinge im Leben sind absolute

Fehler, das künftige Lampenöl zu lange in die Sonne

Gehaltener Delphine, La Plata Exzesse, Lichterketten am

Strand, Halbstarke im Klimawandel, die utopischen Versuche, die

Nasen oder Schnauzen aus den Köpfen der Tiere zu

Brechen, das Zählen der hundertsechzehn Zähne

Im Unterkiefer in seine Überlegungen mit

Einzubeziehen, die Nacht im Beisein schon nicht mehr zu

Beanstandender Wasserwesen durchzumachen, oder

Waren es die hundertvier Zähne im Oberkiefer, beim

Vertuschen der Unzulänglichkeiten von

Sinnlos geöffneten, nasenlosen oder sogar

Schnauzenlosen Gesichtern, weil wir im Rausch

Nicht mehr unten von oben unterscheiden konnten, wir