Konfliktmanagement in der Technik - Dieter Brendt - E-Book

Konfliktmanagement in der Technik E-Book

Dieter Brendt

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Beschreibung

Das Thema "Konfliktmanagement" ist für Mitarbeiter:innen und Führungskräfte in der Technik besonders relevant, da diese stark dazu neigen, das betriebliche Konfliktgeschehen so anzugehen, als würden sie technische Probleme lösen. Voll auf die Sachebene fokussiert werden Fakten gesichtet, kritisch analysiert und Maßnahmenpläne entwickelt. Auf der Strecke bleibt dabei allzu oft die Beziehungsebene, wo auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung Win-win-Lösungen erzielt werden können. Nur so werden Konflikte zu Chancen der persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung. Dieses Buch vermittelt das erforderliche psychologische und methodische Know-how.

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Dieter Brendt

Konfliktmanagement in der Technik

Betriebliches Konfliktgeschehen ganzheitlich als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung nutzen

Umschlagabbildung: © iStock.com/LeonidKos

 

DOI: https://www.doi.org/10.24053/9783816985341

 

© 2023 expert verlag

‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.expertverlag.deeMail: [email protected]

 

ISBN 978-3-8169-3534-6 (Print)

ISBN 978-3-8169-0128-0 (ePub)

Inhalt

Vorwort des Autors1 Einleitendes zur Zielsetzung und den Inhalten des Buches2 Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung2.1 Innere Konflikte2.2 Zwischenmenschliche Konflikte2.2.1 Eigene Identität gegenüber Symbiose2.2.2 Nähe und Distanz2.2.3 Entwicklungsrichtungen und Tempo2.2.4 Kommunikation2.3 Triade: Koalition, Rivalität und Dramadreieck2.4 Gruppe: Revier, Rangordnung und Führung2.5 Organisatorische Konflikte3 Methodik der Konfliktlösung3.1 Drei Stufen zur Konfliktbearbeitung3.1.1 Die Konfliktanalyse3.1.2 Konfliktdiagnose3.1.3 Interventionen zur Konfliktlösung3.1.4 Übung zur Drei-Stufen-Methode der Konfliktbearbeitung3.2 Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der Transaktionsanalyse3.2.1 Das Ich-Zustands-Modell3.2.2 Die Transaktionen3.2.3 Transfer der Transaktionsanalyse auf die betriebliche Praxis in der Technik3.2.4 Einflussfaktoren auf den Umgang mit Konflikten4 Methodisches Know-how zur Konfliktbewältigung4.1 Kooperative Konfliktbewältigung4.2 Konfliktmoderation4.2.1 Anforderungen an Moderatoren4.2.2 Regeln zur Konfliktmoderation4.2.3 Fahrplan zur Konfliktmoderation4.3 Konfliktschlichtung / Mediation5 Negative Konfliktstrategien / Mobbing6 Konfliktprophylaxe7 Literaturliste8 AutorenprofilRegister

Vorwort des Autors

Die Daten und Beispiele in diesem Buch stammen zumeist aus meiner Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen und Konzernen und deren Töchtern aus der metallverarbeitenden und elektronischen Industrie sowie aus der IT-Branche.

Bei der Veröffentlichung von Zahlen, Daten und Fakten ist stets darauf geachtet worden, meine Verpflichtung, betriebliche Interna zu schützen, strikt einzuhalten. Soweit hier Beispiele von Einzelpersonen genannt werden, sehe ich mich in der Pflicht, deren Persönlichkeitsrechte durch diese Veröffentlichung nicht zu verletzen. Daher habe ich alle Beispiele in diesem Buch so verändert, dass Ähnlichkeiten mit lebenden PersonenPersonen rein zufällig wären.

Meine Leser:innen mögen es mir nachsehen, dass ich weitgehend die männliche Form (z. B. „der Mitarbeiter“) gewählt habe. Es erscheint mir stilistisch vorteilhafter und es erleichtert das Lesen. Natürlich lade ich Leserinnen und Leser gleichermaßen dazu ein, sich von diesem Band angesprochen zu fühlen.

Mein Dank gilt all meinen direkten Ansprechpartner:innen in den beauftragenden Unternehmen, den Teilnehmenden in Workshops, Seminaren, Coachings und Assessment-Centern, die durch ihre Fragen, Beiträge und ihre persönlichen Beispiele Anregungen zu diesem Buch gaben.

Persönlich und ausdrücklich möchte ich mich sowohl bei meinem Sohn Johannes für dessen geduldige Mitarbeit und bei Herrn Patrick Sorg für seine engagierte Unterstützung bedanken.

 

Aachen, im März 2023

Dieter Brendt

1Einleitendes zur Zielsetzung und den Inhalten des Buches

Die Idee, ein Buch zum Thema Konfliktmanagement speziell abgestimmt auf Mitarbeitende und Führungskräfte in der Technik zu schreiben, resultiert aus Eindrücken und Erhebungen, die ich in den letzten Jahrzehnten in Kooperationen mit Auftraggebern aus Industrie- und Gewerbebetrieben gewonnen habe. Meine Erfahrungen legen nahe, dass Techniker:innen stark dazu neigen, das betriebliche Konfliktgeschehen so anzugehen, als ginge es darum, technische Probleme zu lösen.

Tendenziell mehr auf die Sachebene fokussiert, werden Fakten gesichtet, kritisch analysiert und Maßnahmenpläne entwickelt. Auf der Strecke bleibt dabei allzu oft die Beziehungsebene, wie ein Beispiel aus einem Führungsseminar exemplarisch zeigt, in dem Teilnehmende Gelegenheit erhalten haben, problematische Beispiele aus ihrer betrieblichen Praxis zu skizzieren. Ihre Fälle sind dann von anderen Teilnehmenden im Hinblick auf Lösungsvorschläge bearbeitet worden, bevor sie im Anschluss gemeinsam mit dem Trainer diskutiert worden sind.

In unserem Beispiel geht es um eine 25-jährige Führungsnachwuchskraft, die nach ihrem Bachelor-Abschluss zwar etwa ein Jahr lang in einer Behörde erste berufliche Erfahrungen gemacht hat, aber keinerlei Praxiserfahrungen in der für sie vorgesehenen Position eines Bauleiters vorweisen kann. Sie sei sehr ausführlich eingewiesen worden und man habe ihr klare Aufgaben erteilt, die sie jedoch nicht umgesetzt habe. Trotz mehrerer persönlicher Gespräche habe sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Die Führungsnachwuchskraft scheue sich davor, Verantwortung zu übernehmen und lege eine „Egal-Einstellung“ an den Tag. Was also tun?

Als Ursache für diesen Fall haben die problemlösenden Teilnehmenden schnell die „mangelnde Begeisterung“ des künftigen Bauleiters ausgemacht. Auf einer Flipchart skizzieren sie ihre Lösungsvorschläge wie folgt:

„arbeitsbegleitende dauerhafte Kontrolle (sagen, informieren, lehren) – dann weiter – Aufgabe – Tutor – Vertrauen

den Berufsalltag verdeutlichen

tägliche Rücksprachen zur Baustellensituation, zu Vorgehensweisen, zu anstehenden Aufgaben einfordern und kontrollieren!

langsame Eingliederung in notwendige Aufgaben“

Wie sich deutlich zeigt sind die problemlösenden Teilnehmenden schnell mit dem Entwurf zu einer Art Lehrplan bei der Hand, wobei sie versäumen, die von ihnen selbst benannte Ursache „mangelnde Begeisterung“ zu klären. Statt auf der Basis gemeinsamer Wertschätzung flexibel Möglichkeiten zu Win-win-Lösungen anzudenken, wird eine Schritt-für-Schritt-Anleitung vorgeschlagen, um fachliche Lücken des künftigen Bauleiters zu schließen. Allerdings wird der Konflikt so kaum zu einer Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung, was denn auch die Teilnehmenden am Ende der Lehrdiskussion so sehen und eine alternative Lösung vorschlagen:

„Stärken und Schwächen herausfinden (Interessen)

Wie stellt die Führungsnachwuchskraft sich den Beruf vor?

Intern ggf. nach Alternativen suchen: Einsatz in der Arbeitsvorbereitung, Kalkulation o. ä.“

Um den Blick vor derartigen Lösungen nicht zu verschließen, bedarf es über der Lösungssuche auf der sachlichen Ebene hinaus der besonderen Beachtung der Beziehungsebene und dem Einsatz von psychologischem und methodischem Know-how. Und genau hierhin liegt die Zielsetzung dieses Buches:

Mitarbeitenden und Führungskräften in der Technik Wissen an die Hand geben, betriebliches Konfliktgeschehen ganzheitlich zu betrachten und als Chance zur persönlichen und organisatorischen Weiterentwicklung zu nutzen.

Dieser Zielsetzung entsprechend werden in Kapitel 2 nach einer Begriffsklärung mögliche Elemente von Konflikten in der betrieblichen Praxis und Konflikteigenschaften dargestellt. Zudem wird aufgezeigt, wie sich mit psychologischem Know-how das Konfliktmanagement seelischer, zwischenmenschlicher und organisatorischer Konflikte in der Technik optimieren lässt.

Kapitel 3 widmet sich der in zahlreichen Seminaren und Coachings bewährten Methodik der Konfliktlösung mit der „Drei-Schritt-Methode“ nach Crisand/Reinhard:

Konfliktanalyse

Konfliktdiagnose

Konfliktbewältigung, inkl. konkreter Maßnahmen.

Daran anknüpfend werden die Betrachtung des Konfliktgeschehens mit der TransaktionsanalyseTransaktionsanalyse sowie der Umgang mit Konflikten im Hinblick auf die Einstellung zu Ihnen, ihre WahrnehmungWahrnehmung und durch sie ausgelöste Gefühlsrichtungen und VerhaltensweisenVerhaltensweisen erörtert.

Methodisches Know-how zur kooperativen Konfliktbewältigung in der Technik wird in Kapitel 4 ebenso dargestellt wie ein Fahrplan zur Konfliktmoderation, Schritte zur Konfliktschlichtung und die Konfliktregelung durch Führungskräfte. Im Einzelnen wird zur kooperativen Konfliktbewältigung ein Kreislauf vorgeschlagen, in dem sechs Stufen eingehend vorgestellt werden:

Erregung kontrollieren

Vertrauen bilden

Offen kommunizieren

Problem lösen

Vereinbarung treffen

Persönlich verarbeiten

Der Fahrplan zur Konfliktmoderation enthält die Stationen:

Vorbereitung der Konfliktmoderation

Eröffnung der Konfliktmoderation

Konfrontation der Sichtweisen

Auswertung des Konfliktgeschehens

Konfliktverhandlung

Konfliktcontrolling

Zum Thema „Konfliktschlichtung“ wird das Verfahren der MediationMediation als Alternative zur Konfliktmoderation, oder auch als zusätzliche Möglichkeit zur Bearbeitung stark verfestigter, noch ungelöster Konflikte vorschlagen.

Kapitel 5 widmet sich dem Themenbereich „Negative Konfliktstrategien“, wobei insbesondere Mobbing mit all seinen Facetten behandelt wird:

Mobbing als negative Konfliktstrategie

Arten der Mobbing-Attacken

Phasen des Mobbingprozesses

Betriebliche Prävention

Mobbingspezifische Behandlungskonzepte

In Kap. 6 werden Möglichkeiten zur Veränderung des Konfliktpotenzials organisatorischer Konflikte erörtert, wie die Konfliktreduktion bei Wert-, Sach-, Beziehungs-, Verteilungs- und Entscheidungskonflikten.

Die Kapitel enthalten Möglichkeiten zur Selbstreflexion, Übungen und Checklisten.

Literatur-, Stichwort-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis sowie Hinweise zum Autor stehen am Ende unseres Buches.

2Konflikte in der Technik: Elemente, Eigenschaften und Einteilung

Im Zusammenhang mit dem Thema Konflikt wird häufig BuridansBuridans Esel Esel bemüht. Genau mittig zwischen zwei Heuhaufen platziert, fühlt er sich gleichermaßen sowohl nach links als auch nach rechts hingezogen. Ohne Positionswechsel würde er wohl wegen der gleich starken Anreize hin- und hergerissen zwischen beiden Heuhaufen verhungern müssen. Um sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden, bedarf es eines weiteren inneren oder äußeren handlungssteuernden Antriebs, wie z. B. einer Berührung, eines Dufts oder eines Geräuschs. Angelehnt an das Bild von Buridans Esel werden Konflikte in der Psychologie und den Sozialwissenschaften zumeist so definiert:

 

Wir sprechen im zwischenmenschlichen Bereich von Konflikten

wenn zwei Elemente gleichzeitig gegensätzlich oder unvereinbar sind und

jemand sich und/oder andere aus innerem Antrieb und/oder äußeren Forderungen drängt, Stellung zu beziehen.

Teilnehmende an meinen Coachings und Seminaren haben mir eigene und fremde Beispiele für Konfliktelemente in der Technik berichtetet:

GedankenGedanken: Ein Projektleiter denkt, sich mit der Übernahme eines Auftrages total übernommen zu haben, ist aber auch gleichzeitig überzeugt, den Job schaffen zu können.

WünscheWünsche: Eine ehrgeizige Ingenieurin strebt einerseits eine höherwertige Position an, in der jedoch mehr Dienstreisen und längere Abwesenheiten gefordert sind als in ihrer derzeitigen Stelle, möchte aber andererseits auch nicht ihr schulpflichtiges Kind vernachlässigen.

VerhaltensweisenVerhaltensweisen: Ein unter Termindruck stehender Montageleiter nimmt wahr, wie ein langjähriger Mitarbeiter, „ein alter Hase“, gegen Ende des Arbeitstages sicherheitswidrig eine Arbeit „mal eben schnell fertig macht“. Um seiner Sicherheitsverantwortung gerecht zu werden, müsste er die Arbeit des Monteurs unterbrechen und würde so die zeitnahe Fertigstellung gefährden, wobei er das Unfallrisiko verringern würde. „Übersieht“ er das sicherheitswidrige Verhalten, schätzt er, dass der Monteur bei einem zwar erhöhten Sicherheitsrisiko wahrscheinlich rechtzeitig fertig wird. Zudem bräuchte er sich nicht auf einen „leidigen Disput mit dem Monteur über die Notwendigkeit der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) in diesem speziellen Fall und überhaupt“ einlassen.

AbsichtenAbsichten: Ein Bauleiter möchte im Projekteröffnungsgespräch alle beteiligten Gewerke, Sub- und Nachunternehmer auf ein gemeinsames Ziel einschwören, was nicht bei allen gleichermaßen auf Gegenliebe stößt. Bei ihnen steht im Vordergrund, möglichst schnell und profitabel ihren Part zu erledigen.

BeurteilungenBeurteilungen: Im Mitarbeiterjahresgespräch fokussiert die technische Führungskraft stark das Leistungsergebnis des Mitarbeiters, orientiert an Zahlen, Daten, Fakten zu Quantität und Qualität. Ihr Mitarbeiter wünscht demgegenüber vor allem darüber hinaus ein mehr ganzheitliches Feedback, also Rückmeldung zu „Soft Skills“, wie beispielsweise sein Engagement, seine Eigeninitiative und Flexibilität und seine soziale Kompetenz gesehen werden.

BewertungenBewertungen: Im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) reicht ein Mitarbeiter aus der Fertigung einen, aus seiner Sicht durchdachten und realisierbaren Vorschlag ein, der nach seiner Überzeugung nicht nur die Fertigungsabläufe vereinfachen, sondern auch die Arbeit selbst erleichtern würde. Seine Führungskraft bewertet den Vorschlag als zu aufwändig und finanziell nicht realisierbar.

PersonenPersonen: Eine IT-Systemanalytikerin übergibt dem Betriebsrat einen Brief, in dem ihr Vorgesetzter ihr seine Liebe erklärt. Sie könne nicht damit umgehen und es sei ihr seither nicht mehr möglich, in der bisherigen Konstellation mit ihm zusammenarbeiten.

GruppenGruppen: Die Techniker eines mittelständigen Unternehmens für Kommunikationslösungen werfen ihren Vertrieblern vor, den Kunden immer wieder Lösungen zu versprechen, die so nicht umsetzbar seien. Die Vertriebler erklären demgegenüber, dass die Techniker nicht auf dem Stand der Technik seien und deshalb die Kundenwünsche nicht erfüllen könnten.

Alle Beispiele unterstreichen den ersten Satz der Konfliktdefinition, dass die beispielhaft angeführten Konfliktelemente entweder nicht zum gleichen Zeitpunkt verwirklicht werden können oder in sich gegensätzlich oder unvereinbar sind. Allen Fällen gemeinsam ist zudem, dass Lösungsdruck erzeugt worden ist, der entweder aus innerem Antrieb oder äußeren Forderungen oder Bedingungen erfolgt. Die Beispiele zeigen zudem, dass sich Konflikte auch als Störungen des Handlungsablaufs begreifen lassen, die dazu zwingen, sich zu orientieren. Unweigerlich werden Gefühle ausgelöst – Konfliktbeteiligte fühlen sich innerlich angespannt, unter Druck stehend, ängstlich oder gereizt. Es ist nicht möglich, Konflikte einfach nur auf sich beruhen zu lassen – sie müssen bewältigt werden, zumal sie ungelöst die Tendenz haben zu eskalieren. Um wieder vollumfänglich handlungsfähig zu werden, ist es von daher unbedingt erforderlich, Stellung zu beziehen.

Wie sich auch aus der Reihe der angeführten Konfliktbeispiele entnehmen lässt, lassen sich Konflikte in innere (seelische oder intrapersonelle) und äußere (zwischenmenschliche, soziale oder interpersonelle), sowie organisatorische einteilen. Nach Berkel sind detailliert zu betrachten:

 

Innere KonflikteInnere Konflikte

Annäherung – Annäherung

Vermeidung – Vermeidung

Annäherung – Vermeidung

Zwischenmenschliche KonflikteZwischenmenschliche Konflikte

Paar: Identität, Nähe, Entwicklung, Kommunikation

TriadeTriade: KoalitionKoalition, RivalitätRivalität und Dramadreieck

Gruppe: RevierRevier, RangordnungRangordnung und FührungFührung

Organisatorische KonflikteOrganisatorische Konflikte

Sache

BeziehungBeziehung

WerteWerte

VerteilungVerteilung

RolleRolle

2.1Innere KonflikteInnere Konflikte

Nach Kurt Lewin lassen sich innere Konflikte, auch häufig als intrapersonelle oder seelische bezeichnet, danach einteilen, in welcher Richtung auf PersonenPersonen Kräfte einwirken. Wir unterscheiden drei Konflikttypen:

Beim Annäherungs-Annäherungs-KonfliktAnnäherungs-Annäherungs-Konflikt steht die betroffene Person wie der bereits erwähnte Esel BuridansBuridans Esel zwischen zwei positiven Möglichkeiten, die er gleichermaßen für wertvoll hält, aber gleichzeitig nicht erreichen oder anstreben kann. Statt der gleich weit entfernten Heuhaufen in Buridans Beispiel konkurrieren hier jedoch zumeist zwei attraktive Ziele miteinander. So möchte manch einer beruflich zwar einerseits gerne und schneller weiterkommen, andererseits aber auch nicht auf eine gut ausgewogene Work-Life-Balance verzichten.

Wir sprechen von einem Vermeidungs-Vermeidungs-KonfliktVermeidungs-Vermeidungs-Konflikt, wenn die betroffene Person sich aus ihrer Sicht zwischen zwei Übeln, sprichwörtlich „zwischen Pest und Cholera“ entscheiden muss. Im betrieblichen Kontext resultieren derartige Konflikte zumeist daraus, dass zwei Pflichten einander gegenüberstehen. Wird der dienstältere, verdienstvolle Gruppenleiter beispielsweise mit einer Terminarbeit voraussichtlich nicht fertig, muss sein jüngerer Vorgesetzter seinen ehemaligen Mentor entweder darauf ansprechen, was ihm schon Bauchschmerzen bereitet. Oder aber er erledigt die Arbeit selbst, was seine Frau verstimmen dürfte, die sich auf eine gemeinsame Freizeitaktivität freut. Je nachdem wie sich der Vorgesetzte entscheidet, könnte sein Dilemma eskalieren und einen tragischen Verlauf nehmen.

Bei einem Annäherungs-Vermeidungs-KonfliktAnnäherungs-Vermeidungs-Konflikt wird die betroffene Person vor eine Entscheidung gestellt, die für sie gleichermaßen positives wie auch negatives enthält. So ist einem meiner Coachees eine höherwertige Stelle in Aussicht gestellt worden, wenn er als Meister berufsbegleitend die zum nächsten Karriereschritt erforderliche Ausbildung zum technischen Betriebswirt erfolgreich absolviert. Dem High Potential winken als Nachfolger seines in absehbarer Zeit ausscheidenden Chefs neben einem höheren Gehalt größere Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Allerdings würde dem frischgebackenen Vater von Zwillingen durch die nebenberufliche Ausbildung seine ohnehin schon sehr beschnitte Zeit für die Familie noch weiter verkürzt. Zudem zweifelt er, ob er den Anforderungen der Ausbildung und den damit einhergehenden Belastungen für sich und seine junge Familie gewachsen sein wird.

Im oben angeführten Beispiel zum Annäherungs-Vermeidungs-KonfliktAnnäherungs-Vermeidungs-Konflikt verdeutlicht sich eine Gemeinsamkeit der drei Typen innerer Konflikte: ihre Ambivalenz. Jede der betroffenen PersonenPersonen befindet sich in einer Entscheidungssituation und ist gefordert, sich dort mit widerstreitenden positiven und/oder negativen Gefühlsregungen auseinanderzusetzen. Die Bewältigung ambivalenter Entscheidungskonflikte erfordert zudem von jeder betroffenen Person, auch mit negativen Folgen ihrer Entscheidung zurechtzukommen, sprich: innerlich mit ihnen fertig zu werden.

Sowohl im Hinblick auf die Entscheidungsfindung als auch auf deren Evaluation und der damit einhergehenden Verarbeitung der Folgen hat sich in meinen Coachings für Fach- und Führungskräfte in der Technik der Einsatz einer EntscheidungsmatrixEntscheidungsmatrix bewährt, welche

ein Hilfsmittel in tabellarischer Darstellungsform darstellt, einfach in Excel herstellbar,

unterschiedliche Optionen anhand von nachvollziehbaren Kriterien vergleicht,

hilft, die beste Alternative herauszufiltern,

Entscheidungen visualisiert und untermauert, sowie

den gesamten Verlauf der Entscheidungsfindung dokumentiert und last but not least

Fach- und Führungskräften in der Technik als Tool wohl bekannt ist und von ihnen u. a. im Shopfloor Management, als Qualitätstechnik oder bei der Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA) eingesetzt wird.

Nehmen wir als Beispiel einen Techniker, der sich beruflich neu orientieren möchte und dem zwei lukrative Jobangebote vorliegen. Eine Matrix zur Entscheidungsfindung bei diesem Annäherungs-Annäherungs-KonfliktAnnäherungs-Annäherungs-Konflikt lässt sich problemlos mit einer Excel-Tabelle in fünf Schritten ausführen (vgl. Tabelle 1: Jobangebote).

In der ersten Spalte werden Kriterien festgelegt, die bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind, wie z. B. Gehalt, Arbeitszeit, Aufgabenbereich, Handlungsspielraum, Position, betriebliche Weiterbildungsangebote, Perspektiven etc. Bei der Erstellung der Kriterienliste hat sich ein „Brainstorming mit sich selbst“ als hilfreich erwiesen, in dem zunächst einmal alle Aspekte ohne Wertung erfasst werden, die der betroffenen Person im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung spontan einfallen. Zudem empfiehlt sich, die Kriterienliste anderen PersonenPersonen vorzustellen und gemeinsam mit ihnen zu evaluieren. Der Fokus ist dabei auf eine möglichst für die vom inneren Konflikt betroffene Person relevante Kriterienliste zu legen.

Jedes Kriterium wird auf einer Skala von 1 bis 5 gewichtet (1: sehr geringe Bedeutung, 5: sehr hohe Bedeutung).

Jede Gewichtung wird mit der maximal erreichbaren Punktzahl 5 multipliziert. Durch Addition aller Multiplikatoren ergibt sich die maximal erreichbare Gesamtsumme am Ende der Spalte.

Für jedes Jobangebot wird pro Kriterium die Übereinstimmung mit den eigenen Vorstellungen auf einer Skala von 1 bis 5 ermittelt (1: sehr geringe Übereinstimmung, 5: sehr hohe Übereinstimmung).

Die pro Kriterium ermittelte Punktzahl wird mit der in Schritt 2 vergebenen Gewichtung multipliziert. Die Gesamtsumme aller nun gewichteten Punktzahlen am Ende der Spalte kann nun mit der maximal erreichten Gesamtsumme der erreichbaren Punkte aus Schritt 3 verglichen werden.

Unter der Voraussetzung, über eine Liste zu verfügen, in der nach Möglichkeit alle relevanten Kriterien erfasst und angemessen gewichtet werden, bietet die in Tabelle 1 skizzierte EntscheidungsmatrixEntscheidungsmatrix dem Techniker über den Vergleich der Summe von maximal erreichbaren Punkten in Spalte 3 mit der gewichteten Gesamtpunktzahl in den Spalten 5 und 7 in seinem Annäherungs-Annäherungs-KonfliktAnnäherungs-Annäherungs-Konflikt eine Entscheidungshilfe im Hinblick darauf, welches Jobangebot alles in allem eher seinen Vorstellungen entspricht. In unserem Beispiel sollte Jobangebot 1 mit der geringeren Differenz zwischen der Summe der gewichteten Punktzahl zur Summe der maximalen Punkte wohl eher den Techniker ansprechen.

1.

2.

3.

4.

5.

 

 

Jobangebot 1

Jobangebot 2

Kriterienliste

Gewichtung

Max. Punkte

Erreichte Punktzahl

Gewichtete Punktzahl

Erreichte Punktzahl

Gewichtete Punktzahl

Gehalt

3

15

2

6

4

12

Arbeitszeit

5

25

4

20

2

10

Position

2

10

5

10

3

6

usw., usf.

4 + X

20 + X

4 + X

16 + X

3 + X

12 + X

Summe

 

60 + X

 

52 + X

 

40 + X

Tab. 1:

Annäherungs-Annäherungs-KonfliktAnnäherungs-Annäherungs-Konflikt „Jobangebot“

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der Einsatz einer EntscheidungsmatrixEntscheidungsmatrix bei der Entscheidungsfindung bei allen Arten von inneren Konflikten der betroffenen Person eine strukturierte und logisch nachvollziehbare Entscheidungshilfe bietet, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Erstellung vermag insbesondere bei komplexen inneren Konflikten allerdings nicht zu verhindern, dass Zweifel an der eigenen Entscheidung und zuweilen auch Angst vor möglichen negativen Konsequenzen wegen der vermeintlich falsch getroffenen Entscheidung auftreten. Nicht selten fragen sich die von einem internen Konflikt betroffenen PersonenPersonen nach ihrer Entscheidung immer wieder: „Was wäre, wenn …“. Diesem GedankenGedanken, der schlimmstenfalls zum ständigen Begleiter werden kann, sollte bewusst entgegengetreten und Einhalt geboten werden.

Von daher sollten von einem inneren Konflikt betroffene PersonenPersonen schon bei der Erstellung der Kriterienliste zur Entscheidungsfindung der Tatsache Rechnung tragen, dass es fast unmöglich ist, alle Entscheidungsfaktoren und Konsequenzen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Deshalb sind mit Mut zur Lücke insbesondere diejenigen Kriterien zu listen, die relevant für den Entscheider sind, womit gleichzeitig bereits zu Beginn des Entscheidungsprozesses akzeptiert wird, dass bei Entscheidungsfindungen immer eine gewisse Unsicherheit bleibt.

Als hilfreich hat sich auch erwiesen, einen klaren Zeitpunkt zu benennen, bis zu dem die Entscheidung zu treffen ist. Wer Entscheidungen zu lange vor sich her schiebt, verunsichert sich selbst und erschwert damit seine Entscheidungsfindung.

Cui bono – wem nützt es, so fragten schon die alten Römer, und so sollte auch bei allen Handlungsoptionen im Hinblick auf andere und sich selbst gefragt werden. Die Bedeutsamkeit dieser Frage dürfte jedem klar sein, der wie der Protagonist in unserem obigen Annäherungs-Vermeidungs-KonfliktAnnäherungs-Vermeidungs-Konflikt einerseits eine höherwertige Stelle anstrebt, andererseits aber vermeiden möchte, seine Familie zu vernachlässigen.

Da durch die Ambivalenz jeder Konfliktsituation unweigerlich Gefühle ausgelöst werden, sind selbstverständlich auch Emotionen zu berücksichtigen. Deshalb sollten von inneren Konflikten betroffene PersonenPersonen sich in die Situation nach der Entscheidungsfindung versetzen und sich damit auseinandersetzen, wie sie sich nach der einen oder anderen Entscheidung wohl fühlen werden. Es lohnt sich durchaus, auch auf sein Bauchgefühl zu hören. Wer möchte nach einer getroffenen Entscheidung nicht gerne sagen: „Das fühlt sich richtig an!“

Wer Entscheidungen trifft, entscheidet sich nicht nur für, sondern stets auch gegen etwas. Von daher schaffen Entscheidungen insofern Klarheit, als sie aufzeigen, wovon die vom Entscheidungskonflikt betroffenen PersonenPersonen sich zu dem Zeitpunkt mehr Profit für sich erhoffen. Ansonsten hätten sie eine andere Entscheidung getroffen. Da sich allerdings nicht nach jeder Entscheidung der erhoffte Erfolg einstellt, lohnt es sich, sein Entscheidungsverhalten regelmäßig zu reflektieren. In Anlehnung an die „Übung zu inneren Konflikten im Beruf“ nach Berkel empfiehlt sich zum Einstieg in eine kontinuierliche Selbstreflexion folgende Vorgehensweise:

Stellen Sie fünf Situationen aus ihrem beruflichen Alltag zusammen, in denen Sie mit Erwartungen und Anforderungen konfrontiert sind oder waren, die sie nicht (oder nicht so) erfüllen wollen bzw. erfüllen wollten.

Analysieren Sie jede Situation danach, welcher Konflikttyp vorherrscht.

Erstellen Sie eine EntscheidungsmatrixEntscheidungsmatrix und vergleichen Sie sie damit, wie Sie sich gewöhnlich in solchen Situationen verhalten.

Bei Unstimmigkeiten prüfen Sie Möglichkeiten, sich in ähnlichen Situationen anders zu verhalten, um innere Konflikte zu bewältigen.

Beachten Sie: Nobody is perfect! Und: „falsche Entscheidungen“ kann es so eigentlich gar nicht geben, da sie in dem Moment, in dem sie getroffen werden, die beste Option darstellen.

Wer diese fünf Schritte beherzigt, kann mit unerwarteten Konsequenzen angemessener umgehen und die vermeintlichen Fehler nutzen, um daraus zu lernen und immer wieder neue Lösungen zu finden.

2.2Zwischenmenschliche KonflikteZwischenmenschliche Konflikte

Wir sprechen von zwischenmenschlichen, oder auch interpersonellen Konflikten, wenn unterschiedliche Strebungen zwischen zwei oder mehreren PersonenPersonen vorliegen. Bevor wir im Einzelnen auf Zweier- oder Paarkonflikte, Dreier- oder Dreieckskonflikte und Gruppenkonflikte eingehen, soll der Zusammenhang zwischen inneren und zwischenmenschlichen Konflikten anhand des Teufelskreismodells von Schulz von Thun aufgezeigt werden (vgl. Abb. 1).

Abb. 1:

Vorgesetzter (VG) und Mitarbeiter (MA) im Teufelskreis

Im Teufelskreis befinden sich ein junger Ingenieur (VG) und dessen Mitarbeiter (MA), ein Industriemeister, den er bereits aus der Zeit kennt, als er als Student in der Fertigung gejobbt und währenddessen alle Arbeiten im Sinne seines damaligen Vorgesetzten ausgeführt hat. Nachdem der frischgebackene Ingenieur nach seiner Anstellung zunächst wohlwollend willkommen geheißen wurde, ändert sich die Situation eskalierend, als er seine Vorstellungen zur Optimierung der Fertigungsabläufe einbringt, die bei seinem Mitarbeiter auf eher wenig Gegenliebe stoßen. Insbesondere nach Einführung des vom Mitarbeiter für überflüssig und nur zeitraubend empfundenen Shopfloor Managements eskaliert die Konfliktsituation zusehends und entwickelt sich zu einem Teufelskreis, geprägt von Misstrauen, Gereiztheit und Vorwürfen. Man sieht zu, dem anderen möglichst aus dem Weg zu gehen.

Nach außen zeigt sich auf der Verhaltensebene, dass der Mitarbeiter sich selbstbehauptend, kämpferisch und teils auch wütend den Neuerungen entgegenstemmt, wodurch sich sein Vorgesetzter nicht für voll genommen und herausgefordert fühlt. Empört schiebt er dem Verhalten des Mitarbeiters einen Riegel vor, wobei er sich selbst abweisend und geringschätzig verhält. Dies wiederum löst beim Mitarbeiter aus, dass er sich abgeschmettert, von oben herab behandelt und nicht gewürdigt fühlt, was dazu führt, dass er sich nun erst recht kämpferisch dem Vorgesetzten und seinen Neuerungen widersetzt, was bei diesem verstärkt, dass er sich noch mehr herausgefordert fühlt und verschärft reagiert, wodurch sich der Mitarbeiter noch stärker abgelehnt fühlt, so dass er … Es resultiert ein Teufelskreis, der jede Konfliktpartei mehr und mehr belastet und ein zielgerichtetes, ergebnisorientiertes Miteinander erheblich erschwert.

Das Teufelskreis-Modell verdeutlicht den Zusammenhang zwischen inneren und zwischenmenschlichen Konflikten. Die dargestellte Eskalationstendenz zeigt sich sowohl nach Außen in der BeziehungBeziehung zwischen den Beteiligten durch deren sich zunehmend ablehnendes und verschärfendes Verhalten als auch in ihrem Inneren, wo jeder der beiden sich angegriffen fühlt, verunsichert und belastet, sowie Druck empfindet, sich zu behaupten und sich ausmalt, was geschehen würde, wenn … – den typischen Merkmalen innerer Konflikte. Innen- und Außenseite des Konfliktgeschehens beeinflussen sich wechselseitig.

Alles, was sich zwischenmenschlich ereignet, wird innerlich verarbeitet.

Um Teufelskreise der geschilderten Art erst gar nicht entstehen zu lassen, bzw. sukzessive aus ihnen auszusteigen, empfiehlt sich der Einsatz von Ich-BotschaftenIch-Botschaften statt der bedrängenden Du-BotschaftenDu-Botschaften, die den anderen sofort in eine Rechtfertigungs- oder Verteidigungsposition drängen. So spricht der Vorgesetzte in unserem Beispiel seinen Mitarbeiter auf ein Versäumnis an: „Du hast schon wieder die Zahlen auf den Shopfloor Board nicht aktualisiert!“ Der Mitarbeiter fühlt sich in die Ecke gedrängt und reagiert wütend, getreu der Devise „Angriff ist die beste Verteidigung“: „Meine Güte, nochmal! Wie Du eigentlich wissen müsstest, habe ich gerade jetzt alle Hände voll zu tun und kann nun wirklich nicht an alles denken. Es ist jedes Mal das Gleiche mit Dir!“ Und schon ist eine neue Runde im Teufelskreis eingeläutet worden. Es reicht nun allerdings nicht, wenn der Vorgesetzte das „Du“ durch ein „Ich“ ersetzt: „Ich möchte, dass Du die Zahlen rechtzeitig lieferst.“ In diesem Fall hätten wir es mit einer falschen Ich-Botschaft zu tun, die zwar grammatikalisch richtig mit „Ich“ anfängt, aber auch nichts anderes ist als eine „Du-sollst-gefälligst-Botschaft“, die zumeist alles nur noch schlimmer macht, weil sie mit unterdrückter Wut, innerlich kochend an den Mann gebracht wird.

Demgegenüber enthält eine echte Ich-Botschaft nach Thomas Gordon, der den Begriff einführte, vielmehr eine Selbstoffenbarung. Ihm zufolge gibt eine Ich-Botschaft persönliche Eindrücke (Wahrnehmungen) wieder, erklärt was das Verhalten des anderen für Gefühle bei einem selbst erweckt (hat) und drängt den anderen nicht in die Defensive. Eine echte Ich-Botschaft ist ehrlich, mutig und authentisch. Allerdings ist es gerade für Fach- und Führungskräfte in der Technik zunächst ungewohnt, sich selbst zu zeigen. Schließlich haben sie gelernt, sich professionell und sachlich zu verhalten und sind es eher nicht gewohnt, eigene Bedürfnisse und Gefühle offen auszusprechen. Betrachten wir deshalb doch einmal eine echte Ich-Botschaft zu unserem obigen Beispiel, wo der Mitarbeiter wegen der fehlenden Zahlen auf dem Shopfloor Board angesprochen wird. Wie im Coaching geübt spricht der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter mit einer Ich-Botschaft an: „Bei der Vorbereitung der Präsentation am Shopfloor Board habe ich bemerkt, dass nicht alle Zahlen und Daten aktualisiert sind und mich total geärgert, weil ich mich so nur unzureichend vorbereiten konnte. Ich fühle mich nicht ernstgenommen und respektiert, wenn Du unsere Termine nicht einhältst. Da es mir ein echtes Anliegen ist, das Shopfloor Board zur Verbesserung unserer Abläufe und Prozesse zu nutzen, würde ich mir wünschen, zukünftig alle Daten und Fakten rechtzeitig vorliegen zu haben.“ So eröffnet sich die Chance, dass die Gesprächsebene weg von der Eskalation hin zur Deeskalation durch geschickte Dialogführung mittels echter Ich-BotschaftenIch-Botschaften