Konstantins Antrag - Coco Eberhardt - E-Book
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Konstantins Antrag E-Book

Coco Eberhardt

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Ein spannender, bayerisch angehauchter Cosy-Krimi mit skurriler Note und Schmunzelfaktor.   "Kommen Sie sofort ins Biohotel Bavaria Eden. Helmut Lochstampfer ist dort heute Morgen tot aufgefunden worden. Beeilen Sie sich."   Während Bestatter Konstantin Schwarz damit beschäftigt ist, Pfannkuchen zu machen, erhält er diesen anonymen Anruf. Helmut Lochstampfer hat erst wenige Wochen zuvor seine eigene Beerdigung zusammen mit Konstantin geplant. Und nun ist er also tatsächlich tot? Und das auch noch am Tag seiner eigenen Hochzeit kurz vor dem Ja-Wort... Schnell steht der Verdacht des Mordes im Raum. Ein vergiftetes Kondom wird als Tatwerkzeug identifiziert. Doch zu einem Kondom gehören bekanntlich immer zwei. Aber Lochstampfers Beinahe-Ehefrau ist noch putzmunter. Treibt vielleicht der ominöse Auftragskiller "Narcotic Joe" sein Unwesen in der bayerischen Provinz? Eigentlich wollte Konstantin sich nicht mehr in solche Mordangelegenheiten verwickeln lassen, doch hat er seiner Freundin Nelly einen Heiratsantrag gemacht, weswegen ihm Tante Fanny mal wieder gehörig die Hölle heiß macht. Um den Hochzeitsvorbereitungen zu entgehen, entschließt er sich spontan lieber mit Professor Hackspiel und Leichen-Franz auf Auftragskiller-Jagd zu gehen, die ihn sogar bis in die andalusischen Berge verschlägt.   Dieser Fall ist in sich abgeschlossen.   Teil 1: Konstantins Erbe Teil 2: Konstantins Dilemma Teil 3: Konstantins Antrag Teil 4: Konstantins Affäre

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Coco Eberhardt

Konstantins Antrag

Sein dritter unfreiwilliger Fall

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Kurz vorweg

Konstantin Schwarz ist Anfang dreißig und musste nach dem frühen Tod seines Vaters mehr oder weniger freiwillig das familiengeführte Bestattungsinstitut mitten in München übernehmen, was er auch mittlerweile halbwegs auf die Reihe bekommt, im Gegensatz zu seinem Leben. Er ist therapieerfahren, bekämpft seine Schlafstörungen gerne mal mit Tabletten, raucht zu viel und immer wieder spricht seine tote Großtante, die zu Lebzeiten Tante Fanny genannt wurde, mit ihm. Nach Tante Fannys Ableben ist Konstantin in deren Mansardenwohnung gezogen. Viel verändert hat er dort aber nicht, denn Veränderung ist nicht so sein Ding. Im gleichen Haus wohnt noch seine Mutter, die sich immer wieder um ihn Sorgen macht und seine neun Jahre jüngere Schwester Chrissy, die mit ihrer lockeren Art so ganz anders ist wie Konstantin. Viele Freunde hat der neurotische Bestatter nicht. Einer davon ist jedoch der unorthodoxe und etwas behäbige Gebäudereiniger Franz, der auch Leichen-Franz genannt wird, da er sich beruflich auf Leichenfundort- und Tatortreinigung spezialisiert hat. Zu Flora Kalischek fühlt sich Konstantin immer wieder stark hingezogen. Sie ist um einiges älter als er, was das Ganze nicht so einfach macht. Mit ihr verbinden ihn allerdings mehr als nur seine Gefühle für sie.

 

Kapitel 1

Etwas desorientiert stand ich in der Essküche meiner kleinen Mansardenwohnung. Es war Samstag und für einen Samstag war es definitiv zu früh, um aufzustehen. Meine Vitalfunktionen liefen noch auf Notstrom, während ich bemüht war, Pfannkuchen zuzubereiten. Eier und Milch hatte ich mir aus dem Kühlschrank meiner Mutter geklaut, die in der Wohnung im 1. Stock wohnte, leider aber dieses Wochenende mit ihrem neuen Lebensgefährten Rudi auf irgendeinem Workshop war, sodass ich mich nun hier alleine herumschlagen musst. Alleine mit den Zwillingen Tommy und Annika, die erwartungsvoll und hungrig an dem kleinen Esstisch in der Küche saßen, die noch aus der Wirtschaftswunderzeiten stammte. Mit großen Augen beobachteten die beiden, was ich machte.

In einem schwachen Moment hatte ich Flora zugesagt, dieses Wochenende auf ihre Kinder aufzupassen, die ja genau genommen auch meine waren, obwohl ich immer noch der Überzeugung war, dass ich für jedwede Art von Kindern ein relativ ungeeigneter Vater wäre. Aber darüber brauchte ich mir keine Gedanken mehr zu machen, denn dafür war es nun sowieso zu spät. Annika war mir wie aus dem Gesicht geschnitten und Tommy hatte die gleich neurotische Art, wie auch ich sie bis heute hatte. Die beiden gingen mittlerweile in die dritte Klasse. Und ich war bloß froh, dass Flora diesbezüglich keine zu großen Erwartungen an mich hatte.

Flora war Hochzeitsplanerin, dreizehn Jahre älter als ich, und obwohl ich mit Nelly eigentlich ganz glücklich liiert war, empfand ich immer noch Gefühle für sie, die ich einfach nicht so recht in den Griff bekam und die lediglich dadurch gedämpft wurden, dass sie mir für ein Happy End mit uns beiden keine große Hoffnung machte.

Dieses Wochenende hatte sie eine Hochzeit irgendwo am Ammersee, die ihren ganzen Einsatz erforderte, weshalb sie dachte, es wäre eine gute Idee, die Kinder zu mir zu bringen, da ihre Eltern für zwei Wochen an die Nordsee gereist waren und somit nicht für Babysitting zur Verfügung standen.

In einem Küchenkasten hatte ich noch eine Packung Mehl entdeckt, deren MHD erst zwei Wochen überschritten war. Auf der Arbeitsplatte lag mein Smartphone, das mir ein Rezept für Pfannkuchenteig anzeigt.

„Du wirst doch wohl no a boa Pfannkuacha higrign?“, tönte Tante Fannys Stimme in meinem Kopf.

Tante Fanny war vor mehreren Jahren im stolzen Alter von 96 friedlich, mit einem Cognacschwenker Asbach Uralt neben sich, aus dem Leben geschieden. Doch seit diesem Zeitpunkt spukte sie mir im harmlosesten Fall im Kopf herum, und wenn sie es ganz gut mit mir meinte, erschien sie mir gelegentlich auch im Traum. Ich fragte mich schon lange nicht mehr, warum Tante Fanny ausgerechnet mich für ihre Heimsuchungen ausgesucht hatte. Selbst Frau Dr. Schumann, meine Psychiaterin, hatte für dieses „Problem“ noch keine Lösung gefunden. War es vielleicht, weil ich nach ihrem Tod in ihre Wohnung gezogen war? Auf jeden Fall hatte ich mich mit Tante Fanny, die zu Lebzeiten eigentlich bloß den Verwandtschaftsgrad einer Großtante hatte, mittlerweile ganz gut arrangiert.

„Ja, ja“, murmelte ich vor mich hin, als Antwort auf ihre provokativ gestellte Frage.

Die Zutaten hatte ich mittlerweile alle in eine alte Tupperschüssel gekippt und suchte nun verzweifelt nach dem Handrührgerät. Obwohl ich die Mansardenwohnung schon ein paar Jahre bewohnte, kannte ich mich mit den Gegebenheiten in der Küche, die nahezu 1:1 dem Zustand ihrer Vorbewohnerin entsprach, immer noch nicht so recht aus.

„Rechts undn, Bua“, half mir Tante Fanny schließlich bei der Suche.

Und tatsächlich lag dort der alte Handrührer von Krups, dessen langes weißes Kabel fein säuberlich um das Gerät aufgewickelt war.

„Des Runde muaß ins Runde und des Gzackte ins Gzackte“, instruierte sie mich, wie ich die Rührstäbe einstecken sollte.

„Ich bin doch nicht blöd“, murrte ich leise, fast schon ein bisschen beleidigt zu ihr, was wohl auch daran lag, dass meine Laune in Folge schlechten Schlafs und fehlenden Nikotins nicht gerade die beste war.

„I sog 's jo bloß“, grummelte sie zurück, während Tommy und Annika immer noch geduldig auf ihr Frühstück warteten.

Mit zittrigen Händen begann ich in der Schüssel zu rühren. Mein Nikotinentzug machte sich langsam deutlich bemerkbar. Aus Rücksicht auf die Kinder hatte ich bis zum jetzigen Zeitpunkt auf meine Guten-Morgen-Zigarette verzichtet. Doch lange würde ich nicht mehr durchhalten.

„Backröhrl“, meinte Tante Fanny wortkarg zu mir, als ich nervös nach einer Pfanne suchte.

Auf die Idee, im Backofen zu suchen, wäre ich wohl wirklich nie gekommen. Ich stellte sie auf den Herd und schaute zu, wie die Butter langsam schmolz. Dann leerte ich ein bisschen etwas von der Teigmasse hinein.

„Vui z' vui“, stänkerte Tante Fanny in meinem Kopf über meine Kochkünste.

Leider zurecht. Der Pfannkuchen in der Pfanne war viel zu dick, sodass man ihn gar nicht mehr rollen konnte. Auf der Oberseite war er noch flüssig und von unten her begann es bereits verbrannt zu riechen. Verzweifelt versuchte ich ihn mit einem hölzernen Wender in der Pfanne umzudrehen, was mir mehr schlecht als recht gelang.

„Da easte werd eh oiwei nix“, kommentierte Tante Fanny tröstend meinen kläglichen Kochversuch.

Ich halbierte den riesigen Pfannkuchen, schmierte ein bisschen Marmelade darüber und kredenzte ihn so den Zwillingen.

„Das ist aber kein echter Pfannkuchen“, monierte Annika prompt und schaute mit gerümpfter Nase auf ihr Frühstück.

„Das sind Pancakes. Die essen die Leute in England und Amerika so“, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen, was Annika offensichtlich auch zufrieden stimmte.

„Ich find´s lecker“, kommentierte schließlich auch Tommy zufrieden schmatzend.

„Lasst es euch schmecken. Ich bin kurz weg. Komme gleich wieder“, meinte ich mild lächelnd zu den beiden.

Erleichterung machte sich in mir bereit, als ich endlich eine Zigarette aus der Schachtel fummeln und anzünden konnte. Bei geöffnetem Fenster stand ich in meinem rosagekachelten Badezimmer, das immer noch den Charme der 50er versprühte. Der erste Zug war wie ein Befreiungsschlag. Seit ich mit Nelly zusammen war, hatte sich mein Nikotinkonsum zwar um einiges verringert, aber auch wenn ich wollte, würde ich dieses Laster wohl nur schwer losbekommen. Meditativ betrachtete ich die Glut und merkte, wie ich ruhiger wurde.

Eigentlich hatte ich sonst keine Skrupel, in der Wohnung zu rauchen, doch irgendwie wollte ich den beiden Kindern ja auch ein Vorbild sein. Außerdem war es gar keine Frage, dass der Rauch für Kinder nicht gesund war. Trotzdem stelle es mich vor eine gewisse Herausforderung. Ich drückte meine Zigarette auf dem Fenstersims aus und war gerade im Begriff, zu den Zwillingen in die Küche zurückzukehren, als plötzlich mein Handy klingelte.

Unbekannt, prangte auf dem Display. Unbekannt. Das war meist nichts Gescheites. Jemand, der einem ein Abo für irgendein dubioses Schundblatt aufdrücken wollte. Oder vielleicht der Tiefkühllieferant, dem ich blöderweise vor geraumer Zeit einmal meine Telefonnummer mitgeteilt hatte, weil mich eine nette junge Dame mit einem Gratiskatalog bezirzt hatte. Mit einem genervt klingenden „Ja“ nahm ich schließlich doch das Telefonat an. Nicht, dass es noch ein dringender Sterbenotfall war.

„Herr Schwarz?“, hörte ich eine ruhige, etwas verzerrt klingende Männerstimme am anderen Ende der Leitung in den Hörer sagen.

„Ja“, bestätigte ich etwas überrumpelt meine Identität.

„Kommen Sie sofort ins Biohotel Bavaria Eden. Helmut Lochstampfer ist dort heute Morgen tot aufgefunden worden. Beeilen Sie sich.“

„Wer sind Sie?“, wollte ich etwas verdutzt von dem anonymen Anrufer wissen, doch der hatte bereits aufgelegt.

 

Kapitel 2

Nun war es also so weit. Helmut Lochstampfer war tot. Ich erinnerte mich noch sehr gut an den durchtrainierten, gut aussehenden Biolandwirt mit leicht sonnengebräunter Haut und gesunder Gesichtsfarbe. Wenn Vitalität für einen Namen stehen würde, dann für Helmut Lochstampfer. Er war zwar schon über 50 Jahre alt, jedoch hätte er auf einem hochpolierten Fendt Vario durchaus noch für den Jungbauernkalender posieren können. Seine athletische Figur und sein charismatisches Lächeln hätten selbst mich schwach werden lassen können.

Es war erst wenige Wochen her, dass der fesche Lochstampfer bei mir im Bestattungsinstitut aufgekreuzt war. Obwohl es draußen noch recht frische, spätwinterliche Temperaturen gehabt hatte, trug er eine traditionelle, hochwertige Lederhose, die über den Knien endete, in Kombination mit selbst gestrickten Wadenwärmern und einem Trachtenjanker.

Er hatte einen Termin mit mir vereinbart. Dabei ging es nicht um die Planung der Beerdigung eines nahen Angehörigen. Nein. Er wollte seine eigene Bestattung mit mir besprechen. Das war an und für sich nichts Ungewöhnliches, kam hin und wieder vor und hatte die letzten Jahre zunehmend mehr an Bedeutung gewonnen. Im Falle von Helmut Lochstampfer, der immerhin noch weit unter dem durchschnittlichen Sterbealter in Deutschland lag und auch nicht den Anschein erweckte, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, kam es mir jedoch instinktiv sehr seltsam vor. Trotzdem versuchte ich ihn so professionell wie möglich in seinem Anliegen zu beraten.

Auf dem runden, großen Holztisch in der Sarghalle hatte ich Flyer mit verschiedenen Bestattungsarten ausgebreitet. Interessiert beäugte er das schwarze Kallax Regal aus dem Schwedenmöbelhaus, in dem ich die gutgängigsten Urnen zur Schau stellte.

„Eines kann ich Ihnen gleich sagen, Herr Schwarz, lieber teuer als Feuer. Geld spielt keine Rolle. Ich möchte keinesfalls verbrannt werden. Das ist mir äußerst wichtig. Kein Feuer“, sagte er mit eindringlicher Stimme und starrte mich mit entschiedenem Blick an, sodass ich Gänsehaut bekam.

Ich nickte artig und schrieb mir seinen Wunsch mit einem großen Ausrufezeichen auf den karierten Notizblock, den ich bei mir hatte.

„Ich kann Ihnen das Eichensarg-Modell S120 sehr empfehlen. Das gibt es in verschiedenen Ausführungen“, riet ich Lochstampfer fachmännisch und zeigte auf das Ausstellungsstück, das gleich neben dem Urnenregal stand.

„Ja, notieren Sie den gleich auf meine Wunschliste. Der gefällt mir sehr gut“, meinte er mit einem Anflug von Begeisterung, als würde er sich ein neues Sport-Coupé kaufen.

Minutiös plante ich an diesem besagten Nachmittag vor wenigen Woche die Bestattung mit und von Helmut Lochstampfer bis ins letzte Detail. Sogar eine Gästeliste mit den Namen der Menschen, die zur Beerdigung eingeladen werden sollten, hatte er mir zur Verfügung gestellt.

„Der Leichenschmaus findet dann bei mir im Hotel statt. Im Bavaria Eden“, meinte er mit einem abgeklärten Lächeln zu mir. „Ein Biosalat-Buffet mit dem Gemüse aus Eigenanbau, danach ein veganes Maronensüppchen mit Steinpilzen, als Hauptgang ein indisches Kichererbsen-Curry und zum Nachtisch Mangopudding aus Sojamilch.“

„Interessant“, war alles, was ich zur Auswahl seines Beerdigungsmenüs meinte, um mich nicht zu blamieren.

Die meisten der genannten Speisen sagten mir zwar etwas, doch die wenigstens davon standen auf meinem täglichen Speisezettel. Das alles klang auf jeden Fall sehr gesund.

„Und diesen Brief müssen Sie dann nach der Beerdigung meiner Witwe aushändigen. Bewahren Sie ihn bitte sorgfältig auf. Am besten im Safe. Sie haben doch einen Safe?“

Als er das sagte, schob er mir ein rotes Briefkuvert über den Tisch. Ein Abschiedsbrief? Ich nickte artig und wunderte mich gleichzeitig immer mehr über den seltsamen Gast, der eigentlich zu Beginn unserer Beratung ganz normal gewirkt hatte.

Er war bereits im Begriff, sich von mir zu verabschieden, als ich es mir nicht mehr verkneifen konnte, ihn zu fragen. Ich wusste, dass es alles andere als professionell war, aber ich wollte mir später nichts vorwerfen müssen.

„Sie wollen sich aber nicht… Umbringen?“

Mit großen, fragenden Augen blickte ich ihn an, doch er blieb weiter ganz gelassen, lachte sogar.

„Herr Schwarz, wo denken Sie denn hin. Wieso sollte ich mich umbringen? Mir geht es bestens. Besser könnte es mir gar nicht gehen.“

Ich wusste in diesem Moment nicht so recht, ob ich erleichtert sein sollte oder ob dieser Typ vor mir total einen an der Klatsche hatte.

„Aber… Wieso planen Sie dann jetzt schon Ihre Bestattung? Ich meine, Sie sind noch relativ jung und sehen sehr gesund aus. So mancher 30-Jährige wäre neidisch auf Ihre Konstitution.“

Auf einmal waren sein Lächeln und seine Lockerheit aus seinem Gesicht verschwunden. Mir war schlagartig unheimlich zu Mute. Er räusperte sich kurz, so, als müsse er überlegen, was er mir drauf antworten sollte.

„Ich werde ermordet werden“, antwortete er fast schon flüsternd zu mir.

Als er das sagte, lief es mir kalt den Rücken hinab. Auf was hatte ich mich da bloß wieder eingelassen? Hätte ich bloß nicht gefragt. Unwissenheit war manchmal nicht unbedingt die schlechteste Wahl.

„Wann? Wer? Wie?“, rief ich ihm noch hinterher, doch er war bereits dabei, den Motor seines roten X5 zu starten.

„Ihr kennt weder den Tag noch die Stunde“, warf er mir diesen Satz aus der Bibel an den Kopf, den ich schon auf so vielen Beerdigungen gehört und auf so vielen Todesanzeigen gelesen hatte.

Dann knallte er die Tür seines Wagens zu und brauste damit über die gekieste Hofeinfahrt vor dem Bestattungsinstitut durch den Torbogen auf die Straße.

 

Kapitel 3

Ich musste jetzt sofort ins Bavaria Eden, doch konnte ich schlecht die Kinder dahin mitnehmen. Das blöde war nur, dass die Auswahl an verfügbaren Babysittern sehr begrenzt war. Lediglich Nelly und meine Schwester fielen mir auf Anhieb ein. Meinen Kumpel Leichen-Franz hatte ich von vornherein ausgeschlossen. Er war einer meiner wenigen engen Freunde und ich mochte ihn ehrlich, doch konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass er auf Tommy und Annika aufpasste, wo ich selbst ja schon leicht überfordert damit war. Es war nicht so, dass er diesbezüglich über eine negative Expertise verfügen würde. Es war eher ein undefinierbares und unergründliches Bauchgefühl.

Meine Freundin Nelly wäre sicherlich sofort bereit gewesen, auf die Kinder aufzupassen. Doch war mir vor wenigen Tagen ein äußerst unangenehmes Missgeschick passiert, weswegen ich ihr seitdem tunlichst versuchte, aus dem Weg zu gehen.

Das mit Nelly und mir ging nun schon eine ganze Weile gut. Mehr oder weniger. Sie war glücklich mit mir und ich auch mit ihr. Daran gab es gar keinen Zweifel. Sie tat mir gut. Schlafmittel brauchte ich mittlerweile so gut wie gar keine mehr und auch an meinem reduzierten Nikotinkonsum war sie nicht ganz unschuldig. Sie versuchte mich zu verstehen. Drang in emotionale Regionen in mir vor, die bisher noch kein anderer Mensch geschafft hatte zu ergründen. Nicht mal ich selbst. Sie hatte es sogar ohne Vorbehalte akzeptiert, als ich ihr eigentlich viel zu spät gestanden hatte, dass Tommy und Annika zumindest biologisch meine Kinder sind. Und sie hatte mir dabei geholfen, besser mit dieser Situation umzugehen, die mich ehrlich gesagt immer noch leicht überforderte. Auch der Sex mit ihr war nicht zu verachten. Zuletzt war sie es gewesen, die mich mithilfe von Rudi aus den Fängen des Psychopaten Moretti vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Gedankt hatte ich ihr das alles damit, dass ich sie aus einer alkoholgeschwängerten Laune heraus mit Flora betrogen hatte. Es war zwar nur einmal. Den Mut dafür, ihr das zu beichten, hatte ich allerdings noch nicht gefunden. Und wahrscheinlich war das wohl auch besser so. Ich hatte mittlerweile gelernt, damit zu leben.

Stattdessen hatte ich unserer Beziehung ungewollt auf die nächste Ebene gehoben. Nelly hatte vergangene Woche bei mir zu Hause übernachtet, was bisher erst wenige Frauen gemacht hatten. Ich lebte mehr oder weniger in einer musealen Mansardenwohnung, die vom Interieur her in der Wirtschaftswunderzeit stehen geblieben war. Außer meinem Flachbildfernseher, meinem roten Kühlschrank, der hauptsächlich der Bieraufbewahrung diente, und meiner Espresso-Maschine hatte ich hier nicht viel zu bieten.

„Ich habe kalte Füße“, jammerte sie, als wir aneinander gekuschelt in meinem Schlafzimmer in dem alten Schellackbett lagen, das noch von Tante Fanny stammte.

„Moment“, war alles, was ich sagte, bevor ich mich aus dem Bett rollte und kniend in der untersten Schublade der alten Kommode zu wühlen begann.

Tante Fanny hatte hier doch irgendwo noch selbst gestrickte Socken deponiert gehabt, erinnerte ich mich dunkel, als ich in dem vollen Kasten wühlte, der förmlich überquoll mit Dingen, die noch von meiner Großtante stammten. Doch plötzlich war ich auf eine kleine Schachtel gestoßen, die wie magisch meine Aufmerksamkeit anzog. Ich öffnete sie und fand darin eine Rechnung, die wenige Tage vor Tante Fannys Tod bezahlt worden war und einen schlichten goldenen Ring, in den die Worte "In Liebe. In Ewigkeit." graviert waren.

„Was ist denn das?“, murmelte ich leise vor mich hin.

„Des gäd di gar nix an“, pflaumte mich Tante Fannys Stimme in meinem Kopf an.

Ich konnte mich nicht erinnern, dass Tante Fanny jemals mit einem Mann irgendeine Art von Beziehung unterhalten hätte. Sie war eine forsche Einzelgängerin gewesen, die ihre ganze Kraft und Arbeit bis zu ihrem Tod in das Bestattungsinstitut gesteckt hatte. So auf dem Boden kniend und in Gedanken versunken, hatte ich mich schließlich mit dem Ring in der Hand zu Nelly umgedreht, die das Ganze irgendwie missverstanden haben musste. Eigentlich wollte ich ihr nur meine Entdeckung zeigen, doch sie kletterte juchzend aus dem Bett und umarmte mich stürmisch, gefolgt von einer Kussattacke, der ich mich nicht mehr entziehen konnte.

„Oh, Konstantin. Ich dachte schon, du fragst mich nie“, meinte sie mit glücklichen Tränen in den Augen zu mir.

Was hätte ich in dieser Situation machen sollen? Es würde sich sicherlich irgendwann noch die Gelegenheit ergeben, die ganze Sache irgendwie aufzuklären. An so etwas wie heiraten hatte ich ehrlich gesagt noch nicht gedacht, obwohl es mit Mitte 30 wohl nicht mehr zu früh dafür gewesen wäre. Wenngleich sich ein kleinwenig mein schlechtes Gewissen gemeldet hatte, war der Verlobungssex allerdings nicht zu verachten gewesen.

Seit diesem saublöden Missgeschick mit dem ungewollten Heiratsantrag war ich Nelly aus dem Weg gegangen, in der Hoffnung, dass mir endlich eine Lösung einfallen würde, die mich aus diesem Schlamassel wieder befreien könnte. Wenn ich sie jetzt noch fragen würde, ob sie auf Tommy und Annika aufpassen würde, würde sie das vielleicht bloß noch auf den Gedanken bringen, dass sie auch noch Kinder wollte. Nein, zwei Menschen, die mit meiner DNA ausgestatten waren, mussten diesem Planeten genügen. Nelly schied somit als Babysitter für die Zwillinge definitiv aus.

Als meine letzte Hoffnung wählte ich die Nummer meiner Schwester. Chrissy ging auch gleich an ihr Handy.

„Was gibt’s, Konni?“, fragte sie frech, wie es eben ihre Art war, mit ihrem neun Jahre älteren Bruder zu kommunizieren.

Im Hintergrund hörte ich Geräusche wie von einem lauten Gebläse.

„Ich habe einen Sterbenotfall und brauche dringend einen Babysitter für die Zwillinge“, jammerte ich unverhohlen in den Hörer.

„Sorry, Konni. Ich sitze gerade beim Friseur und brauche noch mindestens zwei Stunden, bis ich fertig bin“, gab sie mir eine eindeutige Abfuhr.

„Verdammt. Was mache ich jetzt?“, winselte ich weiter.

„Dann nimm die zwei halt einfach mit. Was ist denn schon dabei. Papa hat uns doch früher auch regelmäßig mitgenommen. Der Tod gehört schließlich zum Leben dazu. Und die beiden sind doch eh recht gut zu haben.“

Mit einem Grummeln verabschiedete ich mich von Chrissy und beendete das wenig erfolgreiche Telefonat. Es blieb mir wohl wirklich nichts anderes übrig.

„Wir machen einen Ausflug“, machte ich den beiden Kindern schließlich das Ganze etwas schmackhaft, was auch gleich auf die Zustimmung der Zwillinge traf, wenngleich auch ich noch nicht so recht wusste, was mich vor Ort erwarten würde.

Im Internet hatte ich gelesen, dass das Bavaria Eden Biohotel in einer idyllischen Einöde nahe Andechs lag. Von dort aus sollte man einen fantastischen Blick auf den Ammersee haben. Das Hotel war nicht nur Bio, sondern pries auch an, dass es dort zu 100 % vegan zuging. Mit geschätzt 60 Betten war es nicht zu klein und nicht zu groß. An Komfort fehlte es hier nicht. In der Küche arbeitete ein berühmter Vegan-Koch, dessen Name mir allerdings völlig unbekannt war. Im natürlich angelegten Outdoor-Bereich des Hotels, der nach Feng-Shui-Kriterien geplant worden war, gab es einen großzügigen Schwimmteich und außerdem ein türkisches Dampfbad und eine finnische Sauna in Luxusausführung.

Mit gemischten Gefühlen packte ich die beiden Sitzerhöhungen in den Leichenwagen, die mir Flora dagelassen hatte, damit sich Tommy und Annika anschnallen konnten. Dann fuhren wir zu dritt durch die Stadt, über den Mittleren Ring Richtung Ammersee.

 

Kapitel 4

Das Bavaria Eden war noch eindrucksvoller, als ich es mir an Hand der Internetfotos hätte vorstellen können. Das Hotel lag ruhig in der leicht hügeligen Landschaft der Ammerseeregion. Auf dem Areal befand sich nicht nur das Hotel, sondern auch die Biolandwirtschaft von Helmut Lochstampfer. In liebevoll gepflegten Bauerngärten, die mit Staketenzäunen und einem Rosenbogen umrandet waren, wuchs das sorgfältig gepflegte Biogemüse, das im angrenzenden Bioladen verkauft wurde und wohl auch dem berühmten Vegan-Koch des Biohotels als Basis diente. Den Namen Bavaria Eden hatte dieses Stückchen bayerische Erde wahrlich verdient. Lochstampfer hatte sich ausschließlich auf Gemüseanbau und die Erzeugung regenerativer Energien spezialisiert, in deren Genuss vor allem seine Hotelgäste kamen.

Ich lenkte den Leichenwagen direkt vor den Eingang des Hotels, befreite die Kinder von der Sitzbank im Auto und betrat zusammen mit den beiden den Empfangsbereich. Ein Duft von frisch geschlagenem Holz stieg mir in die Nase, was wohl an dem geölten Eichenparkett und an der mit Holzstämmen verkleideten Eingangstheke lag. Eine in Uniform gezwängte Version von Sheldon Cooper saß dahinter und beäugte uns für ein paar Sekunden recht argwöhnisch.

„Sie wünschen“, meinte er schließlich mit seiner hochstehenden Nase in unsere Richtung.

„Mein Name ist Schwarz. Man hat mich angerufen. Mir wurde mitgeteilt, dass Herr Lochstampfer verstorben sei. Ich bin sein Bestatter“, schilderte ich mein Anliegen.

„Wer hat Sie denn angerufen?“, wollte der schnöselige Portier weiterwissen.

Bevor ich seine Frage beantworten konnte, kam eine Frau mittleren Alters um die Ecke gestochen, bei deren Körperfettverteilung eindeutig jemand geschlampt hatte. Ihre Beine konnten denen von Heidi Klum durchaus Konkurrenz machen. Dementsprechend waren sie in eine enge Röhrenjeans gezwängt. Doch der Modeltraum hörte auf Höhe ihres Ledergürtels schlagartig auf. Unmittelbar darüber wölbte sich ein nicht unbeachtlicher Bauch, der in eine beigefarbene Bluse gezwängt worden war, deren Knöpfe eine Erschwerniszulage verdient hätten. Obwohl sie nicht mein Typ war, stach mir ihr mächtiger Busen sofort ins Auge und mein Blick saugte sich unweigerlich daran fest. Ihre 80er-Jahre-VoKuHiLa-Haarpracht hatte sie pechschwarz gefärbt.

„Wer san 'etz Sie?“, blaffte sie mich unwirsch mit einer dunkel verrauchten Stimme an.

„Schwarz. Ich bin der Bestatter von Herrn Lochstampfer“, erklärte ich mich erneut.

„Bestatter? Wer hod denn 'etz scho den Bestatter gruafn?“, maulte sie weiter rum. „Und des san wohl Ihre Kinda?“

„Naja, also auf gewisse Art schon irgendwie“, druckste ich herum, weil ich auf diese Frage auch noch keine passende Antwort wusste.

„Das ist nicht mein Papa“, brachte mich Annika auch prompt in Verlegenheit.

„Ja klar, Gloane. Des kannst eppam anderem erzähln. Du schaugst deim Babba ja sowieso wia aus da Lädschn gschnitdn ähnlich“, tätschelte das Prachtweib Annika auf den Kopf und umschiffte so das unangenehme Thema dezent.

„I bin die Frau Dünnbier von der Mordkommission“, stellte sie sich mir und den Kindern schließlich vor.

„Dann ist… Also… Wirklich… Lochstampfer wurde also tatsächlich ermordet?“, stammelte ich ungläubig in Richtung Frau Dünnbier und merkte, wie mir das Blut in den Adern gefror.

„Na. Momentan is es noch a ungeklärter Todesfall“, erklärte sie mir. „Da Lochstampfa werd no obduziert. Darum wunderts mich, dass Sie 'etz scho do san. Sie könna mir 'etz eigentlich no überhaupt ned brauchen. Wer hod Sie denn informiert?“

„Ich habe einen anonymen Anruf erhalten“, gestand ich ihr die Wahrheit.

„Dann könna Sie gleich amoi einchecken. Bevor i do ned alle verhört hob, verlässt mir koana des Hotel“, wies sie mich an.

„Aber… Aber…“, stotterte ich ungläubig vor mich hin, doch da war Frau Dünnbier auch schon wieder abgezogen.

„Wir sind leider voll“, meinte der Empfangschef zu mir. „Lediglich die Honeymoon Suite wäre überraschend frei geworden.“

„Wieso das?“, fragte ich überrascht nach.

„Die wäre eigentlich für Herrn Lochstampfer reserviert gewesen. Er wollte doch heute seine Friederike ganz romantisch im Garten heiraten. Aber kurz vor der Hochzeitszeremonie wurde seine Leiche im Büro gefunden. Er saß da, als wäre er in seinem Bürostuhl nur kurz weggenickt.“

„What?“

Mit erstauntem Blick sah ich das Sheldon-Cooper-Plagiat an. Der nur kurz mit den Schultern zuckte.

„Darf ich Ihnen dann die Honeymoon Suite reservieren?“, fragte er mich geschäftstüchtig. „Für Ihre Kinder könnte ich im Nebenraum der Suite die Ausziehsofas herrichten.“

„Aber ich habe noch nicht mal meine Zahnbürste dabei?“, gestand ich dem Mann hinter dem Eingangstresen.

„Kein Problem. Alle Zimmer sind mit veganen Holzzahnbürsten ausgestattet. Fühlen Sie sich wohl bei uns. Das Team des Bavaria Eden Biohotels wünscht Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Abendessen gibt es um 19 Uhr. Soll ich Ihr Auto noch auf unseren Hotelparkplatz fahren lassen? Mit Ihrer Kreditkarte können Sie dann später vorbeikommen“, meinte er mit einem breiten Lächeln zu mir, so als wäre alles ganz wie sonst.

Ohne große Worte überließ ich ihm meine Autoschlüssel und nahm dafür meinen Zimmerschlüssel in Empfang, um die Honeymoon Suite zu beziehen. Ich hatte zwar schon lange keinen Urlaub mehr gemacht, aber mit so was hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

 

Kapitel 5

 Da stand ich also nun in der Honeymoon Suite, Tommy und Annika mehr oder weniger begeistert neben mir.

„Wann fahren wir wieder nach Hause?“, wollte Tommy von mir wissen.

„Ich hoffe spätestens morgen früh“, gab ich desillusioniert an ihn weiter.

„Tommy, komm schnell. Unser Zimmer hat einen Fernseher“, juchzte Annika aus dem Nebenzimmer, wo die Ausziehsofas bereits für die beiden hergerichtet waren.

Auch die Hotelzimmer waren äußerst holzlastig gestaltet, was mir allerdings recht gut gefiel. Ein großes, aus dicken Holzpfählen gebautes Himmelbett war der Blickfang des Zimmers. Der schöne weiße Spitzenbezug verlieh der Schlafstatt die Romantik, die man hinter einer Honeymoon Suite vermuten wollten. Auf der Tagesdecke waren rote Rosenblätter verstreut. Auf einem kleinen Tischchen vor dem Bett stand eine Flasche Champagner mit zwei Gläsern. Beim Blick aus dem Zimmerfenster konnte man den Ammersee entdecken. Der perfekte Ort für eine Hochzeitsnacht.

Mit einem unbehaglichen Gefühl im Magen musste ich wieder an den Hochzeitsantrag denken, den ich Nelly gemacht hatte, ohne es gewollt zu haben. Würde Nelly vielleicht im Internet schon nach ähnlichen Locations suchen? Mir wurde übel, wenn ich daran dachte. Ich musste diese unangenehme Sache schleunigst aus der Welt schaffen.

Die Zwillinge hatten sich bereits in ihr Zimmer zurückgezogen und den Fernseher eingeschaltet, wo Spongebob Schwammkopf mit seiner quietschigen Stimme die Gesichter von Tommy und Annika erhellte. Ein guter Zeitpunkt für eine Zigarettenpause.

Unmerklich schlich ich mich Richtung Badezimmer, um dort aus dem Fenster zu rauchen. Ich hatte unten in der Lobby ein Schild gesehen, auf dem stand, dass ich hier nicht nur in einem veganen Biohotel gelandet war, sondern auch in einem Nichtraucherhaus, was mich allerdings wenig zu beeindrucken wusste. Bei einem war ich mir allerdings jetzt schon sicher. Wenn einer wie der Lochstampfer so auf gesund machte, dann war der wohl nicht einfach mit einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung tot in seinem Bürostuhl gehockt. Dann war der auf jeden Fall ermordet worden.

Ich öffnete die geölte Holztür, die ins Badezimmer führte und erschrak mordsmäßig, als ich feststellte, dass ich die Suite ganz offensichtlich nicht für mich alleine hatte.

„Was machst du denn hier?“, fragte ich völlig entgeistert, als ich mein Gegenüber in der mit Schaum überquellenden Eckbadewanne entdeckte.

„Das Gleiche könnte ich dich auch fragen“, empörte sich mein Überraschungsgast im Schaumbad.

„Ich wollte bloß eine Zigarette rauchen“, rechtfertigte ich mich.

„Du fährst doch nicht einfach so zum Rauchen an den Ammersee. Erzähl, was tust du hier? Und sag mir bitte nicht, dass du schon wieder in diesen ominösen Todesfall hier irgendwie involviert bist. Außerdem ist das ein Nichtraucherhotel.“

„Ich brauch jetzt aber echt dringend eine“, sagte ich trotzig, öffnete das Badezimmerfenster und zündete mir die Zigarette an.

Dabei schielte ich ganz nebenbei auf Floras schönen, runden Busen, der sich unter der dicken Schaumschicht gut sichtbar abzeichnete und auch prompt seine Wirkung bei mir entfaltete. Ich versuchte mir allerdings nichts anmerken zu lassen.

„Und wo sind überhaupt die Kinder?“, fragte sie leicht entsetzt nach.

„Die sind im Nebenzimmer und schauen Spongebob Schwammkopf“, rechtfertigte ich mich. „Lochstampfer hatte vor ein paar Wochen seine Bestattung bei mir geplant. Irgend so ein anonymer Anrufer hat mir am Telefon gesagt, dass ich sofort herkommen solle. Und als ich hier war, habe ich erfahren, dass Lochstampfer noch obduziert werden muss und man mich noch nicht braucht. Da war es allerdings schon zu spät. Diese forsche Polizistin hat mich dazu verdonnert hierzubleiben, bis sie jeden verhört hat. Tja, und da bin ich nun. Leider war nur noch die Honeymoon Suite frei. Und was ist mit dir? Warum bist du hier? Sag bloß, du hast die Hochzeit vom Lochstampfer geplant?“

Meditativ stieß ich den Rauch in meinen Lungen aus dem Fenster und versuchte weiterhin meine Erektion im Griff zu halten.

„Was glaubst du denn? Dass ich hier zum Vergnügen bin? Bin mal gespannt, ob ich nach der geplatzten Hochzeit auch mein Geld sehe. Muss schließlich meine Rechnungen bezahlen“, brummelte sie vor sich hin und blickte mich mit ihren froschgrünen Augen mitleidig an.

„Dann hat es der Lochstampfer also gar nicht mehr zu seiner Hochzeit geschafft? Dann konnte er ja seine Witwe gar nicht mehr zur Witwe machen. Wenn du übrigens Geld brauchst, ich kann dir gerne etwas leihen“, meinte ich gedankenverloren zu ihr.

„Keine Angst. So schnell verhungere ich nicht. Außerdem würde ich mir von so einem Pimpf wie dir doch kein Geld borgen. Friederike hat es leider nicht zur Witwe geschafft. Bin jetzt sowieso gespannt, was die Obduktion ergibt. Vielleicht hat er sich wegen der Hochzeit zu sehr reingesteigert und hat einen Herzkasper erlitten“, mutmaßte Flora immer noch entspannt in der Wanne liegend.

Ich drückte den Stummel meiner Zigarette im Waschbecken aus und schloss das Fenster wieder.

„Immerhin war der Pimpf gut genug, dir andere Dinge zu spenden“, spielte ich mit leicht beleidigtem Unterton auf die Existenz der Zwillinge an. „An einen Herzkasper glaube ich allerdings nicht. Es war Mord.“

Flora hatte sich mittlerweile in der Wanne auf den Bauch gedreht und ich hatte volle Sicht auf ihren wohlgeformten Hintern. Ich musste dringend für ein paar Sekunden die Augen schließen und an die faltige Leiche des 87-jährigen Herrn Bauer denken, der gestern bei mir auf dem Tisch im Bestattungsinstitut gelegen hatte, um das was sich in meiner Unterhose nicht mehr so recht steuern ließ, wieder unter Kontrolle zu bringen.

Nachdem ich meine unmissverständliche Expertise kundgetan hatte, drehte sie sich in der Wanne blitzartig wieder um und richtete sich mit dem Oberkörper auf, sodass eine mittelgroße Ladung Badewasser auf den Boden schwappte. Entgeistert schaute sie mich an, während ich mir auf die Lippen biss.

„Ernsthaft. Du meinst, er wurde ermordet? Wie kannst du dir da so sicher sein, Konstantin?“

„Weil er es mir gesagt hat.“

„Gesagt? Dann weißt du also, wer der Mörder ist?“

„Nein. Das weiß ich leider nicht. Das hat er mir nämlich nicht gesagt.“

„Aber wer würde denn so einen charismatischen, gutaussehenden Biolandwirt wie den Lochstampfer umbringen wollen?“

„Irgendeinen gibt’s immer, dem irgendetwas nicht passt.“

Nachdenklich die Hände ins Gesicht gestützt, saß ich auf dem Klodeckel der geschlossenen Toilette und sinnierte über Floras Worte nach.

„Und wie machen wir das heute Nacht?“, riss sie mich schließlich aus meinen Gedanken.

„Wie meist du das?“

„Na, Friederike hat mir zugesagt, dass ich in der Honeymoon Suite schlafen kann, weil kein anderes Zimmer mehr frei ist.“

„Und wo ist das Problem?“, wollte ich unschuldig wissen, wusste allerdings genau, was sie meinte.

„Das Problem sitzt direkt vor mir. Die Ausziehsofas sind von den Kindern belegt und somit gibt es hier für uns beide nur noch das kuschlige Himmelbett. Meinst du, das ist eine gute Idee? Bist du eigentlich noch mit Nelly zusammen?“

„Wir sind jetzt verlobt. War allerdings keine Absicht.“

„Verlobt?“, fragte sie ungläubig nach und schaute mich etwas schockiert an. „Wie kann man sich denn unabsichtlich verloben?“

„Lange Geschichte. Die kann ich dir ja heute Abend im kuschligen Himmelbett erzählen“, versuchte ich sie ein wenig zu necken. „Aber du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde mich im Griff haben.“

„Das sieht man“, lachte sie schallend.

Ich wusste genau, was sie damit meinte und errötete ein wenig.

„Also gut, in Anbetracht der Notlage probieren wir es für eine Nacht im Himmelbett. Aber du brauchst dir bei mir wirklich keinerlei Hoffnungen machen. Verstanden? Es gibt nämlich keine Hoffnungen, die du dir da machen könntest. Klar? Und solltest du dir doch welche machen, kannst du dich darauf gefasst machen, dass du auf dem Boden schläfst.“

Ich nickte artig angesichts ihrer unmissverständlichen Worte.

 

Kapitel 6

Während Flora für einen kurzen Mittagsschlaf im hölzernen Himmelbett vor sich hin döste, hatte ich die Zeit genutzt, um den Druck aus meinen Leitungen zu befreien. Nun ging es mir schon bedeutend besser und ich fläzte mich in den gemütlichen Relaxsessel, der direkt auf den großen Flachbildfernseher ausgerichtet war, und zappte ziellos die Programme auf und ab. Dabei drehte sich mein Gedankenkarussell um den Tod von Helmut Lochstampfer, der meinem Gefühl nach eindeutig ermordet worden war. Ich fragte mich, ob der Mörder noch hier im Hotel war und ob er mich vielleicht angerufen und hierhergelockt hatte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto unwohler fühlte ich mich an diesem eigentlich so paradiesischen Flecken Erde, für den manche Leute ein kleines Vermögen zahlten, um hier sein zu dürfen.

„Mir ist langweilig“, stand Annika kurze Zeit später vor mir und blickte mich mit ihren großen unschuldigen Kinderaugen an.

„Ähm. Ja. Also.“

Die Kinderbespaßung hatte ich bei mir zu Hause mittlerweile zwar halbwegs gut drauf, doch fühlte ich mich hier in dieser völlig fremden Umgebung total überfordert mit Annikas Langeweile. Ich war froh, als sich in diesem Moment Flora zu regen begann.

„Weißt du was, wir fragen am besten die Mama“, grinste ich das Mädchen an, welches meinen Rat auch gleich in die Tat umsetzte und zu ihrer Mutter ins Bett hüpfte und diese damit unsanft wieder in die Realität holte.

„Hinter dem Haus gibt es einen tollen Kinderspielplatz“, löste sie das Problem binnen Sekunden. „Kommst du mit, Konstantin?“

„Klar.“

Ein bisschen Ablenkung würde auch mir nicht schaden und ich hoffte somit, auf andere Gedanken zu kommen.