Krank - Chris Geletneky - E-Book

Krank E-Book

Chris Geletneky

0,0

Beschreibung

Die Erde krankt am Menschen – davon ist Therapeut Dr. Klaus Wagner fest überzeugt. Und er wird seine vier Patienten nicht aus der Zwangs-Gruppentherapie entlassen, bis sie geheilt sind: Bella, eine 19-jährige Youtuberin, die sich das Leben nehmen wollte, weil ihre Follower-Zahlen hinuntergingen; Rolf Brunner, ein 52-jähriger TV-Produzent, der über die "Me too"-Debatte stürzte; Yusuf, ein 23-jähriger syrischer Asylbewerber, bei dem jegliche Integrationsversuche bisher ins Leere liefen und Lydia, eine 39-jährige Öko-Aktivistin, die 10.000 Hühner befreite – unglücklicherweise direkt neben der vielbefahrenen A3. Schnell eskalieren die Konflikte dieser so unterschiedlichen Lebensentwürfe. Doch Dr. Wagner macht ihnen klar, dass sie alle viel mehr gemeinsam haben, als ihnen lieb ist. Am Ende müssen alle ernsthaft das in Frage stellen, was ihnen am heiligsten ist: die Youtuberin die Segnungen des Internets, die Öko-Aktivistin ihren Nutzen für die Erde, der Syrer seine sexuelle Orientierung und der TV-Produzent seine Libido. Und Dr. Wagner hat zudem noch eine ganz eigene Agenda, wie sich zeigen wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 81

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Chris Geletneky / Moritz Netenjakob

Krank

Komödie

Die Erde krankt am Menschen – davon ist Therapeut Dr. Klaus Wagner fest überzeugt. Und er wird seine vier Patienten nicht aus der Zwangs-Gruppentherapie entlassen, bis sie geheilt sind: Bella, eine 19-jährige Youtuberin, die sich das Leben nehmen wollte, weil ihre Follower-Zahlen hinuntergingen; Rolf Brunner, ein 52-jähriger TV-Produzent, der über die „Me too“-Debatte stürzte; Yusuf, ein 23-jähriger syrischer Asylbewerber, bei dem jegliche Integrationsversuche bisher ins Leere liefen und Lydia, eine 39-jährige Öko-Aktivistin, die 10.000 Hühner befreite – unglücklicherweise direkt neben der vielbefahrenen A3. Schnell eskalieren die Konflikte dieser so unterschiedlichen Lebensentwürfe. Doch Dr. Wagner macht ihnen klar, dass sie alle viel mehr gemeinsam haben, als ihnen lieb ist. Am Ende müssen alle ernsthaft das in Frage stellen, was ihnen am heiligsten ist: die Youtuberin die Segnungen des Internets, die Öko-Aktivistin ihren Nutzen für die Erde, der Syrer seine sexuelle Orientierung und der TV-Produzent seine Libido. Und Dr. Wagner hat zudem noch eine ganz eigene Agenda, wie sich zeigen wird.

Eine temporeiche und hoch aktuelle Komödie in drei Akten voller Wortwitz und philosophischer Einsicht.

2 D | 3 H

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Theatertexte finden Sie unter www.dreimaskenverlag.de

Copyright © Drei Masken Verlag GmbH, Herzog-Heinrich-Straße 18, 80336 München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden. Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u.a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von der Drei Masken Verlag GmbH erworben werden und bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung. Nicht genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Personen

Rolf Brunner (Mitte 50), Filmproduzent

Isabel (Bella) Schmidt (19), YouTube-Star

Lydia Prehn (Mitte 40), Aussteigerin

Yusuf Mohammed Aboud (Mitte 20), Geflüchteter

Dr. Klaus Wagner (Mitte 40), Therapeut

Akt 1

Ein nüchterner Raum mit 5 Stühlen. 4 stehen in einem Halbkreis auf der einen, ein einzelner auf der gegenüber liegenden Seite. In der Ecke ein Tisch mit Getränken. In den Ecken Kameras. Der Raum ist zunächst leer. Dann tritt BELLA durch eine schwere Eisentür ein, 19, schlank, hübsch, aufgetakelt. Sie überprüft per Handykamera kurz ihren Look, dann beginnt sie zu filmen.

BELLA

Hey! Whatsup, everyone - ich bin’s, eure Bella... ja, ich hatte Euch ja erzählt, dass ich jetzt diese komische “Therapie” machen soll...mega nervig irgendwie... TBH... ja, und das ist jetzt hier wohl der “Seminar-Raum”. (sie zeigt ihren Viewern mit dem Handy den Raum). Horror, oder? Ich glaub ja sowieso nicht, dass das hier irgendwas bringt ... hab auch ehrlich gesagt überhaupt keinen Bock auf den Mist ... Hilfe! Aber naja, was soll’s ... ich guck mir das mal an und wenn’s nervt, hau ich halt ab ... bin ja hier keine Gefangene ... hoff ich zumindest... OMG! Ach ja: tut mir echt leid, dass mein letzter Post dann doch nicht so geklappt hat ... sollte ja eigentlich wirklich mein letztes Video werden, also: mein allerletztes ... bis dann meine Mutter ... habt ihr ja gesehen...

Die Tür geht auf und ein junger Araber betritt den Raum - YUSUF, 24, schlank, Bart, abgetragene Second-Hand-Kleidung. Yusuf spricht gutes Deutsch mit arabischem Akzent.

YUSUF

Hallo!

BELLA

Wenn du mich anpackst, ruf ich sofort die Bullen!

YUSUF

Wieso sollt’ ich dich anpacken?

BELLA

Keine Ahnung - wieso trägst du’n Bart?

YUSUF

Weil ... das ist eben meine Kultur.

BELLA

Ja, eben. Frauen-Antatschen ja anscheinend auch!

YUSUF

Nein! Da ist ein blödes Klischee!

BELLA

Ach, ja?

YUSUF

Ja!

BELLA

Toll. Dann sag das mal deinen Freunden!

YUSUF

Das sind nicht meine Freunde. Das ist auch ein Klischee. Meinst du, dass alle Leute, die einen Bart tragen, sich kennen?

BELLA

Mir egal - lass mich einfach in Ruhe, okay?

Yusuf rollt die Augen, setzt sich auf einen Stuhl, holt ebenfalls sein Handy raus und checkt seinen Empfang. Zeitgleich versucht Bella, ihr Video wegzuschicken. Aber es funktioniert nicht. Aufgeregt läuft sie durch den Raum und sucht Empfang.

BELLA

Maann, verdammte Scheiße - ich hab hier keinen Empfang.

Yusuf steht wieder auf und streckt sein Handy in alle Richtungen. Beide machen das jetzt, was sehr albern aussieht.

YUSUF

Ich auch nicht ... Da hatten wir ja in Aleppo ein besseres Netz...

BELLA

Aleppo? Was’n Aleppo? Klingt wie’n Zirkus-Clown!?

YUSUF

Aleppo ist eine der größten Städte in Syrien. Guckst du keine Nachrichten?

BELLA

Nee ... krieg ich schlechte Laune von ... Maann! Haben die Pfosten hier noch nicht mal Wlan?

LYDIA PREHN betritt den Raum. Lydia ist 39, trägt wallende Gewänder, Birkenstocks und hat eine hochgesteckte Rasta-Frisur. Sie ist Ökemöke durch und durch und hat selbstverständlich kein Handy.

LYDIA

Hallo! Bin die Lydia!

BELLA

Hi. Wissen Sie, ob es hier vielleicht’n verstecktes Wlan gibt?

LYDIA

Nee. Kein Wlan und kein Netz. Die wollen nicht, dass wir telefonieren. Oder surfen. Gehört wohl zum Konzept.

BELLA

Was? Spinnen die? Ich hab’n Youtube-Channel. Ich poste jeden Tag um elf.

YUSUF

Und ich muss meine Mutter anrufen.

Er bemerkt den Blick von Lydia.

YUSUF

Die liegt in’ Krankenhaus....

LYDIA

Oh, gute Besserung. Hoffentlich nichts Schlimmes?

YUSUF

Nee, alles gut. Is nur schwanger.

Bella schaut irritiert.

LYDIA

Oh, toll! Glückwunsch!

Bella und Yusuf suchen weiter Empfang.

LYDIA

Tja, muss man halt mal ein paar Stunden ohne Handy klarkommen. Geht ja auch.

Bella und Yusuf starren sie entsetzt an.

BELLA

Und wenn ich darauf keinen Bock habe? Ich will wenigstens selbst entscheiden, wann ich kein Netz habe! Horror, echt! Voll die Nazis hier...

ROLF BRUNNER, 49, Zweireiher, offenes Hemd, klassischer Dicke-Hose-Manager, kommt rein. Er hat sein Handy am Ohr.

BRUNNER

... ja, Norbert, dann schick die Muster doch erstmal mir, damit ich ... Norbert? Norbert, hörst du mich noch?

Er will das Handy schon weg legen, als er Bella sieht, die ihn stirnrunzelnd anschaut. Rolf nimmt das Handy wieder ans Ohr.

BRUNNER

Norbert? Jau, jetzt hör ich dich wieder... genau ...du, dann sag den Netflix-Heinis, wenn sie die Serie unbedingt haben wollen, dann müssen sie sich eben an unsere Dealterms halten. Sonst verkaufen wir das Ding an Apple. Oder Amazon. Ihre Entscheidung. ... ja, ja …

Die Tür geht ein weiteres Mal auf und ein unscheinbarer Mann mittleren Alters kommt rein: Dr. KLAUS WAGNER, 47, Therapeut, schlank, Bart, Brille, schon leicht schütteres Haar - er erinnert entfernt an Sigmund Freud. Wagner stellt seine Tasche ab und grinst in die Runde.

DR. WAGNER

Guten Tag.

Die anderen nicken ihm zu, während Brunner weiter quasselt.

BRUNNER

... Norbert, sag denen, wir brauchen da absolute inhaltliche Freiheit ... das ist mir fast wichtiger, als noch 100 000 Euro mehr Marge zu machen ... natürlich nur fast! Hehehe...

DR. WAGNER

Entschuldigung …

Brunner macht in Richtung des Therapeuten eine Geste, dass dieser sich kurz gedulden soll.

BRUNNER

Sekunde ...

DR. WAGNER

Ich wollte nur sagen...

BRUNNER(ins Handy)

Norbert, warte mal kurz...

(zum Therapeuten) Ganz kleinen Augenblick ... ich muss noch kurz mein Telefonat hier ...

DR. WAGNER

Ich wollte Ihnen nur sagen: wir haben hier kein Handynetz!

BELLA

Also: gar keins!

Bevor Brunner etwas sagen kann:

YUSUF

Und auch kein Wlan!

LYDIA

Gehört zum Konzept!

Brunner fühlt sich ertappt.

BRUNNER

Jaja, ich weiß.

(ins Handy) Norbert - ich ruf später zurück!

Er legt auf. Alle schauen ihn an. Dr. Wagner lächelt sanft.

BRUNNER

Ich hab nur schon mal ne Sprachnachricht für’n Kollegen aufgenommen. Schicke ich ihm dann später...

DR. WAGNER

Natürlich. Das ist eine einleuchtende Erklärung. Bitte setzen Sie sich doch alle.

Jeder setzt sich auf einen Stuhl. Wobei Bella darauf achtet, dass sie nicht direkt neben Yusuf sitzt.

DR. WAGNER

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich zunächst kurz bei Ihnen vorzustellen. Mein Name ist Dr. Klaus Wagner, ich bin Ihr Therapeut. Sie müssen Isabel Schmidt sein.

Er hält ihr freundlich die Hand hin. Bella nimmt sie nicht.

BELLA

Eigentlich nennen mich alle nur “Bella”!

DR. WAGNER

Ja, ich weiß. Dann sind Sie Lydia Prehn.

LYDIA

Hallo!

DR. WAGNER

Dann haben wir noch Yusuf Mohammed Aboud …

BRUNNER(zynisch)

Willkommen in Deutschland...

Seitenblick von Yusuf, Dr. Wagner lächelt Rolf an.

DR. WAGNER

Und Sie müssten dann Rolf Brunner sein.

BRUNNER

Ums direkt ganz klar zu sagen: Ich halte das hier für reine Schikane.

DR. WAGNER

Eine interessante Sichtweise. Lassen Sie uns gleich gerne darüber sprechen. Zunächst würde ich Sie alle aber bitten, mir ihre Smartphones auszuhändigen.

Aufgeregtes Gemurmel.

LYDIA

Für mich okay - ich hab gar keins.

BELLA(fast angeekelt)

Was???

DR. WAGNER

Ich weiß, Lydia. Ich habe eher Yusuf, Rolf und Bella gemeint. Wären Sie so nett? Ich verspreche Ihnen auch: Den Geräten wird nichts passieren!

BRUNNER

Wieso das denn?

BELLA

Ey, ich hab da kein’ Bock drauf? Ich geb’ mein Handy nie ab!

YUSUF

Ich auch nich ... und das ist nagelneu...

BRUNNER(mehr zu sich)

Hm, wahrscheinlich frisch geklaut...

Böser Seitenblick von Yusuf, der es gehört hat.

BRUNNER

Is wirklich schwierig für mich - ich muss immer erreichbar sein.

DR. WAGNER

Aber wir haben hier doch ohnehin keinen Empfang.

BRUNNER

Ja, ich weiß ... Aber trotzdem! Für alle Fälle! Notruf und so.

DR. WAGNER

Wissen Sie - ironischerweise spiegelt Ihre Reaktion einen der Gründe wieder, warum wir Sie bitten, sich vor unseren Gesprächsrunden von Ihren Geräten zu trennen. Wir haben nämlich bei den meisten Menschen eine gewisse Abhängigkeit von ihren Smartphones festgestellt. Und da unsere Gesprächsrunden dann am effektivsten sind, wenn sie mit möglichst wenig Ablenkung stattfinden, würde ich Sie bitten, über Ihren Schatten zu springen und mir vorübergehend Ihre elektronischen Lieblinge anzuvertrauen.

BELLA

Und wenn ich mich weigere?

DR. WAGNER