Krebszellen mögen keine Himbeeren – Das große Buch der Prävention - Richard Béliveau - E-Book

Krebszellen mögen keine Himbeeren – Das große Buch der Prävention E-Book

Richard Béliveau

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Die Mortalitätsrate von Krebs kann um 75% reduziert werden, wenn rechtzeitig und gezielt vorgesorgt wird – das ist das Ergebnis aus über 30 Jahren molekularbiologischer Forschung. In diesem Buch vereinen die Autoren den neuesten wissenschaftlichen Stand der Forschung und jahrzehntelange Erfahrung zu einem leicht zugänglichen und eminent anwendbaren Ratgeber. Sie bieten eine 360º-Prävention, die alle Aspekte unserer Lebensführung berücksichtigt. Jeder kann für sich überprüfen, welche seiner Lebensgewohnheiten gesundheits- oder eher krebsfördernd sind und sie mit Hilfe dieses Ratgebers verbessern oder ganz umstellen. Wer rechtzeitig gegensteuert, trägt aktiv dazu bei, das Risiko einer Erkrankung deutlich zu senken – auch bei genetischer Prädisposition oder einer vorherigen Krebserkrankung.

Das Fazit der Autoren: Es gibt keinen Grund, in Bezug auf Krebs fatalistisch zu sein. Wir alle haben es in der Hand, vorzusorgen – realistisch und konkret.

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Seitenzahl: 308

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Über das Buch

Alles, was Sie über Krebsvorsorge wissen müssen

Mit ihrem Bestseller »Krebszellen mögen keine Himbeeren« haben die Molekularmediziner Richard Béliveau und Denis Gingras tausenden Menschen den Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs erklärt. In ihrem neuen Buch dreht sich alles um das Thema Vorsorge. Denn neben der Ernährung sind weitere Aspekte entscheidend für unsere Gesundheit. Forschungsergebnisse beweisen: Es bestehen direkte Zusammenhänge zwischen ungesundem Lebensstil und der Entstehung von Krebs. Die Mehrzahl der Todesfälle durch Krebs könnte also vermieden werden, einfach dadurch, dass wir unser Verhalten ändern. Wie das geht und was dabei zu beachten ist, erläutern die Autoren wissenschaftlich fundiert, anschaulich und praktisch nachvollziehbar. Ihre 360°-Prävention zeigt: Wer rechtzeitig und nachhaltig auf seine Lebensweise achtet, sorgt aktiv dafür, dass er gesund bleibt – auch bei genetischer Prädisposition oder einer früheren Krebserkrankung.

Mit 10 Maßnahmen, die das Krebsrisiko nachweislich senken

Prof. Dr. med. Richard BéliveauDr. med. Denis Gingras

Krebszellen mögen keine Himbeeren

Das große Buch der Prävention

Aus dem Französischen von Hanna van Laak

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Prévenir le cancer. Comment réduire les risques«

Copyright © 2014 Les Éditions du Trécarré

Published under arrangement with Groupe Librex, Inc., doing business under the name Éditions du Trécarré, Montréal, Qc, Canada

Copyright für die deutsche Ausgabe © 2015 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München.

Covergestaltung: Weiss Werkstatt München – nach Vorlage der Originalausgabe

Covermotive: © shutterstock / Africa Studio, © shutterstock / StockLite, © shutterstock / Sashkin, © shutterstock / jopelka, © shutterstock / LuckyImages, © shutterstock / ievgen sosnytskyi, © shutterstock / Floydine, © shutterstock / Maridav, © shutterstock / THONGCHAIPITTAYANON, © shutterstock / Jacek Chabraszewski, © shutterstock / Lara Cold, © shutterstock / Dionisvera

Grafische Konzeption: Axel Pérez de Léon

Illustrationen: Michel Rouleau

Autorenfotos: Julien Faugère

Innenlayout der deutschen Ausgabe: Nadine Wagner, München, nach Vorlage des Originallayouts von Louise Durocher

ISBN 978-3-641-15266-6V004

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter

www.koesel.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 Lieber vorbeugen als heilen

Kapitel 2 Tabak: Rauchschwaden, die den Krebs verbergen

Kapitel 3 Ein expandierendes Universum

Kapitel 4 Fleisch: Wenn der Krebs rot sieht

Kapitel 5 Obst und Gemüse machen dem Krebs schwer zu schaffen

Kapitel 6 Körperliche Aktivität: Bewegung in der Krebsprävention

Kapitel 7 Alkohol, Rotwein und Krebs

Kapitel 8 Kein Salz für die Krebszellen!

Kapitel 9 Die verborgene Seite der Sonne

Kapitel 10 Zusätzliche Schutzmaßnahmen

Kapitel 11 Das Wunder der Nahrungsergänzungsmittel

Kapitel 12 Krebs überleben

Schluss

Bibliographie

Die Autoren

© Getty Images /Tim MacPherson / Riser

Vorwort

Krebs ist mittlerweile die häufigste Todesursache in den meisten Industrieländern und gehört heute zu den größten Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert werden können. Krebs bedroht nicht nur unser eigenes Leben, er rafft auch die Menschen dahin, die uns lieb und teuer sind. Er raubt uns kostbare gemeinsame Stunden mit Verwandten, Freunden oder Kollegen, die einen wichtigen Platz in unserem Leben einnahmen und über deren vorzeitigen Verlust uns auch unsere glücklichen Erinnerungen nie ganz hinwegtrösten können. Krebs ist wirklich der »Sensenmann« des 21. Jahrhunderts, eine rätselhafte und furchtbare Krankheit, deren zerstörerisches Potenzial unsere Kräfte untergräbt und uns nur allzu oft hilflos vor der Tatsache resignieren lässt, dass sie der brutale, aber praktisch unvermeidliche Abschluss des Lebens ist.

Dieses Gefühl der Ohnmacht hat jedoch keine Berechtigung: Eine der mit Sicherheit wichtigsten Entdeckungen der medizinischen Forschung in den letzten Jahren beweist, dass die große Mehrheit der Krebserkrankungen nicht das böse Werk des Zufalls oder eine unvermeidliche Folge des Alterns ist. Sie ist vielmehr das Resultat unserer Lebensgewohnheiten, die einen ungeheuren Einfluss auf das Risiko haben, von dieser Krankheit betroffen zu werden. Eine Fülle von grundlegenden Populationsstudien in den letzten zehn Jahren hat zweifelsfrei belegt, dass zwischen der großen Anzahl der Neuerkrankungen an vielen, in den Industrieländern weit verbreiteten Krebsarten und der modernen westlichen Lebensweise ein sehr enger Zusammenhang besteht. Entstehung und Progression (Wachstum) von Krebszellen sind eine direkte Konsequenz von Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung. Die Erkenntnis, dass Krebs in so hohem Maße von der Lebensweise abhängt, stellt einen entscheidenden Durchbruch im Kampf gegen diese Krankheit dar. Sie bedeutet nämlich nichts anderes, als dass beinahe drei Viertel der Krebserkrankungen einfach durch eine Veränderung der Lebensgewohnheiten verhindert werden könnten. Das wäre eine positive Wirkung, die angesichts der Komplexität einer bereits klinisch manifesten Krebserkrankung vermutlich durch keine Behandlung je zu erzielen sein dürfte.

Doch trotz ihres enormen Potenzials bleibt die Krebsprävention der große vernachlässigte Faktor bei den Anstrengungen im Kampf gegen diese Krankheit. Die Gesellschaft, in der wir leben, ist auf Konsum, Komfort und sofortige Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet. Deswegen ist sie in mehrfacher Hinsicht nicht mit einer präventiven Herangehensweise kompatibel, ja sie begünstigt sogar Lebensgewohnheiten, die dem Schutz der Gesundheit diametral entgegengesetzt sind. Prävention ist folglich in den meisten Fällen eine Privatangelegenheit und beruht auf der Entscheidung des Einzelnen, sich selbst über die Ursachen von Krebserkrankungen zu informieren und seine Gewohnheiten zu verändern, um das Risiko einer solchen Erkrankung zu reduzieren.

Ziel dieses Buches ist es, denen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen, die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dank der außergewöhnlichen Arbeit von Gesundheitsorganisationen wie dem World Cancer Research Fund (WCRF) oder der American Cancer Society ist es heute möglich, die gesamten verfügbaren Erkenntnisse über die Krebsprävention in Form von zehn großen Empfehlungen hinsichtlich Rauchen, Gewicht, körperlicher Bewegung, Ernährung und Sonnenexposition zusammenzufassen. Diese Empfehlungen sind das Ergebnis jahrzehntelanger Krebsforschung und stellen heute unsere wirkungsvollste verfügbare Waffe dar, die Belastung durch Krebs in unserer Gesellschaft radikal zu verringern. Sie geben Überlebenden der Krankheit außerdem zum ersten Mal ein konkretes Instrument an die Hand, mit dessen Hilfe sie gegen Rezidive vorbeugen und damit ihre Lebenserwartung erhöhen können.

Krebs ist ein furchterregender Feind, und nur wenn wir die Gesamtheit der verfügbaren Mittel, präventive wie kurative, zum Einsatz bringen, können wir wirklich Fortschritte im Kampf gegen diese Krankheit machen und das Leiden und die Verzweiflung lindern, die ihre Wegbegleiter sind.

© Getty Images / Ineke Kamps / Moment

© Getty Images / Rubberball

Kapitel 1

Lieber vorbeugen als heilen

Man darf nur in sich selbst Hoffnung setzen.

Vergil

In den Tragödien der griechischen Antike stürzt auf die Figuren eine Serie von schrecklichen Ereignissen ein, denen sie ohnmächtig ausgeliefert sind. Als wäre ihre Lebensgeschichte vorherbestimmt und als wäre es ihnen unmöglich, dem Schicksal zu entgehen, das sie niederschmettert.

Mehr als zweieinhalb Jahrtausende später prägt diese Vorstellung von einem unentrinnbaren Schicksal noch immer unser Verständnis von Krankheit. Herzerkrankungen, Diabetes oder Krebs, auf deren alleiniges Konto bereits zwei Drittel der Todesfälle in den Industrieländern gehen, werden sehr häufig als Schicksalsschlag oder als Folge von Einflüssen wahrgenommen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Diese fatalistische Sicht auf die Krankheit wird sogar noch durch die jüngsten Entwicklungen in der Genforschung verstärkt. Fast jeden Tag werden neue Gene entdeckt, die eine Veranlagung für bestimmte Krankheiten bedeuten. Das kann zu der Annahme verleiten, dass wir von Geburt an für bestimmte Gesundheitsprobleme »vorprogrammiert« sind, die dann im Erwachsenenalter manifest werden. Gesund sein wird dann zu einer Glücksfrage, und dieses Glück ist den Gewinnern der »genetischen Lotterie« vorbehalten, während ein Kranker ein für alle Mal ein schlechtes Los gezogen hat.

Es ist jedoch nicht nur demoralisierend, sondern auch unzutreffend, den Verlauf des Lebens auf einen schlichten Zufall oder eine genetische Veranlagung zurückzuführen. Mit sehr wenigen Ausnahmen – Krebserkrankungen im Kindesalter oder bestimmte schwere Erbkrankheiten beispielsweise – ist kein Aspekt des menschlichen Lebens vollständig angeboren, egal ob es sich um unsere Veranlagungen, unseren Geschmack oder unsere Fähigkeiten handelt. Die immensen Fortschritte der Forschung in den letzten Jahren zeigen zweifelsfrei, dass man mit einem Gen zur Welt kommen kann, das eine Veranlagung zur Fettsucht oder eine Anfälligkeit für eine Krebsart trägt, dass dieses Gen jedoch nur einer von mehreren Faktoren ist, die für das Auftreten dieser Krankheiten verantwortlich sind. Es handelt sich also um eine durchaus reale Veranlagung, die jedoch von einer Vielzahl von äußeren Faktoren stark beeinflusst wird. Ein frappierendes Beispiel hierfür ist das Onkogen (Krebsgen) BCR-ABL, das als Hauptursache für die Chronische Myeloische Leukämie gilt. Dieser Leukämietyp ist zwar eine seltene Krankheit, die nur einen winzigen Teil der Bevölkerung trifft, das Gen dafür lässt sich jedoch bei einem Drittel der gesunden Erwachsenen nachweisen, ohne dass die große Mehrheit von ihnen jemals von der Krankheit befallen wird. Der Verlauf des Lebens ist also nicht von vornherein festgeschrieben, das gilt für die großartigsten Aspekte ebenso wie für die traurigsten Momente. Mehr als alles andere sind unsere Lebensentscheidungen für das Risiko verantwortlich, an einem schweren chronischen Leiden zu erkranken, indem sie nämlich die Interaktion unserer Gene mit der Umwelt beeinflussen.

Die Schauspielerin und Sonderbotschafterin des UNHCR Angelina Jolie, Trägerin einer Mutation der BRCA1-Gens. © Getty Images / Leon Neal / AFP

Krebs, der Staatsfeind Nummer 1

Krebs ist vielleicht das beste Beispiel für eine Krankheit, deren Ursache oft Faktoren jenseits unserer Kontrolle zugeschrieben wird, die jedoch in der Mehrzahl der Fälle eine Folge unserer Lebensgewohnheiten ist. Unsere Einstellung zu Krebs ist gewöhnlich fatalistisch. Zum großen Teil erklärt sich diese Reaktion aus der schweren Belastung, die diese Krankheit für uns bedeutet. In Kanada, aber auch in vielen anderen Industrieländern, hat Krebs die Herzerkrankungen als Haupttodesursache abgelöst. Mittlerweile geht etwa ein Drittel der jährlichen Todesfälle auf sein Konto; in erster Linie sind dafür die verheerenden Folgen von Lungenkrebs durch Rauchen verantwortlich, gefolgt von Krebserkrankungen des Dickdarms, der Brust, der Prostata und der weißen Blutkörperchen (Lymphome) (Abbildung 1).

Abbildung 1 © Getty Images / David Mack / Science Photo Library

Die hohe Sterblichkeitsrate von Krebs resultiert aus der Schwierigkeit, diese Krankheit noch effektiv zu behandeln, wenn sie in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird. Denn wenn ein Tumor erst einmal dieses Stadium erreicht hat, besteht er aus vollkommen entarteten Zellen, die ihren Stoffwechsel von Grund auf verändert haben, um ihr grenzenloses Wachstum voranzutreiben. In ihren Chromosomen herrscht totale Anarchie, sowohl in Hinblick auf ihre Anzahl wie auch auf ihre funktionelle Unversehrtheit (Abbildung 2). Diese Zellen weisen zudem gravierende genetische Veränderungen auf, mit Dutzenden, manchmal sogar mehr als hundert einzelnen modifizierten Genen, weswegen sie sehr schwer zu zerstören sind. Durch die jüngsten Fortschritte in der Krebsbehandlung konnte zwar die Sterberate leicht gesenkt werden, doch die Bekämpfung von Zellen, die einen solchen Grad an Degeneration erreicht haben, bleibt eine extrem schwierige Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Auch wenn man weiterhin in die Forschung investieren muss, um neue therapeutische Wirkstoffe zu identifizieren, so sollte man dennoch realistisch bleiben und anerkennen, dass der kurative Ansatz bei Krebs seine Grenzen hat und als alleiniges Mittel die Sterblichkeitsrate vermutlich nie signifikant wird senken können. Wie sich schon bei den Herz- und Infektionskrankheiten gezeigt hat, können wir nur durch Prävention echte Fortschritte im Kampf gegen den Krebs erreichen.

Abbildung 2 © Michel Rouleau

© Getty Images / Tim Flach / Stone

Blinde Passagiere

Eine vorbeugende Herangehensweise an Krebs ist auch deshalb so wichtig, weil der Mensch zu den Lebewesen mit dem höchsten Erkrankungsrisiko dafür gehört. Während beispielsweise nur etwa zwei Prozent der Menschenaffen von Krebs betroffen sind, leidet ein Drittel der Weltbevölkerung darunter, und dieser Anteil ist in bestimmten Industrieländern wie Kanada noch höher. Dort sind 46 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen davon betroffen. Diese angeborene Prädisposition für Krebs erklärt sich zum Teil durch die schwindelerregende Anzahl von Zellteilungen, die nötig sind, um aus einem einzigen befruchteten Ei einen aus 100 000 Milliarden (1014) Zellen bestehenden menschlichen Körper zu bilden. Bei jeder dieser Teilungen müssen die Zellen die drei Milliarden Buchstaben in ihrer DNA vollständig und unversehrt kopieren – eine Herkulesaufgabe, die unweigerlich zu Fehlern führt, zu Mutationen, die sich spontan in bestimmte Gene einnisten, die für das allgemeine Gleichgewicht dieser Zellen von zentraler Bedeutung sind. Der menschliche Körper produziert jeden Tag eine Million mutierter Zellen, die potenziell kanzerös werden können. Eine große Anzahl dieser Mutationen ereignet sich also bereits in den ersten Jahren unseres Lebens, von der Zeugung bis zur Reife, auch wenn der Krebs im Allgemeinen erst im Erwachsenenalter manifest wird (Abbildung 3). Auch eineiige Zwillinge akkumulieren schon in der Phase des embryonalen Wachstums Mutationen und sind deshalb als Erwachsene in vielerlei Hinsicht genetisch verschieden.

Abbildung 3 Quelle: DeGregori, 2013

Diese Mutationen bewirken, dass alle Menschen, auch die gesunden, eine Vielzahl von anormalen Zellen besitzen, die sich manchmal sogar bereits zu Mikrotumoren entwickeln konnten (Abbildung 4). Beispielsweise weisen fünfzig Prozent der Frauen um die Vierzig präkanzeröse Veränderungen der Brust auf, die bei 39 Prozent von ihnen sogar das Stadium eines Karzinoms erreichen; das ist ein weitaus höherer Anteil als der Prozentsatz der Neuerkrankungen an dieser Krebsart in der Bevölkerung (15 %). Das gleiche Bild zeigt sich beim Bauchspeicheldrüsenkrebs: Bei 74 Prozent der Untersuchten kann man Krebsvorläuferzellen im Gewebe feststellen, während nur 1,4 Prozent der Bevölkerung an diesem gefürchteten Krebs erkranken. Die deutlich erhöhte Häufigkeit nicht feststellbarer Mikroläsionen, die um ein Vielfaches über der Krebsinzidenz in der Bevölkerung liegt, lässt also darauf schließen, dass wir alle Tumoren in uns tragen. In der Mehrheit der Fälle bleiben diese jedoch unsichtbar und verborgen wie blinde Passagiere, die uns unser ganzes Leben lang begleiten können, ohne in Erscheinung zu treten. Mit anderen Worten, wir sind biologisch für Krebs prädisponiert, aber was noch wichtiger ist: Wir sind auch dazu prädisponiert, das Ausbrechen dieser Krebserkrankungen zu verhindern.

Abbildung 4 © Getty Images / Baris Simsek / E+

© Getty Images / Peter Dazeley / Photographer’s Choice

Schlechter Samen, fruchtbarer Boden

Was ist der Grund dafür, dass viele präkanzeröse Läsionen (Krebsvorstufen), die spontan entstehen, bei einer Person latent (verborgen) bleiben, während sie sich bei einer anderen zu Krebs entwickeln? Häufig gelten Faktoren außerhalb unseres Einflusses, wie das Altern oder die genetische Disposition, als entscheidende Modulatoren für das Risiko einer Krebserkrankung, aber in Wahrheit ist ihr Einfluss weitaus geringer, als man denkt (siehe Kasten).

Nicht nur eine Frage des Pechs

Die hohe Anzahl von Neuerkrankungen an Krebs (Inzidenz) wird oft als eine Art »Preis« wahrgenommen, den man für die Steigerung der Lebenserwartung bezahlen muss, die im Laufe des vergangenen Jahrhunderts erreicht wurde. Das Altern ist indes bestimmt nicht der einzige Faktor, der dabei eine Rolle spielt, denn die Häufigkeit bestimmter Krebsarten ist über alle Altersgruppen hinweg gestiegen. Die Inzidenz von Speiseröhrenkrebs beispielsweise hat sich innerhalb von vierzig Jahren über alle Altersgruppen hinweg mehr als versechsfacht, Speiseröhrenkrebs ist damit heute zu einer der Krebsarten mit der rasantesten Progression geworden (Abbildung 5). Auch erbliche Faktoren spielen eine weitaus geringere Rolle, als man gemeinhin annimmt. Das belegt auch das Krebsrisiko sehr früh adoptierter Kinder, bei denen ein leiblicher oder ein Adoptiv-Elternteil vor dem Alter von fünfzig Jahren an Krebs gestorben ist: Der Tod eines Adoptiv-Elternteils ist mit einer sehr hohen Steigerung des Krebsrisikos bei diesen Kindern verbunden (500 %), ein weitaus größerer Prozentsatz, als wenn ein biologischer Elternteil von der Krankheit betroffen war (20 %; Abbildung 6). Da diese Kinder ihre Gene von den biologischen Eltern geerbt haben, ihre Lebensgewohnheiten aber denen ihrer Adoptiveltern entsprechen, spricht alles dafür, dass die Lebensweise für die Entstehung von Krebs hauptverantwortlich ist.

Abbildung 5Quelle: Brown, 2008

Abbildung 6Quelle: Sørensen, 1988 © Shutterstock / oliveromg

Viele Beobachtungen sprechen dafür, dass es vor allem die radikalen Veränderungen des Lebensstils im Zuge der Industrialisierung sind, die Krebsvorläuferzellen optimale Bedingungen für die Entwicklung zu Krebs im Vollstadium liefern. Während beispielsweise unser Stoffwechsel an eine vorrangig pflanzliche Ernährung angepasst ist, die kalorienarm, aber reich an Ballaststoffen, Antioxidantien und Entzündungshemmern ist, stehen unsere aktuellen Essgewohnheiten dem diametral entgegen. Sie basieren nämlich vielmehr auf Nahrungsmitteln mit übermäßig hohem Gehalt an Zucker und Fett (und folglich an Kalorien), denen gleichzeitig die schützenden pflanzlichen Wirkstoffe fehlen. Infolgedessen sind derzeit zwei Drittel der Bewohner der Industrieländer übergewichtig, und diese Verfettung wird durch einen noch nie dagewesenen Bewegungsmangel zusätzlich verschärft. Er ist das Produkt eines technischen Fortschritts, der den Energieverbrauch der Mehrheit der Menschen radikal verringert hat. Diese Lebensweise begünstigt den Ausbruch von Krebs. Schlechte Ernährung, Übergewicht und eklatanter Bewegungsmangel sind allesamt Faktoren, die den präkanzerösen Zellen einen unerwarteten »Schub« geben können, indem sie ein chronisches Entzündungsklima schaffen, das das normale Gleichgewicht des Organismus destabilisiert und die Weiterentwicklung dieser Zellen zum Krebs begünstigt.

In der Medizingeschichte galten sichtbare Symptome, wie Wärmeempfindung, Schmerz, Röte oder Schwellung infolge einer Verletzung, als Kennzeichen einer Entzündung (das berühmte Quartett calor, dolor, rubor und tumor der römischen Ärzte). Die chronische Entzündung ist allerdings heimtückischer, denn sie entwickelt sich ohne äußerlich sichtbare Zeichen und kann das Gleichgewicht des Körpers empfindlich stören. So führt beispielsweise die durch Adipositas (krankhaftes Übergewicht) und Bewegungsmangel verursachte chronische Entzündung zur vermehrten Produktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen, die die DNA schädigen und ihre Struktur destabilisieren. Diese Derivate können ebenso wie die Botenstoffe, die von Entzündungszellen in der Umgebung von Tumorzellen ausgeschieden werden, auch die Funktion bestimmter Tumorsuppressoren (Gen p53) behindern und den empfindlichen Mechanismus stören, der bei der Zellteilung für die Reparatur der DNA zuständig ist. Parallel dazu senden die Entzündungszellen Signale aus, die die Bildung neuer Blutgefäße in der Umgebung der Tumoren anregen; dadurch werden sie mit dem für ihr Wachstum notwendigen Sauerstoff und den nötigen Nährstoffen versorgt (Abbildung 7). Mit anderen Worten: Die chronische Entzündung, egal ob sie auf schlechte Ernährung, ein Übermaß an Fett oder Bewegungsmangel zurückzuführen ist, verändert die Umgebung, in der sich die Krebsvorläuferzellen befinden, grundlegend und begünstigt dadurch das Auftreten von Zellen, die bereits Mutationen durchlaufen haben oder die epigenetische Modifikationen enthalten, welche für die Weiterentwicklung zum Krebs von zentraler Bedeutung sind.

Man kann Krebs also mit einem schädlichen Samen vergleichen, der in jedem von uns schlummert, sein volles Potenzial jedoch nur dann entfalten kann, wenn er auf fruchtbaren Boden fällt, in dem er alle für sein Wachstum notwendigen Elemente vorfindet. Und darin liegt das größte Paradox unserer heutigen Einstellung gegenüber Krebs: Obwohl wir diese Krankheit fürchten und alles tun müssten, um die präkanzerösen Schädigungen zu stoppen, bevor sie ein unbeherrschbares Ausmaß annehmen, machen wir es ihnen durch unsere Lebensweise noch leichter, indem wir ihnen den idealen Nährboden bieten, den sie für die Entfaltung ihres vollen destruktiven Potenzials benötigen.

Abbildung 7 © Michel Rouleau

© Getty Images / Benoit Paillé / Moment Select

Krebs à la carte

Nichts verdeutlicht den schädlichen Einfluss der westlichen Lebensweise besser als der spektakuläre Anstieg bestimmter Krebsarten bei Menschen, die in den Westen auswandern. Frauen in China, Japan, Korea oder auf den Philippinen beispielsweise haben die niedrigsten Brustkrebsraten auf der Welt, aber dieser Krebs kann bis zu viermal häufiger bei ihnen auftreten, wenn sie nach Amerika umgesiedelt sind (Abbildung 8). Diese Zunahme ist eine direkte Folge des nordamerikanischen Lebensstils, der durch eine kalorienreiche, pflanzenarme Ernährung, massiven Bewegungsmangel und eine markante Zunahme des Körpergewichts gekennzeichnet ist. Diese Lebensweise hat eine so ausgeprägte Wirkung, dass die Häufigkeit von Brustkrebs bei diesen Einwanderinnen sich an die von Amerikanerinnen der dritten Generation angleicht.

Ein Brusttumor © Getty Images / Camazine Scott / Photo Researchers

Doch auch bei asiatischen Frauen, die nicht auswandern, ist das Brustkrebsrisiko im Laufe der letzten Jahre deutlich angestiegen, eine Folge des wachsenden Einflusses des nordamerikanischen Lebensstils auf die gesamte Weltbevölkerung. In Südkorea beispielsweise hat sich die Inzidenz (Inzidenz bezeichnet die Anzahl der Neuerkrankungen, in der Regel pro 100 000 in einem Jahr angegeben; Anm. d. Übers.) von invasivem Brustkrebs innerhalb von nur zehn Jahren mehr als verdoppelt. Mammakarzinome in situ, eine Anfangsform von Krebs, die in den Wänden der Milchgänge beginnt, die die Milch zu den Brustwarzen leiten, haben sich in der gleichen Zeit versechsfacht (Abbildung 9). Die überraschende Geschwindigkeit, mit der einfache Veränderungen in der Lebensweise die Krebshäufigkeit erhöhen können, lässt also darauf schließen, dass unsere Lebensgewohnheiten – krebserregende Faktoren (Rauchen, Alkohol, UV-Strahlen, zu hohes Körpergewicht, Bewegungsmangel oder schlechte Ernährung) – die Funktion anormaler Gene in den Mikrotumoren beeinflussen und diese latenten Tumoren »aufwecken« können, um ihre Entwicklung zu einem Krebs zu beschleunigen.

Abbildung 8 Quelle: Shin, 2010

© Shutterstock / leolintang

Diese Wechselwirkung zwischen Genen und Lebensgewohnheiten kann man auch bei Menschen beobachten, deren defekte Gene eine Krebsveranlagung mit sich bringen. Frauen mit einer angeborenen Mutation des Gens BRCA1 z. B. haben ein hohes Risiko für Brustkrebs, dieses Risiko ist jedoch heute dreimal so hoch wie zu Beginn des Jahrhunderts. Dieses erhöhte Risiko ist eine Folge des Kalorienüberschusses in der modernen Ernährung und der drastischen Zunahme des Körpergewichts, die eine wachsende Zahl von Menschen betrifft. Da man das gleiche Phänomen auch bei Trägerinnen einer anderen Mutation beobachtet hat, die das Risiko für Brustkrebs erhöht (BRCA2), kann man daraus schließen, dass die moderne Lebensweise selbst dann der einflussreichste Faktor für das Erkrankungsrisiko ist, wenn eine genetische Prädisposition für die Entwicklung einer Krebserkrankung vorliegt.

Warum erkrankt der Nacktmull nie an Krebs?

Der Nacktmull (Heterocephalus glaber) ist ein sehr eigenartiges afrikanisches Nagetier, nicht nur aufgrund seiner irritierenden Erscheinung, sondern auch aufgrund seiner Lebensweise, die der sozialer Insekten, wie Ameisen oder Bienen, gleicht (Eusozialität, Staatenbildung). Das Faszinierendste an diesem Tier ist jedoch seine Fähigkeit, bei bester Gesundheit sehr alt zu werden: Während Nager seiner Größe für gewöhnlich vier oder fünf Jahre leben, kann der Nacktmull bis zu dreißig Jahre alt werden, was bei einem Menschen in etwa sechshundert Jahren entsprechen würde! Diese außergewöhnliche Langlebigkeit ist auf die angeborene Widerstandskraft des Tieres gegen die wichtigsten Krankheiten zurückzuführen, die das Altern normalerweise begleiten, darunter Krebs.

Der Grund für dieses vollständige Fehlen von Krebs ist wohl in der enormen Elastizität der Haut des Nacktmulls zu suchen. Es handelt sich dabei um eine physiologische Anpassungsleistung, dank derer er sich schnell durch die von ihm angelegten unterirdischen Gänge schlängeln kann, um an die Wurzeln und Knollen zu gelangen, von denen er sich ernährt. Die Fibroblasten, die Zellen des Bindegewebes, das die Zellen umgibt, produzieren nämlich eine spezielle Form von Hyaluronsäure, eine gallertige Substanz, die die Zellen »zusammenklebt«. Dadurch entsteht eine Art »Gelee«, das der Haut eine große Flexibilität verleiht. Da das Bindegewebe, das die Zellen umhüllt, die erste Barriere bildet, die Krebszellen überwinden müssen, um sich in einem bestimmten Gewebe auszubreiten, entsteht durch die Hyaluronsäure ein für das Wachstum von Tumoren ungünstiges Milieu. Selbst wenn man dem Tier hochaggressive Krebszellen injiziert, können sie sich nicht festsetzen und werden sofort eliminiert. Der Nacktmull ist also ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark die natürlichen Abwehrmechanismen im Innern eines Organismus das Risiko einer Krebserkrankung beeinflussen können.

© Getty Images / Frans Lanting / Mint Images

Abbildung 9 Quelle: Jung, 2011 © Getty Images / sozaijiten / Datacraft

Den Krebs zähmen

Folglich müssen wir unsere aktuelle Einstellung zu Krebs grundlegend hinterfragen: Ein Krebs im fortgeschrittenen Stadium, der klinisch diagnostizierbar ist, ist in Wahrheit eine Anomalie, eine Erscheinungsform, die nur wenig mit dem gemeinsam hat, was ein Krebs in der überwiegenden Zeit seines »Lebens« im Innern des Körpers ist. Auf der Ebene eines menschlichen Lebens ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine Krebszelle durch bloßen Zufall alle notwendigen mutierten Gene erwirbt, die für die Weiterentwicklung zu Krebs erforderlich sind. Um ein reifes Stadium zu erreichen, ist ein Krebs auf die Mitwirkung seiner Umgebung angewiesen, nämlich auf eine Veränderung des krebsfeindlichen Klimas, das dort herrscht und das ihn eigentlich daran hindert, die für seine Progression notwendigen Eigenschaften zu erwerben. Dieses krebsfeindliche Klima wirkt bei manchen Tieren so stark, dass es die Entwicklung von Krebs vollständig unterbinden kann (siehe Beispiel Nacktmull)!

Beim Menschen ist das offenkundig nicht der Fall; nichtsdestoweniger sind unsere Abwehrmechanismen effektiv genug, um die Progression der Krebsvorläuferzellen zu verlangsamen und Krebs zu einem extrem langsamen Prozess zu machen. Im Verlauf dieses Prozesses muss eine anormale Zelle eine Vielzahl von Hindernissen überwinden, bis sie ein so fortgeschrittenes Stadium erreicht, dass das Organ, in dem sie über viele Jahre hindurch angesiedelt war, befallen wird (Abbildung 10).

Abbildung 10 Quelle: Almog, 2013 ©Michel Rouleau

In Hinblick auf die Prävention ist es folglich von zentraler Bedeutung, diese sehr lange Latenzperiode zu nutzen, um die Krankheit zu »zähmen«, mit ihr zu leben und Vorkehrungen zu treffen, damit die präkanzerösen Mikroschäden, die aus einigen tausend Zellen bestehen, nie die zahlreichen notwendigen Mutationen bis hin zu einem reifen Krebs durchlaufen: Neun Mutationen sind es bei Brustkrebs, elf bei Darmkrebs und zwölf bei Prostatakrebs.

Die Ausreißer verfolgen

Zu den ermutigendsten Fortschritten in der Krebsforschung der letzten Jahre gehört der Einsatz immer effektiverer Instrumente, mit deren Hilfe Tumoren aufgespürt werden können, die den natürlichen Abwehrsystemen des Körpers entkommen sind. Die aktuellen Möglichkeiten der Krebsbehandlung sind weitaus wirksamer, wenn sie bei kleinen Tumoren angewandt werden. Die frühe Entdeckung dieser Tumoren hat folglich die Prognose bei manchen Krebsarten deutlich verbessert, das sieht man beispielsweise am signifikanten Rückgang der Sterblichkeit infolge von Darmkrebs in vielen westlichen Ländern, ein Erfolg, der auf Koloskopie-Vorsorgeprogramme zurückzuführen ist. Dagegen werden die Vorteile der Früherkennung bei Brust- und Prostatakrebs zunehmend in Zweifel gezogen, denn viele der diagnostizierten Krebserkrankungen sind in Wahrheit harmlose Tumoren, die sich zu Lebzeiten des Patienten nicht zu Krebs weiterentwickelt hätten. Die gravierende Verschlechterung der Lebensqualität dieser Patienten als Resultat der Behandlung ist problematisch, da die Tumoren nicht lebensbedrohlich gewesen wären, selbst wenn man sie nicht entdeckt hätte. Doch allen Risiken einer Überdiagnose und Übertherapie zum Trotz, die bei jeder Form von Screening in großem Maßstab unvermeidlich sind, gilt die möglichst frühe Entdeckung und Diagnose eines Tumors aktuell als das beste verfügbare Mittel der Krebsbehandlung. Und es ist wichtig, dass besonders Angehörige von Risikogruppen an den angebotenen Screening-Programmen teilnehmen. Man muss allerdings dennoch sehen, dass die Früherkennung eines Tumors die Krebsprävention nur ergänzen kann. Ein diagnostizierbarer Tumor besteht bereits aus vielen Millionen sehr instabiler Zellen, die eine ganze Reihe von Mutationen durchlaufen haben, die ihre Progression zu einem reifen Krebs erleichtern oder sie für eine Chemotherapie resistent machen können. Diese Tumoren können durch eine aggressive Behandlung vielleicht ausgemerzt werden, aber eine solche Intervention ist nicht automatisch von Erfolg gekrönt. Es ist bei Weitem empfehlenswerter, gegen Krebs vorzubeugen, indem man ihn an der Wurzel packt, bevor er ein solches Ausmaß erreicht, dass er mit den heutigen Methoden entdeckt werden kann.

© Getty Images / Adrianna Williams / Stone

Wer auf eine gesunde Lebensweise achtet, entzieht diesen Tumoren viele für ihr Wachstum unverzichtbare Elemente und sorgt dadurch dafür, dass die unreifen Karzinome in einem latenten Zustand verbleiben. Umgekehrt entsteht durch die wiederholte Belastung mit krebserregenden Substanzen (Tabak, Alkohol, UV-Strahlen) sowie durch die Verfestigung eines chronischen Entzündungszustands infolge schädlicher Lebensgewohnheiten ein Klima, das die Entwicklung dieser Mikrotumoren und die Bildung einer Krebsmasse mit mehreren Millionen Zellen begünstigt.

© Getty Images / Jeff J Mitchell News

Dieses Modell hat nichts mit abstrakten oder theoretischen Vorstellungen zu tun. Bei Japanern beispielsweise findet man zwar ähnlich häufig Mikrotumoren der Prostata wie bei westlichen Männern, doch die präkanzerösen Schädigungen entwickeln sich langsamer als im Westen. Dadurch liegen die klinische Manifestation und die Sterblichkeit durch Prostatakrebs in Japan bei nur einem Zehntel des amerikanischen Werts. Allerdings haben sich diese Unterschiede im Laufe der letzten Jahre erheblich abgeschwächt, weil die Japaner zunehmend die westliche Lebensweise übernommen haben. Krebsvorbeugung bedeutet daher nicht so sehr, dass man versucht, die Entstehung von Krebszellen im Körper zu verhindern. Vielmehr muss man versuchen, ihre Progression so ausreichend zu hemmen, dass sie im Verlauf der acht oder neun Jahrzehnte eines menschlichen Lebens nicht das Stadium eines reifen Krebs erreichen können. Denn auch wenn die präkanzerösen Schäden ungefährlich sind, so kann ihre Entwicklung schnell eine tragische Wende nehmen: Eine Krebsvorstufe, der es gelungen ist, die natürlichen Abwehrsysteme zu besiegen, enthält mehrere Millionen mutierte Zellen, deren hochgradig unberechenbares Verhalten eine gravierende Bedrohung für den Körper darstellt. Von diesem Zeitpunkt an ist die schnellstmögliche Diagnose dieser Tumoren mithilfe von Früherkennungsmaßnahmen entscheidend, damit wir die besten Chancen haben, sie mit unserem therapeutischen Arsenal zu eliminieren (siehe Kasten »Die Ausreißer verfolgen«).

Abbildung 11

© Getty Images / Dean Mitchell / E+

Vorbeugen gegen Krebs

Es gibt also keinerlei Grund zum Defätismus gegenüber dem Krebs. Ganz im Gegenteil, das Präventionspotenzial bei dieser Krankheit ist absolut bemerkenswert: Man schätzt, dass nur etwa 25 Prozent aller Krebserkrankungen die Folge von rein zufallsbedingten Mutationen sind (Abbildung 11) und dass die Krebssterblichkeit in den nächsten Jahrzehnten um mindestens 75 Prozent verringert werden könnte, wenn wir unsere Hauptanstrengungen auf die Prävention und Früherkennung der Krankheit konzentrieren würden.

Dieser präventive Ansatz ist umso realistischer, als sich dank der Forschungen der letzten Jahre klar abzeichnet, welches Vorgehen im Großen und Ganzen nötig ist, um das Risiko für mehrere Krebsarten signifikant zu senken. Dazu gehören insbesondere diejenigen, die die Industrieländer mit voller Wucht treffen (Lungen-, Brust-, Darm- und Prostatakrebs). Der erste Schritt besteht darin, die Belastung durch toxische Faktoren, wie Zigarettenrauch, Alkohol oder auch UV-Strahlen, zu minimieren. Diese Faktoren sind allesamt imstande, die DNA direkt anzugreifen und sie dabei mit einer Vielzahl von Fehlern zu versehen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Mutationen in mehreren Genen auftreten, die für die Kontrolle des Zellwachstums essenziell sind. Wenn die Organe, die diesen Krebsauslösern direkt ausgesetzt sind (die Lunge dem Zigarettenrauch, die Mundhöhle dem Alkohol und die Haut den UV-Strahlen) immer wieder damit in Kontakt kommen, dann begünstigt das die bösartige Progression der Zellen. Das zeigt sich am (um das Zehn- bis Vierzigfache) erhöhten Risiko für eine Krebserkrankung dieser Organe bei Menschen mit entsprechenden Lebensgewohnheiten.

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Unabhängig davon ist es jedoch so, dass die Mehrheit der Menschen nicht raucht, nur maßvoll Alkohol trinkt und sich nicht unnötig der Sonne aussetzt. Dennoch werden einige davon an Krebs erkranken, weil nämlich andere Lebensgewohnheiten die Zellumgebung beeinflussen, in der sich die Krebszellen befinden. In einer Fülle von Studien wurde zweifelsfrei nachgewiesen, dass drei zentrale Aspekte der derzeit in den Industrieländern vorherrschenden Lebensweise maßgeblich zur großen Häufigkeit der Krebserkrankungen in diesen Ländern beitragen: (1) die Ansammlung eines Fettüberschusses, besonders, wenn dieser eine bestimmte Schwelle überschreitet; (2) eine minderwertige Ernährung, die in erster Linie auf dem Konsum von hochkalorischen Produkten mit einem Mangel an Ballaststoffen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen beruht; und (3) der eklatante Bewegungsmangel der modernen Gesellschaften, ein Kollateralschaden der Automatisierung und des technischen Fortschritts im Allgemeinen.

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Abbildung 12 © alle ShutterstockA: Lasse Kristensen; B: Africa Studio, C: Volosina; D: NataliTerr; E: George Dolgikh; F: somchaij; G: Yalcin Sonat; H: Robert Kneschke; I: Vucicevic Milos; J: Lisa F. Young

Dank der vorbildlichen Arbeit vieler öffentlicher Gesundheitsorganisationen, insbesondere des World Cancer Research Fund und der American Cancer Society, ist es möglich, die Gesamtheit der aktuellen Erkenntnisse über die Prävention von Krebs in Form von zehn großen Empfehlungen zusammenzufassen (Abbildung 12).

Diese Empfehlungen sind das Ergebnis einer rigorosen Auswertung von Hunderttausenden von Untersuchungen durch die größten Experten auf dem Gebiet der Onkologie und stellen insofern eines der wichtigsten Ergebnisse der Krebsforschung der letzten Jahrzehnte dar. Das Hauptziel dieses Buches ist also, die wissenschaftlichen Entdeckungen zu erklären, die zu diesen Empfehlungen geführt haben. Zum einen, damit der Leser besser nachvollziehen kann, wie sehr jede seiner Lebensgewohnheiten das Krebsrisiko beeinflusst, zum anderen, damit er die Notwendigkeit begreift, bestimmte Aspekte seines Lebensstils zu verändern, um dieses Risiko zu verringern. Diese Herangehensweise ist umso wichtiger, als Prävention kein Bestandteil der westlichen Kultur ist, denn diese ist eher auf kurzfristige Vorteile als auf langfristigen Nutzen ausgerichtet. Hinzu kommt, dass sie meistens den finanziellen Interessen der multinationalen Unternehmen entgegensteht, die den Konsum ihrer Produkte fördern wollen, egal, ob es sich um Tabak, Softdrinks oder hypertransformierte (stark verarbeitete) Nahrungsmittel ohne lebenswichtige Nährstoffe handelt, ohne sich um die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung zu scheren (Abbildung 13).

Abbildung 13 Quelle: Fineberg, 2013 © Getty Images / Digital Vision

In den letzten Jahren wurde außerdem untersucht, inwiefern die Befolgung dieser Empfehlungen sich positiv auswirkt, und die Ergebnisse sind bemerkenswert. Eine kürzlich veröffentlichte Studie an Frauen nach der Menopause ergab beispielsweise, dass die Befolgung von mindestens fünf dieser Empfehlungen das Risiko für invasiven Brustkrebs um sechzig Prozent senkt (Abbildung 14). Ähnliche Ergebnisse wurden für Frauen, die von einem Brustkrebs geheilt wurden, und für Männer mit Prostatakrebs berichtet. Das verdeutlicht, in welchem Maße diese Empfehlungen die Krebssterblichkeit beeinflussen können.

Man muss diese Entdeckungen unbedingt nutzen, um die aktuelle Tendenz umzukehren und endlich Fortschritte im Kampf gegen Krebs zu erzielen. Und wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, ist dieser präventive Ansatz weit weniger kompliziert, als man glauben könnte.

Abbildung 14 Quelle: Hastert, 2013 © Getty Images / OJO Images

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Kapitel 2

Tabak: Rauchschwaden, die den Krebs verbergen

Es ist leicht, mit dem Rauchen aufzuhören, ich höre zwanzigmal am Tag auf.

Oscar Wilde (1854–1900)

Empfehlung

Hören Sie mit dem Rauchen auf.

Quelle: American Cancer Society

In den meisten Kulturen galt Rauchen lange Zeit als heilige Handlung, es symbolisierte den Geist, der sich zum Himmel erhebt, um mit den Göttern in Verbindung zu treten, die Toten zu ehren und die Lebenden zu schützen. Dieser rituelle Rauch war in der indianischen Tradition sehr bedeutsam, insbesondere wenn er durch die Verbrennung von Tabak erzeugt wurde, einer heiligen Pflanze, die als Ursprung der Schöpfung des Universums galt. Tabak ist auf dem amerikanischen Kontinent heimisch, wo auch heute noch etwa sechzig Arten wild wachsen. Er wird seit Jahrtausenden von vielen indianischen Stämmen als grundlegender Bestandteil vieler religiöser und gesellschaftlicher oder gar schamanischer Zeremonien verwendet, um mit den Geistern in Verbindung zu treten. Tabak nahm im Leben der amerikanischen Ureinwohner eine so zentrale Stellung ein, dass die Taíno Christoph Kolumbus, als er 1492 auf den Bahamas und auf Kuba landete, als erstes getrocknete Tabakblätter als Geschenk überreichten und ihn einluden, mit ihnen tobagos zu rauchen. Das waren Rollen aus Tabakblättern, mit denen sie den Rauch durch den Mund oder die Nase einatmeten. Dieser erste Kontakt sollte unberechenbare Folgen für den Fortgang der Geschichte haben, denn viele Gefährten von Kolumbus nahmen diese Gewohnheiten begeistert an und führten nach ihrer Rückkehr das Rauchen auf dem europäischen Kontinent ein.

Während das Ritual des Rauchens für die Indianer religiöse und symbolische Bedeutung hatte, ließen die Europäer dieses spirituelle Beiwerk alsbald zugunsten »handfesterer« Überlegungen beiseite. Für manche, wie etwa den französischen Diplomaten Jean Nicot, war Tabak eine Heilpflanze, und es gelang ihm sogar, Katharina von Medici davon zu überzeugen, ihn zur Behandlung der Migräne ihres Sohnes Franz II. zu verwenden. Der Tabakkonsum verbreitete sich beim Adel sehr schnell, in erster Linie in Form eines Pulvers, das man schnupfte. Dieser Beliebtheit verdankte Nicot das Privileg, dass die Pflanze zu seinen Ehren Nicotiana tabacum benannt wurde. Aber es war vor allem der mit dem Rauchen oder Schnupfen verbundene »Unterhaltungswert«, der für die Anhänger des Rauchens die Hauptmotivation war, denn für viele Menschen dieser Zeit galt: »Es gibt nichts, das dem Tabak gleichkommt; er ist die Leidenschaft der ehrbaren Leute, und wer ohne Tabak lebt, ist es nicht wert zu leben« (Molière, Don Juan, 1655). So kam es, dass trotz energischer Anstrengungen, die Verbreitung des Tabaks einzudämmen (siehe Kasten), das heilige Kraut Amerikas, das feierlichen Anlässen vorbehalten war, allmählich zu einem alltäglichen Konsumartikel wurde, der auf der ganzen Welt angebaut und exportiert wird.

Abbildung 15 Quelle: www.tobaccoatlas.org, 2010 © Shutterstock / Sam Murray

Doch erst als Ende des 19. Jahrhunderts dank der Erfindung von Maschinen große Mengen von Zigaretten produziert werden konnten, nahm der Tabakkonsum seinen echten Aufschwung und breitete sich in der gesamten Bevölkerung aus. Während die Amerikaner beispielsweise 1870 im Durchschnitt weniger als eine Zigarette im Jahr rauchten (0,36), stieg diese Zahl 1930 auf 1485 und erreichte 1965 die Spitzenzahl von 4259 Zigaretten. Zweifellos ein durchschlagender kommerzieller Erfolg, zugleich aber Auslöser einer noch nie dagewesenen Gesundheitskrise mit mehr als hundert Millionen Toten. So viele Menschen starben im 20. Jahrhundert aufgrund von Tabakkonsum an Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrankheiten. Und diese Krise ist noch lange nicht beendet, denn der Tabakkonsum ist weiter im Wachsen begriffen. Er liegt derzeit weltweit bei ungefähr 6000 Milliarden Zigaretten, das entspricht etwa 1000 Zigaretten für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf dem Planeten (Abbildung 15). Bei dieser Rate rechnet man mit einer Milliarde Todesfällen im 21. Jahrhundert.

Strafmaßnahmen

Obwohl sich der Tabak wie ein Lauffeuer rund um den Globus ausbreitete, stieß sein Genuss keinesfalls auf einhellige Zustimmung. Rodrigo de Jerez, der Gefährte von Christoph Kolumbus, der die ersten »Zigarren« nach Europa brachte, wurde von verängstigten Nachbarn denunziert, nachdem er Rauch aus Mund und Nase ausgestoßen hatte, und von der Inquisition wegen teuflischer Umtriebe in den Kerker geworfen. Für Jakob I. von England war das Rauchen eine Gewohnheit, die »abscheulich für die Augen, unangenehm für die Nase, gefährlich für das Gehirn und furchtbar für die Lunge« war. Er ließ sogar Sir Walter Raleigh hinrichten, dem er (unter anderem) vorwarf, er habe diese Pflanze aus Virginia nach Großbritannien gebracht.