Krishna - Seine Lebensgeschichte in den Puranas und im Mahabharata - Wilfried Huchzermeyer - E-Book

Krishna - Seine Lebensgeschichte in den Puranas und im Mahabharata E-Book

Wilfried Huchzermeyer

0,0

Beschreibung

Krishna ist eine der bekanntesten Gottheiten Indiens. In der vorliegenden Biographie wird seine vollständige Lebensgeschichte erzählt, wobei die Puranas und das Mahabharata als Quellen herangezogen werden. Seine frühe Zeit mit den Gopis in Vrindavana wird ebenso abgehandelt wie sein späteres Wirken als Stammesführer der Yadavas und spiritueller Ratgeber und Lehrer der Pandavas. Aufgrund der gründlichen Dokumentation mit zahllosen Quellenhinweisen ermöglicht das Buch auch weiterführende Studien im Bereich der Religionswissenschaft, Mythologie und Indologie.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 176

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wilfried Huchzermeyer

Krishna

Seine Lebensgeschichte

in den Purānas und im Mahābhārata

edition sawitri

Karlsruhe

Cover-Abb: Krishna und Rādhā in Vrindāvana

Verlag W. Huchzermeyer

www.edition-sawitri.de

[email protected]

 

 

 

1. E-Book-Aufl. 2023

ISBN 9783931172558

 

© 2023 edition sawitri - Verlag W. Huchzermeyer, Karlsruhe

Inhalt

Vorwort

1 – Die Vorgeschichte und Krishnas Geburt

2 – Kindheit und Jugend

3 – Krishna und die Gopīs

4 – Konfrontation mit Kamsa und Leben in Mathurā

5 – Leben in Dvārakā

6 – Krishna im Mahābhārata

7 – Die Bhagavadgītā

8 – Die Schlacht: Krishnas Interventionen

9 – Nach dem Krieg

10 – Rādhā und die Entwicklung des Vishnuismus

Anhang

I – Krishnas Schlacht gegen Shālva und sein Flug schiff

II – Dvārakā – Archäologische Funde

Glossar – Personen

Glossar – Ortsnamen

108 Namen Krishnas und die 10 Avatare Vishnus

Literatur

Vorwort

Krishna ist neben Shiva die bekannteste Gottheit im indischen Pantheon. Die vorliegende Biografie umfasst seine gesamte Lebensgeschichte in allen Stadien und erläutert zudem auch seine wichtigsten philosophischen Aussagen und spirituellen Lehren.

Als Quellen für den ersten Lebensabschnitt in Vrindāvana wurden insbesondere das Vishnu Purāna und das Bhāgavata Purāna herangezogen. Der erstere Text hat den Vorteil einer vergleichsweise knappen und übersichtlichen Erzählung, wobei die englische Übersetzung von Manmatha Nath Dutt zugrunde gelegt wurde.1 Für die Auswertung der Inhalte des Bhāgavata Purāna wurde die englische Übertragung von Anand Aadhar herangezogen.2 Die Zitate aus dieser Quelle wurden in der deutschen Version im Einzelfall geringfügig modifiziert.

Für den zweiten Lebensabschnitt in Dvārakā kommt als wichtige Quelle das Mahābhārata hinzu. Die Übersetzungen aus dem Epos sind unsere eigenen, zum Teil wurde auf bereits publizierte Passagen in unserem Titel Studies in the Mahābhārata3 zugrückgegriffen. Aufgrund der gründlichen Dokumentation der Texte mit zahllosen Quellenangaben ermöglicht das Buch auch weiterführende Studien im Bereich der Religionswissenschaft und Indologie. Für den Sanskrit-Originaltext wurde die Pune Critical Edition herangezogen.

Eine vollständige Wiedergabe aller Erzählungen und Mythen insbesondere der frühen Zeit in Vrindāvana wurde nicht angestrebt, sondern unser Ziel war es, nur die wichtigsten Ereignisse darzustellen und eine Überfülle von Details zu vermeiden. Grundsätzlich ist zu beachten, dass einzelne Episoden in den verschiedenen Quellen oft etwas unterschiedlich wiedergegeben werden, wobei der Kern der Erzählung jedoch in der Regel identisch bleibt. Im Literaturteil sind einige Titel mit umfassenderen volkstümlichen Darstellungen in deutscher und englischer Sprache genannt.

Wilfried Huchzermeyer

1Prose English Translation of Vishnupuranam. The Chowkhamba Sanskrit Studies, Vol. XC, Varanasi 1972.

2 Kṛṣṇa Dvaipāyana Vyāsadeva, Śrīmad Bhāgavatam. Third Revised Edition, 20.2.2022. Anand Aadhar, bhagavata.org. Lizenz: CCBY-NC-SA 3.0

3 Siehe Literatur.

1 – Die Vorgeschichte und Krishnas Geburt

Gemäß der alten indischen Tradition durchläuft die Geschichte der Menschheit bestimmte Zyklen. Auf das Zeitalter der Wahrheit, Satya Yuga, folgen Zeitalter, in denen die Wahrheit an Substanz verliert und nur noch auf drei oder zwei Füßen steht bzw. einem: das Tretā-, Dvāpara- und Kali-Yuga. Krishnas Geburt erfolgte gegen Ende des Dvāpara-Yuga zu einem Zeitpunkt, als mächtige Asuras auf der Erde herrschten, darunter auch der tyrannische und grausame König Kamsa in Mathurā, einer Stadt am Westufer der Yamunā, im heutigen Uttar Pradesh nördlich von Agra gelegen.

Bhūmi, die Erde, litt mächtig unter der Last der Untaten jener dämonischen Herrscher, und so begab sie sich eines Tages in Gestalt einer Kuh zum Berg Meru, um dem Schöpfergott Brahmā und anderen versammelten Göttern ihr Leid zu klagen. Der Dämon Kālanemi, dereinst von Vishnu getötet, habe sich als Kamsa reinkarniert und treibe sein Unwesen in Mathurā. Daher flehte die Erde die Götter an, sie von dieser schrecklichen Bürde zu befreien. Als Brahmā ihren Bericht gehört hatte, befand er, dass nur Vishnu allein in der Lage wäre, dieses schwierige Werk zu vollbringen, und suchte ihn, begleitet von vielen Göttern und Weisen, in seiner Heimstatt Vaikuntha auf, einer transzendenten Himmelsregion, wo er auf der kosmischen Schlange Ananta ruht.

Vishnu empfing die Delegation mit Wohlgefallen und sagte sogleich seine Hilfe zu, um das gestörte Gleichgewicht von Gut und Böse auf der Erde wiederherzustellen. Einmal mehr würde er sich zu diesem Zweck auf Erden verkörpern. Dann zupfte er sich ein weißes und ein schwarzes Haar aus dem Haupt und sprach:

„Diese meine Haare werden auf die Erde hinab gehen und sie von ihrer Bürde und Not befreien. Mögen alle Gottheiten auf die Erde herab kommen und mit den stolzen Asuras kämpfen, die sich dort versammelt haben, und ein jeder soll erlegt werden. Hegt keinen Zweifel daran – sie werden durch den vernichtenden Blick meiner Augen zerstört werden. Dieses mein schwarzes Haar wird sich im achten Kind von Devakī verkörpern, der Frau Vasudevas, die gleich einer Göttin ist, und das Kind wird Kamsa töten, welcher der Dämon Kālanemi ist.“1

Das weiße Haar stehe für Devakīs siebtes Kind, Balarāma, der viele Asuras töten werde. Am Ende äußerte Vishnu noch den Wunsch, auch die Götter und Weisen und himmlischen Maiden sollten sich gleichzeitig inkarnieren, um am großen Werk teilzuhaben.2

Krishnas Eltern – Vasudeva und Devakī

Kamsa hatte eine Schwester namens Devakī, die sehr schön und lieblich war und alle Eigenschaften besaß, die ihm selbst abgingen. Sie wurde dem ebenfalls sehr noblen Vasudeva aus dem Yādava-Clan angetraut. Am Tag der Hochzeit traten Braut und Bräutigam aus dem Königspalast, begleitet von einem großen Gefolge von Verwandten und Edelleuten. Sie bestiegen eine Kutsche, und Kamsa selbst griff nach den Zügeln, um den Wagen unter Fanfaren-Klängen durch die Menge zu lenken. Devakī war voller Glück über diese unverhoffte Geste, doch dann geschah etwas Unerwartetes: Plötzlich erhob sich unsichtbar eine Stimme vom Himmel und richtete sich an Kamsa: Devakīs achter Sohn werde ihn töten und so das Land von seinem bösen Herrscher befreien. Voller Wut sprang der Diktator daraufhin von der Kutsche und zerrte seine entsetzte Schwester an ihren Haaren herab, um sie mit seinem Schwert zu töten. Doch Vasudeva ging dazwischen und beschwor Kamsa, ihr Leben zu verschonen. Er habe nichts zu befürchten, denn jedes Kind, das Devakī zur Welt brächte, würde er sogleich zu Kamsa bringen, und er könne dann tun, wie ihm beliebe.

So gelang es Vasudeva mit großer Mühe, Kamsa umzustimmen, doch dieser ließ das Brautpaar in einem Kerker in seinem Palast einsperren und gut bewachen. Devakī brachte dort im Verlauf von sechs Jahren sechs Söhne zur Welt, doch alle wurden von Kamsa getötet, da er jedes Risiko ausschließen wollte. Als die Empfängnis des siebten Kindes anstand, nahm Vishnus Schlange Ananta die Form des Embryos in Devakīs Schoß an, und Vishnu wies seine Shakti, die Göttin Yogamāyā an, nach Gokula zu gehen, zur Siedlung der Kuhhirten außerhalb von Mathurā. Sie solle dort Nanda aufsuchen, in dessen Haus Vasudevas erste Frau, Rohinī, wohnte, und Devakīs Embryo in Rohinīs Schoß transferieren. So geschah es, und Rohinī wurde zur Mutter von Krishnas älterem Bruder Balarāma. Kamsa hingegen wurde mitgeteilt, dass Devakī eine Fehlgeburt erlitten habe.

Kamsa war jetzt höchst beunruhigt, weil die achte Geburt bevorstand, und traf deshalb Vorkehrungen in der Form, dass Vasudeva und Devakī getrennt an Pfeiler gekettet wurden, so dass sie sich nicht vereinigen konnten. Verzweifelt rief Vasudeva nun Vishnu an, woraufhin dieser „in den Geist Vasudevas eintrat und ihn mit seinem Licht erfüllte.“ Als Devakī den strahlenden Glanz auf seinem Gesicht bemerkte, erkundigte sie sich nach der Ursache, und Vasudeva berichtete ihr von seiner inneren Erfahrung der Gegenwart Vishnus. Indem er dies tat, so heißt es, erfolgte eine Art geistige Übertragung der göttlichen Präsenz auf Devakī, die auf diese Weise ohne Geschlechtsverkehr geschwängert wurde.3

Als der Wärter das Verlies am nächsten Morgen öffnete, bemerkte er, dass die Zelle mit einem strahlenden göttlichen Licht geflutet war und Devakī wie von einem leuchtenden Feuer erfüllt. Er berichtete sogleich Kamsa davon, der hinunter eilte und das helle Licht, das von seiner Schwester ausging, kaum ertragen konnte. Er überlegte, ob er sie töten sollte, beschloss dann jedoch, die Geburt des Kindes abzuwarten und es dann zu töten. Indessen waren Vasudeva und Devakī aufgrund von Vishnus Gegenwart voller Glückseligkeit und litten nicht mehr unter den nunmehr noch weiter verschärften Maßnahmen Kamsas. Sie waren auch voller Zuversicht, dass ihr Kind sicher und geschützt sein würde vor seinem Zugriff. Kamsa wusste, dass Vishnus Inkarnation nun bald bevorstand und war tief verängstigt. Tag und Nacht dachte er nur an Vishnu mit ausschließlicher Konzentration und traf alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen, um zu verhindern, dass dieser ihn töten würde.

Krishnas Geburt und Transfer nach Gokula

Krishna wurde an einem astrologisch glückverheißenden Tag geboren. Im Hindu-Kalender war es der achte Tag des Regenmonats Bhadrapadā, nach unserer Zeitrechnung im August / September. Universum und Natur nehmen freudig teil an diesem Ereignis: die Sterne leuchten besonders hell am Himmel, auf den Teichen blühen die Lotus-Blumen, während zwitschernde Vögel und summende Bienen zwischen den prachtvollen Bäumen und Schlingpflanzen umher schwirren. Um Mitternacht kommt Krishna zur Welt. Wortreich beschreiben die puranischen Texte ihn als wunderbares Kind, in gelbe Seide gekleidet, mit herrlichen Augen, vier Armen und seinen Attributen von Muschelhorn, Keule, Wurfscheibe und Lotus. Auf der Brust trägt er das Shrīvatsa-Emblem einer Locke goldenen Haares, und um seinen Hals hängt der kostbare Kaustubha-Juwel.

Vasudeva verneigte sich respektvoll vor dem göttlichen Kind, das sich sogleich mit liebevollen Worten an seine menschlichen Eltern wandte und sie über seine Mission auf Erden aufklärte. Krishna bat Vasudeva, ihn über den Fluss Yamunā nach Gokula zu bringen, zu Nanda und dessen Frau Yashodā, und an seiner Stelle deren Tochter zurückzubringen, die zur selben Zeit geboren war. Wundersame Dinge geschahen nun: Vasudevas Ketten lösten sich von selbst und auch die massiven Tore des Gefängnisses öffneten sich, als er mit dem Kind nahte, das er in ein Tuch gewickelt hatte. Die vielen Wächter bemerkten nichts, da sie in tiefen Schlummer versetzt waren. Als Vasudeva an die Yamunā gelangte, stürmte und regnete es heftig, so dass er sich sorgte, wie er den reißenden Fluss überqueren könnte. Doch Vishnus himmlische Schlange Shesha hielt einen Riesenschirm über das göttliche Kind. Die Wasser der Yamunā wiederum bildeten für Vasudeva eine Furt, so dass er mühelos hindurchschreiten konnte.4

Vasudeva trägt Krishna über den Fluss Yamunā

Als Vasudeva Gokula erreichte, konnte er unbemerkt Nandas Haus betreten, da alle fest schliefen in dem kleinen Dorf. Wie geheißen, tauschte er Krishna mit Yashodās Tochter aus und begab sich dann zurück nach Mathurā in den Kerker, wo sich die Ketten wieder um ihn schlossen. Gleich darauf begann das neugeborene Mädchen heftig zu schreien, woraufhin die Wächter aufwachten und Kamsa über die Geburt informierten. Dieser eilte herbei, packte das Kind zornig an den Beinen und zerschmetterte es an einem Stein. Doch das Mädchen erhob sich zum Himmel und offenbarte sich in einer Riesengestalt als die große Göttin, Vishnus Kraft Yogamāyā, und rief Kamsa vor aller Augen zu, dass Jener Allmächtige geboren sei, der ihn töten würde. Daraufhin verschwand sie und wurde nicht mehr gesehen.

Kamsa berief daraufhin eine Versammlung seiner asurischen Berater ein und beschloss, im ganzen Reich nach neugeborenen kräftigen Jungen suchen zu lassen, um sie umgehend zu töten. Anschließend setzte er Vasudeva und Devakī frei, da keine Gefahr mehr von ihnen auszugehen schien.

Als indessen in Gokula Yashodā am nächsten Morgen aufwachte, bemerkte sie nicht den Austausch des Kindes und sah Krishna als ihr eigenes an. Sie war sehr müde nach der Geburt, und der Schlaf hatte die Erinnerung an das Mädchen getilgt.

1 Vishnu Purāna, V.1

2 In einer anderen Version der Geschichte wendet sich die Erde mit ihrer Bitte direkt an Vishnu.

3 Bhāgavata Purāna, X.2

4 Bhāgavata Purāna, X.3

2 – Kindheit und Jugend

Nach der Geburt von Nandas Sohn, dessen wahre Identität niemand im Dorf kannte, begannen allerlei Festivitäten, und Priester wurden eingeladen, um die Zeremonien durchzuführen, die für solche Anlässe vorgesehen waren. Gäste kamen auch aus den Nachbardörfern und feierten mehrere Tage lang mit den Ansässigen. Nanda und Yashodā waren voller Glück aufgrund der Geburt ihres Sohnes.

Bald darauf musste Nanda nach Mathurā fahren, um seinen jährlichen Tribut an Kamsa zu zahlen. Als er eintraf, eilte Vasudeva sogleich zu seinem Wagen und erkundigte sich nach dem Wohlergehen von Rohinī und seinem Sohn, der in Gokula mit ihr aufwuchs. Er ließ Nanda in dem Glauben, dass das vor kurzem neugeborene Kind sein eigener Sohn sei, warnte ihn aber, dass Gefahr in der Luft liege und er umgehend heimkehren sollte, um ihn zu schützen und nicht aus den Augen zu verlieren.

Die erste Gefahr, die Krishna drohte, kam in Gestalt der Dämonin Pūtanā. Sie vermochte durch die Himmel zu reisen und jegliche Form anzunehmen. Sie war eine Kindestöterin, die sich in Gestalt einer hübschen jungen Amme Zutritt verschaffte und den Babys ihre mit Gift beschmierte Brust reichte. Auch in Nandas Haus konnte sie unbehelligt eintreten und setzte sich Krishna auf den Schoß. Doch als sie ihm die Brust reichte, packte Krishna sie so heftig und sog so stark an ihr, dass Pūtanā nach einer Weile mit lautem Aufschrei tot zu Boden sank. Daraufhin nahm sie wieder ihre gigantische Form als grausige Dämonin an und begrub in einem Umkreis von zwölf Meilen zahllose Bäume unter sich. Allmählich trauten sich die Hirten, näher an den toten Körper heranzutreten, und bemerkten, wie Yashodās Sohn furchtlos auf ihrer Brust spielte. Yashodā und Rohinī brachten ihn eilig ins Haus und führten einige Zeremonien durch, um Unheil von ihm abzuwenden. Währenddessen zerhackten die Hirten und Hirtinnen Putanās Körper in Stücke und verbrannten sie außerhalb des Dorfes.

In einer anderen Episode wird berichtet, dass Yashodā das Krishna-Kind einmal nach einem Bad und einer Zeremonie unter einen Wagen legte, damit es dort ruhen würde. Sie beauftragte einige Jungen, über ihn zu wachen, woraufhin sie ins Haus ging, wo eine Versammlung stattfand. Der Dämon Shakata wollte diese Gelegenheit nutzen, um Krishna zu töten, und begab sich auf den Wagen, um ihn auf Krishna stürzen zu lassen. Doch das Kind wehrte ihn mit einem kleinen Fußtritt ab und schleuderte den Wagen mit seinem Inhalt und Shakata auf die andere Seite des Hofes, wodurch der Dämon getötet wurde.

Indessen wartete schon ein anderer darauf, in Kamsas Auftrag Krishna zu töten. Yashodā hatte ihn gerade auf eine Matte gelegt, als ein mächtiger Wirbelsturm nahte, der das ganze Dorf in eine dichte Staubwolke hüllte. Dahinter verbarg sich Trinavarta, der nun zum Angriff ansetzte. Als Yashodā nichts mehr sehen konnte angesichts der Staubwolke, griff sich der Dämon Krishna und flog gen Himmel. Nachdem der Staub sich ein wenig gelegt hatte, bemerkte Yashodā das Unheil und brach in Tränen aus, als sie ihr Kind nirgendwo finden konnte. Doch Krishna gelang es, seinen Körper immer schwerer zu machen, bis Trinavarta ihn nicht mehr tragen konnte, zu Boden stürzte und an einem Fels zerschellte, während Krishna unbehelligt blieb. Schnell eilten die Hirten herbei und brachten das unversehrte Kind voller Staunen zu seiner Mutter zurück.

Krishna und Balarāma

Auch aus der Ferne behielt Vasudeva das Wohl seiner beiden Söhne im Auge, und so schickte er nach einer Weile den Familienpriester Garga nach Gokula, um Reinigungsriten für die Kinder durchführen zu lassen und ihnen Namen zu geben. Dies geschah jedoch heimlich, aus Furcht vor Kamsa.

„Der älteste Sohn erhielt den Namen ‚Rāma‘, und der andere wurde vom weisen Garga ‚Krishna‘ genannt. Alsbald begannen sie auf Händen und Füßen auf dem Boden herumzukriechen, oft auch in Schmutz und Dreck. Weder Rohinī noch Yashodā vermochten sie davon abzuhalten, in die Kuhgehege oder zu den Kälbern zu gelangen, wo sie sich einen Spaß daraus machten, an deren Schwänzen zu ziehen. Wenn es Yashodā nicht gelang, die beiden Kinder von ihren ungezogenen Spielen abzuhalten, war sie erbost und gestikulierte mit einem Stock vor Krishna, dem Lotusäugigen. Sie legte ihm ein Seil um die Hüfte, befestigte es an einem hölzernen Mörser und sagte ihm ungehalten: ‚Jetzt versuch mal, von hier wegzukommen, du ungezogenes Kind!‘ Dann widmete sie sich wieder ihrer Hausarbeit. Doch Krishna, der sich befreien wollte, schleppte den Mörser zwischen zwei Arjuna-Bäume, die nahe beieinander standen. So verfing sich der Mörser zwischen den Bäumen, und als Krishna kräftig zog, wurden sie entwurzelt.“1

Als die Hirten und Yashodā herbei eilen, bemerken sie voller Staunen den unglaublichen Kraftakt des Kindes. In einer Quelle heißt es, dass zwei Gandharvas2 aufgrund eines Fluches zu den Bäumen geworden waren und jetzt durch Krishnas Aktion davon befreit wurden und wieder gen Himmel fliegen konnten.

Krishnas Streiche nahmen kein Ende, aber grenzenlos war auch Yashodās Liebe und Nachsicht. Einmal geschah es jedoch, dass ihr von seinen Spielkameraden berichtet wurde, er habe etwas Lehm gegessen. Als sie ihn daraufhin wirklich erbost zur Rede stellte und aufforderte den Mund zu öffnen, hatte sie eine Vision des unendlichen Universums mit allen belebten und unbelebten Objekten, mit der Erde und allen Bergen, Flüssen und Meeren, Feuer, Mond und Sternen. Schockiert fragte sie sich, ob sie halluziniere oder ob es ein göttlicher Zauber ihres Kindes wäre. In dem Augenblick schloss Krishna seinen Mund und war wieder das gewohnte schelmische Kind, und seine Mutter setzte es sich liebevoll auf den Schoß und vergaß sogleich die Vision.

Ein anderes Mal war sie damit beschäftigt, in einem großen Krug Butter mit einem Rührstock zu fertigen. Da bat Krishna sie, ihn zu säugen, aber sie erinnerte sich plötzlich, dass ein Topf mit heißer Milch auf dem Feuer stand und die Milch überkochen würde. Als sie ihn deshalb allein ließ, zerschmetterte er den Krug auf dem Boden und naschte fröhlich mit seinen Gefährten von der Butter, woraufhin Yashodā ihn mit gespieltem Zorn und einem Stock in der Hand verfolgte.

Umzug nach Vrindāvana

Die verschiedenen übernatürlichen Ereignisse beunruhigten jedoch die Hirten von Gokula, und es erschien ihnen, also wäre der Ort von Dämonen heimgesucht, welche gefährliches Unheil bringen könnten. Daher beschlossen sie in einer Versammlung, in eine andere Region umzuziehen, nach Vrindāvana, um dort sicherer zu leben.

„So machten sie sich auf den Weg mit ihren Wagen und ihrem Vieh und ließen Bullen, Kühe und Kälber vorneweg laufen… Vrindāvana wurde von Krishna, der über allen Dingen steht, gewählt, um die Rinder mit Nahrung zu versorgen, denn dort sprießt das frische Gras in der heißesten Jahreszeit so reichlich wie es regnet. Nach dem Umzug von Gokula nach Vrindāvana stellten die Bewohner ihre Wagen in Form eines Halbkreises auf.“

Balarāma und Krishna verbrachten all ihre Zeit zusammen und erfanden immer neue Spiele und Tätigkeiten. Sie flochten sich Kronen aus Pfauenfedern und Girlanden aus den Blumen des Waldes, oder bauten Musikinstrumente aus Reet und Blättern und spielten auf den Rohren der Hirten.

„Ihre Haare waren gelegt wie die Flügel der Krähe, und so schauten sie aus wie junge Prinzen… Sie waren kräftig und stets am Lachen, spielten manchmal miteinander, oder mit anderen Jungen… So waren die beiden Hüter des Universums bis zum Alter von sieben Jahren Viehhüter in den Kuhgehegen von Vrindāvana.“3

Neue Gefahren

Doch indessen lauerten neue Gefahren. Ein Asura namens Vatsāsura nahm die Form eines Kalbes an und versuchte, sich unter die Herde zu mischen. Doch Krishna erkannte ihn, packte ihn bei den Hinterbeinen und schleuderte ihn auf einen Baum, woraufhin Krishnas Gefährten diese Tat begeistert bejubelten. Als nächstes kam der Dämon Bakāsura in Gestalt eines Riesen-Storches. Er schnappte sich Krishna und flog davon. Doch Krishna erzeugte in sich eine so starke Hitze, dass dem Asura der Rachen versengt wurde und er Krishna losließ. Als er ihn danach wieder mit dem Schnabel attackierte, zerriss er diesen und erlegte den Dämon.

Schließlich kam der furchtbare Dämon Aghāsura, der den Tod seiner Schwester Pūtanā und seines Bruders Bakāsura rächen wollte. Als Krishna mit seinen Gefährten im Wald spielte, nahm der Asura die Gestalt einer gigantischen Python-Schlange an und legte sich ihnen in den Weg, wobei sein Maul himmelweit geöffnet war. Krishnas Gefährten spazierten mit den Rindern arglos hinein, doch Krishna erkannte die Gefahr, ging hinein und vergrößerte dann seinen Körper so sehr, dass der Dämon keine Luft mehr bekam und erstickte. Darauf erweckte Krishna alle wieder zum Leben, und sie setzten sich zu einer fröhlichen gemeinsamen Mahlzeit an ein Flussufer.

Zu einer weiteren gefahrvollen Begegnung kam es, als Krishna eines Tages allein an den Ufern des Flusses Kālindī4 wanderte. Doch an einer bestimmten Stelle weilte die vielköpfige Schlange Kāliya und verseuchte das Wasser der Umgebung mit ihrem Gift, so dass Menschen oder Tiere, die es tranken, ohnmächtig wurden. Das Gras und die Bäume in der Gegend welkten und starben ab, selbst Vögel, die hinüber flogen, fielen leblos zu Boden. Als Krishna diese Szene beobachtete, beschloss er, dem Leid ein Ende zu setzen und alle Geschöpfe von diesem Unheil zu befreien. Und er dachte bei sich:

„Ich muss diese Schlange erlegen, damit die Einwohner von Vraja5 glücklich und ohne Angst leben können. Ich bin in die Welt der Sterblichen gekommen, um die Bösen zu züchtigen, die auf üble Abwege geraten sind. Daher werde ich auf den Kadamba-Baum dort klettern und in die Wasserstelle springen.“