Sri Aurobindos Kommentare zu Krishna, Buddha und Christus - Wilfried Huchzermeyer - E-Book

Sri Aurobindos Kommentare zu Krishna, Buddha und Christus E-Book

Wilfried Huchzermeyer

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Beschreibung

Sri Aurobindo hat das Wirken und die Lehre der drei Avatare Krishna, Buddha und Christus in zahllosen Texten kommentiert. In der vorliegenden Studie werden seine wichtigsten Aussagen ausführlich vorgestellt und erläutert. Hinzu kommen viele Äußerungen der Mutter, die weiteres Licht auf die jeweiligen Themen werfen, und ein Kapitel über Ramakrishna als Brücke zur Neuzeit. So erhalten wir einen tiefen Einblick in Sri Aurobindos integrale Vision der spirituellen Entwicklungsgeschichte der Menschheit und deren letztliche Bestimmung.

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Wilfried Huchzermeyer

Sri Aurobindos Kommentare zu Krishna, Buddha und Christus

Ihre Rolle in der Evolution der Menschheit

edition sawitri

Karlsruhe

Verlag W. Huchzermeyer

Lessingstraße 64

D-76135 Karlsruhe

www.edition-sawitri.de

Für alle Zitate aus den Complete Works of Sri Aurobindo und Collected Works of the Mother gilt: Copyright Sri Aurobindo Ashram Trust.

1. E-Book-Auflage 2020

ISBN 978-3-931172-45-9

© 2018 edition sawitri - Verlag W. Huchzermeyer, Karlsruhe Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Vorwort

Krishna im Leben Sri Aurobindos und der Mutter

Sri Aurobindos Kommentare in seinen Briefen

Krishna in den Essays über die Gita

Buddha und der Buddhismus

Die Mutter über Buddha und den Buddhismus

Christus und das Christentum

Die Mutter über Christus und das Christentum

Ramakrishna

Schlussbetrachtung

Anhang

Krishna und Shankara

Glossar

Literatur

Vorwort

In Sri Aurobindos Werken gibt es zahllose Passagen, in denen er Krishna, Buddha und Christus in einem Atemzug nennt. So führt er z.B. in der Synthese des Yoga aus, dass der Mensch bei seiner GottSuche einen Mittler braucht, der ihm das Göttliche näher bringt, und diese Bestrebung werde erfüllt, wenn Es sich in menschlicher Form inkarniert, „als Avatar – Krishna, Christus, Buddha.“1 In einem Brief an einen Schüler wiederum schreibt er, der Avatar sei eine Persönlichkeit, welche für die Menschheit den Weg zu einem höheren Bewusstsein bereitet, und es sei durchaus ein gangbarer Weg, andernfalls würde das ganze Konzept, „welches auch jenes von Christus, Krishna und Buddha ist“, entweder fehlerhaft sein oder aber das Leben und Wirken des Avatars wäre fruchtlos.2

Diese und viele andere Äußerungen verdeutlichen, dass er die drei großen spirituellen Persönlichkeiten der Vergangenheit als Botschafter sieht, die mit einem besonderen Auftrag auf die Erde kamen, um ihre Evolution in der einen oder anderen Weise voranzubringen. Das heißt, er betrachtet sie aus dem Blickwinkel seiner eigenen Evolutionsphilosophie und seiner Überzeugung, dass ein göttliches Leben auf Erden die höchste Bestimmung der Menschheit sei. Die Tatsache, dass die drei Avatare nicht explizit mit einer solchen Zielsetzung auf Erden wirkten, stellt sich ihm nicht als Hindernis dar, weil er davon ausgeht, dass sie mit ihrer starken Ausstrahlung in der einen oder anderen Form auf die Spiritualisierung der Menschheit hinwirkten und somit einen Fortschritt für sie erarbeiteten, der als Vorstufe unabdinglich für sein eigenes Ziel einer supramentalen Manifestation ist.

Sri Aurobindos Interpretation des Lebens und Wirkens der drei Avatare ist somit Teil seiner integralen Weltsicht, in der sich vielerlei spirituelle und kulturelle Beiträge verschiedener Zeiten und Räume letztlich zu einem sinnerfüllten Ganzen zusammenfügen. Getragen von seinem evolutionären Optimismus, arbeitet er in seinen Kommentaren die Großen Impulse heraus, welche die Avatare in das Leben der Menschen einbrachten, um sie auf ihrem Weg voranzubringen. Aber immer wieder weist er auch auf Entwicklungen in den jeweiligen Religionen und ihren Lehren hin, die er nicht für förderlich hält und die aus seiner Sicht vermutlich auch nicht von den „Religionsstiftern“, wie wir sie heute nennen, intendiert waren. In einigen Fällen gesteht er zudem offen ein, dass er auch zu bestimmten ursprünglichen Denkansätzen eine abweichende Meinung hat. In seiner Weltsicht ist es kein Widerspruch, sondern Teil der kosmischen Vielfältigkeit, wenn jeder spirituelle Lehrer mit seinem eigenen Auftrag und seiner individuellen Persönlichkeit kommt, so wie es der Notwendigkeit der Region und Epoche entspricht.

Wir wollen im vorliegenden Titel Sri Aurobindos Gedanken zu Krishna, Buddha und Christus im Detail nachzeichnen und seine spezielle Interpretation ihres Lebens und Wirkens näher beleuchten. Anschließend wird in einem Kapitel über Ramakrishna die Verbindung zur Gegenwart hergestellt. Bei unseren Ausführungen werden Grundkenntnisse in Sri Aurobindos Denken und Terminologie vorausgesetzt, ggf. empfehlen wir vorab die Lektüre unserer Biographie3 oder einer anderen Einführung. Einige wichtige Begriffe und Sanskrit-Wörter werden im Glossar erläutert.

Alle Quellenhinweise beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Complete Works of Sri Aurobindo (CWSA)4, bei den Werken der Mutter auf die Collected Works of the Mother (CWM, siehe auch Literaturteil).

Mein herzlicher Dank gilt all jenen, die durch Korrekturlesen oder wertvolle Anregungen am Buch mitgewirkt haben.

Wilfried Huchzermeyer

1The Synthesis of Yoga, 65

2Letters on Yoga I, 476

3 W. Huchzermeyer, Sri Aurobindo – Leben und Werk. Karlsruhe 2015

4 Als PDF-Dateien abrufbar unter sriaurobindoashram.org / Sri Aurobindo / His Writings.

Krishna

Krishna als Gottheit ist der Herr von Ananda, Liebe und Bhakti; als Inkarnation verkörpert er die Einheit von Weisheit (Jnana) und Werken und führt durch sie die Erd-Evolution zur Vereinigung mit dem Göttlichen mittels Ananda, Liebe und Bhakti.

Sri Aurobindo, Letters on Yoga I, 460

1. Kapitel

Krishna im Leben Sri Aurobindos und der Mutter

Es gibt drei Ereignisse in Sri Aurobindos Leben, bei denen Krishna sehr speziell in Erscheinung tritt: seine Inhaftierung als Freiheitskämpfer im Gefängnis von Alipur (1908), wo Krishna sich ihm in einer lebendigen Vision als allgegenwärtige Gottheit offenbart und sich mit einer inneren Stimme, einer Botschaft, an ihn richtet; ferner sein Verlassen Kalkuttas im Jahr 1910, nachdem er von Krishna eine entsprechende Weisung (Adesh) erhalten hat; und schließlich im Jahr 1926 die Herabkunft Krishnas, der Gottheit des Übermentals (overmind) ins Physische. Alle drei Ereignisse wurden von Sri Aurobindo selbst in schriftlichen Äußerungen beschrieben und sollen im Folgenden noch einmal kurz dargestellt werden.

In seiner Rede in Uttarpara nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis von Alipur berichtete Sri Aurobindo über seine „Vasudeva-Erfahrung“.5 Er gesteht freimütig ein, dass er nach seiner Verhaftung zunächst in seinem Glauben erschüttert war, doch dann stellte er sich auf die neue Situation ein und lauschte nach innen, um Gottes Stimme zu hören und seine Weisungen zu empfangen. Bald gelangt er zu der Erkenntnis, dass es darum geht, ihn von seinen früheren Aktivitäten zu lösen, da eine andere, viel bedeutendere Aufgabe auf ihn wartet. Sri Aurobindo hat die lebendige Wahrnehmung, dass ER zu ihm spreche und ihm die Gita in die Hand lege. Daraufhin vermag er nicht nur intellektuell zu verstehen, sondern zu realisieren, „was Krishna von Arjuna verlangte…“

Sri Aurobindo beschreibt dann seine Erfahrung des Göttlichen in allen Menschen und Dingen, sieht sich nicht mehr von hohen Mauern umgeben, denn es war „Vasudeva, der mich umgab“. Wenn er unter den Zweigen des Baumes seiner Zelle gegenüber wandelt, so ist es Krishna, den er dort stehen sieht, indem er Schatten spendet. Selbst in den Dieben und Banditen im Gefängnis erblickt er nun in tiefer Schau Vasudeva und in den Richtern und im Ankläger schaut er die göttliche Person, die ihm aufträgt, ihr den ganzen Prozess zu überlassen und seinem Anwalt keine weiteren Weisungen zu geben. Am Ende dieser Begegnung mit Krishna steht Sri Aurobindos Freispruch.

Er kehrt noch einmal ins öffentliche Leben zurück, agiert jetzt jedoch vorsichtiger im Hintergrund, gibt zwei Zeitschriften heraus und publiziert viele Artikel. Die Bedrohung einer erneuten Inhaftierung bleibt bestehen und Mitte Februar 1910 erhält seine Gruppe von einem Zuträger die Nachricht, dass Sri Aurobindos Verhaftung unmittelbar bevorstehe. Über den weiteren Verlauf berichtete er später wie folgt: „Während ich lebhaften Kommentaren der Leute um mich herum über das nahende Ereignis zuhörte, empfing ich plötzlich einen Befehl von oben, durch eine Stimme, die ich gut kannte, mit drei Worten: „Fahre nach Chandernagore‘!“6 Es ist offensichtlich, dass die hier erwähnte Stimme nur jene Krishnas sein kann.

Von Chandernagore reist er bald darauf über Kalkutta nach Pondicherry – eine entscheidende Wende in seinem Leben, die Abkehr vom politischen und öffentlich-kulturellen Leben und Zuwendung zum spirituellen. Als ein Schüler ihn einmal fragte, warum er denn gerade nach Pondicherry fuhr, antwortete er: „Ich konnte es nicht in Frage stellen. Es war Sri Krishnas Adesh.7 Ich musste Folge leisten. Später erkannte ich, es war für den Ashram und für das Werk.“8 So hat Krishnas Intervention endgültig und unwiderruflich einen Bruch in seinem Leben herbeigeführt: Sri Aurobindo wird zum Integralyogi, der durch seine Bewusstseinsarbeit eine neue Stufe der Evolution für die Menschheit zu erarbeiten sucht und eine supramentale Verwirklichung anstrebt.

Über 15 Jahre vergehen, bis der Name Krishnas erneut in Sri Aurobindos Biografie erscheint, anlässlich der „Herabkunft des Übermentals“ am 24. November 1926. Dazu erklärte Sri Aurobindo in verschiedenen Briefen aus dem Jahr 1935, es handele sich um „die Herabkunft Krishnas ins Physische.“ Und ferner: „Die Herabkunft Krishnas würde die Herabkunft der übermentalen Gottheit bedeuten, welche die Herabkunft des Supramentals und des Ananda vorbereitet, wenn auch nicht selbst ist. Krishna ist der Anandamaya9; er stützt die Evolution durch das Übermental und führt sie zum Ananda.“10

Eine Reihe von Erwähnungen Krishnas finden sich auch in seinem spirituellen Tagebuch Record of Yoga.11 So vermerkt Sri Aurobindo in einem Eintrag vom 14.4.1914: „Srikrishnadarshana [die Schau Sri Krishnas] hat sich jetzt definitiv als normale Schau etabliert, wenn es die volle Schau ist…“ Und am 16.8. desselben Jahres notiert er: „Die Wahrnehmung Krishnas überall und die Wahrnehmung von allem als Formen und Namen seines Spiels ist endgültig und unwiderruflich etabliert…“ Zwei Jahre später, am 5. März 1916 hält er fest: „Das Krishna-Bewusstsein ist jetzt vollkommen normal und universell, obgleich noch nicht etabliert auf der Ebene des Vijnana12 oder Ananda, sondern nur auf der mentalen.“13

Einige Schüler Sri Aurobindos waren Krishna-Anhänger und gerieten in einen inneren Konflikt hinsichtlich der Frage, wem sie nun letztlich ihre Hingabe schuldeten. Doch Sri Aurobindo räumte diese Zweifel in einer Vielzahl von Briefen aus. So teilt er einem Schüler am 18. Juni 1943 mit:

Ich dachte, ich hätte dir schon mitgeteilt, dass deine Hinwendung zu Krishna kein Hindernis ist. In jedem Fall unterstreiche ich das jetzt als Antwort auf deine Frage. Wenn wir die große und in der Tat beherrschende Rolle in Betracht ziehen, die er in meiner eigenen Sadhana spielte, wäre es seltsam, wenn die Rolle, die er in deiner Sadhana spielt, als anstößig angesehen werden könnte. Sektierertum ist eine Sache von Dogma, Ritual etc, nicht der spirituellen Erfahrung; die Konzentration auf Krishna ist eine Selbstgabe an den iṣṭa-deva. Wenn du zu Krishna gelangst, gelangst du zum Göttlichen; wenn du dich ihm hingeben kannst, gibst du dich mir.14

Ein Schüler scheint Sri Aurobindo gefragt zu haben, ob er denn größer und bedeutender als Krishna sei, worauf er im Februar 1945 antwortete, dass er sich auf eine solche Frage nicht einlassen könne, denn sie wäre nur relevant, wenn es zwei konkurrierende Religionen gäbe, d.h. den Aurobindoismus und den Vishnuismus, was natürlich nicht der Fall sei. Und er wirft die Frage auf, welchen Krishna er denn ggf. herausfordern müsste – jenen der Gita, d.h. die höchste transzendente wie auch immanente Gottheit, Purushottama bzw. Vasudeva, „oder die Gottheit, die in Brindavan, Dwarka und Kurukshetra inkarniert war und welche der Wegweiser meines Yoga war und mit dem ich die Identität realisierte? All dies ist für mich nicht etwas Philosophisches oder Mentales, sondern eine Sache täglicher und stündlicher Verwirklichung und meinem Bewusstsein zutiefst vertraut.“15

Signifikant sind auch Sri Aurobindos Aussagen über seine eigene charakteristische Farbe, wie sie von entsprechend begabten Menschen in der inneren Schau auf der subtil-physischen Ebene wahrgenommen werden kann. In einem Brief beschreibt er sie als blass-blau, dies sei die Grundfarbe seiner Persönlichkeit. Und zudem erklärt er in zwei Briefen, „weiß-blau ist Sri Aurobindos Licht oder Krishnas Licht.“16

Die innige Verbindung zwischen Sri Aurobindo und Krishna steht somit außer Zweifel. Im Folgenden werden wir einige Zitate der Mutter heranziehen, welche diese Thematik weiter beleuchten.

Die Mutter über Krishna und Sri Aurobindo

Die Mutter hatte bereits im Alter von ca. 12 Jahren eine Reihe von spirituellen Erfahrungen, in deren Verlauf sie in den inneren Welten auch einigen Lehrern begegnete. Die Beziehung zu einem von ihnen wurde besonders intensiv, und sie nannte ihn „Krishna“ und spürte, dass sie ihm eines Tages auch auf der physischen Ebene begegnen würde – es war Sri Aurobindo.17

Im Alter von ca. 21 Jahren lernte sie den Inder Jnanendranath Chakravarti kennen, der sie in die Lektüre der Bhagavad Gita einführte. Er wies sie an, die Gita zu lesen und Krishna als die allem innewohnende Gottheit zu visualisieren, „und in einem Monat war das Werk getan“18, obgleich sie nur eine sehr unzureichende französische Übersetzung der Gita zur Verfügung hatte. Im Jahr 1914 kam es schließlich zu ihrer ersten Reise nach Pondicherry, und sie berichtete darüber später: „Sobald ich Sri Aurobindo sah, erkannte ich in ihm jenes gut bekannte Wesen, das ich Krishna zu nennen pflegte…“19

Später, als die „Mutter“ im Sri Aurobindo Ashram, hatte sie eine Reihe von persönlichen Begegnungen mit Krishna in einer sichtbaren Form (auf der subtil-physischen Ebene). In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass sie aufgrund ihrer inneren Schulungen und ihrer Hellsichtigkeit zahllose solche Erfahrungen auch mit anderen indischen Gottheiten wie z.B. Shiva, Durga oder Ganesha hatte. In Gesprächen mit einzelnen Schülerinnen und Schülern berichtete sie davon; die ergiebigste Quelle sind die dreizehn Bände von Mutters Agenda, d.h. die Gespräche mit Satprem, woraus wir im Folgenden einige wichtige Passagen wiedergeben.

Sehr bedeutsam in Verbindung mit der Herabkunft des Übermentals am 24. November 1926 ist ein Gespräch vom 2. August 1961.20 Die Mutter beschreibt zunächst eine Erfahrung, die sie regelmäßig hatte, wenn sie unten in einer Halle im Ashram mit Ashram-Mitgliedern meditierte: Viele Götter und Göttinnen versammelten sich dort, darunter Shiva, Krishna, Lakshmi. „Es war richtig hübsch anzusehen. Sie kamen jeden Tag und wohnten der Meditation bei.“ Aber die Götter, so führt die Mutter weiter aus, hatten keine Empfindung der Anbetung, „sie hatten keine der Eigenschaften, die das psychische Leben gibt: keine tiefe Liebe, keine tiefe Zuneigung, keinen Sinn der Einheit. So war es nicht: sie hatten den Sinn für IHRE eigene Göttlichkeit. Sie hatten auch ganz besondere Regungen, aber nicht diese Anbetung des Höchsten und das Gefühl, Instrumente zu sein – sie repräsentierten den Höchsten. Jeder vertrat den Höchsten und war folglich völlig zufrieden mit seiner Repräsentation.“

Dann aber fügt sie, in einem unvollendeten Satz, hinzu: „Nur Krishna…“, woraufhin sie auf die Herabkunft des Übermentals in die Materie zu sprechen kommt und ausführt, dass sie die Götter bat, sich in einem Körper zu inkarnieren. Dies würde ihnen, so können wir als Erläuterung einfügen, das von Sri Aurobindo so benannte psychic being verleihen, d.h. eine lebendige Seele in der Welt des Werdens, verbunden mit den entsprechenden Eigenschaften, die den Göttern sonst abgehen. Viele lehnten jedoch kategorisch ab, auch z.B. Shiva, der sagte: „Nein. Wenn deine Arbeit beendet ist, werde ich kommen – nicht in eine Welt, wie sie jetzt ist. Aber ich will gerne helfen.“ Anders jedoch Krishna: „… Ich sah mit meinen eigenen Augen, wie Krishna, der immer mit Sri Aurobindo in Beziehung stand, zustimmte, in dessen Körper zu kommen. Das geschah an einem 24. November… Krishna stimmte zu, in Sri Aurobindos Körper herabzukommen – sich dort NIEDERZULASSEN.“

Als Satprem daraufhin fragte, in welcher Hinsicht diese Verwirklichung eine Wende in Sri Aurobindos Sadhana bedeutete, antwortete die Mutter: „Nein, das war ein wichtiges Phänomen FÜR DIE SCHÖPFUNG. Für ihn war es ziemlich gleichgültig.“ Etwas später erzählte sie noch folgendes: nach der Herabkunft des Übermentals und nach Sri Aurobindos Entschluss, sich für die weitere Arbeit zurückzuziehen, hatte ihre englische Schülerin Datta eine Eingebung und erklärte den anderen Ashram-Mitgliedern, „dass Krishna sich inkarniert hätte und Sri Aurobindo von diesem Moment an eine intensive Sadhana für die Herabkunft des Supramentals auf die Erde machen werde, dass es wie eine Zustimmung Krishnas zur Herabkunft des Supramentals auf die Erde sei.“

Zusätzlich erklärte die Mutter noch: „Es war nur… Krishnas Teilnahme. Aber für Sri Aurobindo persönlich machte es keinen Unterschied: eine Formation aus der Vergangenheit akzeptierte, an der gegenwärtigen Schöpfung teilzunehmen, nicht mehr. Eine Herabkunft des Höchsten von vor einiger Zeit stimmte zu, an der neuen Manifestation teilzunehmen.“ Diese Äußerungen der Mutter erwecken den Eindruck, dass es aus ihrer Sicht nicht angemessen wäre, die Tatsache von Krishnas „Anbindung“ an Sri Aurobindo überzubewerten.

Am 3. März 1960 berichtet die Mutter Satprem, dass eine Flut von großartigen inneren Erlebnissen komme, und am Morgen des 29. Februar hatte sie „eine dieser Erfahrungen, die ein Leben kennzeichnen“:

Es geschah oben in meinem Zimmer. Ich wiederholte mein Japa21 und schritt mit offenen Augen auf und ab, als plötzlich Krishna erschien: ein völlig goldener Krishna, in einem goldenen Licht, welches das ganze Zimmer erfüllte. Ich ging weiter und sah nicht einmal mehr die Fenster, den Teppich, überall schien dieses goldene Licht mit Krishna in der Mitte. Das dauerte eine gute halbe Stunde. Er trug die Kleider, mit denen man ihn meist darstellt, wenn er tanzt. Er war so leicht, tanzend: „Siehst du, heute abend beim Darshan22 werde ich da sein.“ Und plötzlich kam der Darshan-Sessel ins Zimmer! Krishna kletterte hinauf, und mit einem verschmitzten Funkeln in den Augen sagte er: „Ich werde hier sitzen, siehst du, und es wird kein Platz mehr für dich bleiben.“23

Eine weitere erstaunliche Begebenheit erzählte die Mutter Satprem in einem Gespräch vom 18. Juni 1965. Sie berichtete, wie sie zu Lebzeiten Sri Aurobindos auf der Veranda des Hauses, das sie bewohnte, spazieren zu gehen pflegte, und zwar allein, da Sri Aurobindo stets in seinem Zimmer blieb und arbeitete. Aber trotzdem war sie nie allein:

Krishna war immer da, der Gott Krishna, wie man ihn kennt, nur größer, schöner und nicht von diesem lächerlichen Blau, diesem Porzellanblau! Nein, so nicht. Und die ganze Zeit gingen wir zusammen auf und ab – wir gingen zusammen spazieren. Er folgte unmittelbar hinter mir…; ich ging ein bisschen vor ihm, und es war, als ob mein Kopf auf seiner Schulter ruhte; wir gingen spazieren und sprachen miteinander… Das dauerte länger als ein Jahr, Tag für Tag. Dann hörte es auf. Danach sah ich ihn noch gelegentlich, zum Beispiel, als wir umzogen. Wenn ich sehr müde war, kam er manchmal nachts, und ich schlief an seiner Schulter. Und ich wusste damals ganz genau, dass es Sri Aurobindo war, der sich so zeigte. Als ich dann hierher, in dieses Zimmer kam – Sri Aurobindo war gegangen24 – begann ich, mit meinem Mantra auf und ab zu gehen. Und Sri Aurobindo kam, er war genau an derselben Stelle wie Krishna…, er war da, und wir gingen jeden Tag zusammen einher, jeden Tag.25

Angesichts solcher Erfahrungen der Mutter nimmt es nicht Wunder, dass Sri Aurobindo in einem Brief an einen Schüler Krishna einmal sein „Double“ nannte.26 Aber es entsteht auf der Grundlage seiner vielfältigen Äußerungen der Gesamteindruck, dass seine Krishna-Erfahrung mehr kosmisch-universell ist, während die Mutter ihn sehr persönlich-individuell erfahren hat, speziell in der oben wiedergegebenen Vision des Goldenen Krishna in ihrem Zimmer, wo wir dem Bâla-Krishna der Puranas zu begegnen scheinen, d.h. dem munteren Kind, immer zu Streichen aufgelegt.

Aber warum wird er, aus tieferer Sicht, als Kind dargestellt? In einem Gespräch mit Schülern gab die Mutter die folgende Erklärung:

Der Grund ist, er befindet sich ständig in Progression. In dem Maße, wie die Welt vervollkommnet wird, wird auch sein Spiel vervollkommnet – was das Spiel von gestern war, wird nicht mehr das Spiel von morgen sein; sein Spiel wird immer harmonischer, gütiger und freudiger werden in dem Maße, wie die Welt fähig wird, darauf zu reagieren und sich mit dem Göttlichen daran zu erfreuen.27

5 Siehe Tagebuch einer Gefangenschaft (1999), S. 87ff. Vasudeva ist ein Name Krishnas.

6 Sri Aurobindo, Über sich selbst, 66

7 Weisung.

8 Purani, Evening Talks, Pondicherry 2007, S. 571

9 Jener, dessen Wesen von Glückseligkeit erfüllt ist. (Anm. W.H.)

10 Siehe Letters on Himself and the Ashram, 270ff

11 Zur Bedeutung dieser Aufzeichnungen, siehe Sri Aurobindo – Leben und Werk, 126ff

12 Das höchste Wahrheitsbewusstsein. (Anm.W.H.)

13Record of Yoga, I, 448; I, 601; II, 914

14Letters on Himself and the Ashram, 431. iṣṭa-deva ist die vom Sucher gewählte persönliche Gottheit. (Anm.W.H.)

15 Ibid., 431f

16 Siehe Letters on Himself and the Ashram, 515f

17 Siehe Sri Aurobindo – Leben und Werk, 141; CWM vol. 13, Words of the Mother I, 39

18 Nilima Das, Glimpses of the Mother’s Life, I, 54

19 CWM vol. 13, Words of the Mother I, 39

20 Als Quelle für die folgenden Zitate siehe Mutters Agenda, Bd. 2, 300-302

21 Wiederholung des Mantra. (Anm.W.H.)

22 Das Darshan des 29. Februar 1960, erster Jahrestag der Supramentalen Manifestation.

23Mutters Agenda, Bd. 1, 324

24 D.h., er hatte seinen Körper verlassen. (Anm.W.H.)

25Mutters Agenda, Bd. 6, 127

26 Siehe Letters on Himself and the Ashram, 357

27Collected Works of the Mother, 15, 14f

2. Kapitel

Sri Aurobindos Kommentare in seinen Briefen