Kritische Betrachtung der indikatorengestützten Qualitätsbewertung am Beispiel einer spezialisierten Einrichtung der stationären Altenhilfe - Hendrik Wolthaus - E-Book

Kritische Betrachtung der indikatorengestützten Qualitätsbewertung am Beispiel einer spezialisierten Einrichtung der stationären Altenhilfe E-Book

Hendrik Wolthaus

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Beschreibung

Mit der Verabschiedung der neuen Qualitätsprüfrichtlinien im März 2019 erfolgte ein Paradigmenwechsel bei den Prüfverfahren zur Erfassung von Qualität in Einrichtungen der stationären Altenhilfe. Erfahrungswerte bei der Teilnahme des webbasierten Lernprojektes indikatorengestützte Qualitätssicherung (inQS) vermittelten den Eindruck, dass Einrichtungen mit konzeptioneller Schwerpunktsetzung innerhalb der Versorgung von kognitiv eingeschränkten Bewohnern auffällig werden können. Dieser Eindruck resultiert aufgrund der gegebenen Risikodichte bei den Bewohnern. Die indikatorengestützte Qualitätssicherung basiert auf dem Projekt von Wingenfeld et. al. (2011) Entwicklung der Instrumente und Verfahren für Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI und der Qualitätsdarstellung nach § 115 Abs. 1a SGB XI in der stationären Pflege. Ziel und Fragestellung: Die Darstellung von resultierenden Problembereichen für spezialisierte Einrichtungen mit gerontopsychiatrischen Schwerpunkt und deren Sonderstellung bei den neuen Qualitätsprüfungsrichtlinien gemäß §114 SGB XI. Haben spezialisierte Einrichtungen für Menschen mit Demenz durch die indikatorengestützte Qualitätserfassung mit Benachteiligungen zu rechnen? Finden im Kontext einer Risikoadjustierung demenzielle Sonderformen eine ausreichende Berücksichtigung? Welche Qualitätsbereiche der betreffenden Einrichtungen haben das potenzielle Risiko für die Clearingstelle auffällig zu erscheinen und vermitteln in diesem Kontext Qualitätsdefizite aufgrund der besonderen Bewohnerstruktur? Methode: Orientiert an der hermeneutischen Methodik wurde das Forschungsfeld mittels systematischer Literaturrecherche beleuchtet, konkretisiert und auf jüngste Publikationen zielführend eingegrenzt. Schlussfolgerung: Das Ergebnis zeigt auf, dass die von Wingenfeld et. al. (2011, 2018) gewählte Adjustierungsmethode und auch die empirisch hergeleitete Bewertungs- und Vergleichssystematik kritisch zu bewerten ist. Ein bundesweites Benchmarking ist im Kontext der neuen Qualitätsprüfrichtlinien, aufgrund der differenzierten Ausgangssituationen auf den Landesebenen, nur begrenzt möglich. Des Weiteren steht die Bewertungssystematik konträr zu dem derzeitigen Finanzierungsmodell einrichtungsinterner Personalressourcen und generiert ein Spannungsfeld zwischen Qualität und Personal.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2020

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„Man spricht nicht von Defiziten, man spricht von

Entwicklungspotenzialen“. (hno)

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Methodik und Literaturrecherche

Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das gerontopsychiatrische Setting

3.1 Spezialisierte Einrichtungen für Menschen mit Demenz

3.2 Demenz - Formen und Diagnostik

3.2.1 Freiheitsentziehende Maßnahmen versus Werdenfelser Weg

3.2.2 Polypharmazie und Sekundäreffekte

3.2.3 Verweildauer bei degenerativen Grunderkrankungen

3.2.4 Edukation im Kontext autonomer Selbstbestimmtheit und sozialer Isolation

Weitere Herausforderungen im gesundheitspolitischen Kontext

4.1 Auswirkungen des Zwillingseffekts

4.2 Berücksichtigung besonderer Bedarfe

4.3 Pflege muss bezahlbar bleiben. Die Eigenanteilproblematik

Qualität im pflegewissenschaftlichen Kontext

5.1 Der gesetzliche Auftrag zur Erfassung von Qualität in der stationären Altenhilfe

5.2 Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität

5.2.1 Pflegesensitive Ergebnisindikatoren auf dem Prüfstand

5.2.2 Risikoadjustierung – der Schlüssel zum externen Benchmarking

Die konzeptionelle und Abschließende Umsetzung in den neuen Qualitätsprüfrichtlinien

Zusammenfassung

7.1 Fazit und Limitation

7.2 Ausblick:

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung:

Erklärung:

GKV

Gesetzliche Krankenversicherung

HeimG

Bundesheimgesetz

EEE

Einheitlicher Eigenanteil

EQisA

Ergebnisqualität in der stationären Altershilfe

EQMS

Ergebnisorientiertes Qualitätsmodell Münster

inQS

Projekt indikatorengestützte Qualitätssicherung

ICD-10

International Classification of Diseases

KDA

Kuratorium Deutsche Altenhilfe

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenversicherungen

MDS MmD

Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. Menschen mit Demenz

MoPIP

Modellhafte Pilotierung von Indikatoren in der stationären Pflege

NRW

Nordrhein-Westfalen

PflWEG

Pflege-Weiterentwicklungsgesetz

PG

Pflegegrad

PIM

Potenziell inadäquate Medikation

PKV

Private Krankenversicherung

PO

Pflegeoasen

PQsG

Pflege-Qualitätssicherungsgesetz

PS

Pflegestufe

PSG I

Pflegestärkungsgesetz I

PSG II

Pflegestärkungsgesetz II

PTVS

Pflegetransparenzvereinbarungen

QPR

Qualitätsprüfrichtlinien

QUALIFY

Instrument for the Assessment of Quality Indikators

QoL

Quality of Life

ROC

Receiver Operating Characteristic

SCU

Special Care Units

SGB

Sozialgesetzbuch

SHIP

Study of Health in Pomerania

UAW

Unerwünschte Arzneimittelwirkung

USA

United States of America

VK

Vollzeitkräftekennziffer

WTG-Behörde

Behörde des Wohn- und Teilhabegesetzes

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

Zusammengefasste Geburtenziffer, 1871 bis 2014

Abb. 2:

Anteile der Altersgruppen unter 20, 65 und 80 Jahre, Deutschland 1871 bis 2060

Abb. 3:

Ursachen der Demenzen

Abb. 4:

Länderdifferenz personeller Ausstattung

Abb. 5:

Im Vergleich zu Bayern zusätzlich zu versorgende Heimbewohnern pro Pflegekraft im gemäß Personalschlüssel und landesdurchschnittlichen Pflegestufenmix, in %.

Abb. 6:

Vertragsbeziehung einer Einrichtung, die stationäre Pflegeleistungen abrechnen will

Abb. 7:

Relative Pflegegradstruktur im VergleichÜberleitungszeitpunkt gegenüber dem Stichtag 30.09.2018.

Abb. 8:

Verteilung der Pflegegrade aus 218 Begutachtungen nach Grad der Beeinträchtigung im Bereich Verhalten/Psyche (in Prozent)

Abb. 9:

Finanzierung stationärer Pflege unter Einbeziehung der Sozialhilfe

Abb. 10:

Beeinträchtigungen im Bereich „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ im Vergleich (Angaben in Prozent)

1 Einleitung

Die Inspiration zu dieser Arbeit erhielt der Autor aus den Erfahrungswerten seines operativen Tagesgeschäfts. Im Kontext seines beruflichen Werdegangs, kam dieser zuerst als Mitarbeiter innerhalb des operativen Pflegegeschäfts mit dem Thema Qualität in Berührung. Durch die berufliche Entwicklung zur verantwortlichen Pflegefachkraft (Pflegedienstleitung) wurden die Schnittmengen zwischen operativer Praxis und den vorausgesetzten Qualitätsstandards weiter intensiviert.

Sein Tätigkeitsfeld ist eine spezialisierte Einrichtung der stationären Langzeitpflege mit dem Fokus auf die pflegerische Versorgung und Betreuung von Menschen1 mit Demenz (MmD). Die Institution befindet sich im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gemäß eines segregativen Pflege- und Betreuungskonzepts leben die Bewohner gemäß dem Schweregrad ihrer Demenz auf vier homogenen Wohngruppen. Die Mitarbeiter der Einrichtung sehen Bewohner auf der Grundlage eines humanistischen Menschenbildes im Mittelpunkt des professionellen Handelns, wobei die Beziehungsarbeit einen zentralen Schwerpunkt darstellt.

Das Pflege- und Betreuungskonzept (vgl. Contilia Pflege und Betreuung 2018) berücksichtigt ein aktivierendes und ganzheitliches Pflege- und Betreuungsverständnis und orientiert sich am personenzentrierten Ansatz nach Tom Kitwood2 sowie der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen3. Um eine weitreichende Kontinuität innerhalb der Pflege und sozialen Betreuung zu gewährleisten, arbeitet die Einrichtung auf Grundlage des Bezugspflegesystems. Dies bedeutet, dass jedem Bewohner eine Bezugspflegefachkraft als auch eine Bezugsbetreuungsfachkraft zugeordnet ist. Sie steuern in enger Abstimmung den Pflege- und Betreuungsprozess und beteiligen nicht nur den Bewohner selbst, sondern auch, entsprechend seiner Wünsche oder Erfordernisse, seine Angehörigen, gesetzlichen Betreuer, Bevollmächtigten und Freunde. Die Bezugspflege- und Bezugsbetreuungsfachkräfte erstellen in Abstimmung mit den Bewohnern und Angehörigen eine aktuelle Tagesstruktur und Maßnahmenplanung, die im Sinne einer Anordnung für alle nachgeordneten Mitarbeiter in Pflege und Betreuung verbindlich ist. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Pflege- und Betreuungsfachkräften und Bewohnern wird als Instrument genutzt, um den Ansprüchen der Beziehungspflege gerecht zu werden (vgl. Contilia Pflege und Betreuung 2018: 2). Innerhalb der Einrichtung werden freiheitsentziehende Maßnahmen vermieden und das Konzept des Werdenfelser Wegs4 umgesetzt.

Die Demenz zählt unter anderem zu den alterstypischen und sehr pflegeintensiven Erkrankungen. Im Volksmund wird die Krankheit fälschlicherweise häufig als Alzheimer bezeichnet, wobei die Alzheimererkrankung lediglich eine Ausprägung des dementiellen Formenkreises darstellt (vgl. Halek & Bartholomeyczik 2006: 21).

Die Übertragung des Wortes Demenz aus dem lateinischen veranschaulicht schon deutlich, worum es sich im Kern bei der Erkrankung handelt:

Demenzzustände können ein sehr unterschiedliches Bild bieten, das wesentlich von der Lokalisation der zugrundeliegenden zerebralen Erkrankung bestimmt wird.

(Hallauer & Kurz 2002: 3)

Die Bewohnerstruktur umfasst vermehrt demenzielle Sonderformen und jung erkrankte MmD unter 60 Jahren. Als veranschaulichendes Beispiel liegt das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung einer frontotemporalen Demenz (FTD) zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Die Zeitpunkte der Diagnosestellung zeigen jedoch eine sehr große Spannweite auf (20. – 85. Lebensjahr) (vgl. Diehl—Schmidt 2017: 1). In der Alterskategorie zwischen 45 und 65 Jahren ist etwa jeder Tausendste betroffen. Die Anzahl jung erkrankter, umfasst in Deutschland zwischen 20.000 und 24.000 Menschen. Diese stellen in der Gesamtbetrachtung jedoch weniger als zwei Prozent aller MmD dar (vgl. DAG 2019). Aufgrund der begrenzten Platzzahl von 108 Betten und einer stetig steigenden Nachfrage, muss die Institution im Rahmen der Bewohnerakquise priorisieren. Das hauptsächliche Einzugskriterium ist das Vorliegen einer diagnostizierten Demenz. Darüber hinaus stellen Kriterien wie die vorherrschende häusliche Versorgungssituation, die Dringlichkeit, die Not der An- und Zugehörigen, sowie der zugewiesene Pflegegrad eine entscheidende Rolle. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive, erfolgt die Finanzierung der Einrichtung unter den regulären Finanzierungstrukturen des SGB XI. Zusätzliche finanzielle Ressourcen, welche zum Beispiel durch die Vereinbarung eines spezialisierten Versorgungs- und Vergütungsvertrages mit den zuständigen Kostenträgern generiert werden könnten, sind nicht gegeben.

Erfahrungswerte innerhalb des webbasierten Lernprojektes indikatorengstützte Qualitätssicherung (inQS) vermittelten den Eindruck, dass Einrichtungen mit konzeptioneller Schwerpunktsetzung innerhalb der Versorgung von kognitiv eingeschränkten Bewohnern auffällig werden können. Dieser Eindruck resultiert aufgrund der gegebenen Risikodichte der Bewohner. Es ist zu vermuten, dass derartige Einrichtungen im externen Benchmarking gegenüber anderen Einrichtungen der klassischen, vollstationären Altenhilfe, bei den erfassten Qualitätsindikatoren auffällig werden. Die indikatorengestützte Qualitätssicherung basiert auf dem Projekt von Wingenfeld et. al. (2011) Entwicklung der Instrumente und Verfahren für Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI und der Qualitätsdarstellung nach § 115 Abs. 1a SGB XI in der stationären Pflege. Das Projekt umfasste die Entwicklung pflegesensitive Indikatoren und deren Qualitätsdarstellung mittels valider Kennzahlen.

Das Ziel dieser Arbeit, ist die Darstellung von resultierenden Problembereichen für spezialisierte Einrichtungen der vollstationären Altenhilfe mit gerontopsychiatrischen Schwerpunkt. Der zentrale Fokus wird auf die Herausarbeitung ihrer Sonderstellung im Kontext der neuen Qualitätsprüfungsrichtlinien gemäß dem §114 SGB XI gelegt. Die primär verfolgte Fragestellung ist:

Haben konzeptionell spezialisierte Einrichtungen, deren Bewohnerstruktur ganzheitlich auf Menschen mit Demenz, sowie demenziellen Sonderformen ausgerichtet sind, durch die indikatorengestützte Qualitätserfassung im Kontext der neuen Qualitätsprüfrichtlinie (QPR) mit Benachteiligungen zu rechnen?

Untergeordnet fokussiert werden weiterführend folgende Fragestellungen mit ins Zentrum der Betrachtung gestellt:

Finden im Kontext einer Risikoadjustierung demenzielle Sonderformen eine ausreichende Berücksichtigung?

Welche Qualitätsbereiche der betreffenden Einrichtungen haben das potenzielle Risiko für die Clearingstelle auffällig zu erscheinen und vermitteln in diesem Rahmen Qualitätsdefizite, resultierend auf Basis der besonderen Bewohnerstruktur?

1 Für eine bessere Lesbarkeit wird in der Schreibweise die männliche Sprachform verwendet. Es sind allerdings alle Geschlechter gleichermaßen gemeint (w/m/d).

2 Der von dem britischen Psychologen Tom Kitwood (1995) entwickelten Ansatzes der person-zentrierten Pflege stellt die Einzigartigkeit der Person in den Mittelpunkt. Die aus diesem Konzept resultierende Grundhaltung gegenüber Menschen mit Demenz und die positive Arbeit/Beziehung mit der Person bilden die Basis (vgl. Welling 2004: 1).

3 Die deutsche Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen besteht aus acht Artikeln welche die bestehenden Rechte im Hinblick auf zentrale Situationen des Lebens hilfe- und pflegebedürftiger Menschen zusammenfasst und konkretisiert (vgl. Sulmann 2011).

4 DerWerdenfelserWeg ist eeiinn vveerrffaahhrreennssrreecchhttlliicchheerr AAnnssaattzz im Rahmen des geltenden Betreuungs- und Verfahrensrecht, den Gedanken der Vermeidung von Fixierungen und freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Bauchgurte, Bettgitter, Vorsatztische in Einrichtungen zu stärken (vgl. Amt für Soziales und WohnenBonn 2011: 4).

2 Methodik und Literaturrecherche

Zur Beantwortung der definierten Fragestellungen, wurde sich an der hermeneutischen Methodik orientiert. Hermeneutik ist die Lehre vom Verstehen bzw. die Kunst der Interpretation. Der hermeneutische Zirkel stellt den Prozess des Verstehens dar, welcher sich in der hermeneutischen Spirale niederschlägt (vgl. Bartholomeyczik, Linhart, Mayer & Mayer 2008: 42). Der Ausgangspunkt des hermeneutischen Zirkels, wird durch das Vorwissen bzw. die Erfahrung des Autors gebildet. Die Inhalte basieren auf den Erfahrungen und dem Wissensstand, welchen die betreffende Person durch ihre Funktion und durch das berufliche Setting und dessen Rahmenbedingungen generiert hat. Im Rahmen der Recherche floss dieses praxisorientierte, als auch theoretische Wissen mit in die Interpretation der gesichteten Literatur ein. Durch die Auseinandersetzung mit dem Material wurde die Wahrnehmung des Autors beeinflusst, was wiederum zur einer Neubewertung der Vorannahmen führte (vgl. Bartholomeyczik et. al. 2008: 42).

Um das Forschungsfeld und die sich daraus ergebenden Fragestellungen systematisch und zielführend zu beleuchten, ist eine Literaturrecherche gemäß den wissenschaftlichen Formalitäten erfolgt, beginnend mit der öffentlichen Suchmaschine Google bzw. schwerpunktmäßig Google-Scholar. Eine explorative Erstsuche zeigte unterschiedliche Ergebnisanzahlen, differenzierend nach dem recherchierten Themenkontext. Die verwendeten Suchbegriffe umfassten die für die Thematik zentralen Aspekte und beinhalteten die Schlagwörter: Qualität, Pflege, Indikatoren, Qualitätsindikatoren, Demenz, Sonderformen, Altenhilfe, Spezialisierung, QPR, Risikoadjustierung und Ergebnisqualität. Mit Hilfe der Suche im Schneeballsystem und der gezielten Handsuche in örtlichen Fakultäten wie der Universitätsbibliothek Essen-Duisburg, der Zentralbibliothek Essen, der Bibliothek des Studienzentrums Hamburger Fernhochschule (HFH) in Essen, konnten im Verlauf der Bearbeitung weitere Quellen gewonnen und systematisch zusammengeführt werden. Der Ausschluss nicht-renommierter Quellen und die Beschränkung auf wissenschaftlich valide Literatur, grenzten das gewonnene Ergebnis ein.

Um die quantitative und qualitative Ergebnisqualität der Literatur weiter zu steigern und zu konkretisieren, wurde die Literaturrecherche weiter systematisiert und auf die wissenschaftlichen Suchportale LIVIVO, die Online – Datenbank für Publikationen des medhochzwei-Verlags und die CareLit Literaturdatenbank erweitert. Bei der Systematik der Literaturrecherche, wurden Suchbegriffe aus dem deutschsprachigen Raum verwendet und durch gezielte Verknüpfungen mit Hilfe der Booleschen Operatoren sowie Trunkierungen eingegrenzt oder ergänzt.

Rückzuführen auf die Aktualität der zugrundeliegenden Thematik, wurde bei den Ergebnissen der primäre Fokus auf die jüngsten Publikationen (Zeitraum kleiner als 10 Jahre) gerichtet.

3 Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das gerontopsychiatrische Setting

In einer prospektiven Betrachtungsweise zeichnet sich mit Blick auf die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur im Rahmen des demografischen Wandels schon heute ein fortschreitender Transformationsprozess der Gesellschaft ab. Schroeter (2018: 35) nennt Mortalität und Fertilität, als die zwei zentralen Indikatoren für das zukünftige demographische Muster der Gesellschaft. Betrachtet man die Fertilitätsrate, ist in der Bunderepublik Deutschland seit Beginn des 19 Jahrhunderts ein dramatischer Geburtenrückgang zu erkennen (vgl. ebd. 2018: 36). Als Einflussfaktoren werden Punkte wie die verstärkte ökonomische, soziale und politische Entwicklungen, die Wohlstandsmehrung, Technisierung, die Funktions- und Strukturwandel der Familie sowie der Bildungsanstieg und Wertewandel benannt: (vgl. ebd. 2018: 36).

Abb. 1: Zusammengefasste Geburtenziffer,1871 bis 2014 (Quelle: BiB 2016: 27, angelehnt an destatis 2016)

Wie in der Tabelle zur Geburtenziffer (Abb. 1) zu erkennen ist, bestätigen die vorliegenden Daten der Bevölkerungsentwicklung, die oben angedeutete Aussage. Aktuelle Trends zeigen zwar eine leicht ansteigende Veränderung der Geburtenrate. So wurde 2017 eine Geburtenziffer von 1,57 Kindern pro Frau erfasst (vgl. BiB 2018), jedoch umfasste eine Familie Ende der 60 Jahre im Durchschnitt noch 2,5 Kinder was sich in der weiterführenden Entwicklung auf durchschnittlich 1,4 Kinder reduzierte (vgl. BiB 2016: 27). Dieser Entwicklung steht der Rückgang der Mortalitätsrate gegenüber. Prägende Einflussfaktoren wie dem technologischen Fortschritt in der Medizin, der Steigerung von Lebensbedingungen wie hygienischen Kautelen, Reduzierung von Risikopotenzialen im Wohnumfeld, der fortschreitenden Humanisierung im beruflichen Kontext, sowie ein Rückgang der Massenarmut führten über die Jahre hinweg zu einem Anstieg in der durchschnittlichen Lebenserwartung (vgl. Schroeter 2018: 37).

Abb. 2: Anteile der Altersgruppen unter 20, ab 65 und ab 80 Jahre, Deutschland 1871 bis 2060 (Quelle: BiB 2016: 13, angelehnt an destatis 2016)

Die grafische Darstellung (Abb. 2) zeigt auf, dass seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine sukzessive Abnahme der jungen Bevölkerung, bei einem gleichzeitigen Anstieg in der älteren Bevölkerungsgruppe zu verzeichnen ist. Heute liegt der Anteil der Menschen mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren bei 21% und umfasst somit jeden fünften Bundesbürger (vgl. BiB 2016: 13). Gemäß dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung wird zukünftig diese Verschiebung innerhalb der Altersstruktur weiter fortschreiten. Damit wird in naher Zukunft ein Anstieg der älteren Menschen (> 65 Jahre) auf bis 32% prognostiziert. Für die Anzahl Menschen im hohen Alter über 80 Jahre wird sogar eine Steigerung von derzeit 6% auf 12% kalkuliert (vgl. BiB 2016: 14).

Aufgrund des demografischen Wandels wird auch ein Anstieg der Prävalenz altersassoziierter Krankheiten prognostiziert. Die Study-of-Health-in-Pomerania (SHIP) aus dem Jahr 2009 weist im Rahmen ihrer Ergebnisse darauf hin, dass von einer Zunahme bei den Fallzahlen von Demenzerkrankungen z.B. in Mecklenburg–Vorpommern von 91% bis 2020 ausgegangen wird (vgl. Siewert, Fendrich, Doblhammer-Reiter, Scholz, Schuff-Werner & Hoffmann 2010: 1).

Schätzungsweise ein Viertel der 65-Jährigen und Älteren leidet unter einer psychischen

Störung […], der Anteil entspricht in etwa der Prävalenz im mittleren Lebensalter. Von besonderer Bedeutung sind demenzielle Erkrankungen und Depressionen. (Saß, Wurm & Ziese 2009: 32)

Setzt man die Aussagen in Relation zu den demographischen Daten der Bevölkerungsentwicklung zeichnet sich ab, dass im Bereich der stationären Altenhilfe prospektiv mit einem deutlichen Anstieg in der unmittelbaren Versorgung von MmD und weiteren psychiatrischen Erkrankungen zu rechnen haben.

Es wird deutlich, dass sich die geschilderten Entwicklungen als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung manifestieren und gleichzeitig die Sozialversicherungssysteme als auch die Strukturen des Gesundheitssystems in hohem Maße in Anspruch nehmen werden (vgl. Thyrian et al. Zit. n. Zängl 2015: 203).

Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung zielt u.a. auf den Erhalt der gesellschaftlichen Teilhabe (z.B. durch Milieu-Schaffung und Barrierefreiheit) ab und muss die Rahmenbedingungen hierfür setzen. (Thyrian et al. Zit. n. Zängl 2015: 203)

Versteht man die angesprochenen Aussagen als einen Aufruf gegenüber Trägern der stationären Altenhilfe so kann man daraus ableiten, dass die prospektive Gestaltung neuer Wohnformen und die Eröffnung von Einrichtungen, welche baulich, konzeptionell und in personellen Kompetenzen auf die Pflege und Betreuung von MmD ausgerichtet sind, als unabdingbar zu werten ist. Als zentrale Elemente im Versorgungskontext wird dabei die frühzeitige Diagnostik kognitiver Einschränkungen bei MmD, eine leitliniengerechte Diagnostik, eine adäquate pflegerische und ärztliche Versorgung, die Beachtung von Behandlungspfade mit negativen Folgen für MmD, Integration einer multiprofessionellen Versorgung und die konsequente Einbeziehung aufgeführt (vgl. Thyrian et al. Zit. n. Zängl 2015: 204).

Zwar beziehen sich die Autoren auf den ambulanten Sektor, jedoch erkennt der Autor im gedanklichen Transfer auf die stationäre Altenhilfe, dass die Pflege und Betreuung von MmD auch für vollstationäre Einrichtungen der Langzeitpflege prospektiv eine große Herausforderung darstellen wird und alternative Wohn- und Versorgungskonzepte voraussetzt.

Zum gegenwertigen Zeitpunkt leben in Deutschland schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen mit einer demenziellen Erkrankung, mit einer prognostizierten Zunahme auf ca. 3,3 Millionen bis 2060 (vgl. Michalowsky, Kaczynski & Hoffmann 2019: 1). Hiervon werden etwa nur 500.000 Betroffene in einer stationären Pflegeeinrichtung betreut (vgl. Hoffmann et al. 2014, Hasenbein & Trost 2017: 1).

3.1 Spezialisierte Einrichtungen für Menschen mit Demenz