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Einfach gut argumentieren
Kritisches Denken – die Fähigkeit, sich einen Überblick ??ber eine Situation oder ein Thema zu verschaffen, Informationen gezielt zu analysieren und sich dann ein fundiertes Urteil zu bilden – ist ??beraus wichtig in einer von vielen als un??bersichtlich empfundenen Zeit. Martin Cohen f??hrt Sie in dieses aufregende Thema ein und ergänzt die theoretischen Grundlagen um Beispiele und Übungen f??r die praktische Anwendung. Das Buch hilft Ihnen, Ihre Fähigkeit zu reflektierendem Denken zu entwickeln, Ihren Sinn f??r kritische Analysen zu verbessern und effektive Argumente herauszuarbeiten.
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Seitenzahl: 537
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kritisches Denken und Argumentieren für Dummies
Hatten Sie schon einmal das Gefühl, Ihre Fähigkeiten zum kritischen Denken verbessern zu müssen, damit Sie die Logik von Argumenten beherrschen und Ihre kritischen Fähigkeiten beim Lesen, Schreiben, Sprechen oder Zuhören verbessern können? Dieser Spickzettel soll Ihnen dabei helfen.
Ein guter kritischer Denker setzt sich aus vielen Elementen zusammen. Wenn Sie einen kritischen Denker à la Dr. Frankenstein bauen würden, wären die folgenden Fähigkeiten und Eigenschaften erforderlich:
Toleranz: Kritische Denker freuen sich über abweichende Meinungen und genießen eine echte Debatte.Analytische Fähigkeiten: Kritische Denker akzeptieren nicht jedes beliebige Gerede. Sie wollen richtig konstruierte Argumente, die Gründe klar darlegen und fundierte Schlussfolgerungen ziehen.Selbstvertrauen: Kritische Denker müssen ein gewisses Maß an Selbstvertrauen haben, damit sie in der Lage sind, Ansichten zu prüfen, die andere – oft Autoritätspersonen – vertreten.Neugierde: Kritische Denker müssen neugierig sein, denn Neugier ist die Triebfeder für Ideen und Erkenntnisse.Wahrheitssuche: Kritische Denker sind auf der Suche nach der »objektiven Wahrheit«, auch wenn diese ihre eigenen Überzeugungen und lang gehegten Glaubenssätze untergräbt und ihren eigenen Interessen zuwiderläuft.Wichtig für das kritische Denken ist die Fähigkeit, die Methodik eines Autors zu verstehen und kritisch zu würdigen. Wenn Autoren Bücher schreiben, Studien durchführen oder ein Thema untersuchen, bewegen sie sich innerhalb eines Forschungsparadigmas (eines theoretischen Rahmens), das die Art und Weise beeinflusst, wie sie das Thema betrachten und untersuchen. In formalen akademischen Studien erörtern die Autoren das Forschungsparadigma im Voraus, um Klarheit zu schaffen.
Häufiger jedoch bleibt die Art des gewählten Paradigmas im Hintergrund und wird als gegeben vorausgesetzt. Der kritische Leser muss sich dann besonders anstrengen, um es zu ermitteln und darüber nachzudenken, inwieweit das gewählte Paradigma die dargestellten Informationen verzerren kann.
Im Folgenden finden Sie einige nützliche Fragen, die Sie sich stellen sollten, wenn Sie sich mit Berichten und Forschungsergebnissen aus dem breiten Bereich der Sozialwissenschaften befassen:
Theoretisch oder empirisch: Beschäftigt sich der Text in erster Linie mit Ideen und Theorien oder basiert er in erster Linie auf Beobachtungen und Messungen? In den meisten Texten werden diese beiden Ansätze vermischt. Der kritische Leser muss erkennen, welches Element im Vordergrund stehen sollte – auch wenn der Autor verwirrt scheint!Nomothetisch oder idiografisch: Diese grandiosen Begriffe stammen aus dem Altgriechischen (nomos bedeutet Gesetz und idios bedeutet eigen oder privat) und beziehen sich auf Gesetze oder Regeln, die allgemein gelten, im Gegensatz zu solchen, die sich auf Einzelpersonen beziehen. Die meisten Sozialforschungen befassen sich mit dem nomothetischen, dem allgemeinen Fall, denn selbst bei der Untersuchung von Einzelpersonen hoffen die Forscher gewöhnlich, die Ergebnisse auf alle anderen verallgemeinern zu können. Fragen Sie sich immer, inwieweit im Einzelfall gültige Beobachtungen zuverlässig verallgemeinert werden können.Ursache oder Korrelation: Diese Begriffe werden so oft verwechselt, dass der Fehler seinen eigenen Namen hat – cum hoc ergo propter hoc (lateinisch für »mit diesem, folglich deswegen«). Mit anderen Worten: Es werden Dinge miteinander in Verbindung gebracht, deren Zusammenhang nicht bewiesen ist. Nehmen wir ein medizinisches Beispiel. In einer kürzlich durchgeführten Studie an über einer Million Frauen mit Brustkrebs wurde untersucht, wie viele von ihnen durch Operationen zur Entfernung der vermuteten Krebszellen geheilt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass zwei Drittel von ihnen zehn Jahre später noch am Leben waren.
Man könnte natürlich annehmen, dass die Überlebensrate auf die Behandlung zurückzuführen ist, aber die Studie ergab auch, dass eine Kontrollgruppe von Frauen, bei denen eine Scheinoperation durchgeführt wurde (bei der keine Zellen entfernt wurden), eine identische Überlebensrate aufwies – und darüber hinaus ein deutlich geringeres OP-Risiko oder geringere unerwünschte operative Nebenwirkungen. Beachten Sie, dass bei experimentellen Studien eine Voreingenommenheit besteht, die einen kausalen Zusammenhang auch dann erkennen lässt, wenn vielleicht gar keiner besteht.
Statistische Antworten oder ideologische Hypothesen: Ein Großteil der Forschung basiert auf Wahrscheinlichkeiten. Aber bei der Berechnung dieser Wahrscheinlichkeiten machen selbst erfahrene Forscher Fehler. Sie wenden unter Umständen das falsche statistische Verfahren auf ihre Daten an und überschätzen ganz allgemein die Bedeutung ihrer Ergebnisse. Statistiken sind keine offensichtlichen Fakten, sondern werden geschaffen, missverstanden und manipuliert, weshalb sich Politiker und Unternehmen manchmal ihrer bedienen, um ein unvollständiges Bild zu zeichnen.Wie können kritische Denker verschrobene Ansichten, die nicht durch Beweise gestützt werden, von vernünftigen Theorien unterscheiden, die vielleicht eine ernsthafte Überlegung wert sind? Dieses Problem wird manchmal als Frage der Behauptbarkeit bezeichnet, weil man sich fragt, welche Beweise es erlauben, zu behaupten, dass die Behauptung wahr ist.
Hier finden Sie eine nützliche Checkliste für die Prüfung wissenschaftlicher Theorien:
Wie gut verträgt sich die These mit dem gesunden Menschenverstand? Ist die These unsinnig?Wer hat die These aufgestellt, und besteht bei dieser Person eine Voreingenommenheit, dass sie wahr ist?Verwenden die Vertreter dieser These Statistiken auf ehrliche Art und Weise? Werden Verweise auf andere Arbeiten angeführt, die den Ansatz unterstützen?Erklärt die These zu viel – oder zu wenig –, um nützlich zu sein?Wie offen sind die Befürworter der These in Bezug auf ihre Methoden und Daten?Wie viele freie Parameter gibt es? Das heißt, wie viele künstlich festgelegte Einstellungen, die die Theorie einschränken und beeinflussen?Kritisch denkende Menschen schätzen bei Texten aller Art das Zielpublikum ein. Im Folgenden finden Sie einige allgemeine Ansätze für kritisches Denken bei bestimmten Arten von Texten, die sich an bestimmte Zielgruppen richten:
Akademische Studien und Berichte: Diese Texte beginnen in der Regel mit einer Zusammenfassung, während der Hauptteil gewöhnlich einem bestimmten Muster folgt: ein Abschnitt, in dem das Problem umrissen wird, ein Abschnitt, der erklärt, was bereits darüber gesagt wurde, und der wichtigste Abschnitt über die Forschungsmethoden. In letzterem Abschnitt erklärt der Autor, warum er sich entschieden hat, das jeweilige Thema auf eine bestimmte Weise zu erforschen. Der größte Teil des Berichts befasst sich dann mit dem, was mit dieser Methode herausgefunden wurde, und die letzten Abschnitte präsentieren die Schlussfolgerungen, die aus dieser Forschung gezogen werden.Artikel in Fachzeitschriften: Diese beginnen in der Regel mit einer separaten Zusammenfassung, der sogenannten Synopse. Der Hauptteil gibt zunächst einen Überblick über den Kontext des Themas und untersucht mehrere mögliche Positionen, die alle mit sehr detaillierten Verweisen versehen sind. Der letzte Absatz kann durchaus als »Schlussfolgerung« bezeichnet werden. Er führt alles zusammen, was zuvor diskutiert wurde. Die Zusammenfassung und die Schlussfolgerung vieler wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel sind sehr ähnlich.Zeitschriftenartikel: Diese beginnen unter Umständen mit einer kleinen Geschichte oder einer einleitenden Frage, auf die eine Diskussion folgt, die im weiteren Verlauf immer ausführlicher wird – und am Ende vielleicht mit einer Überraschung aufwartet!Zeitungsartikel: Normalerweise werden alle wichtigen Punkte bereits in der ersten Zeile genannt! Der zweite Absatz baut dann auf dieser Einleitung auf und mündet in den eigentlichen, der dasselbe ausführlicher ausbreitet. Zeitungsartikel heben sich das Beste nicht bis zum Schluss auf, denn aus produktionstechnischen Gründen wird das Ende des Artikels als Erstes gekürzt, wenn der Platz etwas knapp ist. Journalisten der alten Schule haben gelernt, ihre Artikel immer auf die gleiche Weise zu strukturieren: wer, was, wann, wo, warum, wie, in dieser Reihenfolge.
Tun Sie journalistische Texte nicht ab! Ihre Texte sind strukturiert und sie haben ein wichtiges Merkmal mit dem akademischen Schreiben gemeinsam: das Streben nach Unparteilichkeit.
»Was Sie sehen, sind Nachrichten, was Sie wissen, ist Hintergrund, was Sie fühlen, ist Meinung«, sagte der amerikanische Journalist Lester Markel.
Kritisches Denken und Argumentieren für Dummies
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2025
© 2025 Wiley-VCH GmbH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Germany
Original English language edition Critical Thinking Skills for Dummies © 2024 by Wiley Publishing, Inc. All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This translation is published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe Critical Thinking Skills for Dummies © 2024 by Wiley Publishing, Inc. Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Diese Übersetzung wird mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
Wiley, the Wiley logo, Für Dummies, the Dummies Man logo, and related trademarks and trade dress are trademarks or registered trademarks of John Wiley & Sons, Inc. and/or its affiliates, in the United States and other countries. Used by permission.
Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverfoto: © Who is Danny - stock.adobe.comKorrektur: Petra Heubach-Erdmann
Print ISBN: 978-3-527-72246-4ePub ISBN: 978-3-527-84963-5
Martin Cohen hat sich als Autor zahlreicher populärer Bücher in den Bereichen Philosophie, Sozialwissenschaften und Politik einen Namen gemacht. Neben seinem Plädoyer für kritisches Denken ist er vor allem für seine beiden Einführungen in die Philosophie, 101 Philosophy Problems (deutsch: 99 philosophische Rätsel) und 101 Ethical Dilemmas (deutsch: 99 moralische Zwickmühlen), bekannt. Beide Bücher fördern das kritische Denken. 101 Ethical Dilemmas zielt darüber hinaus auch auf Entscheidungsfindungskompetenzen ab. Beide Texte sind für dieses Buch von unmittelbarer Relevanz, da sie ihre Leser zum Argumentieren ermutigen und ihnen zeigen, wie man dabei vorgeht und wie man die Struktur von Fragen untersucht.
Er hat auch einen populären Überblick über die politische Philosophie, einen radikalen Überblick über die Welt in Form eines Reiseführers mit dem Titel No Holiday: 80 Places You Don’t Want to Visit und eine »Gegengeschichte« der großen Philosophen mit dem Titel Philosophical Tales veröffentlicht.
Martin Cohen ist Mitbegründer der Wiki-Site www.philosophicalinvestigations.org und hat Beiträge für hochkarätige Internetversionen bekannter Tageszeitungen verfasst, darunter das Wirtschaftsblog des Guardian, Food and Society des Independent und sogar den einen oder anderen Artikel für den Daily Telegraph.
Zu seinen jüngsten Projekten gehören die britische Ausgabe von Philosophy for Dummies und Mind Games: 31 Days to Rediscover Your Brain, ein Buch, das im Rahmen des nationalen Kunstprogramms von France Culture vorgestellt wurde. Sein aktuelles Projekt ist ein Buch über die Philosophie des Witzes und des Humors – eine interdisziplinäre Denkleistung für sich!
Es gibt nur wenige britische Philosophen, die diese Art von übertragbaren kritischen Denkfähigkeiten aktiv fördern (die meisten von ihnen sind reine Spezialisten), aber Martin Cohen glaubt seit Langem an den Wert dieser neuen sehr alten Art des Denkens. Er hat vor langer Zeit für einen nationalen Bericht des Vereinigten Königreichs recherchiert, in dem es darum ging, wie man die Philosophie nutzen kann, um Studenten aller Hintergründe und Interessen zu kritischen Denkern zu machen – bereit für ein breites Berufsspektrum.
Für Wod, ohne den dieses Buch, und vieles andere mehr, nicht möglich gewesen wäre.
Mein Dank gilt dem gesamten … für Dummies-Team, das aus Büchern mehr macht, als es der Autor alleine je schaffen würde.
Cover
Titelblatt
Impressum
Über den Autor
Widmung
Danksagungen
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Über dieses Buch
Törichte Annahmen über die Leser
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Einstieg ins kritische Denken
Kapitel 1: Die faszinierende Welt des kritischen Denkens
Die Tür zur Argumentationsklinik öffnen
Zwischen den Zeilen lesen
Was kritisches Denken nicht ist
Kapitel 2: Wie Menschen denken
Logisches oder instinktives Denken
Voreilige Schlüsse: Der Preis des schnellen Denkens
Dem Gehirn beim Denken zusehen
Eine Reise in die Köpfe von Wissenschaftlern
Antworten zu den Übungen in Kapitel 2
Kapitel 3: Ideen in die Köpfe pflanzen: Die Soziologie des Denkens
Sich fragen, ob Sie denken, was Sie zu denken glauben
Verbrauchernachfrage
Denken und Indoktrination: Propaganda
Die Schwierigkeiten, unvoreingenommen zu bleiben
An die Gefühle appellieren: Die Psychologie der Argumentation
Gedankenmanipulation und Überzeugungsarbeit
Kapitel 4: Die eigenen Denkfähigkeiten bewerten
Die eigene Denkweise entdecken
Mit Mythen über das Denken aufräumen
Verschiedene Arten von Intelligenz: Emotionen und Kreativität
Antworten zu den Übungen in Kapitel 4
Teil II: Ihre kritischen Denkfähigkeiten entwickeln
Kapitel 5: Kritisches Denken ist wie … Rätsel lösen: Denken mithilfe von Analogien
Erfindergeist erforschen und die eigene Vorstellungskraft nutzen
Verwirrende Vergleiche und verworrene Metaphern
Falsche Analogien aufdecken
Ein Gedankenexperimentator werden
Antworten zu den Übungen in Kapitel 5
Kapitel 6: Im Kreis denken: Die Kraft der Rekursion
Wie ein Computerprogrammierer denken
Sortieren, Auswählen, Verstärken, Generieren: Mit Design-Fertigkeiten neue Lösungen finden
Bestellen Sie sich ein schönes, frisches Argument! (Übung)
Antworten zu den Übungen in Kapitel 6
Kapitel 7: Grafische Hilfsmittel für das Denken
Grafische Werkzeuge: Mindmapping und Konzeptdiagramme
Einsatz grafischer Hilfsmittel
Andere Denkwerkzeuge in Betracht ziehen
Antworten zu den Übungen in Kapitel 7
Kapitel 8: Wissen konstruieren: Informationshierarchien
Aufbau der Wissenspyramide
Die Hierarchie des Wissens auf den Kopf stellen
Motivation aufrechterhalten: Wissen, Fertigkeiten und Geisteshaltungen
Antworten zu den Übungen in Kapitel 8
Teil III: Kritisches Denken in der Praxis
Kapitel 9: Zum Kern des Gelesenen vordringen
Kritisches Lesen als praktische Fertigkeit anerkennen
Zwischen den Zeilen lesen
Detektiv spielen: Beweise prüfen
Versteckte Annahmen aufspüren
Irrelevantes Material herausfiltern
Antworten zu den Übungen in Kapitel 9
Kapitel 10: Kritische Schreibfertigkeiten kultivieren
Gedanken auf dem Papier strukturieren
Den geeigneten Schreibstil wählen
Die Besonderheiten des kritischen Schreibens
Antworten zur Übung in Kapitel 10
Kapitel 11: Kritisches Sprechen und Zuhören
Formelle Gespräche optimal ausschöpfen
An Seminaren und Arbeitsgruppen teilnehmen
Demokratisierung der Lernumgebung
Antworten zu den Übungen in Kapitel 11
Teil IV: Argumentation und Auseinandersetzung
Kapitel 12: Die Logik echter Auseinandersetzungen entschlüsseln
Auseinandersetzungen im Alltag
Tiefer in reale Auseinandersetzungen eintauchen
Antworten zu den Übungen in Kapitel 12
Kapitel 13: Sich wie ein rationales Tier verhalten
Gesetze für logisches Denken
Probleme für die Logik
Wie Menschen die Logik nutzen
Ihre Argumentation stählen
Antworten zu den Übungen in Kapitel 13
Kapitel 14: Mit Worten überzeugen
Einführung in die Rhetorik: Wann ist eine Argumentation keine Argumentation?
Siegen, wenn man recht hat
Erfolgreich debattieren, wenn man falsch liegt
Eine Botschaft erfassen
Antworten zur Übung in Kapitel 14
Kapitel 15: Beweise vorlegen und Meinungen rechtfertigen
Die allgemeinen Auffassungen über die Welt infrage stellen
Wissenschaftlichem Denken auf den Grund gehen
Darauf bauen, dass Menschen keine Zahlen verstehen: Statistisches Denken
Antworten zu den Übungen in Kapitel 15
Teil V: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 16: Zehn logische Fallstricke und wie man sie vermeidet
Keine logische Folge
Der Zirkelschluss
»Schwarz-Weiß-Denken« vermeiden
Absichtlich unklar sein
Verwechslung von Zusammenhang und Ursache
Der Sonderfall
Wunschdenken
Ablenkungsmanöver schon von Weitem riechen
Angriff auf Strohmänner
Wortspiele mit Humpty Dumpty
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Kapitel 3
Abbildung 3.1: Es ist nicht immer einfach, zu seinen Überzeugungen zu stehen. Di...
Kapitel 5
Abbildung 5.1: Der Trick ist, dass Galilei uns auffordert, uns vorzustellen, das...
Kapitel 6
Abbildung 6.1: Die Straßen der Altstadt sind wie ein Labyrinth.
Abbildung 6.2: Eine Darstellungsmöglichkeit des Labyrinth-Problems durch einen C...
Kapitel 7
Abbildung 7.1: Eine Mindmap zum Kernthema »Verkehr«, wie sie zum Beispiel bei ei...
Abbildung 7.3: Wasser-Konzeptdiagramm. Eine vereinfachte Version eines der urspr...
Abbildung 7.2: Ein Flussdiagramm, das einen bestimmten Standpunkt demonstrieren ...
Abbildung 7.4: Ein Konzeptdiagramm mit einer Linie
Abbildung 7.5: Ein einfaches Diagramm, das die konzeptionelle Arbeit einleitet
Kapitel 8
Abbildung 8.1: Wissen konstruieren: Eine Visualisierung des Verhältnisses von Da...
Abbildung 8.2: Blooms ursprüngliches Dreieck
Abbildung 8.3: Das neue Bloom'sche Dreieck
Kapitel 10
Abbildung 10.1: Ein einfaches Argument mit einer Zwischenfolgerung
Kapitel 12
Abbildung 12.1: Ein solch geringer Preis! Aber wo ist der Beweis?
Kapitel 13
Abbildung 13.1: Aufbau eines überzeugenden Aufsatzes
Kapitel 15
Abbildung 15.1: Der Linien-Test: Welche Linie ist Ihrer Meinung nach die richtig...
Cover
Titelblatt
Impressum
Über den Autor
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Fangen Sie an zu lesen
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Kritisches Denken! Na, das klingt doch mal nach einer guten Idee. Kritisches Denken ist eine Art aufpoliertes, messerscharfes, leistungsfähiges Denken, das nur darauf wartet, faule Argumente zu vernichten und stattdessen brillante Einsichten zu liefern. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, wenn man Ihnen sagt, dass es sich dabei um eine ziemlich anspruchsvolle Art des Denkens handelt. Oder dass nur wenige dazu in der Lage sind, vor allem hochnäsige Professoren, die Witze auf Latein erzählen (dimidium facti qui coepit habet – »Einmal begonnen ist halb schon getan«). Das alles hat mit kritischem Denken überhaupt nichts zu tun. Kritisches Denken ist keineswegs nur den Besserwissern vorbehalten, sondern vor allem für die Neugierigen, die Fantasievollen, die Kreativen gemacht. Es ist mir allerdings ein Rätsel, warum es nicht alle tun. Ich habe eine Theorie dazu, und sie hat mit der Ausbildung und den Arbeitsweisen zu tun, die den Menschen aufgezwungen werden – angeblich als Vorbereitung auf das Leben draußen. Dabei geht es im Leben da draußen selten nur darum, unreflektiert festgelegte Verfahren und Anweisungen zu befolgen, sondern vielmehr darum, ständig darüber nachzudenken, was man tut und warum, und nicht wie eine Maschine zu handeln, sondern wie ein Mensch. Das Erste, was ein kritischer Denker lernen muss, ist also, das Undenkbare zu denken, über den Tellerrand hinauszuschauen und den Kopf frei zu bekommen.
Klingt das idealistisch? So nach 1960er-Jahre und Hippies mit Blümchen? Zugegeben, ein bisschen Idealismus steckt im kritischen Denken so wie in allen guten Dingen. Aber es bietet auch eine Menge Struktur und wird durch solide Forschung untermauert. Dieses Buch gibt Ihnen, was Sie von beidem brauchen – und viele Gelegenheiten, Ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und zu testen. Ich habe im Laufe der Jahre viel gelernt und gelehrt, und es ist mir ein Rätsel, warum so viele Menschen glauben, dass Denken – und dann auch noch kritisches Denken – etwas ist, das man auswendig lernen kann: das heißt, indem man eine Sammlung von Fakten (einen Wissensbestand) mit richtigen und falschen Antworten aufschreibt und auswendig lernt. Leitfäden zum kritischen Denken, die unklare Zusammenhänge herstellen und Fachbegriffe auflisten, die gelernt werden sollen, fördern das passive, aber nicht das aktive Denken. Auswendiglernen ist in Ordnung, wenn man sich nur mit Problemen der Vergangenheit befassen will. Aber es wird kaum neue Erkenntnisse oder Ideen zutage fördern. Es ist sogar das Gegenteil von dem, was kritisches Denken ausmacht. Kritisches Denken ist tatsächlich ein Bündel erlernbarer Fähigkeiten, das man für einen Anlass erlernt, aber mit dem gleichen Nutzen auf andere Anlässe anwenden kann. Diese Fähigkeiten decken die gesamte Bandbreite akademischer Disziplinen ab und lassen sich in allen Bereichen menschlichen Handelns nutzbringend anwenden. Deshalb ist kritisches Denken auch beim Erlernen von Designfertigkeiten, in der Krankenpflege, in der Wirtschaft und sogar beim Sport nützlich: Es ist wirklich ein Werkzeugkasten, mit dem man das Beste aus seinem Leben machen kann.
In diesem Buch finden Sie neben den traditionellen Fertigkeiten des kritischen Denkens, bei denen es im Großen und Ganzen darum geht, logische Fehler zu vermeiden und die Regeln einer guten Aufsatzstruktur zu befolgen, eine Menge mehr Informationen und Anregungen. Die meisten anderen Bücher konzentrieren sich auf diese Aspekte des kritischen Denkens, weil es leicht ist, darüber zu reden, aber schwieriger, jemanden dazu zu bringen, es tatsächlich zu tun. Wie die Philosophie selbst (und kritisches Denken ist traditionell ein Teilbereich der Philosophie) kann man die Methode nur dann richtig verstehen, wenn man die Fertigkeiten in der Praxis anwendet. Was ich hier also anbiete, ist eine Art Übersicht oder Leitfaden, der sich als nützlich erweisen wird, wenn Sie beginnen, kritisches Denken aktiv in den von Ihnen gewählten Bereichen einzusetzen. Ich gebe Ihnen genügend Hintergrundinformationen zu den akademischen Debatten, damit Sie sowohl das »Warum« als auch das »Was« erkennen können, zahlreiche praktische Tipps und Ratschläge, damit Sie das »Wie« beherrschen, und natürlich auch einige Gelegenheiten, diese Informationen in praktischen Übungen auszuprobieren.
Zu den oft vernachlässigten Schlüsselfertigkeiten des kritischen Denkens zählt, dass man sein »Publikum« kennt und sich in dieses Publikum einfühlen kann. In diesem Fall heißt das, zu verstehen, was die Zuhörer, Zuschauer oder Leser bewegt. Beim Verfassen dieses Buches muss ich, genau wie beim Schreiben eines Aufsatzes oder bei der Vorbereitung eines Berichts, die Interessen und Bedürfnisse der voraussichtlichen Leser im Auge behalten.
Ich gehe davon aus, dass Sie
sich für Ideen interessieren und dafür, wie man sie vermitteln kann
bereits wissen, dass es einen Unterschied gibt zwischen kritischem Denken und einfachem Kritisieren ohne Nachdenken
ein schlechtes Argument durchschauen können wollen
wissen, wie man ein überzeugendes Argument konstruiert – obwohl ich keine Vermutungen darüber anstelle,
worüber
Sie argumentieren werden, oder über den Kontext, in dem Sie studieren oder arbeiten
Ob Sie jung oder alt, männlich oder weiblich, Ingenieur oder Philosophin sind, macht für mich keinen Unterschied – das Buch kommt ohne Jargon aus und ist frei zugänglich.
Sie könnten Vorstandsvorsitzender oder Präsidentin sein, aber Sie werden keine speziell darauf abgestimmten Abschnitte in diesem Buch finden. Ich gehe jedoch davon aus, dass Sie ein Student oder eine Studentin sein könnten, vielleicht am Anfang Ihres Studiums oder vielleicht schon so weit fortgeschritten, dass Sie aufgefordert werden, eine Dissertation zu verfassen. Denn, ob Sie es glauben oder nicht, kritisches Denken ist eine Fähigkeit, bei der selbst Doktoranden oft Defizite aufweisen. Diese Defizite sind die Ursache für eine Menge fragwürdiger Forschung und politischer Entwicklungen in der ganzen Welt. Ich gehe also davon aus, dass der potenzielle Leser auch eine moralische Absicht hat. Sie wollen besser und klarer denken: Sie wollen es richtig machen und nicht nur genug wissen, um die Prüfung zu bestehen.
Wenn Sie andererseits nur ungern kritisch denken, dann lassen Sie mich versuchen, Sie zu bekehren. Denn ich weiß, dass es da draußen eine Menge langweiliges Zeug über informelle Logik und die Strukturierung von Aufsätzen gibt, und ich habe gewiss nicht die Absicht, dazu beizutragen. Falls Sie also zunächst nur das Minimum wollen, um die Prüfung zu bestehen, sind Sie hier trotzdem richtig. Auch wenn kritisches Denken bisweilen als eine Zusammenstellung durch und durch dröger Fertigkeiten daherkommt, werden Sie hier feststellen, dass dem Eintopf eine Menge Würze hinzugefügt wurde, die alles viel schmackhafter macht.
Ich verwende dieses Symbol, um Sie auf detailliertere Erklärungen wichtiger Ideen oder Theorien hinzuweisen, die Techniken und Fertigkeiten des kritischen Denkens verdeutlichen.
Mit diesem Symbol hebe ich wichtige Fakten und Ideen hervor, die Sie sich vielleicht merken sollten. Wenn Sie die betreffenden Dinge bereits wissen, wird es manchmal eher wie eine Erinnerung wirken.
Damit wird ein einfacher Gedanke hervorgehoben, mit dem man sowohl akademische Ziele des kritischen Denkens erreichen kann (zum Beispiel, wie man ein Argument auseinandernimmt), als auch allgemeinere Fertigkeiten des kritischen Denkens, beispielsweise, wie man anderen Menschen Raum gibt, ihre Ideen zu entwickeln, anstatt bei der ersten Meinungsverschiedenheit abzuschalten.
Ich behalte mir dieses beängstigende Symbol vor, um sowohl auf praktische Fallstricke als auch auf Theorien hinzuweisen, die ihre negativen Seiten haben.
Sie können dieses Buch lesen, wie Sie wollen. Es ist in Ordnung, wenn Sie nur ein paar Teile lesen, die Ihnen besonders relevant erscheinen, oder wenn Sie das ganze Buch an einem Abend durcharbeiten (nehmen Sie es mit ins Bett), oder wenn Sie es überfliegen, während Sie Chips essen und fernsehen.
Ich würde Ihnen sogar empfehlen, es nicht wie ein Lehrbuch zu behandeln, bei dem Lektion eins zu Lektion zwei führt, denn der kluge Leser weiß (und der kritische Denker ist ein kluger Leser), dass Informationen am besten verdaut werden, wenn sie mit etwas verbunden sind, das man aktuell und zuverlässig wissen muss. Nur Sie können sagen, worum es sich in dem Moment handelt, in dem Sie sich das Buch ansehen, darüber nachdenken oder daran interessiert sind. Nutzen Sie also das Inhaltsverzeichnis, die Inhaltsangabe oder die wertvolle Methode des »Durchblätterns«, um die Teile zu finden, die Ihnen relevant erscheinen, und nehmen Sie sie dann auf. (Da ich davon ausgehe, dass viele Leserinnen und Leser dieses Buch nur kurz durchblättern werden, habe ich versucht, das Material in klar gekennzeichnete Abschnitte zu gruppieren, die jeweils mit einer 30-sekündigen Einleitung versehen sind, sodass Sie bei Bedarf schnell bestimmte Aspekte nachlesen können.)
Wenn Sie jedoch meinen Rat wollen, wo Sie anfangen sollten (und warum auch nicht – ich habe das Buch geschrieben, also sollte ich etwas darüber wissen), würde ich Ihnen die folgenden Kapitel als geeigneten Einstieg empfehlen:
Kapitel 1
: Hier begrüße ich Sie in der »Argumentationsklinik« und erkläre ein wenig, was kritisches Denken ist.
Kapitel 4
: »Bewertung Ihrer Denkfähigkeiten« enthält einen ziemlich coolen Test, wie ihn auch böse Arbeitgeber einsetzen könnten, und ist auch ziemlich unterhaltsam. Aber lesen Sie es nicht aus diesem Grund, denn das ganze Buch ist amüsant.
Kapitel 9
: »Zum Kern der (Lese-)Sache vordringen« ist ein weiterer möglicher Einstiegspunkt.
Diese Kapitel klingen ein wenig ernst, aber sie sind auch ein guter Einstieg, denn durch das Lesen kommen die meisten Menschen auf neue Ideen und entwickeln ihre Ansichten. Vergessen Sie nicht, dass dies wahrscheinlich der Grund ist, warum Sie dieses Buch überhaupt in die Hand nehmen. Was könnte besser sein, als dieses Buch einfach nur zu lesen? Es zu lesen und dabei kritisch zu denken!
Teil I
IN DIESEM TEIL …
Entdecken, wie Menschen denkenDie Soziologie des Denkens verstehenDie eigenen Denkfähigkeiten bewertenKapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Ein Überblick über die DenkfähigkeitenWertvolle Tipps zur ProblemlösungVerbreitete Missverständnisse vermeidenUnterschätzen Sie niemals die Macht der »knallharten Fakten«! Fakten werden oft als Beweis für einen Standpunkt herangezogen, und darauf scheint es letztlich anzukommen. Aber Fakten sind außerhalb einer Argumentation wirkungslos.
Was meine ich damit? Ich meine eine logische Struktur, keinen Schlagabtausch. Und ob sanft ausgesprochen oder zum Abschluss eines Aufsatzes verwendet, die Logik echter Argumente ist beeindruckend, weil man der Logik nichts entgegensetzen kann. Kritisches Denken ist jedoch viel mehr, als nur logisch zu sein. Daran erinnert Captain Kirk in der beliebten Fernsehserie Star Trek immer wieder seinen Ersten Offizier Spock. Beim kritischen Denken geht es darum, die Dinge zu hinterfragen, ein wenig skeptischer zu sein und generell alles genauer zu betrachten. Das betrifft nicht nur sachliche Behauptungen, es geht auch und vor allem um die Art und Weise, wie Menschen zu ihren Ansichten und Ideen kommen. Deshalb erfordert kritisches Denken nicht nur einen kühlen Kopf, sondern auch Vorstellungskraft und sogar ein wenig Herz – ein unterstützendes Quäntchen emotionale Intelligenz.
Sie fragen sich vielleicht, warum sich die Mühe machen? Gute Frage! Ich bin schon bei vielen Vorstellungsgesprächen durchgefallen, weil ich ein kritischer Denker bin. Chefs, Abteilungsleiter, Leute in der Kantine und viele andere Menschen schätzen diejenigen, die mit ihnen einer Meinung sind, denn für viele ist das der eigentliche Grund, Chef zu werden! Gleichzeitig gibt es in der Welt keinen Mangel an erfolgreichen Menschen, die peinlich genau jeden Anschein vermeiden, überhaupt zu denken, von kritischem Denken ganz zu schweigen. Meine kurze Antwort auf die Frage, »Warum man ein kritischer Denker sein sollte«, lautet also, dass das kritische Denken die beste Art zu denken ist, auch wenn das manchmal bedeutet, dass man in vielen Dingen ein Außenseiter ist und bleibt. Kritische Denker verfolgen die »Mission Wahrheit«, und die Belohnungen, die sich daraus ergeben, gehen über Aufsatznoten und berufliche Beförderungen hinaus. Aber seien wir optimistisch – es kann sicherlich auch dabei helfen!
In diesem Kapitel gebe ich einen Überblick über kritisches Denken und darüber, was Sie im Rest des Buches finden können. Außerdem gehe ich auf die Bedeutung des »Lesens zwischen den Zeilen« ein und stelle klar, was kritisches Denken nicht ist.
Vielleicht sind Sie dazu erzogen worden, nicht zu streiten. In der Schule wurden Sie wahrscheinlich dazu angehalten, still zu sitzen und Fakten aufzuschreiben. Bei mir war das jedenfalls so. Als ich fünf Jahre alt war, hat eine Lehrerin sogar Kindern den Mund mit Klebeband zugeklebt! (Ja, mir auch.) Seitdem hatte ich einige sehr aufgeklärte Lehrer, die mich ermutigten, meine Fantasie zu benutzen, Probleme zu lösen oder zu recherchieren, aber immer noch nicht, zu diskutieren und zu argumentieren.
Willkommen bei einer ganz anderen Art, die Welt zu sehen: kritisches Denken. Vielleicht fühlen Sie sich an den berühmten Monty-Python-Sketch (»Argument Clinic«, deutsch: Streitklinik) erinnert, in dem Kunden für fünfminütige oder stundenlange Auseinandersetzungen bezahlen können. »Nein, ist sie nicht. Doch, ist sie. Sie sagen immer noch, dass es nicht so ist? Aber ja, es ist so!«
Wie der Sketch zeigt, handelt es sich dabei jedoch nicht um eine richtige Auseinandersetzung. Vielmehr widersprechen die beiden Kontrahenten einfach stur den Aussagen des anderen in Form einer Kette von Behauptungen, die eine Aussage begründen sollen. Wenn die Fähigkeit, Menschen zu widersprechen, alles ist, was Sie nach der Lektüre dieses Buches mitnehmen, dann hätten Sie, wie der Mann in dem Sketch, Anspruch auf eine Rückerstattung. Keine Sorge, Sie werden hier so viele verschiedene Arten kennenlernen, Dinge zu betrachten, dass Sie sich bald stundenlang über alles Mögliche auseinandersetzen können.
Mein Ziel ist es, Ihnen am Ende dieses Abschnitts einen Überblick über das kritische Denken vermittelt zu haben.
Wenn Sie in einem Wörterbuch nachschlagen, finden Sie kritisches Denken als philosophische Prüfung von Argumenten definiert. Nun bin ich ein Philosoph. Aber ich sage, auch auf die Gefahr hin, die Experten im Elfenbeinturm gleich zu verärgern, dass diese Art von Philosophie nicht die Art ist, die die meisten Philosophen betreiben oder von der sie Ahnung haben. Sicher, Kapitel 12 zeigt, dass das kritische Denken ein Standbein im Bereich der Logik hat, indem es Argumente in strukturierter Form als Prämissen darlegt und anschließend Schlussfolgerungen zieht. Aber wenn das alles wäre, könnte man diese Aufgabe genauso gut einem Computer überlassen.
Beim kritischen Denken geht es in Wirklichkeit um eine Reihe von Fertigkeiten und Kenntnissen, darunter die Fähigkeit, mit Worten zu spielen, ein Gespür für Zusammenhänge, Gefühle und Emotionen und (die am schwierigsten zu entwickelnde Fertigkeit) die Art von Aufgeschlossenheit, die es erlaubt, kreative Sprünge zu machen und Erkenntnisse zu gewinnen.
Ich weiß, dass es recht anspruchsvoll erscheint, die Entwicklung dieser Fertigkeiten in einem einzigen Buch anzustreben. Aber kritisches Denken ist auch ein Denken im Team, und ich stütze mich auf die Ideen vieler anderer Denker, einschließlich vieler Beiträge meiner Redakteure bei Wiley. Sie erhalten also nicht meine Meinung über kritisches Denken, sondern eine sorgfältig recherchierte und lebhafte Einführung in dieses Thema.
Professoren mögen die Nase rümpfen, aber ich bevorzuge Übungen, die Spaß machen oder interessant sind. Und natürlich habe ich mich bemüht, die Übungen in diesem Buch in diesem Sinne zu gestalten. Hier ist eine eher triviale kleine Übung, die nichtsdestotrotz etwas Wichtiges über die Funktionsweise des menschlichen Verstandes veranschaulicht.
Sollte man sagen: »Der Dotter im Ei ist weiß« oder »Der Eidotter ist weiß«?
Als ich diese Frage zum ersten Mal sah, dachte ich eine Minute lang nach – und dann gab ich auf und suchte nach den Antworten. Das ist meine Methode bei schriftlichen Aufgaben, mit der ich mir meine begrenzte Gehirnleistung für Dinge aufhebe wie fernsehen und gleichzeitig eine Tüte Chips leeren! Aber ich schweife ab (das ist nicht gut beim kritischen Denken). Über diese Dotterfrage kann man sich fünf Minuten lang streiten, aber nicht eine Stunde lang, denn keine der beiden Versionen ist richtig: Eidotter ist gelb. Huch! Haben Sie sich ertappt?
Diese Übung macht deutlich, dass die normale Denkweise des Menschen aufgrund einer jahrtausendealten Evolution an bestimmte Regeln und Systeme gebunden ist. Im Fachjargon der Psychologie heißt das, dass sich das menschliche Denken bestimmter Heuristiken bedient (mentale Abkürzungen zur schnellen Problemlösung und Urteilsbildung).
Das Problem ist, dass automatische und etablierte Denkweisen uns daran hindern können, neue Möglichkeiten zu sehen oder unerwartete Fallstricke zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die große Mehrheit der Menschen denkt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Obwohl es manchmal schnell und effizient ist, kann es unter bestimmten Umständen zu falschen Schlussfolgerungen führen.
Kritisches Denken ist Ihre Versicherungspolice gegen diese fragwürdigen, aber mehr oder weniger universellen Denkgewohnheiten.
Beim kritischen Denken geht es darum, nicht nur die Schlussfolgerungen des Gelesenen oder Gehörten aktiv zu hinterfragen, sondern auch die Annahmen – ob offen oder versteckt – und den allgemeinen Bezugsrahmen. (Kritisches Lesen wird in Kapitel 9 ausführlich behandelt.)
Kritische Denker gehen ohne vorgefasste Annahmen oder gar Vorurteile gegenüber bestimmten Schlussfolgerungen an ein Thema heran. Wie Professor Stella Cottrell, ehemalige Direktorin für lebenslanges Lernen an der Universität Leeds im Vereinigten Königreich und Autorin eines populären Leitfadens zu diesem Thema, sagt, sind kritische Denker durchaus bereit, ein gutes Argument anzuerkennen, das ihnen widerspricht, und werden sich weigern, auf ein schlechtes Argument zurückzugreifen, selbst wenn es das einzige zu sein scheint, das sie unterstützt.
Wenn Sie einen kritischen Denker im Sinne von Dr. Frankenstein erschaffen wollen, benötigen Sie die folgenden Fähigkeiten und Eigenschaften:
Toleranz: Kritische Denker freuen sich über abweichende Meinungen und genießen eine echte Debatte.Analytische Fertigkeiten: Kritische Denker akzeptieren nicht jedes beliebige Gerede. Sie legen Wert auf gut konstruierte Argumente, die Begründungen liefern und fundierte Schlussfolgerungen ziehen.Selbstvertrauen: Kritische Denker müssen ein gewisses Maß an Selbstvertrauen haben, um die Ansichten anderer – oft Autoritätspersonen – zu hinterfragen.Neugierde: Kritische Denker brauchen Neugierde. Sie ist die wesentliche Zutat für Ideen und Erkenntnisse.Wahrheitssuche: Kritische Denker sind auf der Suche nach der »objektiven Wahrheit«, selbst wenn diese ihre eigenen, zuvor gehegten Überzeugungen und lang gehegten Vorstellungen untergräbt und ihren eigenen Interessen zuwiderläuft.Kritische Denker wissen, dass die wirklichen Debatten zwischen den Zeilen und allzu oft unter dem geistigen Radar stattfinden. Die Aufgabe des kritischen Denkers ist es, die wirklichen Probleme ans Tageslicht zu bringen und sie, wenn nötig, zu zerschlagen!
Ich stelle Ihnen hier einige der wichtigsten Fertigkeiten des kritischen Denkens vor: »zwischen den Zeilen lesen«, die Beweise prüfen und Texte schnell dekonstruieren. (In den Kapiteln in Teil 3 finden Sie viele weitere Informationen zu genau diesen Fertigkeiten.)
Kennen Sie Menschen, deren Ansichten nicht auf einer rationalen Einschätzung der Welt zu beruhen scheinen, sondern eher auf fragwürdigen, leicht verständlichen Informationen, oder sogar auf unverhohlenen Vorurteilen? Ich auch. Und mehr noch, zumindest einige meiner Ansichten – und einige Ihrer Ansichten – fallen ebenfalls in diese eher unlogische Kategorie. Tatsache ist, dass Aristoteles zwar den Menschen (nicht die Frauen, denn er war eindeutig voreingenommen) als »rationales Tier« ansah, als ein Lebewesen mit einer einzigartigen Fähigkeit zur Vernunft. Die Menschen aber nutzen ihre rationale Fähigkeit in der Praxis nur selten. (Auf dieses Thema gehe ich in Kapitel 13 näher ein.)
Eine subtilere Erscheinungsform ist, dass Menschen oft gute Gründe für ihre Standpunkte anführen, in Wirklichkeit aber aus ganz anderen Gründen zu ihren Ansichten kommen. Die guten Gründe stellen sich als irrelevant heraus, wenn einige solide Argumente vorgebracht werden, die sie eher widerlegen. Nehmen wir zum Beispiel an, Ihre Nachbarn kaufen einen Geländewagen mit Allradantrieb und bestehen darauf, dass sie ihn unbedingt brauchen, wenn die Familie auf weniger gut ausgebauten Straßen oder übers Land fährt. Tatsache ist jedoch, dass sie selten weiter weg als bis zum nächsten Supermarkt fahren und es hassen, ihr glänzendes Auto schmutzig zu machen. Könnte der wahre Grund darin liegen, dass ein Auto in der Größe eines Panzers ihr Gefühl der Selbstherrlichkeit verstärkt?
Oder vielleicht meint die Regierung, sie müsse Studiengebühren erheben, weil sonst nicht genug Geld für alle da ist, die in Zukunft studieren wollen. Ein guter Grund! Länder wie die USA, das Vereinigte Königreich und Japan verlangen von ihren Studenten Studiengebühren. Wird dadurch eine Menge Geld für die Bildung freigesetzt? Nein, Studiengebühren sind sehr kostspielig, und im Falle des Vereinigten Königreichs sind sie sogar teurer als das frühere allgemeine Stipendiensystem. (Dies ist auch ein Faktor für die hohen Gesundheitskosten in den USA.) Könnte der wahre Grund für die Erhebung von Gebühren für Dienstleistungen also eher politischer Natur sein?
Es mag praktische Argumente für die Erhebung von Gebühren für Dinge wie Gesundheit und Bildung geben, aber wie erwähnt, das führt in den Bereich der Politik. Ich will mich weder für das eine noch für das andere aussprechen, aber ich empfehle, sich die Gründe und Erklärungen der Menschen etwas genauer anzuschauen.
Ich betrachte kritisches Denken als einen Werkzeugkasten. Philosophen haben eine lange Tradition darin, Argumentationsfähigkeiten als Werkzeuge zu betrachten. (Mehr dazu finden Sie im Kasten »Die Werkzeuge des Aristoteles«.)
Die berühmtesten Schriften zum Thema »wie man argumentiert« sind die 2.000 Jahre alten Bücher von Aristoteles. Seine Anhänger trugen sie zusammen und nannten die Sammlung »Organon«, was auf Griechisch »Werkzeug« bedeutet. Interessanterweise spiegelt dieser Titel eine Kontroverse im Herzen der Philosophie wider, die nie verschwunden ist: Ist die Logik die reinste Form der Philosophie oder lediglich ein Werkzeug, das die Philosophen benutzen? Dieses kleine altgriechische Wort ist also erstaunlich politisch und ergreift Partei in einer Bildungskontroverse, die bis heute andauert.
Kritisches Denken ist nicht nur ein einzelnes Werkzeug, sondern eine Sammlung von Werkzeugen, die viel mehr leisten können, als den meisten seiner Experten bewusst zu sein scheint – weil die meisten von ihnen von einer zu schmalen Basis ausgehen.
Logik ist ein zentrales Werkzeug für kritisches Denken. Man kann die Art von Logik, die es verwendet, als einen geistigen Schraubenzieher mit zwei verschiedenen Funktionen sehen: Er ermöglicht es, Argumente völlig auseinanderzunehmen und sie dann zu reparieren und wieder zusammenzusetzen.
Kritisches Denken kann auch kreativ eingesetzt werden, beispielsweise beim Prototyping und Brainstorming (siehe Kapitel 6 und 7). Diese Fertigkeiten eignen sich hervorragend, um neue Lösungen zu entwickeln und Optionen zu visualisieren. Vergessen Sie auch nicht die sozialen und emotionalen Komponenten des kritischen Denkens (die ich in den Kapiteln 3 sowie 4 behandle). Ich betrachte diese Komponenten gerne als die Messinstrumente im Baukasten, unter anderem auch als die Wasserwaage.
Philosophische und mathematische Logik ist ein einsamer Prozess: Eine Person (oder ein Computer) kann es mit der ganzen Welt aufnehmen. Nachdem man einen formalen Beweis durchgespielt und einen Widerspruch gefunden hat, ist die Sache erledigt! Kritisches Denken hingegen bedeutet, Argumente, Methoden, Ideen und Erkenntnisse infrage zu stellen und den Kontext und den Hintergrund zu hinterfragen. Das ist wesentlich geselliger, weil Menschen dabei gemeinsam Wahrheiten erforschen und schaffen können.
In dieser Reihenfolge, bitte! Unkritische Denker beginnen mitunter mit dem Argumentieren und legen dann eine Pause ein, um zu analysieren und schließlich nach Gründen zu suchen. Aber es ist viel besser, wenn das Argument der Argumentation folgt (und nicht umgekehrt).
Philosophen ziehen es vor, kritisches Denken als einen Kurs in informeller Logikzu betrachten: das Studium von Argumenten, die in natürlicher Sprache ausgedrückt werden, wobei es nicht ausreicht, dass ein Argument gültig ist – die Schlussfolgerung muss auch sinnvoll sein. In den Kapiteln des vierten Teils geht es genau darum, und ich werfe einen Blick auf die Schlüsselfertigkeiten der informellen Logik (zum Beispiel die »Irrtümer«, die viele Experten für kritisches Denken beklagen). Aber freuen Sie sich nicht zu sehr auf die Aussicht, mithilfe der Logik die Welt zu erobern, denn Sie werden sehen, dass Ihre Möglichkeiten streng begrenzt sind.
Der Unterschied zwischen einem stichhaltigen Argument und einem Trugschluss ist oft alles andere als eindeutig. Das soll nicht heißen, dass Menschen nicht auch viele dumme Fehler machen und miserable Argumente vorbringen. Entsprechende Beispiele finden Sie in Kapitel 16.
Andererseits sollten Sie sich durch diese Aspekte nicht davon abhalten lassen, beim Denken, Schreiben (siehe Kapitel 10) und Sprechen (siehe Kapitel 11 und 14) logische Fertigkeiten anzuwenden, denn schon mit ein wenig Methode können Sie Ihre Argumente überzeugender gestalten und die Schwächen der Argumente anderer aufzeigen.
Es gibt viele Arten von Logik: klassische Logik, Boole'sche Logik, Quantenlogik, Satzlogik, und wie wäre es mit ein wenig mehrwertiger Logik oder Prädikatenlogik? Gesprenkelt mit Fuzzy-Logik? Nein! Vergessen Sie nicht, zu atmen …
Kritisches Denken ist keine hinterhältige Methode, mit der man Schüler dazu zu bringen versucht, Logik zu lernen. Es ist nicht einmal ein Logik-Übungszentrum! Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen allen üblichen Logiken und derjenigen, die kritische Denker zu ihren Werkzeugen zählen: die informelle Logik. Alle anderen Logiken befassen sich mit der Form der Argumente, aber nur die informelle Logik, wie der Name schon sagt, befasst sich auch mit dem Inhalt der Argumente – mit Fragen und Anwendungen.
Forscher haben oftmals festgestellt, dass Menschen auf Nachfrage nicht wirklich erklären können, warum sie eine bestimmte Ansicht vertreten oder was ihrer Meinung nach als geeigneter Beweis für diese Ansicht gelten würde. Noch besorgniserregender für die Gesellschaft ist, dass dieselben Menschen extrem hartnäckig bleiben, wenn andere ihre Ansichten infrage stellen. Fertigkeiten im kritischen Denken sind das Gegenmittel gegen dieses weitverbreitete Übel.
Auf dem aufzubauen, was man bereits denkt, ist entscheidend für künftiges Wachstum, aber vielleicht erfordert es auch die Bereitschaft, alte Ideen und Überzeugungen zu verwerfen. Die meisten Menschen lernen jedoch lieber neue Dinge, als dass sie alte Theorien ausmisten.
Der amerikanische Philosoph C. S. Peirce aus dem neunzehnten Jahrhundert unterschied drei Arten von Denkern, die ich hier (ein bisschen kreativ) wie folgt zusammenfasse:
Starrköpfe: Menschen, die ihre Überzeugungen durch hartnäckiges Festhalten an der Ansicht bilden, die ihnen ursprünglich am besten gefallen hat – unabhängig von eventuell vorliegenden Beweisen und sich verändernden Umständen. Wenn man sie bittet, ihre Ansicht zu begründen, suchen sie sehr gründlich nach Fakten, die diese Ansicht stützen, weigern sich aber gleichzeitig, alles zu prüfen, was dagegenspricht. (Mit Fakten und Meinungen befasse ich mich in Kapitel 15.)Anhänger: Menschen, die alles und jeden respektieren, der sich als Autorität präsentiert. Sie formen ihre Meinung in einer Gruppendiskussion auf der Grundlage dessen, was die Professorin ihrer Meinung nach aussagt, oder – in Ermangelung einer Autoritätsperson – auf der Grundlage dessen, was sie sich als Konsensmeinung vorstellen. Wenn sie etwas im Internet nachschlagen, verlassen sie sich auf die Sicherheit von Wikipedia (so wie sie es sich vorstellen!) und konsultieren nur ungern von Einzelpersonen betriebene Websites.Diese Art Denker sind, wie Peirce sagt, nützliche Mitglieder der Gesellschaft, weil sie zu sozialer Harmonie und sozialem Zusammenhalt beitragen (obwohl sie auch Tyrannen anstacheln und marginalisierte Gemeinschaften verfolgen können). Aber sie sind nicht nützlich, wenn es um Ideen geht.
Systementwickler: Das sind Leute, die versuchen, alles in ein bereits bestehendes System einzuordnen. Sie sind eine anspruchsvollere Version der Starrköpfe. Die praktische Wissenschaft ist verpflichtet, nach einem ähnlichen Prinzip zu arbeiten. Systementwickler sind bereit, neue Informationen in Betracht zu ziehen, aber wenn dafür die bestehende Struktur ihres Weltverständnisses zerstört werden muss, werden sie sie wahrscheinlich ablehnen. Mehr darüber, wie Menschen Informationen verarbeiten, um Wissen aufzubauen, erfahren Sie in Kapitel 8.Peirce zufolge ist eine kluge Weltanschauung durch die Akzeptanz gekennzeichnet, dass alles, was man weiß, falsch sein könnte, und dass man notfalls von vorne anfangen muss. Oder aber man hat am Ende alle Ansichten zu einem Thema zerstört und keine Arbeitshypothese mehr. Nur ein wirklich kritischer Denker würde so etwas tun.
Fast alle Professoren der Geistes- und Naturwissenschaften sind ungeheuerlich eingebildet und beziehen ihr Glück aus ihrer Eitelkeit.
- Erasmus -
Man kann nicht immer sicher sein, ob Zitate wirklich wahr sind oder nur apokryph, das heißt weit verbreitet, obwohl sich niemand wirklich sicher ist. Bertrand Russell, ein britischer Philosoph und Logiker, schreibt dieses Zitat dem holländischen Humanisten aus dem 16. Jahrhundert zu. Und da er selbst ein Philosoph war, der bereit war, unpopuläre Ansichten zu vertreten (wie etwa die Tatsache, dass Krieg eine schlechte Sache ist), und zwar so sehr, dass er dafür ins Gefängnis musste – zweimal! –, kann ich verstehen, warum er es mochte.
Russell nahm Professoren und Autoritätspersonen aufs Korn, aber sein Grundsatz gilt natürlich für alle. Zu wenige Menschen sind wirklich offen für neue Ideen, geschweige denn in der Lage, Kritik anzunehmen, es sei denn, sie haben die Lektionen des kritischen Denkens gelernt und wirklich verinnerlicht.
Der amerikanische Philosoph William James vertrat einen ähnlichen Standpunkt, als er beklagte, dass viele Menschen glauben, sie würden denken, obwohl sie nur ihre Vorurteile neu ordnen. Für kritische Denker ist die Unterscheidung zwischen Gedanken und Vorurteilen von entscheidender Bedeutung, und der erste Schritt besteht darin, sich seiner Vorurteile bewusst zu werden. (Mit diesem Thema beschäftige ich mich in Kapitel 2.)
James empfiehlt auch, dass Menschen in vielen Bereichen ihre Position auf der Grundlage von Gefühlen entscheiden sollten, selbst wenn sie keine guten oder relevanten Argumente haben, um sie zu unterstützen. Inwiefern ist das logisch? Überhaupt nicht, aber es ist auch kein dummer Standpunkt. Man könnte es als »emotionale Intelligenz« bezeichnen. In Kapitel 4 befasse ich mich mit einigen ausgesprochen unlogischen Arten, an Probleme heranzugehen.
Professoren neigen dazu, Menschen aufzufordern, zu »denken«, und beschweren sich, wenn sie es nicht tun. Sie geben aber auch keine Ratschläge, wie sie es genau tun sollen. Dafür müssen sich die Studierenden weitgehend auf ihre eigenen Bemühungen verlassen oder sich vielleicht an Fachleute wie den maltesischen Arzt und Psychologen Edward de Bono wenden. Er betont, dass Denken eine Fähigkeit ist, die man erlernen muss. Das kritische Denken schuldet Pionieren des Denkens wie ihm auf jeden Fall ein respektvolles Lob, auch wenn der Ansatz hier etwas wissenschaftlicher sein muss.
Apropos, hier erklärt ein Wissenschaftler, wie Wissenschaftler denken:
Die bloße Formulierung eines Problems ist viel wichtiger als seine Lösung, die lediglich eine Frage der mathematischen oder experimentellen Fähigkeiten sein kann. Neue Fragen zu stellen, neue Möglichkeiten zu schaffen, alte Probleme aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, erfordert schöpferische Vorstellungskraft und kennzeichnet echte Fortschritte in der Wissenschaft.
- Albert Einstein, Die Evolution der Physik (mit L. Infeld, 1938) -
Nun, früher oder später musste er zu Wort kommen. Einsteins Aussage über Kreativität ist absolut zutreffend. Ein Beispiel dafür finden Sie im Kasten »Unkonventionell denken«.
Die folgende Anekdote zeigt, wie eine Neudefinition von Problemen neue Einsichten bringen kann.
Ein Hersteller von Gartengeräten forderte eine Gruppe von Ingenieuren auf, ihr kollektives Denkvermögen einzusetzen, um eine neue Art Rasenmäher zu entwickeln. Nach einigem Hin und Her kamen die Ingenieure auf … nicht viel. Ein paar Tüfteleien und kleine Verbesserungen, aber nichts, was auf dem Markt für Furore sorgen würde.
Dann schlug einer der Ingenieure vor, zum ursprünglichen Problem zurückzukehren, nur dieses Mal »einen Schritt zurück« zu gehen und es in Form einer Funktion auszudrücken. Anstatt darüber nachzudenken, wie man Rasenmäher neu gestalten könnte, was bedeutete, dass ihre Gedanken den üblichen Pfaden folgten, sagte er, sie sollten über »Maschinen nachdenken, die bei der Rasenpflege helfen«.
Diese kleine, wenn auch unbedeutende Unterscheidung zeigte nachhaltige Wirkung. Die Ingenieure schufen sogar ein völlig neues Produkt, das auf dem Einfallsreichtum eines Ingenieurs beruhte, dessen Sohn gerne mit Jo-Jos spielte. Sie erfanden den Trimmer, bei dem eine rotierende Nylonschnur das Gras abschneidet und den Nachbarn eine neue Form der Lärmbelästigung bescherte. Die Macht des kritischen Denkens!
In Kapitel 7 finden Sie mehr zum Thema kreatives Brainstorming.
Die vorangegangenen Abschnitte erörtern, was kritisches Denken ist, doch nun möchte ich genauer beschreiben, was es nicht ist.
Beim kritischen Denken geht es nicht darum, Argumente und Debatten in eine formale Sprache oder in Symbole zu fassen und dann logische Fehler darin zu erkennen (auch wenn das in vielen Büchern steht). Es geht darum, Fragen und Probleme in der realen Welt mit all ihren Unklarheiten und Widersprüchen zu betrachten und relevante, praktische und scharfe Einblicke in die jeweilige Problematik zu gewähren. Diese Fertigkeit ermöglicht es zum Beispiel, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, die beste Geschäftspolitik zu wählen und überzeugende Argumente für Maßnahmen zu formulieren.
Kritisches Denken geht weit über die Lerntechniken hinaus, die Dozenten ihren Studenten oft vermitteln. Es geht vielmehr um die Frage, was zu tun ist, wenn es keine offensichtlichen Antworten oder festen Methoden gibt. Sehen Sie es einmal so: Eine Lerntechnik sorgt dafür, dass man während der Vorlesung Stift und Papier dabeihat. Beim kritischen Denken geht es darum, was man aufschreibt.
Der Quantenphysiker Richard Feynman sagte, die Wissenschaft beruhe auf der Überzeugung, dass ihre eigenen Experten oft nicht verstehen, worin sie Experten zu sein behaupten. Diese Aussage gilt umso mehr für das kritische Denken! Im Kasten finden Sie weitere Ratschläge des berühmten Physikers.
Menschen, die von sich behaupten, Experten für kritisches Denken zu sein, wissen nicht automatisch alles über die große Bandbreite an Fertigkeiten und Materialien, die dieses Thema umfasst oder auf die es sich stützt. Nichtsdestotrotz ist kritisches Denken eine Fähigkeit, und ob man sie nun gut beherrscht oder nicht, man kann sich auf jeden Fall durch Übung verbessern.
Beim kritischen Denken geht es nicht darum, eine endlose Reihe von »Fakten« zu lernen. Vielmehr fordert es den Menschen dazu auf, seine angeborenen Denkfähigkeiten zu entwickeln, indem es sie aktiv anregt. Deshalb gibt es in diesem Buch viele knifflige Rätsel (mehr zu Rätseln und Analogien in Kapitel 5) und keine Plattitüden. Ich möchte, dass Sie von der ersten Seite an kritisch und aktiv denken. Oder zumindest ab dem Beginn von Kapitel 2!
Richard Feynman, der amerikanische theoretische Physiker und Pionier auf dem Gebiet der Quantenphysik, war mit einer ansteckenden Neugierde gegenüber den Phänomenen der Welt gesegnet. Viele Kinder verlieren ihre angeborene Neugierde, wenn sie erwachsen werden. Nicht so Feynman. Er liebte Denkspiele und Rätsel. Er spielte anderen Streiche. Er knackte sogar Safes und brach Aktenschränke auf. Er stellte Autoritäten infrage und kümmerte sich nicht darum, was andere Leute dachten. Und warum? Weil er sein Leben lang lernen wollte.
Feynman war auch ein großartiger Lehrer, der erkannte, dass man etwas erst dann wirklich verstanden hat, wenn man es anderen Menschen nachvollziehbar erklären kann.
Er war von Natur aus intelligent, aber es war seine Persönlichkeit, die ihm den Erfolg brachte. Nach seinen eigenen Worten war Feynman ein ganz normaler Mensch, der sich intensiv in alles vertiefte. Vor allem hatte er die Neugier, immer wieder neue Dinge zu lernen, und damit verbunden den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen.
Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Verstehen, wie Menschen denkenDem Gehirn bei der Arbeit zuschauenDen Begriff des rationalen wissenschaftlichen Denkens hinterfragenManche Rätsel lassen sich am besten lösen, indem man die »bekannten Fakten« ausgräbt und untersucht. Das gilt aber nicht für die Frage, wie Menschen tatsächlich denken. Diesem Problem begegnet man am besten (wie es Philosophen seit Jahrhunderten getan haben), indem man Fragen stellt.
Wenn Sie etwas lesen, zum Beispiel diesen Absatz, wessen Stimme hören Sie dann in Ihrem Kopf? Ist es Ihre eigene Stimme oder ist es meine Stimme, die durch die Worte hindurch erscheint, oder ist es ein bisschen von beidem? Dies führt zu der vermeintlichen Schlussfolgerung, dass das Denken eine soziale Aktivität ist, die kollektiv und nicht von einzelnen, unabhängigen Menschen ausgeübt wird. Man denke an eine jubelnde Menge bei einem Fußballspiel: Die Menschen dort scheinen sich als Einheit zu fühlen und zu jubeln. Aber dieser soziale Aspekt des Denkens kann auch außerhalb von Menschenmengen stattfinden, beispielsweise, wenn Sie etwas lesen. Der Neurologe Paul Broks hat hier eine Besonderheit festgestellt: Das Lesen scheint anderen Menschen zu ermöglichen, auf »das Sprachzentrum in Ihrem Gehirn zuzugreifen und es zu übernehmen.« Um Sidgwicks Aussage zuzuspitzen: »Sie denken so, weil andere Menschen so denken.« Ein Teil dieses Kapitels, der Abschnitt »Logisches oder instinktives Denken«, erklärt, wie und warum das passieren kann. Man muss sich dieses seltsame Phänomen bewusst machen, wenn man sowohl die eigene Reaktion auf die Ideen anderer Menschen verstehen als auch seine eigenen Theorien kritisch bewerten will.
Eine der Schlüsselqualifikationen, nicht nur für kritisches Denken, sondern für das Leben im Allgemeinen ist die Fähigkeit, über die eigene Vorgehensweise nachzudenken. Dieses Kapitel ist Ihr Diagnosehandbuch, mit dessen Hilfe Sie überprüfen können, was in Ihrem Kopf vor sich geht.
In den Debatten darüber, wie Menschen denken, klafft in der Philosophie seit Langem eine Lücke zwischen den Konservativen auf der einen und den Radikalen auf der anderen Seite. Die Konservativen halten an den traditionellen Unterscheidungen fest und gehen davon aus, dass das Gehirn eine Maschine ist (und daher logisch und rational). Die Radikalen stellen diesen gesamten Ansatz infrage (und bewundern die Komplexität und Unlogik des menschlichen Denkens). Dieses Kapitel wirft einen Blick auf diese Debatten, die alle Teilbereiche, einschließlich der Politik, prägen, damit Sie zu einer effektiven Analyse Ihrer eigenen Argumentation und der anderer Menschen gelangen können. Es ist wichtig zu wissen, dass auch Wissenschaftler nicht davor gefeit sind, in diesem Bereich Fehler zu machen.
»Wir denken so, weil alle anderen so denken; oder weil – oder weil – wir doch so denken; oder weil man es uns gesagt hat und wir denken, dass wir so denken müssen; oder weil wir einmal so gedacht haben und denken, dass wir immer noch so denken; oder weil wir, nachdem wir so gedacht haben, denken, dass wir so denken werden.«
- Henry Sidgwick -
Henry Sidgwicks Beitrag zum Verständnis des menschlichen Denkens berührt die Kernfragen dieses Kapitels, auch wenn die Formulierung nicht sehr elegant ist. Wenn Studenten so in Prüfungen schreiben würden, würden sie zwar nicht durchfallen, aber auch keine sehr guten Noten bekommen. Es ist mehr oder weniger drauflosgeschwafelt und wirkt weder klar noch maßgeblich!
Dabei hat der englische Philosoph diese Worte eigentlich gar nicht geschrieben. Im Internet behaupten das zwar viele, aber wenn man genauer hinsieht (was kritische Denker immer tun sollten), stellt man fest, dass es sich bei den Zeilen um Erkenntnisse handelt, die dem großen Mann im Schlaf eingefallen sind! Es sind Dinge, die er im Bett gemurmelt hat und die von seinen Verwandten Arthur und Eleanor Mildred Sidgwick aufgezeichnet wurden. Doch diese Entstehungsweise passt zu seiner Vorstellung, dass Denken eigentlich gar keine individuelle Angelegenheit ist, sondern ein komplexes soziales Phänomen, das viele verschiedene Assoziationen beinhaltet – auch falsch erinnerte und eingebildete!
Ich untersuche auch eine spezifischere Frage: Inwieweit liegen den Überzeugungen der Menschen und den von ihnen getroffenen Urteilen und Entscheidungen logische Regeln und Methoden des rationalen Argumentierens zugrunde? Oder wird der Einzelne im Gegenteil mehr davon beeinflusst, was andere denken? Wenn Sie diese Tendenz zum Gruppendenken verstehen, können Sie sich davor schützen, von den Meinungen Ihrer Mitmenschen oder von Autoritätspersonen in die Irre geführt zu werden, und Sie können Ereignisse, Debatten und Entscheidungen auf komplexere Art und Weise interpretieren.
Lesen Sie weiter, aber denken Sie auch darüber nach, was Sie darüber denken, wie Sie denken, und versuchen Sie dann vielleicht, an gar nichts zu denken. Oder legen Sie sich doch einfach mal ruhig hin!
Ich persönlich denke normalerweise nicht, dass ich ein Gehirn wie eine Eidechse oder ein Krokodil habe (es sei denn, ich habe besonders schlecht geschlafen). Aus evolutionärer Sicht scheint es aber so zu sein. Wenn also jemand behaupten will, dass »die Art und Weise, wie wir denken, uns zu Menschen macht«, dann sollte er besser versuchen, genau herauszufinden, was Menschen anders machen als Tiere. Wie ich in diesem Abschnitt und im weiteren Verlauf des Kapitels erkläre, ist die Debatte sowohl eine philosophische als auch eine biologische.
Im ersten Teil dieses Abschnitts gehe ich darauf ein, wie geheimnisvoll die innere Welt unserer Gedanken immer noch ist, auch wenn die Wissenschaftler immer mehr über die äußere Welt herausfinden. Zunächst betrachte ich die unterschiedlichen Aufgaben, die dem menschlichen und dem tierischen Verstand gestellt werden, und zeige dann im Abschnitt »Voreilige Schlüsse: Der Preis des schnellen Denkens«, wie die beiden Arten des Denkens – das menschliche und das tierische – manchmal durcheinandergeraten und Menschen zu vorschnellen Urteilen und dummen Fehlern verleiten.
Können Affen denken? Denken Pflanzen? Nein, zumindest nicht so wie Menschen. Es sieht nur so aus, als würden sie denken, während sie vorprogrammierten evolutionären Strategien folgen, ein bisschen wie Computer (oder Kandidaten in einer Reality-TV-Show). Aber im Gegensatz zu Computern haben sie zweifellos ein Bewusstsein. Denn auch wenn sich die Wissenschaftler heute einig sind, dass der Körper – ja das ganze Universum – eine Maschine ist, so kann doch niemand mit Fug und Recht sagen, dass im Zentrum kein Geist am Werke ist.
Vor einigen Jahren habe ich ein Buch geschrieben, das sich mit dem Bewusstsein befasste, aber den etwas ansprechenderen Titel »Mind Games« trug. Mithilfe solcher Spiele habe ich mich den Geheimnissen genähert, die das menschliche Denken umgeben.