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Die anhaltende Verbreitung von Kryptowerten und ihre zunehmende Regulierung rücken das Thema weiter in den wirtschaftlichen Fokus. Branchenübergreifend setzen sich Unternehmen mit den Einsatzmöglichkeiten digitaler Assets auseinander. Dieses Buch bietet einen anwendungsorientierten Überblick zu den nationalen und EU-weiten Regulierungsvorgaben und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Compliance, Geldwäscheprävention und das Risikomanagement. Renommierte Expert:innen aus der Prüfungs- und Beratungspraxis beleuchten das Thema Kryptowerte aus unterschiedlichen Compliance-Perspektiven, stellen die jeweiligen regulatorischen Anforderungen dar und geben Hinweise für die praktische Handhabung. Das Buch richtet sich an Compliance-Verantwortliche und Berater:innen ebenso wie an die Management-Ebene und Geschäftsleitungen.
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Seitenzahl: 431
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Timo Purkott/Barbara Scheben
Krypto-Asset-Compliance
1. Auflage, Oktober 2025
© 2025 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
Breitscheidstr. 10, 70174 Stuttgart
www.schaeffer-poeschel.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): Starkekonzepte, Christina Peter, Wörthsee
Produktmanagement: Anna Pietras
Lektorat: Isolde Bacher, text_dienst, Stuttgart
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a. A.
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AktG
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Art.
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AWG
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Bio.
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DAO
Dezentrale autonome Organisation
dAPI
Decentral Application Programming Interface
dApp
Decentralised Application (dezentrale Anwendung)
DeAI
Dezentralisierte KI
DeFi
Decentralised Finance
DePIN
Decentralised Physical Infrastructure Networks (Dezentrale physische Infrastrukturnetzwerke)
DEX
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DLT
Distributed Leger Technology
DORA
Digital Operational Resilience Act
DPoS
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DSGVO
Datenschutz-Grundverordnung
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European Banking Authority
EDSA
Europäischer Datenschutzausschuss
EFRAG
European Financial Reporting Advisory Group
EMT
E-Money Token
ESMA
European Securities and Markets Authority
EStG
Einkommensteuergesetz
ETO
Equity-Token-Offerings
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EZB
Europäische Zentralbank
EU-Prospekt-VO
EU-Prospektverordnung
eWpG
Gesetz über elektronische Wertpapiere
FATF
Financial Action Task Force
FIU
Financial Intelligence Unit
FSB
Financial Stability Board
FVOCI
Fair Value through Other Comprehensive Income
FVTPL
Fair Value through Profit or Loss
GASP
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
ggf.
gegebenenfalls
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GO Rh-Pf
Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz
GRCh
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
GTVO
Geldtransferverordnung
GwG
Geldwäschegesetz
HGB
Handelsgesetzbuch
i. d. R.
in der Regel
i. S. d.
im Sinne des
i. S. v.
im Sinne von
i. V. m.
in Verbindung mit
IASB
International Accounting Standards Board
ICO
Initial Coin Offering
ICRI
Counter Ransomware Initiative
IFRIC
IFRS Interpretations Committee
IFRS
International Financial Reporting Standards
IoT
Internet of Things
ITS
Implementing Technical Standards
KAGB
Kapitalanlagegesetzbuch
KMAG
Kryptomärkteaufsichtsgesetz
KPI
Key Performance Indicator
KryptoWTransferV
Kryptowertetransferverordnung
KWG
Kreditwesengesetz
KYC
Know your Customer
lit.
littera (Buchstabe)
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
MaRisk
Mindestanforderungen an das Risikomanagement
MiCA
Markets in Crypto Assets
MiCAR
Markets in Crypto-Assets Regulation
MiFID
Markets in Financial Instruments Directive (Finanzmarktrichtlinie)
MiFIR
Markets in Financial Instruments Regulation
Mio.
Million(en)
Mrd.
Milliarde(n)
MTF
Multilateral Trading Facility (Multilaterales Handelssystem)
MwStSystRL
Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
MwStVO
Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung
NFT
Non-Fungible Token
NGO
Non-governmental Organisation
Nr.
Nummer
OFAC
Office of Foreign Assets Control
OK
Organisierte Kriminalität
OSINT
Open Source Intelligence
OTF
Organised Trading Facility (Organisiertes Handelssystem)
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PoS
Proof of Stake
Rn.
Randnummer
RTS
Regulatory Technical Standard
S.
Seite
SDN-Liste
Specially Designated Nationals and Blocked Persons list
SGB
Sozialgesetzbuch
SPV
Special Purpose Vehicle (Zweckgesellschaft)
StGB
Strafgesetzbuch
STO
Security-Token-Offerings
TOM
Technischen und organisatorischen Maßnahmen
u. E.
unseres Erachtens
USD
US-Dollar
USDT
Tether (US-Dollar nachbildende Kryptowährung)
UStG
Umsatzsteuergesetz
VAG
Versicherungsaufsichtsgesetz
VASP
Virtual Asset Service Provider
VermAnlG
Vermögensanlagegesetz
VVG
Versicherungsvertragsgesetz
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
WpPG
Wertpapierprospektgesetz
WpIG
Wertpapierinstitutsgesetz
ZAG
Zahlungsdienstaufsichtsgesetz
Liebe Leserinnen und Leser,
die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, viele Aspekte unseres Lebens, unserer Unternehmen und unserer Wirtschaft grundlegend zu verändern. Durch Blockchain-basierte Krypto-Assets entstand die Möglichkeit, Transaktionen dezentralisiert, schnell, transparent, sicher und zuverlässig durchzuführen – und das ohne zentrale Bestätigungsinstanz, global und voll automatisierbar. Die sich daraus ergebenden Potenziale gehen weit über den ursprünglichen Zweck alternativer Zahlungssysteme hinaus, sodass sich kontinuierlich neue spannende Anwendungsfälle entwickeln.
Branchenübergreifend setzen sich Unternehmen mit den Einsatzmöglichkeiten digitaler Assets auseinander. Vor allem der Finanzsektor greift das Thema proaktiv auf, um Märkte zu vereinfachen und Prozesse effizienter zu gestalten. Gleichzeitig sehen sich Unternehmen dabei auch mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Wenn es darum geht, die Potenziale von Krypto-Assets gewinnbringend für das eigene Geschäftsmodell nutzbar zu machen, werden insbesondere die damit verbundenen rechtlichen Unsicherheiten als wesentlicher Hemmfaktor wahrgenommen. Zwar haben sich die regulatorischen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren nach und nach konkretisiert, dennoch zeigt sich, dass die Entwicklung der diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben – ebenso wie die Entwicklung des Kryptosektors insgesamt – von einer hohen und anhaltenden Dynamik geprägt ist.
Mit dem vorliegenden Buch wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, die regulatorische Landschaft rund um die geschäftliche Nutzung von Krypto-Assets greifbar zu machen. Unser Ziel war es, Entscheidungsträgern1 und Compliance-Verantwortlichen einen fundierten und anwendungsorientierten Leitfaden an die Hand zu geben, der das Thema aus den verschiedenen Compliance-Perspektiven prägnant und verständlich beleuchtet.
Ob es dabei um die Akzeptanz von Kryptowährungen als Zahlungsmittel, das Anbieten von Krypto-Dienstleistungen oder die Ausgabe eigener Krypto-Token geht – die damit verbundenen Compliance-Fragen sind so vielfältig wie die Arten und Verwendungsmöglichkeiten von Krypto-Assets selbst. Daher werfen wir in diesem Buch gemeinsam mit unseren renommierten Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Fachbereichen der Prüfungs- und Beratungspraxis einen umfassenden Blick auf den Themenkomplex Krypto-Asset Compliance, stellen die unterschiedlichen regulatorischen Anforderungen dar und geben Hinweise zu deren praktischer Handhabung.
Neben kapitalmarkt- und bankaufsichtsrechtlichen Fragen widmen wir uns dabei unter anderem den Bereichen Datenschutz, Tax- und Accounting-Compliance sowie der Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Verstößen gegen Finanzsanktionen. Eine Einführung sowohl in die technischen Aspekte von Krypto-Transaktionen und Blockchain-Technologie als auch in die wesentlichen Entwicklungen des Krypto-Marktes trägt darüber hinaus zum ganzheitlichen Verständnis bei.
Dieses Sammelwerk wäre ohne die engagierte Arbeit und Expertise unserer Autoren nicht möglich gewesen. Wir danken allen, die ihre Zeit und ihr Wissen eingebracht haben, um dieses Werk zu einem wertvollen Beitrag für die Krypto-Asset Compliance zu machen. Ein besonderer Dank gilt Anna Pietras und Claudia Knapp vom Schäffer-Poeschel Verlag, die uns bei der Veröffentlichung unterstützt haben, sowie unserer Lektorin Barbara Buchter, die mit ihrer sorgfältigen Arbeit zur Qualität des Werkes beigetragen hat. Ebenso möchten wir die redaktionelle Unterstützung von Christine Sittner und Alexandra Knöfel hervorheben, die mit ihrem Einsatz und ihrer Expertise maßgeblich zum Gelingen dieses Projekts beigetragen haben.
Wir hoffen, dass Sie durch die Lektüre inspiriert werden, die Chancen dieser vielversprechenden Technologie zu nutzen und gleichzeitig die notwendigen Schritte zur Einhaltung von Compliance-Vorgaben zu unternehmen.
Mit besten Grüßen
Die Herausgeber
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Buch bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Substantiven das generische Maskulinum. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Dirk Siegel
Key Facts
Krypto-Assets sind digitale Einheiten, die auf einer Blockchain verwaltet werden.
Blockchains beschreiben eine Art dezentral bzw. verteilt geführte Datenstruktur, die redundant und unveränderlich bei den Teilnehmenden des jeweiligen Netzwerks gespeichert und daher nicht auf zentrale Instanzen angewiesen ist.
Neben der ersten und nach wie vor bedeutendsten Bitcoin-Blockchain existieren inzwischen zahlreiche weitere Blockchains mit unterschiedlichen technischen Spezifikationen und Eigenschaften, wie etwa die Ethereum-Blockchain, auf der auch kleine Programme (Smart Contracts) abgelegt und ausgeführt werden können.
Smart Contracts bieten die Möglichkeit, Prozesse innerhalb einer Blockchain-Umgebung zu automatisieren, was zur Etablierung Blockchain-basierter Finanzinstrumente und -dienstleistungen (Decentralized Finance – DeFi) geführt hat.
Krypto-Assets sind Werte oder Rechte, die dezentral organisiert durch Blockchains abgebildet werden.2
Krypto-Assets werden also durch die ihr zugrunde liegende Technologie (und nicht etwa durch die Natur des Wertes bzw. die Asset-Klasse) definiert. Die Blockchain-Technologie erlaubt sichere Transaktionen und ein hohes Maß an Automatisierung, ohne dass zentrale, als integer vorausgesetzte Institutionen (Banken, Zentralbanken, Börsen etc.) nötig sind.
Das Erzeugen von Transaktionssicherheit in einem Netzwerk von Akteuren, die sich nicht vertrauen (und sich in der Regel nicht einmal kennen), ist die einzigartige Leistung der Blockchain-Technologie. In diesem Kapitel erläutern wir die Technologie, die dies alles ermöglicht und die somit die Basis für alle Krypto-Assets darstellt.
In Kapitel 1.2 werden wir zunächst die grundsätzlichen technischen Merkmale einer Blockchain anhand der Bitcoin-Blockchain, der ersten und wertmäßig nach wie vor relevantesten Blockchain, beschreiben und erklären.
In Kapitel 1.3 erläutern wir die zusätzlichen Features von Blockchain-Netzwerken, die Smart Contracts und damit – technisch gesehen – eine zweite Variante von Krypto-Assets unterstützen. Das wird an einem Beispiel verdeutlicht, nämlich am Beispiel Ethereum, der derzeit wichtigsten Plattform für diesen Blockchain-Typ.
Smart Contracts verwalten nicht nur Krypto-Assets, sie ermöglichen auch das Abbilden zahlreicher Finanzdienstleistungen ohne die Vermittlung traditioneller Banken. Das Zusammenwirken von auf Smart Contracts basierenden Komponenten hat das Feld Decentralized Finance bzw. »DeFi« entstehen lassen, das wir in Kapitel 1.4 behandeln. Die technische Basis von Krypto-Assets verändert sich fortlaufend. Wir zeigen daher im abschließenden Kapitel 1.5 Risiken, deren Mitigationen und einige generelle Trends der Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie auf.
2 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 MiCA Verordnung (2023/1114); Bülow (2019).
3 Nakamoto (2008).
4 »Derzeit« bezieht sich, wenn wir Schätzzahlen angeben, immer auf die Mitte des Jahres 2025.
5 Da der Verlust des Private Keys unwiederbringlich dazu führt, dass man nicht mehr über empfangene Bitcoins verfügen kann, hat sich ein ganzer Dienstleistungsbereich (die sogenannten Wallet Provider) etabliert, der Endnutzenden hilft, ihre Private Keys sicher zu speichern – wir gehen weiter unten auf diesen Sachverhalt ein.
6 Spamming ist bekanntermaßen u. a. auch im Bereich E-Mail ein Problem. Auch dort kommen Proof-of-Work-artige Verfahren als Gegenmaßnahme zum Einsatz.
7 Der Bitcoin-Quellcode ist in Github abrufbar unter https://github.com/bitcoin/bitcoin.
8 Da im Bitcoin-Blockchain-Netzwerk die Abstimmung mit der »Mining Power« und nicht mit dem Investmentvolumen gewichtet ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich in absehbarer Zeit keine Mehrheit für einen Übergang zu einem Proof-of-Stake-Verfahren finden wird – im Proof-of-Stake würde die milliardenschwere Mining-Infrastruktur wertlos, u. a. deshalb, weil mittlerweile hochspezialisierte Spezialchips zum Einsatz kommen, die außerhalb des Bitcoin-Minings keine Anwendung haben.
9 Vgl. für eine gute Übersicht für das Jahr 2022 Bambysheva/Santillana Linares (2022); siehe auch Abschnitt 2.3.
Die Ethereum-Plattform, seit 2015 entwickelt von einem Team um Vitalik Buterin, ist ein Blockchain-Netzwerk, das über die ursprüngliche Funktion der Bitcoin-Blockchain hinausgeht. Insbesondere ermöglicht Ethereum sogenannte »Smart Contracts« und mittels dieser die Begründung und Verwaltung von Krypto-Assets.
Smart Contracts sind kleine Computerprogramme, die auf der Ethereum Blockchain »leben«, will sagen: Das Ethereum-Protokoll garantiert nicht nur die Unveränderlichkeit dieser Programme, sondern darüber hinaus auch die Tatsache, dass diese Programme unbedingt (also ohne die Möglichkeit jeglicher späteren Einflussnahme) so, wie geschrieben, ausgeführt werden.
Da jeder darauf vertrauen kann, dass einmal geschriebene und in der Blockchain gespeicherte Programme tatsächlich und korrekt ausgeführt werden, kann man mit ihnen Wenn-dann-Beziehungen wie »in einem Vertrag« (daher der Terminus »Smart Contracts«) stipulieren, z. B. Wenn Du morgen X zahlst, zahlt dir der Smart Contract übermorgen Y zurück. Die Erfüllung der vertraglichen Zusage ist quasi per Computercode garantiert und kann weder zurückgezogen noch verändert werden.
Für umfangreichere Programme oder miteinander zusammenspielende Smart Contracts auf Basis einer dezentralen Blockchain hat sich der Name dApp (für »decentral Application«) etabliert.
Ein simples und eine Zeit lang tatsächlich implementiertes10 Beispiel ist das der Flugverspätungsversicherung: Wer an diesen Smart Contract eine bestimmte »Versicherungsprämie« gezahlt hatte, bekam im Falle der Verspätung seines Flugs (unter Nutzung der »Wenn-dann-Logik« des Smart Contracts) automatisch einen bestimmten, vorher festgelegten Betrag überwiesen.
Für den Gegenstand dieses Buches ist aber vor allem ein anderer Use Case relevant: Smart Contracts können dafür genutzt werden, neue Krypto-Assets (sogenannte Token) auf einer Blockchain zu etablieren. Die Token setzen somit auf einer bestehenden Blockchain auf und benötigen keine komplett neue Infrastruktur.
Dies geschieht bei Ethereum derzeit hauptsächlich durch die Verwendung des sogenannten ERC-20-Standards. Dieser Standard definiert eine Reihe von Regeln und Funktionen, die ein Smart Contract, der ein Krypto-Asset implementiert, umsetzen muss. Dadurch wird sichergestellt, dass Smart Contracts miteinander und mit den dApps auf der Ethereum-Plattform kompatibel sind.
Vertiefung
Die durch den ERC-20-Standard definierten Funktionen orientieren sich an den typischen Use Cases von Krypto-Assets:
totalSupply: Gibt die Gesamtmenge der Token (= Krypto-Assets) an, die erstellt wurden.
balanceOf: Gibt das Guthaben eines bestimmten Kontos an.
transfer: Überträgt eine bestimmte Anzahl an Token vom Absendenden an einen Empfangenden.
transferFrom: Ermöglicht den Transfer von Token mit vorheriger Genehmigung.
approve: Genehmigt eine bestimmte Anzahl von Token, die ein anderer Smart Contract verwenden kann.
allowance: Gibt die verbleibende Anzahl von Token an, die ein Smart Contract im Namen seines Benutzers übertragen darf.
Die Erstellung eines neuen Krypto-Assets auf der Ethereum-Plattform ist dadurch sehr einfach: Entwickler schreiben einen Smart Contract, der den ERC-20-Standard implementiert und die oben genannten Funktionen definiert. Im Wesentlichen ist das – bis auf den Token-Namen, die Anzahl der emittierten Token und die Beschreibung des »tokenisierten« Assets – immer der gleiche Code. Sobald der Smart Contract erstellt und auf die Ethereum Blockchain hochgeladen wurde, ist der neue Krypto-Asset verfügbar und kann von den Nutzern gehandelt werden.
Neben dem ERC-20-Standard gibt es weitere Token-Standards, die für sogenannte nicht fungible Token (»Non-Fungible Tokens«/NFTs) entwickelt wurden:
ERC-721: Dieser Standard definiert einzigartige Token, die nicht untereinander austauschbar sind. Jeder Token hat eine eindeutige ID. Ein Use Case ist z. B. die digitale Repräsentanz von Rechten an Sammlerstücken oder (digitalen) Kunstwerken.
ERC-1155: Dieser Standard ermöglicht die Erstellung sowohl von fungiblen als auch nichtfungiblen Token in einem einzigen Smart Contract.
Exkurs: Non-Fungible Token
Non-fungible Token (NFT) repräsentieren Assets, die nicht untereinander austauschbar sind. Es ist möglich, unter einem ERC-721 Smart Contract eine Vielzahl von Token aufzusetzen, die sich auf verwandte, aber unterscheidbare digitale Assets beziehen. Siehe z. B. die entzückende Familie der CryptoKitties.
Neben digitalen Kunstwerken sind In-Game Items, Metaverse Assets, aber auch digitale Eintrittstickets typische Use Cases für NFTs.
Digitale Inhalte können (z. B. als .png-Files codierte Bilder) direkt in der Token-Definition gespeichert werden. Da das bei größeren Datenmengen nicht praktikabel (und teuer, s. u.) ist, kann stattdessen auch ein kryptografisch gesicherter und somit nicht manipulierbarer Link auf eine externe Datei gespeichert werden. Oft kommt hier das IPFS (InterPlanetary File System) zum Einsatz: ein dezentrales Netzwerk, das Unveränderlichkeit und Auffindbarkeit von in ihm gespeicherten Dateien garantiert.
Der große NFT-Hype der Jahre 2021 und 2022 ist vorbei – trotzdem kann man sich auf den NFT-Marktplätzen (z. B. OpenSea) einen guten Eindruck über die Vielfalt der angebotenen Assets machen.
Mit der Vielzahl von auf der Ethereum-Blockchain implementierten Krypto-Assets11 (und weiterer Smart Contracts) wird das Ausführen von Programmbefehlen in der Ethereum Blockchain zu einem knappen Gut. Es gibt daher einen Mechanismus, der jedem auszuführenden Befehl einen »Kostensatz« zuweist. Diese Kosten werden in einer Verrechnungseinheit (»Gas« genannt) aufaddiert. Gas seinerseits muss mit »Ether«, dem nativen Ethereum Coin, bezahlt werden.12
Es liegt in der Verantwortung des Nutzenden, sicherzustellen, dass bei Ausführung eines Smart Contracts die nötige Menge an Gas zur Verfügung steht. Ist das nicht der Fall, wird die Ausführung des Smart Contracts gestoppt.
Die Ethereum-Plattform entwickelt sich ständig weiter, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Neben der bereits erwähnten Umstellung des Konsensmechanismus auf Proof-of Stake sind vor allem die sogenannten Layer-2-Skalierungslösungen zu nennen.
Layer-2-Lösungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Skalierung des Ethereum-Netzwerks und der Verbesserung seiner Leistung. Sie funktionieren, indem sie die Transaktionsverarbeitung und Smart-Contract-Ausführung von der hauptsächlichen Ethereum Blockchain auf separate Netzwerke verlagern. Diese Netzwerke interagieren regelmäßig mit der Haupt-Blockchain, um die Sicherheit und Integrität der Transaktionen sicherzustellen.
Hier sind die wichtigsten Vorteile von Layer-2-Lösungen:
Skalierbarkeit: Layer-2-Lösungen ermöglichen eine signifikante Erhöhung der Transaktionskapazität des Ethereum-Netzwerks, indem sie einen Großteil der Transaktionsverarbeitung von der Mainchain (Layer 1) auf sekundäre Netzwerke (Layer 2) verlagern.
Reduzierte Transaktionskosten: Durch die Verarbeitung von Transaktionen außerhalb der Mainchain können Layer-2-Lösungen die Transaktionskosten erheblich senken. Dies macht Ethereum für kleinere Transaktionen und eine größere Anzahl von Nutzenden interessant.
Schnellere Transaktionsbestätigungen: Layer-2-Lösungen bieten oft sofortige oder wesentlich schnellere Transaktionsbestätigungen im Vergleich zu Layer 1, wo Transaktionen bei hoher Netzwerkauslastung aufgrund der begrenzten Blockkapazität verzögert werden können.
Entlastung der Mainchain: Durch die Verlagerung eines Großteils der Transaktionen auf Layer 2 wird die Mainchain entlastet, was die Gesamtstabilität und Effizienz des Netzwerks verbessert.
Erweiterte Funktionalität: Einige Layer-2-Lösungen bieten zusätzliche Funktionen, wie z. B. erweiterte Smart-Contract-Fähigkeiten, die auf Layer 1 nicht ohne Weiteres möglich wären.
Ethereum ist derzeit die führende Plattform für Smart Contracts und dezentrale Anwendungen (dApps), doch es gibt mehrere Alternativen, die als ernstzunehmende Konkurrenten angesehen werden können. Diese Alternativen basieren auf technologischen Varianten mit in der Folge unterschiedlichen Eigenschaften in puncto Skalierbarkeit, Sicherheit und Transaktionskosten.
Beispiele
Derzeit sind die interessantesten Blockchain-Netzwerke mit Smart-Contract-Funktionalität (in der Reihenfolge ihrer Marktkapitalisierung per 23.07.2024):
Solana
Binance Smart Chain
Toncoin
Cardano
TRON
Avalanche
Polkadot
Obwohl diese Alternativen oft technische Vorteile bieten, gibt es – ähnlich wie bei den Plattformen der Internet-Ökonomie – einen großen Vorteil für bereits etablierte Ökosysteme. Ethereum bleibt daher aufgrund seiner umfangreichen Entwicklergemeinschaft, der bewährten Infrastruktur und des langfristigen Sicherheits-Track-Records in vielen Fällen das Netzwerk der Wahl.
10 Vgl. Berkenkopf (2019) zur Einstellung einer Anfang 2017 ins Leben gerufenen Blockchain-basierten Flugverspätungsversicherung sowie dem diesbezüglichen ursprünglichen Ansatz.
11 Die Website Etherscan listet per 23.07.2024 mehr als 1,3 Mio. unterschiedliche ERC-20 Assets.
12 Ether (ETH) verhält sich zur Ethereum-Blockchain wie Bitcoin (BTC) zur Bitcoin-Blockchain. ETH ist auch der für den Proof-of-Stake im Ethereum-Netzwerk relevante Token.
Wenn man den Gedanken von Smart Contracts weiterführt, fällt schnell auf, dass sich zahlreiche Finanzinstrumente und deren Transaktionen als Smart Contracts abbilden lassen, da sie deterministisch funktionieren und von digital verfügbaren Parametern abhängen. So ergibt sich z. B. das Auszahlungsprofil einer Option deterministisch aus Markt- und Strike-Preis, kann also einfach durch einen Smart Contract implementiert werden.
Auf dieser Idee basiert die DeFi-Bewegung (Decentralized Finance), deren Ziel es ist, traditionelle Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen, ja im Endeffekt das gesamte Finanzsystem, mit den Mitteln dezentraler Blockchain-Technologie zu reproduzieren und so die Mitwirkung zentraler Vermittler (Banken, Asset Manager, Versicherer etc.) überflüssig zu machen.
Stable Coins/Abbildung von Fiatwährungen13 als Token
Stable Coins sind Vermittler zwischen den Welten. Beispielsweise ist Tether (USDT) ein als ERC-20-Token implementierter Krypto-Asset14, der eins zu eins gegen einen US-Dollar eingetauscht werden kann. Die Tatsache, dass ein Krypto-Asset zur Verfügung steht, der an die traditionelle Finanzwelt andockt, ist von hohem Wert für viele Investierenden; vor allem deshalb, weil der Tausch zweier Krypto-Assets immer noch einfacher ist als der Tausch Krypto gegen Fiat.
Abb. 2: Abbildung des US-Dollars durch Tether (USDT) im Zeitverlauf (Quelle: Google Finanzen)
Wie Abb. 2 zeigt, ist die Abbildung des US-Dollars seit ca. fünf Jahren nahezu perfekt, was jedoch anfänglich nicht so war. Die Zusicherung des Umtausches in US-Dollar ist nämlich in keiner Weise technisch verankert und erfolgt stattdessen durch die Tether Limited (Hong Kong).15 An dieser Stelle berühren sich also Krypto- und »alte« Welt.
Es gibt derzeit Tether im Wert von mehr als 150 Mrd. US-Dollar. Auch alle anderen wichtigen Fiat-trackenden Stable Coins beziehen sich auf den US-Dollar. EUR-Stable-Coins spielen faktisch keine Rolle. Der größte non-USD Stable Coin ist PAX Gold, der sich auf eine Unze Gold bezieht und immerhin eine Marktkapitalisierung von ca. 750 Mio. US-Dollar hat.
Obwohl Tether für die DeFi-Bewegung von hoher Bedeutung ist, ist das Bezugnehmen auf eine Organisation / ein Unternehmen, das den Wert der im Umlauf befindlichen USDT mit US-Dollar unterlegt, ja genau nicht im Sinne des DeFi-Zielbildes.
Aus Sicht der DeFi-Bewegung sind daher Stable Coins wie DAI von besonderem Interesse. Dieser Stable Coin wird tatsächlich rein als dApp abgebildet. Als Sicherheit (Collateral) dienen andere Krypto-Assets, die je nach Nachfrage und Wertentwicklung des Collaterals algorithmisch dazu ge- oder verkauft werden. Hinter DAI steht kein traditionelles Unternehmen, sondern mit MakerDAO eine dezentrale autonome Organisation (DAO).
MakerDAO hat einen eigenen (nativen) Token emittiert, den MKR. In Analogie zu Bitcoin üben die Besitzenden der MKR Token die Governance über MakerDAO aus. Änderungen im Protokoll (in den Smart Contracts, die das Verhalten von DAI bestimmen) werden per Voting entschieden.
Dezentrale Börsen für den Handeln in Krypto-Assets
Klassische Börsen, die Krypto-Assets gegen Fiatwährungen handelbar machen (Binance, Coinbase, OKX etc.), tun dies mittels üblicher Technologie – mit den oben beschriebenen Risiken und Manipulationsmöglichkeiten.
Dezentrale Börsen für Krypto-Assets (auch als DEX bezeichnet) ermöglichen dagegen den Handel von Krypto-Assets quasi innerhalb des Blockchain-Netzwerks und ohne Intermediäre. Eine DEX ist vollständig automatisiert; das ihr zugrunde liegende Protokoll wird als AMM (Automated Market Maker) bezeichnet.
Ein Kernelement Dezentraler Börsen ist die sichere Implementierung einer Zug-um-Zug-Transaktion (Delivery vs. Payment) – in Blockchain-Lingo: Atomic Swap.
Zusätzlich muss eine DEX die Fähigkeit haben, Liquidität bereitzustellen, um Angebot und Nachfrage matchen zu können. Dies geschieht in Form sogenannter Liquidity Pools. Anleger zahlen hierbei für ein Tauschpaar zweier Krypto-Assets diese Krypto-Assets in gleichem Wert ein – sie verhalten sich daher ähnlich wie Market Maker an »klassischen« Börsen. Gegen diese Liquidity Pools werden die Transaktionswünsche der Kunden ausgeführt. Anleger, die Liquidität in die Liquiditätspools einzahlen, werden in der Regel proportional zur bereitgestellten Liquidität an den Gewinnen der DEX beteiligt.
Da viele dezentrale Börsen hunderte bis tausende Tauschpaare anbieten, kann es vorkommen, dass für einen bestimmten Transaktionswunsch auf direktem Weg keine Liquidität bereitsteht. In diesem Fall versucht das AMM-Protokoll, die Transaktion über den Umweg eines weiteren Tauschpaars zu realisieren. Statt eines Tausches von A gegen B, wird also A zunächst gegen X und anschließend X gegen B getauscht.
Aus der Tatsache, dass das AMM-Protokoll einer DEX als dApp, also als Zusammenspiel von Smart Contracts auf Basis einer Blockchain, implementiert ist, folgen wichtige Eigenschaften:
Die unbedingte Natur der Smart-Contract-Implementierung / des AMM-Protokolls macht Einflussnahme durch Dritte – also auch staatliche Stellen und Regulatoren – unmöglich. Positiv ausgedrückt spricht man in der Community von »Censorship Resistance«.
Nutzende werden durch die dezentrale Börse nicht identifiziert. Sie sind also so anonym, wie sie es auch auf der unterliegenden Blockchain sind.16
Die dezentrale Börse ist geografisch nicht zu lokalisieren. Da auch kein Unternehmen hinter ihr steht (oder dies zumindest nicht nötig ist), kann unklar sein, welches Recht anwendbar ist.
Die Governance von dezentralen Börsen erfolgt in Analogie zu Bitcoin oder der oben beschriebenen Governance des MakerDAO: Jede DEX hat einen nativen Token, in dem Transaktionen an der Börse bezahlt werden. Ist die Börse erfolgreich, steigt über die Nachfrage auch der Wert der Token. Die Haltenden der Token entscheiden via Voting über die Weiterentwicklung des Protokolls.
DeFi Lending
Kreditvergabeprotokolle ermöglichen eine Peer-to-Peer-Kreditvergabe, bei der die Teilnehmenden einander Kredite gewähren, ohne Banken als Vermittler zu involvieren.
Dazu zahlen Kreditgebende Kryptowährungen in sogenannte Lending Pools ein. Um Kredite aus einem Lending Pool zu erhalten, müssen Kreditnehmende andere Kryptowährungen als Sicherheit hinterlegen. Eine Prüfung der Kreditwürdigkeit ist aufgrund der hinterlegten Sicherheiten grundsätzlich nicht notwendig. Verlieren die Sicherheiten allerdings an Wert, fordert das Protokoll das Stellen weiterer Sicherheiten – andernfalls triggert es die Liquidation.
Die meisten Lending-Protokolle erlauben sowohl festverzinsliche als auch variabel verzinste Kredite.17
Zentrale Wertschöpfungen der klassischen Banken, die Kreditwürdigkeitsprüfung und das Bestimmen der Werthaltigkeit von Sicherheiten aus der »realen Welt« (Immobilien etc.) sind in DeFi derzeit kaum möglich oder umgesetzt, da sie nur schwer durch Algorithmen ohne Mitwirkung von Menschen umgesetzt werden können.
Oracles
Bei vielen Finanzprodukten werden Marktdaten (und weitere Informationen aus der realen Welt) benötigt, die im DeFi-Ökosystem a priori nicht vorhanden sind: z. B. Kurse klassischer Aktien, Wechselkurse, Commodity-Preise etc. Die Dienstleistung, diese Werte in der Krypto-/DeFi-Welt nutzbar zu machen (ohne wieder auf zentrale Organisationen des traditionellen Finanzsystems zuzugreifen), wird von sogenannten »Oracles« erbracht.
Möchte man beispielsweise eine parametrische Versicherung über einen Smart Contract umsetzen, die bei Eintreten von bestimmten Temperaturen an einem bestimmten Ort eine direkte Entschädigung auszahlt, dann kann ein Oracle die Informationen über diese Temperaturwerte liefern.
Es gibt Oracles, die einfach eine Schnittstelle (oft in Analogie einer API als dAPI – decentral application programming interface – bezeichnet) zu einem der bekannten Datenprovider (für Markt- oder Wetterdaten, Flugverspätungsinformationen etc.) herstellen. Das ist allerdings im Sinne des DeFi-Zielbildes unbefriedigend, da hier wieder »Single Points of Failure« bzw. Abhängigkeiten von zentralen Institutionen geschaffen werden.
Sehr bedeutsam ist daher der Ansatz, auch das Zur-Verfügung-Stellen von Daten durch eine dezentrale Community / ein dezentrales Protokoll zu lösen. Die in dieser Sicht derzeit interessanteste Community ist Chainlink mit dem dazugehörigen ERC-20 Token LINK.
Das Chainlink-Netzwerk arbeitet mit einem Reputationssystem: Teilnehmende, die zuverlässig korrekte Informationen liefern, werden mit LINK Token belohnt; bei Lieferung fehlerhafter Daten werden Token abgezogen. Die Community entscheidet automatisch per Voting, gewichtet mit den Reputationstoken, welche Antwort als korrekt zu gelten hat.
Durch diesen Rewards-Mechanismus werden für externe Datenanbietende Anreize geschaffen, ihre Daten – vermittelt über das Chainlink-Netzwerk – in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen und damit zusätzlich zu monetarisieren.
13 Der Begriff »Fiatwährung« oder »Fiatgeld« soll hier als Oberbegriff dienen für alle gesetzlichen Zahlungsmittel bzw. staatlich ausgegebenes Geld, wie Euro, US-Dollar etc.
14 Es gibt auch eine Implementierung auf der Blockchain-Plattform TRON.
15 Erst vor Kurzem warnte die Deutsche Bank, dass der »Currency Peg« von Tether möglicherweise nicht nachhaltig sei, Deutsche Bank (2024).
16 Auf Ethereum (und in der Bitcoin-Blockchain) sind Nutzende pseudonym. Alle Transaktionen sind öffentlich, allerdings werden Nutzende nur durch ihre Adressen oder Public Keys und nicht durch Klarnamen identifiziert.
17 Ein derzeit führendes Lending-Protokoll ist Aave (siehe https://aave.com).
Die Blockchain-Technologie ist die Basis eines Krypto-Asset-Markts im Wert von derzeit etwa 3 Billionen US-Dollar. Umso wichtiger ist die Kenntnis der mit der neuen Technologie einhergehenden Risiken und der gegenwärtig in Umsetzung befindlichen Mitigierungs- und Weiterentwicklungsansätze:
Programmierfehler: Smart Contracts werden in Code geschrieben. Alle Fehler oder Schwachstellen im Code können – wie auch bei Computer-Betriebssystemen – von böswilligen Akteuren ausgenutzt werden. Selbst scheinbar kleine Fehler können schwerwiegende Folgen haben und zum Verlust von Krypto-Assets oder zum unbefugten Zugriff auf diese führen.
Unveränderlichkeit: Einmal auf der Blockchain implementiert, sind intelligente Verträge in der Regel unveränderlich, d. h. sie können nicht geändert oder widerrufen werden. Wenn ein kritischer Fehler nach der Bereitstellung entdeckt wird, ist es unter Umständen nicht mehr möglich, ihn zu beheben.18
Es gibt – auch außerhalb der Blockchain-Welt – zahlreiche Ansätze, Fehler im Software Engineering auszuschließen: von der Einführung besonders sicherer Programmiersprachen und -paradigmen (z. B. Functional Programming) bis hin zu Verfahren der formalen Verifikation (Formal Verification) von Computerprogrammen.
Abhängigkeit von Oracles: Wie oben beschrieben sind Smart Contracts oft auf Oracles als Schnittstellen zu externen Datenquellen angewiesen. Oracles können jedoch manipuliert werden oder ungenaue Daten liefern, was zu einer fehlerhaften Ausführung eines Smart Contracts führen kann.
Die langfristige Perspektive hinsichtlich der Rolle und Qualität von Oracles ist die, dass sich aus der rasanten Entwicklung im sogenannten Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) abzeichnet, dass die reale Welt fortschreitend von Sensoren durchdrungen wird. Wenn möglichst viele dieser Sensoren ihre Messergebnisse vermittelt durch Oracles in die dezentrale Welt liefern, werden, allein durch die Macht der großen Zahl, die Themen Qualitätssicherung und Manipulationsschutz deutlich einfacher. Liefert z. B. eine Wetterstation 10 °C, während in der Nähe befindliche Pkw, Smart Homes und andere IoT Devices allesamt Werte von ca. 20 °C liefern, so kann der Wert der Wetterstation als fehlerhaft eingestuft werden. Wird eine sehr große Anzahl von Sensordaten in die dezentrale Blockchain-Welt geliefert, so kann dort ein immer besser auf Stimmigkeit abgeglichenes Bild der realen Welt erzeugt werden.
Governance und Aktualisierbarkeit: Das Fehlen einer zentralen Verwaltung in Blockchain-Netzwerken, DEXs und anderen Smart Contracts / dApps kann zu Problemen führen, wenn es darum geht, den Code / das Protokoll zu aktualisieren oder zu modifizieren, z. B., um die Sicherheit oder Funktionalität zu verbessern. Es kann schwierig und zeitaufwändig sein, einen Konsens zwischen den Beteiligten zu erreichen; unter anderem deshalb, weil es Fälle gibt, in denen die Interessen der Kunden von denen der Knotenbetreiber abweichen (siehe unsere Bemerkung zur Bitcoin Governance in Abschnitt 1.2).
Generell ist davon auszugehen, dass Projekte mit schlechter Governance über den Wettbewerb »aussortiert« werden, insbesondere in Zeiten hoher Volatilität. Während kurzfristig oft technische Spezifikationen im Wettbewerb der Blockchain-Initiativen den Ausschlag geben, ist es vor allem das »System of Governance«, das den langfristigen Erfolg bestimmt.
Technische Risiken: Die stetig steigende Komplexität (siehe z. B. die Layer-2-Verfahren von Ethereum) führt dazu, dass es immer schwerer wird, die Sicherheit von Blockchain-Protokollen im Open-Source-Paradigma zu gewährleisten. Wer liest denn wirklich die tausenden Zeilen eines neuen Quellcodes in Github?19
Derzeit schützen sich die wichtigsten Blockchain-Netzwerke durch ausgiebiges Testen und Prototyping vor fehlerhafter Software in ihren Kernnetzen. Als Konsequenz haben z. B. die Upgrades des Ethereum-Netzwerks (Ethereum 2.0 und die Layer-2-Erweiterungen) jeweils Jahre länger gedauert als ursprünglich geplant.
Sicherheit der kryptografischen Verfahren: Mit dem Aufkommen von leistungsstarken Quantencomputern werden einige (aber nicht alle) der kryptografischen Verfahren, die in den verschiedenen Blockchain-Netzwerken genutzt werden, kompromittiert. Dies könnte bereits in einem Jahrzehnt der Fall sein. Nach heutiger Einschätzung sind die meisten Hash-Funktionen »quantum safe«, viele asymmetrische kryptografische Verschlüsselungen und Signaturen (z. B. RSA und ECDSA, der in der Bitcoin-Blockchain genutzte Algorithmus) dagegen nicht.
Es gibt bereits Verfahren zur Verschlüsselung und Signatur, die auch ein Quantumcomputer nicht brechen kann (Stichwort: »Post Quantum Cryptography«) – Einzug in die gängigen Blockchain-Protokolle hat diese Technologie allerdings noch nicht gefunden.
Rezentralisierung: Auch in der dezentralen Welt der Blockchains gibt es immer wieder Tendenzen zur »Rezentralisierung«. So dominieren z. B. Bitcoin und Ethereum – wohl auch aufgrund des Plattformeffekts – in ihren jeweiligen Bereichen. Ähnliches gilt für (dezentrale) Börsen und dApps für die gängigen Finanzdienstleistungen.
Innerhalb vieler Blockchain-Netzwerke bilden sich darüber hinaus häufig kleine Gruppen mit sehr hoher Voting Power (siehe z. B. die Mining Pools bei Bitcoin: gerade die Economies-of-Scale der hochspezialisierten Mining-Infrastruktur führen natürlicherweise zum Entstehen großer Strukturen). Rezentralisierung schwächt den Schutzwall der Redundanz und der gegenseitigen Kontrolle.
Systemische Risiken: Ein System, in dem die Mehrzahl der Teilnehmenden Transaktionen basierend auf Algorithmen durchführt, ist anfällig für selbstverstärkende Schwankungen, wie auch die Erfahrungen aus dem Computerhandel an traditionellen Börsen zeigen.20
Es ist eine große Herausforderung, in ein komplexes System von im Wettbewerb stehenden dezentralen Netzwerken die nötigen stabilisierenden Elemente einzubauen. Uns ist kein Ansatz für eine solche »Meta-Governance« bekannt, die z. B. das Ziel der Stabilisierung des DeFi-Ökosystems verfolgte.
18 Siehe das viel publizierte DAO-Event vom 17.06.2016, vgl. Abschnitt 2.3.3.
19 Ein aktuelles (Mai 2024) Beispiel für eine fehlerhafte Open Source Software, die von vielen Cloud-Anbietern an kritischer Stelle genutzt wurde, ist das Programm Fluent Bit. Der Fehler im Source Code bestand seit 2022, wurde also über zwei Jahre hinweg nicht gefunden!
20 Ein Beispiel ist der Crash des »Stable Coin« Terra im Mai 2022 mit weitreichenden Auswirkungen (inklusive dem Bankrott der Kryptobörse FTX) auf die gesamte Krypto-Asset-Marktkapitalisierung – siehe z. B. The Wallstreet Journal (2023).
Robert Wilkens / Yannik Lindt
Key Facts
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die – vergleichsweise kurze, aber sehr ereignisreiche – Historie des Krypto-Markts, von den frühen Vordenkern und ersten Versuchen digitaler Währungen über die Entwicklung von Bitcoin bis zum heutigen Stand, sowie einen Ausblick auf die nähere Zukunft.
Darüber hinaus werden die Entwicklungen bei der Regulierung des Krypto-Sektors anhand wesentlicher Meilensteine nachgezeichnet, wobei der Fokus auf Deutschland und der EU liegt.
Im dritten Teil wird vertieft auf eine Auswahl wesentlicher Skandale eingegangen, die die bisherige Geschichte der Branche entscheidend mitgeprägt haben.
