Kühlfach zu vermieten - Jutta Profijt - E-Book

Kühlfach zu vermieten E-Book

Jutta Profijt

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Beschreibung

Neues vom Dream-Team am Seziertisch Eine Hitzewelle rollt über Köln. Die Leute sterben wie die Fliegen und die Stadt weiß nicht mehr, wohin mit den Leichen. Da hat der profitgierige neue Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts eine folgenschwere Idee: Er will Kühlfächer an Bestattungsunternehmen vermieten. Ab sofort hält das Chaos Einzug in die sonst so geordnete Welt von Rechtsmediziner Dr. Martin Gänsewein: Unbefugte gehen am RMI ein und aus, Leichen oder Teile von ihnen verschwinden und dubiose Obduktionsbefunde bei anonymen Toten häufen sich. Daher beauftragt Martin den prollig-nervigen Geist Pascha, der Sache auf den Grund zu gehen. Das passt dem gerade gar nicht, wo er doch auf Liebespfaden wandelt ... 

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Jutta Profijt

Kühlfach zu vermieten

Roman

Deutscher Taschenbuch Verlag

Originalausgabe 2010© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.

eBook ISBN 978-3-423-40574-4 (epub)ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-21256-4

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/​ebooks

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

EPILOG

ANMERKUNGEN UND DANK

EINS

Will man den Beginn der Katastrophenserie im Kölner Institut für Rechtsmedizin mit einem Datum benennen, wäre das wohl der zwölfte Juli. Das weiß ich so genau, weil der zwölfte Juli mein Geburtstag ist. Oder müsste ich sagen: mein Geburtstag war? Keine Ahnung. Ich hänge immer noch der Tradition an, Geburtstage zu feiern, obwohl inzwischen auch mein Todestag eine Gelegenheit für eine geile Party wäre. Bei anderen Toten ist das ja auch so. Das Goethe-Schiller-Bach-Jubiläum hat häufig gar nichts mit ihrer Geburt, sondern mit ihrem Tod zu tun. Pervers, oder? Da feiert man den finalen Atemzug der kulturellen Elite. Ich dagegen finde, von uns Künstlern sollte man ausschließlich die Geburtstage feiern. Habe ich von »uns Künstlern« gesprochen? Genau, ich gehöre ja jetzt auch dazu. Zu den Schriftstellern. Aber davon später mehr.

Das Frühjahr brachte, noch vor meinem Geburtstag, ein paar kleine Vorabkatastrophen– zum Eingewöhnen. Da war zunächst mal die Sache mit dem Chef des Instituts für Rechtsmedizin. Eines Morgens meldete er sich mit staubgrauem Gesicht bei seiner Sekretärin, Frau Blaustein, ab und verkündete, er wolle den Rest des Tages freinehmen, es gehe ihm nicht gut. Zu Hause versetzte sein Anblick seine Frau allerdings in derartige Sorge, dass sie sofort den befreundeten Hausarzt alarmierte. Erster Befund: ein Schwächeanfall. Zwei Tage später war die Rede von einer Grippe, und nach einer Woche hieß die Diagnose Herzinfarkt. Das war Ende Mai und alle dachten, die letzten Vorbereitungen für den Umzug sowie dessen Durchführung würden nun ohne leitende Hand vonstattengehen müssen, aber dann kam die zweite Katastrophe: Nur zwei Wochen nach dem Ausfall des Chefs wurde die gesamte Belegschaft zur Vorstellung des neuen Institutsleiters zusammengerufen.

Pünktlich um neun Uhr schimmelten alle Kollegen im Besprechungszimmer herum. Martin, Jochen, Katrin und vier weitere Ärzte hatten Plätze am Konferenztisch ergattert, die später eingetroffenen Ärzte sowie die Toxikologen, Biologen, Chemiker, Laborratten, Assistenten, Sekretärinnen, Verwaltungsmitarbeiter und der Pförtner standen am rückwärtigen Ende des Raums zusammen und unterhielten sich leise. Die Preisfrage lautete: Wer ist der Neue? So viel vorweg: Selbst mit Telefon- und Publikumsjoker hätte keiner die Kohle abgegriffen, denn der Typ war den rechtsdrehenden Medizinern bis dahin völlig unbekannt.

Und dann kam er: eins achtzig groß, Mitte vierzig, Golfplatzbräune, Statur, Anzug und Arroganzfaktor wie ein Model, Slipper mit Troddelchen vornedran, goldene Uhr am Handgelenk und ein Siegelring am kleinen Finger. Genau der Typ Netzhautpeitsche, der von Herrenschneider- oder Luxusuhren-Werbepostern herunterschleimt, von dem man aber nie gedacht hätte, dass es ihn wirklich gibt. Mit einer geschmeidigen Bewegung knöpfte er sein Jackett auf, nahm den Platz am Kopfende des Konferenztisches ein, zupfte die Manschetten des Hemdes unter den Jackettärmeln hervor (er trug Manschetten mit Manschettenknöpfen, der Angeber!) und legte die Hände gefaltet vor sich auf den Tisch. Mit triumphierendem Gesichtsausdruck blickte er fast herausfordernd in die Runde.

»Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich so sagen: Es war eine glückliche Fügung, dass ich gerade zur Verfügung stand, denn Herr Professor Doktor Schweitzer wird so schnell nicht als Institutsleiter zurückkehren. Wenn er überhaupt zurückkehren wird.«

Die Kollegen starrten sich entsetzt an.

»Ich darf mich zunächst vorstellen: Philip G.Forch, achtundvierzig Jahre alt, Diplom-Kaufmann, Master of Business Administration, Master of Public Administration, Master of Economics. Köln, St. Gallen, Harvard. Mein Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Produktivitätssteigerung und Kosteneffizienz des öffentlichen Dienstes, hier besonders im medizinischen Sektor. Ich führte gerade eine entsprechende Studie für den operativen Betrieb der Universitätsklinik durch, als sich abzeichnete, dass die Institutsleitung Ihrer Einrichtung vorerst vakant bleiben würde. Man übertrug mir diese Aufgabe mit der Zielsetzung, einige Optimierungen im Bereich der Kosteneffizienz vorzunehmen– and here I am.«

Er hatte den ganzen Text ohne Punkt und Komma heruntergeopert und bei den letzten Worten die Hände mit den Handflächen leicht nach oben erhoben. Als wartete er auf Applaus. Es kam aber keiner. In der folgenden Stille hätte man einen Floh furzen hören können. Es war keine andächtige Stille, sondern eine gelähmte, ungläubige, entsetzte Stille. All diese Wie-Wörter hat übrigens meine Lektorin verlangt. Ich hätte normalerweise einfach gesagt, dass die Anwesenden aussahen, als hockten sie in der Kloschüssel, während das Schicksal Durchfall hat.

Martin fand, nachdem in seiner Denkschüssel ein ziemlich dicker Horrornebel kurzzeitig alle Gedanken gedämpft hatte, als Erster seine Sprache wieder. »Nun, das ist ungewöhnlich«, sagte er nachdenklich. »Übernehmen Sie denn auch die fachliche Leitung? Irgendjemand muss ja die Verantwortung für die inhaltliche…«

»Sind Sie sich Ihrer Arbeit in inhaltlicher Hinsicht nicht sicher?«, fragte Forch.

»Doch, natürlich«, erwiderte Martin, und erstaunlicherweise ist er ja beruflich ein ganz anderer Mensch als privat. Selbstsicherer, entschlossener. »Aber…«

»Dann wäre ja alles geklärt. Ich danke Ihnen allen für Ihr Vertrauen und bin sicher, dass wir gut zusammenarbeiten werden. Also, back to work.«

Bei seinen letzten Worten klatschte Forch zweimal in die Hände, sprang auf und slipperte troddelwedelnd hinaus.

Nach diesem Einstand verschanzte sich der schnöselige Kleiderständer einige Tage in seinem Büro, wo er, wie ich Martin gelegentlich berichtete, Akten studierte und seinen Taschenrechner heiß laufen ließ. Das Ende vom Lied war, dass er zehn Tage vor dem Umzug den Vertrag mit dem beauftragten Umzugsunternehmen kündigte und ein anderes anheuerte, das dreißig Prozent billiger war. Allerdings mussten die Mitarbeiter dafür ihre Kartons selbst aus den Büros herunterschaffen und nach einem genau ausgeklügelten System auf die bereitgestellten Paletten stapeln. In den neuen Büros sollte das ganze retour gehen.

Dabei war die Sache mit dem Umzug an sich schon so eine Vorabkatastrophe, die seit Monaten wie ein TÜV-Termin mit hoffnungslosem Ausgang am Horizont lauerte. Ende Juni wurde es ernst.

»Ich finde das unterirdisch riesendämlich«, beschwerte ich mich zum tausendsten Mal, und Martin nickte geistesabwesend, während er die letzte seiner Schreibtischschubladen leerte und deren Inhalt in den ordentlich mit seinem Namen beschrifteten Karton packte. »Ihr könnt uns doch nicht ganz allein hier in dem ollen Bunker lassen.«

Mit »uns« meinte ich die anderen Leichen und mich, denn ich bin ja auch tot. Nun ist mein Körper schon lange bestattet, meine Seele allerdings noch putzmunter, und so tobe ich im Niemandsland zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich herum, während andere Leute einfach sterben, ihre Seelen einen kürzeren Zwischenstopp auf meiner Etage einlegen und dann »ins Licht« entschwinden. Mehr habe ich über dieses Fahrziel nie herausbekommen, auch nicht von Marlene, der Ordensschwester, die mir im Frühling ein paar Wochen Gesellschaft leistete. Sie hat sich seitdem nie wieder bei mir gemeldet. Das war zu erwarten, und daher wunderte es mich nicht, aber es schmerzte.

Ich fühlte mich einsamer als je zuvor, und so hing ich wie eine Klette an Martin, dem einzigen Menschen auf der ganzen Welt, zu dem ich Kontakt aufnehmen kann. Dr.Martin Gänsewein war von dieser Entwicklung alles andere als begeistert, denn er und ich sind nicht immer einer Meinung. Das ist jetzt zurückhaltend formuliert. Man könnte auch sagen: Wir sind gegensätzlicher als Schwarz und Weiß, Bruce Willis und Mireille Mathieu, ein Dinosaurier und ein Osterhase– aber ich soll mich ja einer einigermaßen zivilisierten Sprache bedienen und nicht dauernd polarisieren oder übertreiben, also halte ich mich zurück. Diese Vorschriften stammen natürlich wieder von der Lektorin, aber zu der Sache mit der Schriftstellerei kommen wir noch, also bleiben Sie geschmeidig und warten Sie geduldig auf Grün.

Martin und die Kolleginnen und Kollegen jedenfalls waren auf dem Sprung in die Kölnischen Karpaten. So nannten sie selbst ihr Übergangswohnheim, wo die Asbestbelastung nicht vorhanden oder zumindest auf lebenstauglichem Niveau war, im Gegensatz zu dem Bunker am Melatenfriedhof. Deshalb sollten dort erst die Mediziner weg, dann das Asbest raus, dann neue Dämmung, Tapeten und Teppiche rein und dann die Mediziner wieder her. Nur die Leichen blieben hier. Denen macht Asbest nichts mehr aus.

Natürlich bedeutete die Trennung der Büros von den Leichen ein logistisches Chaos. Ein Rechtsmediziner schneidet nämlich nicht nur an irgendwelchen Leichen herum, er schreibt auch dauernd Berichte über das, was er in den Toten gefunden hat. Also Pistolenkugeln, abgebrochene Messerspitzen, Gift oder sonstige Dinge, die da eigentlich nicht hingehören. Das heißt, dass der Schlitzer morgens ins Büro fährt, seine Post durchsieht, dann in sein Auto steigt, zum Sektionssaal fährt, eine Leiche in ihre Kleinteile zerlegt, wieder in sein Auto steigt, in sein Büro zurückfährt und seinen Bericht schreibt. Und es wäre dumm, wenn er im Büro feststellte, dass er sich ganz gedankenverloren einen Augapfel in die Tasche gesteckt hat, weil er dann nämlich wieder ins Auto und auf die Bahn muss, um den seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.

Okay, zugegeben, ich habe noch nie erlebt, dass ein Rechtsmediziner sich einen Augapfel in die Tasche gesteckt hätte, aber wenn er es täte, wäre es ganz schön umständlich, den wieder an seinen Platz zu bringen.

Ich war also, wie Sie sicher zwischen den vielen Zeilen herausgelesen haben, nicht begeistert. Ich hing, wegen meiner bereits erwähnten Einsamkeit, zwar sehr an Martin, aber nicht an seinem Auto, und so konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich in den nächsten Monaten mehrmals täglich mit ihm in seiner Ente durch die halbe Stadt schunkeln würde, um von seinem Büroarbeitsplatz zu seinem Sektionsarbeitsplatz und wieder zurück zu gurken. Aber nur bei den ganzen Leichen herumzuhängen, hatte ich auch keine Lust. Ich seufzte.

»Nun reiß dich doch zusammen, Pascha«, dachte Martin in meine Richtung. »Immerhin kannst du einfach durch die Luft zischen. Dir sollte die Distanz zwischen Büro und Sektionstrakt von uns allen doch am wenigsten ausmachen.«

Mit einem Naturwissenschaftler kann man über solche Dinge nicht diskutieren, das hatte ich inzwischen gelernt, also hielt ich die Klappe und verzog mich zu den Kühlfächern. Das Fach mit der Nummer vier war mal meins gewesen, aber momentan lag dort ein Mann, der vorgestern auf der Straße tot umgefallen war. Einfach so. Und er war nicht der Einzige. Das lag am Wetter und damit kommen wir zu einer weiteren Katastrophe.

Seit zwei Wochen waren die Temperaturen nicht mehr unter siebenundzwanzig Grad gefallen. Auch nachts nicht. Die Kühlfächer füllten sich langsam, aber sicher mit Hitzetoten, Martin und die Kollegen kamen mit den Obduktionen schon gar nicht mehr nach, zumal ja alle auch im Umzugsstress steckten. Der Kerl in Nummer vier war also immer noch nicht obduziert, und seitdem waren schon wieder vier neue Leichen rangekarrt worden. Ich war gespannt, wie die Schlitzer den Rückstand wieder aufholen wollten.

Zunächst holte niemand etwas auf, stattdessen buckelten alle ihre Kartons zu den Sammelstellen, an denen das Umzugsunternehmen sie abholen und über Nacht zum neuen Gebäude fahren sollte. Natürlich machten alle Mitarbeiter lange Gesichter, weil sie ihre Kartons durch die Gegend schleppen müssten. Besonders hart traf es die Laborratten. Da auch die Labore im Bürotrakt untergebracht waren, zogen sie mit um. Und sie mussten sich, neben ihren Akten, auch um die Mikroskope und Apparate selbst kümmern. Die Dinger sind schwer wie Mafiapantoffeln und empfindlich wie ’ne Tussi mit PMS, und so hatten alle nicht nur mit der Anstrengung zu kämpfen, sondern auch den Angstschweiß auf der Stirn stehen. Wenn so ein Karton kentert, sind Zigtausend Euro geschreddert, und ohne Instrumente kann die Arbeit nicht weitergehen. Die Mitarbeiter waren also nicht nur sauer wegen der Schlepperei, sie konnten auch die Ignoranz des neuen Chefs nicht begreifen, der die Funktionsfähigkeit des Instituts aufs Spiel setzte, um ein paar tausend Euro zu sparen. Noch dazu Geld, das vom Budget längst genehmigt war.

»Ein Chef sollte nicht nur rechnen, sondern auch denken können«, hörte ich von einem Labormitarbeiter, der ein Glotzoskop in eine von zu Hause mitgebrachte Kuscheldecke einschlug, bevor er es mit Panik im Blick zur Sammelstelle schleppte.

»Und selbst zum Rechnen braucht er elektronische Hilfe«, entgegnete ein Kollege. »Das kann der Gemüsetürke bei mir um die Ecke besser.«

Ich kann jammernde Akademiker nicht ertragen, also verließ ich das Institut und streifte durch die Stadt. Es war Donnerstag, der Tag der neuen Filme. Im Kino konnte ich mich fast so fühlen wie damals, als ich noch in meinem Körper durch die Gegend lief. Natürlich konnte ich keine Cola trinken, kein Popcorn durch die Gegend werfen und nicht an einer Tussi herumgriffeln, aber trotzdem war dies eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen ich den Verlust meiner Körperlichkeit für zwei Stunden fast vergessen konnte. Vorausgesetzt, der Film war gut. Aber da ich nicht zahlen musste, konnte ich es drauf ankommen lassen und gab fast jedem Film eine Chance. Natürlich nur echten Filmen. Also Actionkrachern. Keine Chance hatten Liebesschmonzetten, Märchenfilme und erst recht nicht die Tragikomödien. Ich finde, wenn ein Drehleiter (DER Drehleiter, nicht DIE Drehleiter, liebe Lektorin) sich nicht entscheiden kann, ob er eine Tragödie oder eine Komödie drehen will, sollte er aus Konfettischnipseln Papierflieger bauen, bis er weiß, was er will.

Ich hing also in meinem Lieblingskino ungefähr in Höhe der Loge über den Köpfen der anderen Zuschauer und hatte bereits das erste Drittel eines ordentlichen Spionagethrillers mit lauter toll aussehenden Weibern in den Nebenrollen, die so klein waren wie ihre Stringtangas, hinter mir, als vorn in der dritten Reihe Unruhe aufkam. Jemand stöhnte, eine weibliche Stimme flüsterte mit einem Geräuschpegel wie ein startender Golf zwei mit Originalauspuff, es wurde geraschelt und mit Schlüsseln geklimpert.

»Hey, Ruhe da vorn«, brüllte der Kerl unter mir.

Das Geraschel und Getuschel ging weiter.

»Verdammt, hier ist doch kein Müttercafé«, brüllte der Typ wieder. »Halt die Sabbel oder geh raus!«

Ich flog kurz rüber, um nach dem Grund für die Störung zu suchen, als eine Seele um Sackhaaresbreite an mir vorbeizischte. Und wieder hatte das Seelchen es furchtbar eilig, hielt sich nicht damit auf, ein paar Worte mit mir zu wechseln, sondern düste im Engelsgalopp an mir vorbei. Endlich hatte auch die Tussi auf dem Platz neben der jetzt seelenlosen körperlichen Hülle gemerkt, dass mit dem Typ etwas wirklich ganz und gar faul war, und schrie panisch um Hilfe. Auf dieses Theater hatte ich keinen Bock. Den Rest des Films würde ich mir morgen ansehen, jetzt verpisste ich mich erst mal, um nicht die ganze Rödelei mit den Sanis mitzumachen, die ich schon hundertmal gesehen hatte: Wiederbelebungsversuche, Beruhigungsspritze für die hysterische Begleitung, noch mehr Wiederbelebung, Notarzt, Rettungswagen, Elektroschocks, und irgendwann würden sie es einsehen, was ich schon wusste, seit das Innenleben des Typs mich fast gerammt hatte: Der Sack war tot. Ich würde ihm sicher im Institut wieder begegnen, aber ich vermutete schon jetzt, dass auch er in der sorgsam gepflegten Statistik des Gesundheitsamtes in der Rubrik Hitzetote landen würde. Langsam uferte das zu einer Epidemie aus.

Der Freitag und das gesamte Wochenende waren für den Umzug und das Einräumen der neuen Büros angesetzt, und so wuselten drei Tage lang verschwitzte, jammernde Doktoren der diversen Fachrichtungen durch die neuen Räume, schleppten Kartons, steckten Stecker ein, justierten Messgeräte, ordneten Akten und klagten mehr oder weniger laut über ihr schreckliches Los. Das konnten sie ungehindert tun, denn der neue Chef war nicht im Haus. Der Mann war gerade mal vier Wochen im Amt und rangierte bereits auf der Beliebtheitsskala der gesamten Belegschaft hinter Silberfischchen, Führerscheinentzug und Genitalherpes. An diesem Wochenende wurde sein Spitzname erfunden, dessen Siegeszug durch die Büros schneller war als Schumachers Rundenrekord auf regennasser Fahrbahn in Monaco: Das Sparschwein war geboren.

Im Sektionstrakt war die Stimmung nach dem Auszug der Büros geradezu unterirdisch schlecht. Dazu muss man wissen, dass der Sektionstrakt im Keller des jetzt leer stehenden Gebäudes, also unter der Baustelle, lag. Tagsüber dröhnten und vibrierten die Presslufthämmer in den Büroetagen und machten jede normale Arbeit unmöglich. Normale Arbeit hätte bedeutet, dass einer der Schlitzer die Leiche zerlegt, während ein Kollege jeden Befund in ein Diktiergerät sabbelt. Diktieren ging bei dem Lärm aber nicht, also stand der Chronist mit Zettelchen und Stift neben der Leiche und murmelte ständig: »Moment, nicht so schnell, was sagtest du gerade?«

Nachts hingegen war es still. Zu still, wie vor allem das schwach machende Geschlecht meinte. Seit die Büros verlassen und die Pförtnerloge nicht mal mehr während der erweiterten Bürozeiten besetzt war, lag das Institutsgebäude nach Abzug der Pressluftstecher einsam und von allen lebenden Seelen verlassen da. Zu allem Überfluss grenzte es nach hinten auch noch an den Friedhof, der ja im Allgemeinen auch nicht unbedingt als Ort der unbeschwerten Lebensfreude gilt. Obwohl auch früher nachts selten jemand im Büro war, zog das halb leere Gebäude in direkter Nachbarschaft der größten Großwohnanlage für abgelöffelte Kölner nun massenhaft schräge Gestalten an. Der Bauzaun hielt die echten Freaks nicht ab, und mehr als einmal flackerte in einer der offenen Fensterhöhlen eine Kerze oder ein kleines Feuerchen. Zweimal hatten sich Kollegen, die nachts eine dringende Obduktion durchführen mussten, auf dem Weg die Rampe hinunter in den Sektionstrakt beobachtet gefühlt. Das Gebäude war selbst denen, die seit Jahren ihre Arbeitstage mit dem Herumwühlen in aufgeschnittenen Leichen verbrachten, unheimlich geworden.

Katrin, die neben allen Segnungen einer hinreißenden Weiblichkeit vom lieben Gott auch noch ein freches Mundwerk geschenkt bekommen hatte, wurde von den Kollegen zum Sparschwein geschickt, um die Beschwerden vorzutragen. Mir war langweilig, und so gesellte ich mich dazu, in der Hoffnung, mal wieder ein bisschen Stimmung in der Bude zu erleben.

»Herr Forch, ich würde mit Ihnen gern über die Situation im Sektionstrakt sprechen.«

Forch saß in seinem klimatisierten Rechenzentrum, wie die Kollegen sein Büro inzwischen nannten, in Anzug und Krawatte. Er besaß als Einziger im Haus ein Klimagerät, das neben seinem Schreibtisch vor sich hin gurgelte. Katrin trug eine ärmellose Bluse, eine Leinenhose und Sandalen, die nur aus einer Sohle und zwei dünnen Lederriemchen bestanden. Die langen, lockigen Haare hatte sie hochgesteckt, die feinen Härchen im Nacken waren feucht und kräuselten sich. Der leichte Schweißfilm auf ihrer gebräunten Haut glänzte verlockend. Sie war immer noch das mit Abstand heißeste Häschen der ganzen Rechtsmedizin und sah zum Anbeißen aus.

Auch Forch schaffte es nicht, ihr bei ihrem Eintritt direkt in die Augen zu sehen, sein Blick rutschte tiefer. Dann räumte er ein paar Papiere zur Seite, zog eine Schublade auf, legte die Papiere hinein und langte mit seinen manikürten Griffeln dabei betont unauffällig ein bisschen weiter nach rechts. Ich düste rüber, um zu sehen, was es da zu fummeln gab, und musste grinsen. Er stellte sein Klimagerät fünf Grad kälter. Das Ergebnis seines Kühlkonzepts wurde unter Katrins dünner Bluse zweieinhalb Minuten später deutlich sichtbar. Das Sparschwein war eine geile Sau. Endlich mal ein richtiger Mann im Haus. Der Kerl war mir plötzlich durchaus sympathisch.

»Herr Forch, die Kolleginnen und Kollegen haben eine Bitte, die ich Ihnen hiermit überbringen möchte. Wir fühlen uns im Sektionstrakt vor allem nachts sehr unwohl, äh, unsicher, wollte ich sagen. Wir möchten Sie bitten, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken.«

»Aber der Sektionstrakt ist genauso sicher wie früher auch«, wandte Forch ein. »Der Umbau betrifft ihn doch gar nicht.«

»Es ist aber so, dass sich da jede Menge dunkler Gestalten herumtreiben. Sowohl auf dem Parkplatz als auch in der Zufahrtsrampe zur Eingangstür. Da möchte niemand mehr allein im Dunkeln hinuntergehen.«

Während Katrin vor sich hin fröstelte, lehnte sich das Sparschwein genüsslich zurück und ließ sich mit der Antwort Zeit. »Was stellen Sie sich vor?«

Katrin verschränkte die Arme vor dem Körper. »Nun, eine Videoüberwachung vielleicht? Oder einen Sicherheitsdienst, der regelmäßig…«

»Eine Videoüberwachung ist für das operative Geschäft nicht notwendig und daher kaum als Kapitalinvestition geeignet«, erklärte das Sparschwein mit fester Stimme.

»Kapitalinvestition…?«, murmelte Katrin.

»Ja. Betriebsvermögen. Aktiva in der Bilanz. Aber dazu zählen für ein derartiges Institut im Bereich der medizinischen Dienstleistungen sicher keine Kameras, Kabelverbindungen, Aufzeichnungsgeräte oder gar die Übertragung an eine Überwachungszentrale. Also, unter welchem Posten sollte ich eine solche Investition tätigen?«

Katrin hatte inzwischen die Füße eng aneinandergestellt, damit sie sich gegenseitig wärmen konnten. Sie blickte verwirrt. »Und ein Sicherheitsdienst, der regelmäßig nach dem Rechten sieht? So etwa zweimal die Stunde?«

»Um Himmels willen«, entgegnete das Sparschwein. »Damit diese zusätzlichen Kosten aufgefangen würden, müssten Sie Ihre Produktivität um zwanzig Prozent steigern. Können Sie das?«

Katrin blickte ihn fassungslos an. »Produktivität? Hören Sie, wir alle machen unsere Arbeit sehr gut, und wir alle haben Überstunden. Noch nie ist etwas liegen geblieben. Ich weiß nicht, was Sie mit Produktivität meinen, aber ich weiß, dass wir uns im Sektionstrakt unsicher fühlen. Und zwar alle Kollegen, nicht nur die Frauen.«

Dass Martin als Erster die Hosen voll hatte, wunderte mich keineswegs.

»Wissen Sie, das Unsicherheitsgefühl ist ja eher ein individuelles und im Allgemeinen auch unspezifisches Gefühl und hat vermutlich gar nicht in erster Linie etwas mit dem Arbeitsumfeld zu tun. Vielleicht sollten Sie mal darüber nachdenken, einen Kurs in Selbstverteidigung zu machen. Kann ja auch privat nicht schaden, nicht wahr?«

Ich stellte mir vor, wie Katrin wohl in einem Judoanzug aussah und wie sie mit Karacho einen Trainingspartner über ihre Schulter hebelte und sich dann selbst auf ihn warf… Ich würde mich ja sofort freiwillig als Übungspartner melden– egal, wie viele blaue Flecken das kostete.

Forch hatte sich mittlerweile erhoben, streckte Katrin die Hand über den Schreibtisch entgegen und schüttelte ihre lang genug, um sich an dem von ihm eiskalt herbeigeführten Anblick zu weiden. Katrin versuchte, soweit ich das erkennen konnte, sich dem Griff zu entziehen, verabschiedete sich hastig und verließ den Kühlturm fast im Laufschritt. Sie stürmte an ihrem Gemeinschaftsbüro vorbei, streckte den Kopf hinein und sagte: »Besprechung in der Teeküche.« Dann eilte sie weiter, stieß die Tür zur Küche auf, griff sich die erstbeste Tasse, stellte sie unter den Heißgetränke-Auslass und drückte den Knopf für eine Pressplörre mit wohlklingendem, italienischem Namen.

Ich war dabei gewesen, als der Automatenzwerg die Behälter aufgefüllt hatte, und wusste, was auf den Beuteln stand, aus deren Pülverchen die diversen Kaffeespezialitäten »frisch für Sie zubereitet« wurden: Milchpulver, Aroma, Emulgatoren E473 und E322, Stabilisatoren E407, E460 und E466, Zucker, Verdickungsmittel Carrageen, modifizierte Stärke, Säureregulatoren E500 und E332 und Salz. Für die Kaffeespezialitäten gab es auch noch ein Beutelchen mit Kaffee-Extrakt, für die Schokoladengetränke gab es doch tatsächlich– Tusch!– Kakao. Zum Glück spuckte der Automat mit dem Getränk nicht auch noch den Beipackzettel aus.

Mir wäre das natürlich auch egal gewesen, ich hattesolches Zeug früher literweise gesoffen und würde es auch heute noch gern tun. Allerdings gab es hier etliche Kollegen, die nur bio und vegan und acrylamidfrei und ohne Gentechnik und so weiter futterten, sich aber die Automatenbrühe hinters Zäpfchen gossen, als gäbe es kein Morgen mehr.

Katrin hatte endlich eine Tasse mit einem dunklen Wischwasser und luftigem Industrieschaum darüber gefüllt und schlürfte ungeduldig und laut an dem Zeug herum. Langsam glättete sich die Gänsehaut auf ihren Armen. Der Rest noch nicht. Mir gefiel’s.

Martin und Jochen kamen herein und blickten sie fragend an.

»Sicherheit gibt es nur gegen zwanzigprozentige Produktivitätssteigerung«, zischte Katrin ihnen entgegen.

»Die geile Sau hat das Kühlgerät auf fünfzehn Grad runtergedreht, damit Katrins Nippel sich aufstellen«, erklärte ich Martin feixend.

Er wurde rot. »Nein!«, rief er aus.

»Doch«, sagte Katrin.

Martin wurde noch röter.

»Und wie sollen wir unsere Produktivität steigern?«, fragte Jochen. »Sollen wir auf der Straße ein paar Leute totschlagen, damit wir zwei Leichen mehr haben pro Woche?«

Klar, wie die Freiwilligen Feuerwehrmänner, die immer wieder ein kleines Streichhölzchen fallen lassen, um beim anschließenden Löschen zu beweisen, wie wichtig sie sind.

»Wenn es keine Sicherheitsausrüstung gibt, werden wir unsere Leichen bald direkt vor der Tür aufsammeln können«, zischte Katrin. »Oder sogar gleich im Sektionstrakt.«

»Na ja«, sagte Martin, »immerhin ist die Tür zum Sektionstrakt mit dem elektronischen Zugangskontrollsystem gut gesichert.«

»Ich fühle mich trotzdem scheiße da unten«, maulte Katrin.

»Ich ja auch«, gab Martin kleinlaut zu.

Voll peino, wenn ein ausgewachsener Mann sich als jammernder Feigling zu erkennen gibt– und das auch noch vor einer Tussi.

Eine Woche später, genau an meinem Geburtstag, hatte Martin gleich als Erstes eine Obduktion auf dem Tagesplan stehen, und so fuhr er den altbekannten Weg zum Melatengürtel, parkte die Ente auf dem fast leeren Parkplatz und schloss das Ding sorgfältig ab. Als ob irgendjemand dieses Gefährt hätte klauen wollen! Das hatte ich ihm schon tausendmal gesagt, und ich muss es schließlich wissen, denn ich habe meinen Lebensunterhalt mit dem Diebstahl motorisierter Fahrzeuge bestritten. Aber auf mich hörte er ja nicht.

Seit dem Aufstehen hatte ich Martin schon wegen meines Jubeltages vollgetextet. Für mich ist dieser Tag sehr wichtig. Besonders in der speziellen Situation, in der ich mich befinde. Vielleicht können Sie sich das nicht so recht vorstellen, denn bei Ihnen ist das sicherlich anders. Sie wachen mit einer Morgenlatte auf, dann stellen Sie fest, dass Sie einen dicken Kopf oder Sodbrennen oder so was haben– alles eindeutige Zeichen dafür, dass Sie putzmunter und lebendig sind. Bei mir ist das nicht mehr so. Erstens wache ich nicht auf, denn Tote schlafen nicht. Zweitens habe ich keine Schwellkörper mehr, also auch keine Morgenlatte. Ebensowenig kann ich einen dicken Kopf, Sodbrennen oder Felljucken bieten. Kein Mensch kann mich sehen, hören kann mich nur Martin. Mein Geburtstag ist eine verdammt wichtige Gelegenheit, mir selbst zu versichern, dass es mich gibt.

»Was machen wir denn nun zur Feier meines Geburtstags?«, fragte ich Martin. Meine früheren Partys hatte ich ihm in der letzten halben Stunde schon ausgiebig beschrieben, aber er hatte immer nur gezuckt, wenn von alkoholischen Getränken oder willigen Weibern die Rede war. Martin bekommt zu seinem Geburtstag wahrscheinlich immer noch selbst gebackene Kuchen mit Smarties-Deko und diesen albernen Kerzen geschenkt, die sich nach dem Ausblasen wieder selbst anzünden.

»Wir könnten ins Kino gehen«, schlug er vor, während er die Rampe zum Institut hinunterging.

»Ich schimmel fast jede Nacht im Kino rum«, maulte ich. »Das ist nichts Besonderes.«

»Essen gehen fällt ja wohl auch aus…«

Haha.

Martin hielt seinen Ausweis vor das elektronische Schloss und drückte die Tür auf. Einen Schritt schaffte er noch, bevor er in Spontanparalyse verfiel. Einfacher gesagt: Er blieb mitten in der Bewegung stehen, was ihm ein total dämliches Aussehen und einen ziemlich unsicheren Stand auf nur einem Fuß bescherte.

Der Saal der Leichenannahme war komplett verwüstet. Zwei Kühlfächer standen einen Spalt auf, der Temperaturalarm piepte nervtötend ununterbrochen vor sich hin. Aus einem der Kühlfächer hing ein Zipfel von einem Kleidungsstück. Es roch nicht gut. Okay, geben wir der Wahrheit die Ehre: Es stank erbärmlich nach all dem Zeug, das normalerweise in den Leuten drin ist. Blut, Galle, Magen- und Darminhalt. Das ist an sich schon eklig genug, aber dazu kam ein ausgesprägter Geruch von Verwesung. Jeder, der schon einmal einen Stromausfall im Tiefkühlfach daran bemerkt hat, dass das Hacksteak die Tür von innen aufdrückt, weiß, was ich meine.

Auf dem Boden war eine lange, blutige Schleifspur, die vom ganz rechts gelegenen Kühlfach bis kurz vor die Tür reichte. Martin stand mit einem Fuß mittendrin. Er rührte sich immer noch nicht.

»Martin«, brüllte ich, »komm zu dir. Rein oder raus, aber tu was!«

Er hielt immer noch die Tür offen, was die Fliegen freute, von denen bereits etliche durch den Spalt zischten.

Endlich regte er sich wieder, machte den einen Schritt, den er eben in den Sektionstrakt hineingemacht hatte, wieder rückwärts, lehnte sich von außen an die Tür und rief über Handy die Bullen.

Ich habe, seit ich tot bin, eine viel bessere Meinung von den Bullen als früher. Das mag mit meiner Lebensgeschichte zusammenhängen. Als Autoknacker betrachtete ich die Bullen als natürliche Fressfeinde, deren einziger Existenzsinn darin lag, mir das Leben schwer zu machen. Für einen kriminalistisch interessierten Halbtoten hingegen sind die Jungs sozusagen Kollegen. Zwei von diesen Typen kamen also in ihrer Blaulichtschaukel an und versuchten, ein paar zusammenhängende Sätze aus Martin herauszuholen.

»Wann sind Sie hier eingetroffen?«

»Äh…«

»Um sieben Uhr achtundfünfzig«, sagte ich ihm vor.

Er plapperte es nach.

»Woher wissen Sie die Zeit so genau?«

»Äh…«

»Weil im Radio gerade die Werbung anfing. Es können auch zwei Sekunden früher oder später gewesen sein, aber das kann man ja beim Sender nachfragen.«

Martin wiederholte meine Worte.

»Und dann?«, fragte der Uniformständer, dem der Schweiß unter der Mütze von der Stirn tropfte. Morgens um kurz nach acht. Langsam machte ich mir Sorgen, wie lange diese Stadt bei der Hitze noch funktionsfähig sein würde.

Martin berichtete stockend, wie er die Tür geöffnet und die Bescherung gesehen hatte.

»War die Eingangstür abgeschlossen?«

»Äh…«

Martin lauschte in meine Richtung, aber da konnte ich ihm auch nicht helfen. Er hatte seinen Magnetkarten-Mitarbeiter-Ausweis an die elektronische Türsicherung gehalten und die Tür in der Vermutung geöffnet, dass sein Ausweis sie entriegelt hatte. Ob sie vorher auf oder zu war, wussten wir beide nicht.

»Wer hat denn normalerweise nachts Zugang zu diesem Bereich?«

»Ihre Kollegen, die Feuerwehr, die Bestatter, die Leichen anliefern…«

Der grüne Junge hatte Mühe, sich aus Martins Gestammel ein einigermaßen schlüssiges Bild zu machen, aber gemeinsam mit seinen Kollegen von der Kripo und der Spurensicherung, die bald eintrafen, ergab sich ein wahrscheinliches Szenario. Offenbar war während der Arbeiten im Bürotrakt ein Elektrokabel gekappt worden, sodass die elektronische Türverriegelung ausgeschaltet war, und so war der Zugang zu den Kühlfächern offen gewesen. Nachts hatten die Totentransporteure zwei Leichen eingeliefert: einen Typ aus einer Kneipe, der tot vom Hocker gekippt war, und einen zweiten Mann, der, laut Information der Kripo, Opfer einer Messerstecherei geworden war.

Der war jetzt wieder weg.

Zunächst fuhr Martin ins Büro, um seinen Chef zu informieren.

»Eine Leiche fehlt, sagen Sie?«, fragte Forch sichtlich irritiert.

Martin nickte. Er hatte sich sicherheitshalber sein Jackett übergezogen, bevor er zum Sparschwein gegangen war, auch wenn ich ihn dezent darauf hingewiesen hatte, dass der Mann vermutlich kein gesteigertes Interesse daran hatte, seine Nippel zu sehen.

»Wer?«

»Das Opfer einer Messerstecherei, so steht es auf dem Einlieferungsschein. Offenbar war von uns niemand am Fundort.«

Das Sparschwein sah Martin fragend an.

»Normalerweise wird die Rufbereitschaft zu einer Leiche gerufen, wenn die Todesursache fraglich oder eine Blutspurenmusteranalyse nötig ist«, erklärte Martin. »Aber offenbar haben die Kollegen von der Kripo uns nicht angefordert.«

»Bekommt das Institut diese nächtlichen Einsätze bezahlt?«, fragte das Sparschwein.

Martin blickte ihn verständnislos an.

Das Sparschwein winkte ab. »Gut, das kläre ich selbst. Nächste Frage: Sind wir gegen so etwas versichert?«

In Martins Hirn ploppten dicke Fragezeichen aus der Gedankensuppe. »Versichert?«

»Das war ein Diebstahl, oder?«

»Äh, ich bin mir nicht ganz sicher, wie die rechtliche Situation in dieser Frage ist«, murmelte Martin. »In der Frage unserer Haftung für den Verbleib der Leiche hingegen…«

»Nun, dann bringen wir das mal in Erfahrung. Das mit der Versicherung, meine ich. Hätten Sie eine Idee, mit welchem Wert wir eine Leiche ansetzen sollten? Vielleicht…« Das Sparschwein schloss kurz die Augen. »Mit dem Wert der Obduktion einschließlich aller Nebenkosten und Overheads.« Er blickte Martin fragend an. Als dieser sich nicht rührte, wedelte das Sparschwein ihn mit der rechten Hand weg. »Danke für die Information.«

Martin verließ das Büro seines Chefs in gedanklicher Unordnung und erstattete Katrin und Jochen Bericht. Beide waren nicht nur schockiert, sondern zu Tode erschrocken.

»Verdammt, hier geht alles drunter und drüber. Jetzt sind nicht einmal die Toten mehr sicher!«, platzte Katrin heraus. »Ich gehe in Zukunft nur noch mit Pfefferspray da unten rein.«

»Ich auch«, stammelte Jochen. Dabei ist er schon älter, an die fünfzig, da hat man sowieso nicht mehr viel vom Leben zu erwarten. Wovor hatte er also Schiss?

»Und was, zum Teufel, will einer mit unserer Leiche?«, murmelte Katrin weiter.

»Das möchte ich mir lieber gar nicht erst vorstellen«, sagte Jochen mit schiefem Grinsen.

»Lasst uns überlegen, was jetzt zu tun ist«, sagte Martin.

»Warum sollten wir das überlegen?«, giftete Katrin. »Wofür haben wir unseren hoch bezahlten Chef?«

»Weiß ich auch nicht«, blitzte es kurz in Martins Gehirn auf, und das war schon so ziemlich der ketzerischste Gedanke, den er sich zu dem Thema je erlauben würde. Er sprach ihn natürlich nicht aus, sondern unterdrückte ihn schnell. »Wir sollten eine Bestandsaufnahme der anderen Leichen machen und schauen, ob noch eine fehlt oder an anderen etwas manipuliert wurde.«

Gemeinsam verbrachten Martin, Jochen und Katrin zwei Stunden mit der äußeren Begutachtung jeder einzelnen Leiche in jedem einzelnen Kühlfach. Sie prüften anhand der Dokumente, ob an den Leichen herumgepfuscht worden war. Das war im Fall der Puzzle-Toten von den Bahngleisen nicht einmal halbwegs sicher feststellbar. Hier konnte man lediglich die Einzelteile zählen, und das waren jetzt zweiundzwanzig– bloß stand auf dem Einlieferungsdokument nicht drauf, wie viele ursprünglich angeliefert worden waren. Präzise, wie Martin ist, vermerkte er das auf seinem Zettelchen.

Als Katrin allerdings die vorletzte Leiche überprüfte, stieß sie einen leisen Schrei aus. Martin und Jochen ließen alles stehen und liegen und liefen zu ihr. Gemeinsam starrten die drei in das Fach.

Darin lag eine Frau. Das Alter ist so auf Anhieb bei Toten immer schwer festzustellen, aber ich schätzte sie mal auf knapp vor scheintot, also ungefähr vierzig. Sie war bereits obduziert, was man an dem langen Schnitt vom Kinn bis unter den Bauchnabel unschwer erkennen konnte. Der groben Naht nach hatte Martin…

»Blinddarmdurchbruch«, murmelte Martin.

Bingo. Seine Nähte erkenne ich, seit er meine traurigen Überreste in ähnlicher Form zurechtgehäkelt hat.

»Mein Gott, ist das pervers«, stammelte Jochen.

Wortlos starrten Martin und Katrin wieder auf die Leiche im Kühlfach. Jemand hatte ihr großflächig die Haut abgezogen.

»Wie hieß noch mal der Film…?«, fragte Jochen. Es sollte wohl cool klingen. Tat es aber nicht. Seine Stimme zitterte und kiekste wie von einem Bengel im Stimmbruch, der versucht, ein Weihnachtslied im Bass zu singen.

»Vielleicht hat der Typ Angst bekommen, dass ihn jemand entdeckt, deshalb hat er die Aktion hier abgebrochen und lieber eine Leiche mitgenommen, damit er sich ganz in Ruhe in einer dunklen Ecke damit beschäftigen konnte«, murmelte Katrin.

»Warum hat er dann nicht die Frau mitgenommen?«, fragte Martin. Er hatte auf die professionelle Schiene umgeschaltet, daher funktionierte sein Verstand schon wieder in gewohnt analytischer Form.

»Vielleicht gefiel ihm deine Naht nicht«, schlug ich vor. Martin zuckte zusammen.

»Vielleicht gefiel ihm…«, murmelte Katrin.

»…meine Naht nicht«, vollendete Martin. »Ja, danke, ich weiß.«

Katrin und Jochen starrten ihn so entsetzt an, dass ich fast glaubte, sie hätten eine andere Vermutung geäußert. Dabei war die Naht doch naheliegend.

»Wir sollten die Kollegen von der Polizei holen«, sagte Katrin schließlich. »Und sobald die ihre Fotos und Berichte gemacht haben, müssen wir selbst die Leiche noch mal gründlich untersuchen. Genetische Spuren nehmen, das Übliche eben.«

Es dauerte zehn Minuten, bis die Bullen wieder vor Ort waren, und eine ganze Stunde, während der die drei Rechtsfragezeichen gemeinsam jeden Millimeter des abgezogenen Häschens auf genetische oder sonstige Spuren des Hautfetischisten absuchten.

Danach fuhr Katrin ins Büro, und Martin und Jochen führten die geplante Obduktion durch. Diesmal musste Martin schreiben. Ich hing bei den beiden herum und flog regelmäßig draußen eine Runde, um das Gelände zu sichern, aber da die Baustelle in Betrieb war, ließ sich kein Freak blicken. Vermutlich war es denen auch zu laut.

Gegen vier Uhr kam Gregor in Martins Büro. Gregor ist Martins bester Freund auf Erden und Katrins Lover. Martins engster Freund bin natürlich ich, auch wenn Martin das immer mal wieder gern verdrängt. Aber zurück zu Gregor. Der ist nämlich außerdem Kriminalhauptkommissar, und als solcher hatte er die Bearbeitung des Mordfalls mit der jetzt leider fehlenden Leiche übernommen. Gregor gab Katrin einen langen Kuss und beugte sich dann grinsend über Martin, der hektisch abwehrte. Ich wieherte vor Lachen. Gregors Humor gefiel mir.

»Also, Kurzfassung?«, sagte er, als er sich auf den Besucherstuhl fallen ließ.

Martin gab ihm alles wieder, was er wusste. Ordentlich, präzise, emotionslos. Typisch Rechtsmediziner-Martin eben. Ganz anders als Privat-Martin.

»So einen Fall hatten wir noch nie«, sagte Gregor anschließend. »Und ich muss sagen, wir sind nicht begeistert darüber, dass die Leiche abhandengekommen ist.«

»Ich auch nicht«, sagte Martin.

»Er hatte keine Ausweispapiere bei sich, keinerlei Hinweis auf die Identität. Kein Foto, noch nicht mal ein Stückchen Papier, das uns sagen könnte, in welcher Sprache er kommunizierte.«

»Wieso…«

»Er war ein Schlitzauge, sagt die Kollegin, die den Toten von der Straße aufgesammelt hat.«

Ich mag Gregor schon allein, weil er politisch unkorrekte Ausdrücke wie Schlitzauge benutzt. Natürlich nur, wenn er unter Freunden ist. Und da außer Martin nur Katrin da war, war er unter Freunden. Natürlich war ich auch noch da, aber davon wusste Gregor nichts und wenn, hätte es ihn hoffentlich nicht gestört. Ich jedenfalls zählte mich auch zu seinen Freunden.

»Warum hat diese Kollegin uns nicht dazugerufen?«, fragte Martin.

Er ist natürlich zu höflich, nach dem Namen der hirnamputierten Tussi zu fragen, die ein Opfer einer Messerstecherei ohne rechtsmedizinischen Beistand von der Straße pickt.

Gregor zuckte die Schultern, hielt kollegialerweise die Klappe, machte aber ein sehr böses Gesicht dazu.

Im Grunde liegt es im Ermessen des Kripobeamten vor Ort, ob er die Rechtsmediziner zum Leichenfundort ruft oder nicht. Er ruft immer, wenn er konkrete rechtsmedizinische Fragen hat, zum Beispiel eine Leichenliegezeitbestimmung wünscht. Das ist Offiziellsprech für Todeszeitbestimmung. Oder wenn eine Blutspurenmusteranalyse gewünscht wird, um festzustellen, von wo der Angreifer kam, wo das Opfer stand, ob der Angreifer größer oder kleiner, Rechts- oder Linkshänder war, oder was man sonst alles über die Täter-Opfer-Beziehung sagen kann.

Wenn aber ein Bulle sich sicher war, dass hier ein Tötungsdelikt vorlag, und keine weiteren Erkenntnisse eines Rechtsmediziners benötigte, dann musste er die Jungs nicht rufen.

In diesem Fall war es natürlich sehr schade, dass die Kripomaus es nicht getan hatte, denn so waren die Spuren an der Leiche selbst– im Gegensatz zum Fundort– noch nicht gesichert. Und kein medizinisch geschultes Auge hatte das abgestochene Schlitzauge einer Begutachtung im Schnelldurchgang unterzogen. Dumm gelaufen.

»Es gibt auch keine Vermisstenmeldung, die auf ihn passt, vermute ich?«, sagte Martin

»Korrekt vermutet.« Gregor schwieg nachdenklich. »Was glaubst du, warum den einer geklaut hat?«

Martin dachte kurz über die Diskussion zwischen Katrin und Jochen im Keller nach und wollte schon den Mund aufmachen, als Katrin dazwischenfunkte.

»Weil Asiaten eine reinere, hellere Haut haben als mittelalte deutsche Frauen mit deutlich ausgeprägten Muttermalen.«

Die beiden Männer schwiegen verblüfft.

»Na ja, ich habe schon so manche Asiaten um ihre feinporige, glatte Haut beneidet«, sagte Katrin. »Männer und Frauen. Also, wenn ich so ein Psycho wäre, der anderen Leuten die Haut klaut, um sie vielleicht selbst anzulegen, würde ich doch eine schöne Haut nehmen, oder?«

»Das sind ja ganz neue Züge an dir…«, murmelte Gregor mit einem breiten Grinsen. Und an Martin gewandt fügte er hinzu: »Sobald du die Ergebnisse von der Blutuntersuchung hast oder wenn dir irgendetwas einfällt, was mir in diesem Fall ohne Leiche weiterhilft, melde dich. Ich jedenfalls stehe völlig auf dem Schlauch.«

Martin gab keine Antwort, aber ich konnte in seiner Denkschüssel den Vorsatz auftauchen sehen, dass er Gregor in dieser Sache unbedingt helfen müsse. Immerhin lag das Verschulden aufseiten des Instituts.

Wer keine Probleme hat, macht sich welche.

»Was machen wir denn nun heute Abend?«, fragte ich später.

»Hä?«

»Ich habe Geburtstag, schon vergessen?«

Martin stöhnte. »Birgit kommt aber heute Abend, wir wollen…«

Er schaltete seine Gedanken im letzten Moment ab. Das kann er inzwischen ziemlich gut. Bei mir funktioniert es auch. Wir hatten im Verlauf der letzten sechs Monate, die wir uns kannten, gelernt, den anderen aus unseren Gedanken auszuschließen, wann immer wir das wollten. Ich kann bei Martin sein, ohne dass er meine Gegenwart bemerkt, was manchmal ganz interessant ist. Genauso kann Martin mich aus seiner Denkschüssel ausschließen, was ich natürlich unterirdisch grausam finde. Immerhin ist er der einzige Mensch, zu dem ich überhaupt Kontakt habe, und wenn er sich abschaltet, bin ich ganz allein.

Heute hatte er also mit Birgit etwas vor, von dem ich nichts wissen sollte. Zipfeln schied wohl eher aus, das taten die beiden inzwischen regelmäßig und war nichts Besonderes mehr. Außerdem ist Spannen nicht so spannend, wie man sich das gemeinhin vorstellt. Vor allem nicht, wenn man immer bei denselben beiden spannt. Und wenn dann auch noch der Typ so ein weich gespültes Kuscheltier ist wie Martin. Ich würde da ja ganz anders…

Aber das geht ja nicht mehr.

Außerdem hat Martin inzwischen ein Abschirmnetz gegen Elektrosmog in seinem Schlafzimmer aufgehängt, das aussieht wie ein Moskitonetz und für mich eine unüberwindbare Barriere darstellt. Birgit hat er erklärt, dass er gelegentlich Stimmen aus dem Jenseits hört und sich durch dieses Schutznetz vor ihnen schützen kann. Der Feigling hat es nicht fertiggebracht, Birgit zu sagen, dass ich, Pascha, nicht nur eine gelegentliche Stimme aus dem Reich der Toten bin, sondern ein total realer Typ, der nur eben leider keinen Körper mehr hat. Nun weiß Birgit zwar, dass Martin mit Toten spricht, aber von mir weiß sie immer noch nichts. Ich finde das megadaneben, und wir haben das schon tausendmal diskutiert, aber Martin ist in dieser Frage absolut starrsinnig. Er hält seinen engsten Freund weiterhin vor seiner Freundin geheim.

»Warum ermittelst du nicht ein bisschen in unserem geheimnisvollen Fall von der verschwundenen Leiche?«, schlug er müde vor.

Okay, ich habe meinen eigenen Mordfall aufgeklärt und den an den Ordensschwestern, aber das heißt noch lange nicht, dass ich bei jedem seltsamen Todesfall den Bullen ihre Arbeit abnehme. Schon gar nicht in einer so vollkommen undurchsichtigen Geschichte, in der noch nicht einmal die Identität der Leiche geklärt ist. Wo sollte ich da anfangen?

»Warum gehst du nicht in ein Konzert?«, fragte Martin.

»Weißt du, was das Besondere am eigenen Geburtstag ist?«, fragte ich zurück. »Dass man den nicht allein verbringt!«

Martin stöhnte. Ich war wohl zu laut geworden.

»Ich kann jeden Tag ins Konzert gehen. Ich kann auch jeden Tag ins Kino oder ins Nagelstudio gehen. Das können wir gern alles tun, aber nur, wenn du mitkommst. Ich will an meinem Geburtstag nicht allein sein.«

Bei der Vorstellung, mit mir in ein Bordell (Martin benutzt auch gedanklich immer politisch korrekte Begriffe) zu gehen, wurde ihm ganz heiß. Aber nicht aus Vorfreude, sondern aus Entsetzen.

»Aber Birgit…«, murmelte er.

»Erzähl Birgit endlich von mir, dann hast du dieses Problem nicht mehr«, schlug ich vor. Salz in seine Wunden. Irgendwann würde ich ihn schon noch mürbe machen.

»Du machst mich nicht mürbe«, zischte er zurück.

»Was auch immer du mit Birgit vorhast, ich komme gern mit«, sagte ich.

Martin zuckte zusammen. Dann versuchte er, ein Pokerface aufzusetzen und sagte gewollt cool: »Okay, wir gehen ins Kino.«

»Aber ich suche den Film aus«, rief ich.

Hätte mir gleich denken können, dass daraus nichts wurde.

Ich wollte noch eine Runde drehen und mir leicht bekleidete Weiber in der Sommerhitze angucken. Gucken kann ich schließlich noch und bei den herrschenden Temperaturen lohnte es sich wenigstens. Wir verabredeten uns also für acht Uhr. Als ich zu den beiden stieß, hatte Martin die Kinokarten bereits besorgt.