Kunoichi - Die den Tod bringen / Cameron Kerr - Der Cop aus der Hölle, Nr. 1 - Finisia Moschiano - E-Book

Kunoichi - Die den Tod bringen / Cameron Kerr - Der Cop aus der Hölle, Nr. 1 E-Book

Finisia Moschiano

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Beschreibung

Die Hölle öffnet ihre Pforten. Das Grauen schleicht sich in unsere Welt. Dämonen, Geister, Vampire und Werwölfe lauern auf Beute. Zwei Menschen stellen sich den Wesen der Dunkelheit entgegen! Kunoichi die toughe Ninjabraut und Inspector Cameron Kerr! Wenn die Welt am Abgrund steht, sind sie die Rettung ... Erlebt ihr jeweils erstes Abenteuer in diesem Sammelband.

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Seitenzahl: 173

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IMPRESSUM

Kunoichi Band 1: Die den Tod bringen

&

Cameron Kerr Band 1: Der Cop aus der Hölle

© 2014 die Rechte des Textes liegen beim

Verlag:

Mondschein Corona – Verlag

Teckstraße. 26

73207 Plochingen

Lektorat:

Eva-Maria Stuckel

Earl Warren & Jennifer Appel

Covergestaltung:

Finisia Moschiano

www.kunstfabrik-20136.webnode.com

Kunoichi Band 1: Die den Tod bringen

Ihr Leben als Schatten beginnt

Vorgeschichte

Um Mitternacht, Punkt 12:00 Uhr, zerriss der tiefe Klang der Kirchenglocken die nächtliche Stille. Ein Mädchen, etwa sieben oder acht Jahre jung, schreckte aus dem Schlaf hoch. Sie befand sich mitten im schottischen Wald auf einem steinigen Weg des Craig-Phadrig-Hügels.

„Wo bin ich? Wer bin ich? Warum bin ich allein?“, fragte sie sich.

Das Kind konnte sich an nichts erinnern. Es wusste weder sein Alter noch seine Herkunft oder seinen Namen.

Wie lange hatte es geschlafen?

Und warum war es gerade jetzt aufgewacht?

Es gab so viele offene Fragen. Unsicher strich sie ihr schwarzes Haar aus der Stirn und ihre braunen Augen starrten in die Dunkelheit. Wer war sie und warum konnte sie denken, sprechen und fühlen?

Immer noch lag sie auf dem steinigen Weg im finsteren Wald und versuchte vergeblich, etwas um sich herum zu erkennen. Wie lange lag sie schon da? Anscheinend hatte sie Glück, dass kein Auto sie überfahren hatte oder wilde Tiere sie angefallen hatten. Ansonsten würde sie nicht mehr am Leben sein.

Aber warum wurde das kleine Mädchen nicht entdeckt?

Hatte man ihm vielleicht etwas gegeben, damit es schlafen sollte? Wo waren seine Eltern?

Das Kind stützte sich mit seinen kleinen Händen vom Boden ab, stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und ließ seinen Blick nach links und rechts wandern.

„Wohin gehe ich nun zuerst“, fragte sie sich, denn sie wusste nicht, wie sie in dieser Sache vorgehen sollte.

Also entschied sie, sich irgendwo an einen sicheren Ort zu setzen und in Ruhe nachzudenken, bevor sie etwas unternehmen würde. Abseits des Weges ertastete sie einen dicken Felsbrocken, auf dem sie sich niederlassen konnte. Zuerst versuchte sie, sich an ihren Namen zu erinnern. Spontan kam ihr Milani in den Sinn. Ja, genau das war es. Sie wusste nicht, warum, aber sie war, sie hieß – ganz sicher – Milani.

Nun überlegte sie, wie sie hinter das Geheimnis ihrer Identität kommen sollte.

Zu dieser Zeit ahnte Milani nicht, welches aufregende Leben vor ihr lag. Ein gefährliches Abenteuer war nämlich der Weg, der ihr vorherbestimmt war.

Das Kind nahm sich nach einer reiflichen Überlegung vor, hier im Wald jemanden zu finden – in der Hoffnung, dass man ihm helfen würde und seine Fragen beantworten könne. Also stand es wieder auf und machte sich auf den Weg.

Obwohl es dunkel war, verspürte es keine Angst, weil es viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.

Milani lief über den steinigen Weg und fuhr vor Schreck zusammen, weil es unter ihr knirschte und knackte. Schnell bemerkte sie aber, dass es nur trockenes Gehölz war, das unter den Sohlen ihrer schwarzen Schuhe zerbrach.

Erneut zuckte sie zusammen, als der Schrei eines Käuzchens durch den Wald hallte.

Mondlicht drang durch die Baumkronen. Sie entdeckte am Wegesrand einen umgefallenen Baum, unter dem etwas Helles hervorlugte. Vorsichtig näherte sie sich dem Stamm, bückte sich hinab und griff nach dem Ding. Es war eine Schatulle, die ziemlich leicht war.

Das Kästchen bestand aus dunkelbraunem Holz und war mit einem metallenen Schloss verriegelt. Neugierig schüttelte sie den merkwürdigen Behälter und vernahm ein Klimpern und Rasseln.

Das schwarzhaarige Mädchen war neugierig und wollte unbedingt wissen, was sich darin verbarg. Milani wusste, dass es nicht einfach sein würde, das Schloss zu knacken. Aber vielleicht würde sie jemanden finden, der ihr helfen könnte! Doch Geduld war nicht gerade ihre Stärke. Also wollte Milani es selbst versuchen. Nur wie? Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Deswegen entschied sich das schlanke Mädchen doch fürs Warten – zumindest so lange, bis es endlich heller werden würde. Milani gähnte, sie war müde und durstig.

Mit ihrer Zunge fuhr sie über ihre trockenen Lippen. Weit und breit war niemand zu sehen, der Milani vielleicht doch hätte helfen können.

Milani musste durchhalten, um am nächsten Tag ihren Weg fortzusetzen. Doch nun wollte sie sich erst einmal einen Schlafplatz suchen.

Optimal wäre natürlich eine Sitzbank. Darauf könnte man gut schlafen, vor allem ein kleines Kind in Milanis Alter. Wie sie feststellen musste, war jedoch keine Bank in der Nähe. Und die Schatulle unter ihrem Arm wurde nach jedem Schritt immer schwerer.

Ihre kleinen Finger begannen zu schmerzen. Sie legte eine kurze Pause ein, stellte ihren Kasten auf dem Boden ab und setzte sich darauf.

Plötzlich begann sie zu zittern, obwohl es eine heiße Sommernacht war. Aber durch die Dunkelheit war es ihr trotzdem kalt. Damit war aber nicht die Dunkelheit gemeint, die sie im Moment umgab … sondern die Dunkelheit in ihrem Innern, die sie frösteln ließ. Ihr Mut hatte sie so lange begleitet – nun jedoch wurde es doch gruselig, so alleine in der Finsternis.

Immer wieder fuhr Milani vor Schreck zusammen, als Geräusche bellender Hunde, krähender Raben oder schreiender Käuzchen die Stille zerrissen.

Sie näherte sich einer Waldlichtung. „Wow“, staunte sie, als sie am Horizont ein gleißend grünes Licht entdeckte, „was ist das für ein Leuchten? So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen? Wartet da vielleicht meine ersehnte Hilfe?“

Urplötzlich war das Licht verschwunden und in Milani machte sich eine unbeschreibliche Müdigkeit breit.

Milani hatte keine Lust mehr, weiter nach einer Sitzbank zu suchen. Deswegen schob sie ihre Schatulle ganz weit in den Wald hinein und suchte nach grünen Blättern vom Baum, um das Kästchen abzudecken, um es als Kopfkissen zu benutzen. Auf der Suche nach frischen Blättern lief sie tiefer in den Wald. Das trockene Laub knisterte unter ihren Schuhen.

Nach etwa fünf Minuten kam sie zurück, die Hände voller Blätter.

Milani hörte ein Geräusch aus dem Gebüsch. „Ist hier jemand?“ Es raschelte ein weiteres Mal, Milani schrie auf, als sie zwei leuchtende Augen anstarrten. Eine fürchterliche Angst überkam sie.

„Warum ist hier niemand, der mir helfen kann? Ich habe große Angst“, rief sie mit zittriger Stimme in der Hoffnung auf eine Antwort.

Die Augen leuchteten immer noch, sie waren braun. Seltsam, aber die unbekannte Gestalt ging nicht auf Milani los. Einerseits wunderte sie sich darüber, andererseits war sie froh, dass es so war. Die Augen starrten sie immer noch an und Milani stand wie eine Statue da - sie konnte nicht weglaufen. Irgendetwas hielt sie auf! Im selben Augenblick, als das Mädchen die Schatulle und die Blätter langsam in seine Hände nehmen wollte, verschwanden die Augen. Milani fühlte sich fürs Erste erleichtert, ihre Angst aber blieb.

Das Mädchen wusste nicht, wohin es gehen sollte.

So entschied es sich dafür, den bisherigen Weg fortzusetzen, sie begann schneller zu laufen … Und ihre Angst vor den Augen, die sie gesehen hatte, stieg. Das hübsche kleine Mädchen hoffte immer noch, einen, nur einen einzigen Menschen zu finden. Dabei dachte es an seine Eltern, die es haben musste und die sie bestimmt sehr vermissten.

Der Gedanke daran machte Milani traurig. Eine Träne ran ihr über die Wange. Mit ihren linken kleinen Fingern wischte sie diese weg. Ihr Gesicht wurde durch die Träne etwas feucht.

Der Wald war sehr groß, man hätte denken können, er nehme kein Ende. Trockene Blätter, an manchen Stellen aber auch Matsch oder Pfützen, die die feuchte Kälte nie trocknen ließ. Die Schuhe des Kindes wurden schmutzig.

Milani hielt an und betrachtete sich von oben bis unten. Die Klamotten, die sie anhatte, gefielen ihr nicht, außerdem hing an den Schuhen Matsch. Kleine Steinchen vom steinigen Weg steckten auch unter den Schuhen.

Aber für Styling war nun wirklich keine Zeit! Viel wichtiger war es, dass sie jetzt endlich ihr Ziel erreichen sollte. Nämlich, einen Menschen zu finden.

Nach etwa 20 Minuten Fußweg fand Milani eine Sitzbank, doch noch immer war kein Ausgang in Sicht, der Wald nahm einfach kein Ende. Zuerst legte sie die Schatulle ab. Anschließend breitete sie die grünen Blätter darüber, welche sie noch immer wie in Trance in ihren Händen trug.

Das Kind legte sich mit seinem Kopf auf die mit Blättern bedeckte Schatulle. „Nicht angenehm, aber besser als nichts“, dachte Milani. Es fühlte sich so müde und erschöpft, dass es sofort einschlief.

***

Es war 05:00 Uhr morgens, Graig More führte seine Hündin im Wald aus. Tessy schnüffelte, sie nahm einen Geruch auf – sie witterte Milani. Hündin Tessy war gut erzogen. Wenn jemand schlief, ließ sie ihn in Ruhe. Auch fremdes Essen klaute sie nicht, es hätte ja vergiftet sein können.

Denn wenn Tiere auch viel vertragen, wollte Graig das einfach nicht: Seine Hündin bekam immer frisches Futter. Er liebte seinen Border Collie sehr und tat ihm nie Böses. Gutmütig, wie sie war, lief Tessy zu dem Mädchen hin, ohne zu bellen.

Graig öffnete erschrocken seinen Mund. „Du grüne Neune! Ein Kind, und noch dazu so klein, hoffe nur, ihm geht es gut?!“, dachte er bei sich und schluckte.

Der Weg war steinig und nicht gerade lautlos, wenn man darüber stolzierte.

Graig näherte sich ihr und fuhr mit seinen Händen vorsichtig über Milanis Schulter.

„Hallo Mädchen, lebst du? Geht es dir gut?“, flüsterte er ihr zu und beugte sich über sie, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet.

Doch Milani schlief tief und fest. Sie schüttelte sich nur etwas, da die raue Hand von Graig leicht kratzte, schlief aber dennoch weiter.

„Ah, wie schön, sie lebt“, rief er nun.

Milani erschrak und schlug, als sie den Mann bemerkte, um sich.

„Lassen Sie mich in Ruhe, tun Sie mir nichts!“, schrie sie und stand schlagartig von der Bank auf.

Dabei ließ sie ihre Schatulle auf der Sitzbank zurück. Milani wollte davonlaufen.

Doch der nette alte Mann, Graig More, hielt sie am Arm fest.

Er konnte hartnäckig sein, wenn er helfen wollte. Der 56-jährige Mann würde ihr erzählen, was er mit ihr vorhatte. Nicht, dass Milani Schlechtes über den Mann denken würde, der sie doch eigentlich nur beschützen wollte …

Er würde es zwar traurig finden, könnte es aber auch verstehen. Graig hätte ja ein Mörder sein können oder ein Kinderschänder.

„Hey, Mädchen, bleib hier, ich möchte dir nur helfen. Wirklich! Ich bin ein guter Mensch.“

Milani schaute ihn skeptisch an, Graig lächelte freundlich. Trotzdem traute sie ihm immer noch nicht. Immer noch hielt Graig sie am Arm fest und das begann sie zu schmerzen. Endlich bemerkte er es, weil Milani ihre Miene verzog … er ließ sie sofort los.

„Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht wehtun.“

Milani schaute ihn an und schenkte ihm ein Lächeln, welches sagen sollte, dass sie ihm langsam vertraute.

„Danke, ich werde versuchen, Ihnen zu vertrauen, aber missbrauchen Sie das nicht!“

„Erstens kannst du ruhig du zu mir sagen und zweitens werde ich dein Vertrauen nicht missbrauchen, versprochen!“ Auch Tessy mochte Milani. Die Hündin schnüffelte an Milanis Händen und begrüßte auf ihre Weise das hübsche kleine Mädchen.

„Danke, es wird aber dauern, bis ich wirklich vertrauen kann“, ließ Milani ihn wissen. Dann schritt sie zur Bank, ergriff die Schatulle und klemmte sie sich unter ihren Arm.

„Wie heißt du überhaupt? Und was hast du da Schönes bei dir?“, fragte Graig und ließ seine Augen zur Schatulle wandern.

„Ich heiße Milani, und das ist meine Schatulle, die ich hier im Wald gefunden habe. Keine Ahnung, was sich darin befindet. Außerdem habe ich meinen Kopf voller Fragen, die ich selbst nicht beantworten kann.“

„Oh, einen schönen Namen hast du. Ich bin Graig, und hier ist meine allerbeste Freundin, Tessy, aber die kennst du ja bereits.“

„Sie ist eine schöne und brave Hündin“, bemerkte Milani und beugte sich zu ihr, um sie zu streicheln.

Kniend schaute sie empor zu Graig und dachte so bei sich, dass Graig vielleicht doch kein so übler Mann sei.

„Mädchen! Ich kann mir denken, dass du Sorgen hast?“, meinte Graig, als er bemerkte, dass Milani in eine andere Welt eingetaucht war.

„Ach, mir gehen nur ein paar Dinge durch den Kopf, aber das sagte ich ja bereits.“

„Komm mit zu meiner Hütte. Ich werde dir erst einmal einen Tee und etwas zu essen machen. Du bist sicher ausgehungert, wenn du die Nacht im Wald verbracht hast. Anschließend können wir in Ruhe reden, und du kannst mir sagen, was du auf dem Herzen hast. Sicher bist du von zu Hause weggelaufen?! Aber das bereden wir später.“

„Das ist sehr lieb von dir“, Milani lächelte und nahm dieses Angebot gerne an. Sie gewann langsam Vertrauen zu ihm.

„Okay, wir müssen nur noch ein Stückchen laufen, kleine Milani.“

„Bewegung ist immer gut“, erwiderte Milani übermütig und schüttelte ihre Hand, denn Tessy leckte ihre Handfläche - das war kitzelig!

„So klein und schon so eine gute Einstellung, super. Da wurde ja jemand gut erzogen.“

„Hmm, ich habe keine Eltern. Seitdem ich denken kann, weiß ich nichts über sie und auch nichts über mich. Erzähle ich dir nachher.“

„Wie - du hast keine Eltern?“, er schaute sie verblüfft an.

„Graig, erzähle ich dir nachher, es ist besser so.“

Er staunte immer mehr über Milani. Wenn sie sprach, hörte sie sich wie eine Erwachsene an.

„Wie du willst.“

Eigentlich war Milani ungeduldig, sie wollte sich mit ihm so schnell wie möglich unterhalten. Ihr wäre es lieber gewesen, sich irgendwo hinzusetzen und gemütlich Konversation zu führen.

In dieser Nacht wollte Milani einen Menschen finden. Nun hatte sie ihn gefunden, als hätte eine Fee Milani erhört.

***

Einige Minuten später erreichten Graig, Milani und Hündin Tessy die Hütte im Craig Phadrig.

„So, Milani, willkommen in meiner Hütte, fühle dich wie zu Hause. Ich hoffe, du fühlst dich wohl. Tessy mag dich sehr.“

Nachdem Milani diesen Satz hörte, wurde sie traurig, denn tief in ihrem Innern sehnte sie sich nach einer Familie und einem Heim. Sie riss sich aber zusammen, denn sie wollte nicht anfangen zu weinen.

„Ja, ich mag Tessy auch sehr, und es freut mich, dass sie mich mag.“

Graig hatte sie jedoch durchschaut: „Mädchen, was ist los mit dir? Geht es dir nicht gut?“

„Es geht schon“, antwortete sie knapp und fummelte nervös an ihren Haaren rum.

„Setz dich bitte hin, ich hole uns etwas zu trinken und bin gleich wieder bei dir“, bot Graig ihr an. Dabei deutete er aufs Sofa, welches unter dem braun gerahmten Fenster stand.

Die Hütte war altmodisch eingerichtet. Ein schöner großer Holzofen, Tische und Stühle, selbst geschnitzt und gebaut. Nur Sofa und Bett waren gekauft.

In den Ecken standen ein paar geschnitzte Figuren, ein Eichhörnchen, und neben dem Sofa stand ein lebensgroßer Holzlöwe. Daneben hatte Milani Platz genommen. Mit diesem Hobby beschäftigte sich Graig die meiste Zeit.

Als Milani sich hingesetzt hatte, holte Graig etwas zu trinken.

Währenddessen ließ das Mädchen seine Augen umherwandern – und es staunte. Die Hütte gefiel ihm sehr! Tessy hatte es sich inzwischen vor Milanis Füßen gemütlich gemacht.

Graig kam grinsend auf Milani zu und bemerkte: „Tessy hat dich bereits lieb gewonnen.“

Er stellte die Gläser mit Wasser und die Flasche mit Orangensaft auf den Tisch.

„Bediene dich, Milani“, sagte er, dabei nahm er Platz und faltete seine Hände.

Milani war zurückhaltend und schenkte sich nichts ein, stattdessen tat es Graig für sie.

„Du musst etwas trinken. Ich weiß nicht, wann du zuletzt getrunken hast.“

„Danke dir, das ist echt lieb“, sagte sie und griff nach dem Glas, welches der Mann ihr reichte.

Sie nippte daran und fuhr mit der Zunge über die Lippen. „Du hast recht, das hat mir gefehlt."

Graig lächelte sie wieder an. „So, nun habe ich einige Fragen an dich. Die erste ist: Wo sind deine Eltern?“

Milani stellte das Glas ab. „Ich weiß es nicht, ich bin auf dem steinigen Waldboden aufgewacht. Ich habe keine Ahnung, seit wann ich geschlafen habe, seit wann ich überhaupt lebe. Ich kann mich an gar nichts erinnern.“

Graig legte seine Hände vor den Mund und war verblüfft. „Was, du weißt wirklich nicht, wohin deine Eltern sind? Und im Wald bist du aufgewacht, erinnern kannst du dich auch an nichts mehr?“

„Ja, genau“, gab sie zurück und trank nervös aus ihrem Glas.

„Eigentlich müsste ich dich zur Polizei bringen. Die würde sich um dich kümmern und dich in ein Kinderheim oder was auch immer stecken. Am liebsten würde ich dich bei mir behalten, nur bin schon so alt, und wer weiß, wie lange ich noch zu leben habe.“

„Ich will nicht zur Polizei, ich möchte lieber bei dir bleiben.“ Milani fühlte sich langsam immer sicherer bei Graig und hatte keine Lust mehr, andere Leute kennenzulernen.

„Ich würde dich ja behalten, aber ich weiß rein gar nichts über dich. Solange du dich an nichts erinnern kannst …“

Milani wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, aber irgendwas in ihr fühlte sich komisch an, sie spürte, dass sich in ihr bald etwas verändern würde. Nur was?

„Darf ich eine Woche bei dir bleiben? Ich möchte noch nicht zur Polizei“, bat sie höflich.

„Ich weiß nicht“, haderte Graig mit sich. „Was ist, wenn die Polizei dich sucht? Ich habe keine Lust, wegen Kindesentführung angezeigt zu werden.“

Doch Milanis flehendem Blick konnte er nicht widerstehen. „Also gut – einverstanden!“

„Juhu! Es freut mich, danke, Graig, ich werde dir auch keinen Stress bereiten“, jubelte Milani und sprang vor Freude auf.

Dann setzte sie sich aber gleich wieder hin.

Leise fügte sie hinzu: „Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, wo meine Eltern geblieben sind.“

„Gut, aber ich habe eine Bitte an dich, wenn du hier bleibst.“

Sie schaute ihn fragend an. „Was denn?“

„Wenn du etwas brauchst, Hunger oder Durst hast, bediene dich. Ich möchte, dass es dir gut geht.“

„In Ordnung, und danke, Graig.“

„Du kannst auf der Couch schlafen, solange du mein Gast bist“, bot er ihr an.

Graig führte Milani durch die Hütte. Sie hatte insgesamt drei kleine Zimmer, eine Küche, ein Schlafzimmer und das Wohnzimmer und wirkte ziemlich groß für eine Hütte.

„Ich zeige dir gleich meine kleine Kammer, in der sich mein Hobbyraum befindet. Ich bastle dort mit Holz und habe meine Werkzeuge immer parat“, erzählte er.

„Was ist ein Hobby?“, wollte Milani wissen und schaute ihn dabei an.

„Hobby ist, etwas zu machen, was einem Spaß bereitet. Man kann ein Hobby auch zu seinem Beruf machen.“

„Hört sich sehr interessant an.“

„Vorher musst du herausfinden, was dir Spaß macht“, erklärte er weiter.

„Danke für die nette Information“, sagte sie, füllte ihr Glas mit Orangensaft auf und trank drei Schlucke.

„Ach so, was ist eigentlich in deiner Schatulle drin?“

„Habe ich vorhin erwähnt, ich weiß es nicht. Ich würde es aber auch gerne herausfinden.“

„Okay, kleines Mädchen, komm, gehen wir zur Kammer, wir finden sicher ein passendes Werkzeug dafür.“

Milani trank ihr Glas leer und ging mit ihm mit. Tessy blieb in der Wohnung, sie war zu müde.

Etwas Geheimnisvolles geschah, als Milani und Graig nach draußen gingen.

„Da, Graig, die Augen, die … die … habe ich vorhin gesehen“, stotterte sie.

Graig umarmte Milani und bat sie: „Mädchen, geh rein, egal, was es ist, ich kümmere mich um diesen Unbekannten.“

„Nein, Graig! Komm du auch rein!“, rief Milani ängstlich und streckte flehend die Hand in Graigs Richtung.

„Milani! Worauf wartest du? Geh rein, aber sofort! Es ist ein Befehl, ich muss dich beschützen!“ Kaum sprach er dies aus, leuchteten die Augen nicht mehr.

Er atmete tief ein und aus, Milani stand hinten zusammengekauert. Was war das? Wem gehörten die Augen? Von wem werden wir andauernd beobachtet, dachte Milani bei sich.

„Milani, du sollst doch auf mich hören! Es sieht gefährlich aus!“

„Entschuldige“, traurig und verschämt wollte Milani in die Hütte zurückkehren.

Er streckte die Hand wie zum Schutz über Milanis Schulter: „Verzeih mir, Milani, ich mag nicht, dass du traurig bist - es war nur gut gemeint.“

„Schon okay“, erwiderte sie und steuerte in Richtung Hobbykammer. Graig brachte an der Tür ein Schild an mit dem Schriftzug „Hobbykammer“, damit Milani sich leichter zurechtfinden würde.

***

„So, das hier ist mein Hobbyraum.“ Graig streckte die Hände in die Höhe und breitete die Arme aus, als würde er die Welt umarmen wollen.

„Was ist das?“, fragte Milani, als sie auf dem Arbeitstisch eine angefangene Figur bemerkte, bei der man noch nicht erkennen konnte, was es werden würde.

„Danke, Mädchen … du möchtest sicher wissen, was es wird?“, er durchschaute Milani erneut.

„Ja, ich bin sehr neugierig“, lächelte sie.

„Dieses hier wird auch ein Löwe, damit ich links und rechts jeweils einen in der Hütte aufstellen kann.“

„Hervorragend, diese Art der Kunst dauert sicher lange.“

„Kommt ganz drauf an, was man schnitzen möchte.“

„Ah, okay, verstehe, kommt auf den Schwierigkeitsgrad an, so wie ich es bei dir heraushöre.“

"Werde heute auch wieder weitermachen, du kannst ja gerne dabei zusehen."

Graig sagte weiter: „Es ist erst 6:00 Uhr am Morgen. Gehen wir wieder in die Hütte, ich bin müde, habe heute Nacht nicht so gut geschlafen.“

„Ich auch nicht“, erwiderte sie.