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Sehr norddeutsch und hochspannend - die neue Küstenkrimi-Reihe von Eva Jensen! Eine Leiche in der Klärgrube! Der Arbeiter der Stadtreinigung ist schockiert, als er die tote Frau entdeckt. Katja Greve und Daniel Kowalski von der Kriminalpolizei Schleswig erkennen die entstellte Leiche zunächst nicht - doch bald wird klar, dass sie das Opfer kannten: Die Frau hatte erst kürzlich in einem Mordfall als Zeugin ausgesagt. Und sie arbeitete in der Nähe des Tatorts bei einer dubiosen Firma, die Reinigungskräfte aus Osteuropa unter unwürdigen Bedingungen beschäftigt. Doch warum musste sie sterben?
Sehr norddeutsch und hochspannend - die neue Küstenkrimi-Reihe von Eva Jensen!
Die Kommissare Katja Greve und Daniel Kowalski ermitteln an der Schlei: Daniel ist Katjas neuer Partner bei der Kripo Schleswig - korrekt, ruhig und methodisch, nicht ohne Humor, dafür aber mit Rosenkranz am Rückspiegel. Katja hingegen ist impulsiv, unkonventionell, energiegeladen - und hätte am liebsten ihren alten Partner behalten. Doch klar ist: Ihre Fälle können sie nur lösen, wenn sie zusammenarbeiten. Denn auch an der idyllischen Ostküste Schleswig-Holsteins wirft das Verbrechen dunkle Schatten ...
Küstenmord - alle Titel in der richtigen Reihenfolge:
1. Das letzte Lied
2. Kein Wort zu viel
3. Einsames Begräbnis
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
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Seitenzahl: 362
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Zitat
Prolog
Teil 1
1
2
3
4
5
6
Teil 2
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Teil 3
1
2
3
4
5
6
Teil 4
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Epilog
1
2
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Eine Leiche in der Klärgrube! Der Arbeiter der Stadtreinigung ist schockiert, als er die die tote Frau entdeckt. Katja Greve und Daniel Kowalski von der Kriminalpolizei Schleswig ermitteln: Der Fundort liegt unweit einer dubiosen Firma, die Reinigungskräfte aus Osteuropa unter unwürdigen Bedingungen beschäftigt. Bald wird klar, dass die Tote dort arbeitete. Und: Katja und Daniel kannten die junge Frau aus Belarus – sie hatte in einem früheren Fall als Zeugin ausgesagt. Doch warum musste sie sterben?
Eva Jensen
Küstenmord
Kein Wort zu viel
Krimialroman
Es würde sehr wenig Böses auf Erden getan werden, wenn das Böse niemals im Namen des Guten getan werden könnte.
Marie von Ebner-Eschenbach
Auf einer Plane aus reißfestem Plastik lag eine nackte Frau. Die Erde unter ihr war gefroren. Sturmtief Diethelm bog die Kronen der kahlen Bäume, riss Äste ab und peitschte Eisregen vor sich her. Trotzdem reagierte die Frau nicht. Still lag sie da, ihre Haut so weiß wie der Kies und der Raureif auf den Gräsern.
Wäre ihre Mutter bei ihr gewesen, hätte sie sie gefragt, ob sie denn noch recht bei Trost sei, in einer Dezembernacht splitternackt auf der Erde zu liegen. Sie hätte ihr gesagt, sie solle die lange, warme Unterwäsche anziehen, die Wollstrumpfhose, den dicken Pullover, den Daunenparka, die Fellmütze, die Handschuhe. Sofort.
Doch die Frau fror nicht. Sie würde nie mehr frieren. Sie war tot.
Und wäre ihre Mutter bei ihr gewesen, hätte sie geweint.
Steinchen rollten unter ihrem Körper davon, ihr Kopf schwankte von einer Seite zur anderen, während sie mit der Plane von der Rasenfläche auf den Kies gezerrt wurde. Langsam und ruckartig kam sie vorbei an kugelig geschnittenen Buchsbäumen und kunstvoll gestutzten Koniferen. Kaum sichtbar in dem jämmerlichen Licht einer Kugelschreiber-Leuchte stiegen Atemwolken auf und wurden sofort von den Sturmböen zerrissen. Der Wind fauchte, die Plane erzeugte auf dem gefrorenen Kies ein Geräusch wie Schmirgelpapier auf Eisen; jemand keuchte und stöhnte vor Anstrengung. Denn die Frau ließ sich nicht so leicht wie ein Schlitten über Schnee ziehen. Sie war schwer. Viel schwerer als die etwas über fünfzig Kilo, die sie zu Lebzeiten auf die Waage gebracht hatte. Sie wog jetzt so viel, als säße jemand neben ihr auf der Plane. Vielleicht war es der Tod selbst, der da hockte.
Schließlich tauchte im Licht der winzigen Leuchte ein von Kriechmispeln fast versteckter, mit einem Ventil verschlossener Deckel auf. Das Rad drehte sich mit einem Quietschen, das nach Protest klang und nach Bedauern. Der Wind heulte auf und übertönte das metallische Knirschen, als der Deckel aufgezogen und zur Seite geschoben wurde. Aus dem offenen Schacht entkam abscheulicher Gestank – es roch nach einem großen, mit Fäkalien verstopften Abwasserrohr.
Die tote Frau wurde unter den Armen gepackt und zu der Luke gezerrt. Unter dieser Anstrengung wurde das Keuchen und Stöhnen noch einmal lauter. Dann ein Stoß – und mit den Füßen voran fiel die Frau in das Loch hinab. Das Geräusch, als sie am Boden der Grube aufkam, klang, als würde ein Stein ins Moor geworfen. Ein paar Knochen brachen, und träge schwappte die breiige Masse wieder über ihr zusammen.
Wäre ihre Mutter jetzt tatsächlich bei ihr gewesen, hätte sie darauf geachtet, sie ordentlich zu betten. Sie hätte ihren Kopf sanft niedergelegt, ihr die Hände auf der Brust gefaltet und ihr Blumen mitgegeben, Lilien vielleicht oder Rosen. Doch es war niemand in der Nähe, den ihr Schicksal kümmerte. Und so blieb sie liegen, wie sie aufgeschlagen war – den Kopf in unnatürlichem Winkel in den Nacken geworfen, die Wange gegen die Betonwand gedrückt, mit verdrehten Armen und Beinen. Eine Marionette, deren Fäden niemand mehr in der Hand hielt. Kaputt, unbrauchbar, entsorgt.
Statt eines Grabes blieb der toten Frau nur eine stinkende Klärgrube. Keine Inschrift auf einem sorgfältig ausgewählten Grabstein, nicht einmal ein einfaches Holzkreuz, sondern nur das Zeichen der Stadtentwässerung auf dem angerosteten Eisendeckel. Blumen, Gebete, eine Trauerrede oder sogar Musik – nichts davon. Ein letztes metallisches Knirschen, dann sich rasch entfernende Schritte. Das war alles.
Zurück blieb nur der Sturm, der laut über dem heimlichen Grab heulte, als beklagte er das vor der Zeit beendete Leben. Und die Mispeln, deren Zweige hilflos am Deckel der Klärgrube kratzten.
Dienstag, 22. März
Achte auf deine Gedanken,
denn sie werden zu Worten.
(aus dem Talmud)
In der oberen Etage der Polizeiinspektion Schleswig, dort, wo die Kollegen der Kriminalpolizei in einem Großraumbüro an ihren Tischen saßen, Berichte schrieben und im Internet nach gestohlenen Fahrzeugen fahndeten, herrschte an diesem Nachmittag verkehrte Welt.
Normalerweise war es nämlich Katja Greve, die sich mit dem Schreiben der Berichte schwertat und sie so lange vor sich herschob, bis Ayumi Ichigawa-Herbst, ihre Chefin, mit Konsequenzen wie Kaffee-Entzug, Putztagen oder Motorradparkverbot auf dem Gelände drohte.
Heute traf es Katjas Kollegen Daniel Kowalski. Sonst ein Muster an Korrektheit und Arbeitsmoral, schob er bereits seit zwei Stunden seine Notizen von einer Seite des Schreibtisches zur anderen, trank inzwischen schon seinen sechsten Kaffee und starrte zwischendurch minutenlang aus dem Fenster. Seinen Bericht hatte er noch nicht einmal begonnen.
Katja war mit ihrem tatsächlich schon fertig. Korrigiert und ausgedruckt lag er vor ihr – gerade eben zwei Stunden, nachdem sie eine Betrugsserie aufgeklärt und die geständigen Verdächtigen dem Haftrichter übergeben hatten. Das war ihr persönlicher Rekord.
Während Daniel ihr gegenüber seinen Notizblock aufschlug, einmal tief seufzte und dann das Heft wieder zuklappte, ohne auch nur die Finger auf die Tastatur gelegt zu haben, rief Katja auf ihrem PC ein Forum auf, das sie in den vergangenen Wochen schon oft besucht hatte. Es beschäftigte sich mit Hundehaltung und hatte sich dabei besonders auf Fragen rund um Hunde am Arbeitsplatz spezialisiert.
Normalerweise recherchierte sie im Dienst nicht für private Zwecke, doch heute war eine Ausnahme. Sie hatten exzellente Arbeit geleistet, Daniel und sie. Bis zum Feierabend war es kaum noch eine Stunde hin, und außerdem – wenn sie sich einen Hund zulegen wollte und auch noch mit dem Gedanken spielte, das Tier zum Such- oder Schutzhund auszubilden, sodass es sie bei der Polizeiarbeit unterstützen konnte, war das nicht ausschließlich privat. Oder?
Bevor sie einen hochinteressanten Thread zum Thema »Welche Rassen eignen sich für das Büro« zu lesen begann, stand sie auf, um sich frischen Kaffee zu holen. »Möchtest du auch noch einen?«
Daniel hob den Kopf und sah sie an, als wäre er gerade erst aufgewacht und könnte sich nicht erklären, wie er in diesem Büro gelandet war.
»Kaffee?« Katja winkte mit ihrer leeren Tasse.
»Ja. Gerne doch.« Er hielt ihr seinen Becher hin, lächelte und fuhr sich zerstreut durch das braune Haar, sodass er aussah, als wäre er eben aus dem Bett gestiegen. Ein ungewohnter Anblick. »Danke.«
»Keine Ursache.«
Sie stand gerade an der Kaffeemaschine, als auf Daniels Schreibtisch das Telefon klingelte. Er hob ab und begann, Polnisch zu reden. Das Gespräch war kurz, seine Sätze klangen knapp und scharf. Seinem Gesicht nach dem Auflegen nach zu urteilen, war er maximal genervt.
Katja stellte den dampfenden Becher neben ihm auf seinem Schreibtisch ab, ohne dass er die Tasse zu registrieren schien. Forschend betrachtete sie seine zusammengezogenen Augenbrauen.
Allmählich begann sie, sich Sorgen zu machen. Normalerweise war Daniel der Ausgeglichene von ihnen beiden. Kollege Rudi Steinhaus hatte mal gesagt, ein aktiver Vulkan sei im Vergleich zu Katja geradezu ein Paradebeispiel an Ruhe, Ausgeglichenheit und Ordnung – was natürlich maßlos übertrieben, aber im Kern nicht unbedingt falsch war.
Daniel hingegen hatte eine ruhige, bedächtige, methodische Art, die ihr gelegentlich fast phlegmatisch oder zwanghaft vorkam, dazu kam ein ewig sonniges Gemüt. Immerzu lächelte er, war freundlich und nett und höflich und zuvorkommend, dabei stets gut gekleidet und gepflegt, der Traum aller Schwiegermütter. Vor allem zu Beginn ihrer Zusammenarbeit vor ein paar Monaten hatte Katja geglaubt, über seiner Persönlichkeit verrückt zu werden.
Mittlerweile wusste sie, dass auch Daniel Kowalski schlechte Laune nicht fremd war und dass er gelegentlich sogar richtig sauer werden konnte. Allerdings benutzte er deutlich weniger kraftvolle Schimpfworte als sie selbst, und seine schlechte Laune verflog meist innerhalb kürzester Zeit. Dieses Mal allerdings nicht. Daniel war schon den ganzen Tag neben der Spur. Im Grunde ging das bereits seit Freitag so.
»Alles klar bei dir?«
»Ja, alles gut.« Dann warf er sich in seinem Stuhl zurück, sodass die Rückenlehne quietschte, wischte sich über das Gesicht und schlug mit beiden Händen auf die Armlehnen. »Nein, das ist gelogen. Gar nichts ist gut.«
»Wenn du reden willst ...« Katja lehnte sich gegen die Fensterleibung und nippte an ihrem Kaffee. Im Hintergrund dudelte das Radio, die Kollegen unterhielten sich leise, ein Drucker ratterte. »Ich habe gerade nichts Besonderes vor.«
»Im Grunde gibt es da nicht viel zu erzählen. Meine Mutter und meine Schwestern sind fest davon überzeugt, dass ein Mann nicht allein leben kann, soll oder gar darf, es sei denn, er ist zufällig Priester. Zu meinem Geburtstag haben sie deshalb tatsächlich eine vielversprechende, junge, katholische und natürlich unverheiratete Frau eingeladen – die Tochter irgendwelcher Freunde oder entfernter Verwandter. Heute Abend treffe ich mich mit ihr zum Essen, und meine Mutter hat gerade angerufen, um mir wertvolle Ratschläge zu geben.«
Die Art, wie er das Wort »wertvoll« betonte, ließ ahnen, was er davon hielt.
»Und sie meint, das hättest du nötig?«
»Aber klar doch. Sie hat mir Vorschläge gemacht, was ich anziehen soll, was Paulina gern mag und so weiter.« Er verdrehte die Augen. »Manchmal behandelt sie mich wie ein Kleinkind. Abgesehen davon weiß sie eigentlich, dass sie mich nicht wegen solcher Lappalien im Büro anrufen soll. Ich kriege jedes Mal eine Heidenangst, meiner Babcia könnte etwas passiert sein. Das habe ich ihr gerade gesagt, jetzt ist sie natürlich beleidigt.«
Er schüttelte den Kopf und griff nach seiner Tasse. »Es ist toll, Familie zu haben. Und ebenso toll, wenn die Familie sich um einen kümmert, wenn man ihnen nicht egal ist. Aber manchmal wünschte ich, sie wären ein bisschen weiter weg. In Tasmanien zum Beispiel. Oder in Feuerland.«
»Und was ist mit dem Date heute Abend? Freust du dich darauf?«
Daniel zuckte mit den Schultern. »Geht so.«
Es klang, als hätte sie gefragt, ob er es kaum erwarten könne, sich für eine Wurzelbehandlung auf den Zahnarztstuhl zu setzen.
»Warum hast du dich dann überhaupt darauf eingelassen?«
»Wie es manchmal so geht«, sagte er und verzog das Gesicht zu einer kläglichen Grimasse. »Sie hat ein paarmal angerufen, wir haben uns ganz nett unterhalten. Und ehe ich es gemerkt habe, war es passiert, und sie hat mich auf dieses Datum festgenagelt.«
Typisch Daniel, dachte Katja. Zu nett und zu höflich, um dann abzusagen. »Aber man könnte da doch sicher irgendeine Ausrede erfinden. Du bist doch Bulle!«
»Man könnte bestimmt, ich jedoch nicht.«
»Musst du das dann beichten?«
»Auch. Doch ich mag Schwindeln eben nicht. Also bleibt mir kaum etwas anderes übrig. Ich muss da heute Abend hin. Es sei denn, es geschieht noch ein Wunder. Vielleicht muss sie ja Überstunden machen. Sie ist Krankenschwester.«
»Wo trefft ihr euch denn?«
»In dem kleinen Restaurant drüben auf der anderen Schleiseite. Paulina hat es vorgeschlagen. Und meine Mutter ist ganz begeistert.« Bei diesen Worten verlor sein Gesicht an Farbe, es wurde grau, und er sah plötzlich deutlich älter aus als Anfang vierzig. »Sie hält es für ein gutes Omen. Dort werden wohl viele Hochzeiten gefeiert.«
Katja lachte. Sie lachte so laut, dass sie ihren Kaffeebecher abstellen musste, um nichts zu verschütten, und der Kollege Rudi Steinhaus sich sogar aus seinem Bürosessel erhob, um über den Rand seines Bildschirms sehen zu können, was es denn da so Lustiges gab.
»Du hast gut lachen«, murmelte Daniel. »Du steckst ja nicht in dieser Klemme.«
»Und wieso sagst du dann nicht einfach Nein?«
»Hast du dich schon mal gegen den Willen einer Polin gestellt? Du kennst meine Mutter nicht.« Sein Handy vibrierte auf der Tischplatte. Er warf einen Blick auf das Display und verzog das Gesicht.
»Wieder deine Mutter?«
»Nein. Diesmal meine Schwester.«
»Geh schon ran, sie gibt ja doch keine Ruhe.«
»Okay. Aber nicht hier. Ich bin gleich wieder da.« Er schnappte sich das Handy und stürmte aus dem Büro. Katja konnte seine eiligen Schritte auf der Treppe hören.
Sie trat an das Fenster und sah kurz darauf, wie Daniel auf den Parkplatz zu seinem Wagen lief, dort stehen blieb und mit dem Handy am Ohr das Auto begutachtete. Es sah aus, als würde er die Fensterdichtungen prüfen und zwischendurch einen Schwarm Wespen verscheuchen.
»Katja?« Ayumi kam auf sie zu. »Ich habe hier etwas für euch. In der Nähe von Ulsnis ist eine Leiche in einer Klärgrube aufgetaucht. Der Fahrer eines Saugwagens hat sie beim Abpumpen gefunden. Fahrt hin, die Rechtsmedizin ist bereits verständigt und wohl auch schon vor Ort.«
»Oh nein!« Katja stöhnte auf. Leichenfunde waren immer schrecklich. Und eine Leiche in einer Klärgrube klang ganz besonders furchtbar. »Und ich wollte heute mal pünktlich Feierabend machen.«
»Tut mir leid. Vielleicht klappt es ja morgen. Oder du nimmst dir im April zwei oder drei Wochen frei, um deine Überstunden abzubummeln. Resturlaub hast du auch noch. Eigentlich könntest du bis Mitte Mai zu Hause bleiben, wenn ich es so recht überlege.« Ayumi lächelte, dann runzelte sie die Stirn. »Wo ist eigentlich Daniel?«
Katja deutete zum Parkplatz. »Draußen. Er telefoniert. Familienangelegenheit.«
»Oh nein!« Ayumi kam ans Fenster und schaute nach unten. »Hoffentlich nichts Schlimmes? Geht es seiner Großmutter gut?«
Noch keiner der Kolleginnen und Kollegen war Babcia Elka, wie Daniel seine Großmutter nannte, bisher tatsächlich begegnet, und doch hatten alle in der Polizeiinspektion Schleswig ein Bild von ihr – eine kleine, papierdünne Frau von über achtzig Jahren, die sich beim Gehen auf einen Stock stützte und sich trotzdem nicht davon abhalten ließ, ihre Familie zu bekochen. Und spätestens seit sie zu Daniels Geburtstag Anfang März alle in den Genuss von Babcia Elkas Mohnkuchen gekommen waren, verehrten sie die alte Frau.
Katja hob vage die Schultern.
»Falls Daniel zu seiner Großmutter nach Hause muss, schnappst du dir Rudi, ja? Die Autodiebe haben bisher nur Sachschaden angerichtet und werden uns ohnehin noch länger beschäftigen. Die können zur Not auch bis morgen warten.«
»In Ordnung.«
»Hier ist die Adresse.« Ayumi drückte ihr einen Zettel in die Hand und wandte sich um. Dabei fiel ihr Blick auf Katjas Bildschirm. »Hunde im Büro? Dein Ernst?«
»Ich dachte, ich informiere mich mal. Ganz unverbindlich«, sagte Katja und hob das Kinn. »Allerdings wäre ein ausgebildeter Such- oder Schutzhund doch eine wertvolle Ergänzung für unser Team. Oder etwa nicht?«
»Vielleicht«, antwortete Ayumi. »Aber die Ausbildung musst nicht ausgerechnet du übernehmen, dafür haben wir bei der Polizei Fachleute. Wenn wir einen Hund brauchen, fordere ich die Hundestaffel aus Kiel an.« Sie schüttelte den Kopf. »Sei vernünftig, Katja. Such dir einen Mann, keinen Hund! Solange ich Chefin bin, kommt hier jedenfalls kein Hund mit zum Dienst. Und jetzt macht euch auf die Socken. Meldet euch, wenn ihr etwas wisst, damit ich die Staatsanwältin informieren kann.«
Katja schaute der zierlichen Ayumi nach, wie sie wieder zurück in ihr Büro eilte.
Einen Mann suchen? Genau da lag das Problem. Sie stellte nämlich gerade fest, wie sehr sie es genoss, allein zu leben. Und das Einzige, was sie wirklich an ihrem Ex vermisste, war dessen fünfjährige Hündin Ava. Aber das schien für alle anderen schwierig zu begreifen zu sein.
Daniel kam zurück. »Meine Schwester.« Er verdrehte die Augen. »Sie hat noch einmal das Gleiche gesagt wie meine Mutter. Fast wortwörtlich.«
»Meinst du, die beiden haben sich abgesprochen?«
»Nee. Die kommen unabhängig voneinander auf solch einen Blödsinn. Die sind beide vom gleichen Schlag.« Er wollte sich gerade auf seinen Stuhl fallen lassen.
»Warte, nicht setzen.«
»Warum?«
»Wir müssen nach Ulsnis. Leichenfund in einer Klärgrube.« Katja trank noch einen hastigen Schluck von ihrem Kaffee und nahm ihre Lederjacke von der Stuhllehne.
Daniel stöhnte. »Das auch noch!«
»Wieso? Du hattest dir doch ein Wunder gewünscht, oder? Hier hast du es.«
Auf so ein Wunder hätte ich liebend gern verzichtet, dachte Daniel und schloss die Augen. Wie gern hätte er dieses Grundstück mitten in der schleswig-holsteinischen Landschaft mit jedem anderen Ort der Welt getauscht – sogar mit einem Date in einem Restaurant, das für seine Hochzeitsfeiern berühmt war.
Es war kurz vor sechs. Sie waren seit einer Stunde hier, und es stand längst fest, dass er seine Verabredung nicht würde einhalten können. Paulina wusste Bescheid, er hatte sie vor ein paar Minuten angerufen und noch in der Klinik erwischt. Trotzdem fühlte er sich schlecht dabei. Sich von einem unerwünschten Date mit einem Leichenfund freizukaufen, war ein viel zu hoher Preis.
Als Katja und er bei der angegebenen Adresse angekommen waren, waren nur die Kollegen der Polizeidienststelle Süderbrarup vor Ort gewesen. Auf die Spurensicherung und die Rechtsmedizin hatten sie noch etwas warten müssen, da die Teams aus Kiel anrückten.
Die Kollegen aus Süderbrarup, allen voran Polizeihauptmeister Lars Petersen, hatten ihnen einen kurzen Überblick über die Situation gegeben: Knud Levke, der Fahrer des Saugwagens einer auf Fäkalien spezialisierten Entsorgungsfirma, war zum routinemäßigen Abpumpen der Klärgrube auf das Grundstück gefahren, hatte den Schlauch wie gewöhnlich in die Grube gehalten und nach ein paar Minuten anhand seltsamer Geräusche erkannt, dass etwas nicht stimmen konnte – der Schlauch war offensichtlich verstopft.
Als er mit einer Taschenlampe in die Grube geleuchtet hatte, schaute ihm ein Gesicht aus dem Klärschlamm entgegen. Er rief die Polizei in Süderbrarup an, die sich umgehend mit zwei Einsatzfahrzeugen auf den Weg machte. Vor Ort hatten sie dann feststellen müssen, dass es sich bei der Meldung um keinen falschen Alarm handelte. In der Klärgrube lag tatsächlich ein Mensch. Und so, wie er aussah, war er nicht erst seit gestern tot.
Inzwischen waren die Kollegen der Spurensicherung und der Wagen der Rechtsmedizin eingetroffen und hatten mit ihrer Arbeit begonnen: Das Zelt der Spurensicherung war aufgebaut, um die Überreste vor den Witterungseinflüssen zu schützen. Auch wenn es gerade trocken war und kaum Wolken am Himmel zu sehen waren – in Schleswig-Holstein konnte man nie wirklich sicher sein. Und wenn nicht der Regen die empfindlichen Beweismittel und Hinweise gefährdete, war es zumindest der Wind, der Pollen, Staub und andere Partikel mit sich trug.
Auf einem Klapptisch neben dem Zelt standen ein paar Geräte. Etwa ein halbes Dutzend Männer und Frauen in weißen Ganzkörperanzügen fotografierten den Saugwagen und untersuchten den Schlauch, zwei Kollegen der Spurensicherung platzierten Scheinwerfer rund um Zelt und Grube – hier rechnete niemand damit, schnell nach Hause zu kommen.
Dr. Claudia Henssler, die Rechtsmedizinerin, war mit Schutzanzug und schwerem Atemgerät in die Grube gestiegen und begutachtete dort unten die Leiche. Die Digitalkamera, mit der die Rechtsmedizinerin unten in der Klärgrube die ersten Fotos vom Zustand der Leiche und dem Fundort gemacht hatte, lag bereits auf dem Tisch neben den anderen Geräten. Weder Katja noch Daniel hatten sich die Fotos bisher angesehen. Sie hatten es nicht eilig, mit diesem Anblick konfrontiert zu werden. Die Arbeit am Fundort ging ihren Gang – und Daniel wünschte sich weit weg.
Das Haus und das Grundstück gefielen ihm nicht. Er mochte alte Gebäude mit Patina und Charakter sowie verwunschene Gärten, in denen Nutzpflanzen, Blumen und Unkräuter zur Freude von Insekten und Vögeln friedlich nebeneinander existieren durften. Hier aber standen sie in einer mit Lineal und Zirkel angelegten, blendend weißen Kieswüste – nur unterbrochen von vereinzelten, zu Kugeln geschnittenen Buchsbäumen, ein paar japanischen Koniferen, einem Außenpool und einer etwa tennisplatzgroßen Rasenfläche.
Daniel überlegte, wie viele Liter Algen- und Unkrautentferner wohl jährlich gebraucht wurden, um den Kies so weiß, das Poolwasser so klar und die Rasenfläche im Zustand eines Golfrasens zu halten.
Der riesige Bungalow stammte wohl ursprünglich aus den Siebzigerjahren. Wenn das Haus einmal Charme gehabt hatte, so war der bei der letzten Renovierung endgültig verschwunden – es war ein rechtwinkliger Bau aus Glas, Stahl und weißen Mauern. Zusammen bildeten Haus und Grundstück eine in sich stimmige Einheit mit dem Charme und der Heimeligkeit eines Operationssaals. Oder einer Tiefkühltruhe.
Gerade in dem Moment wurde aus der Grube etwas geborgen, das einmal zu einem Menschen gehört hatte, und Daniel schämte sich für diesen Vergleich. Hier war ein Mensch gestorben und auf grausame, würdelose Art entsorgt worden. Da waren Assoziationen mit Kühltruhen unpassend.
Daniel und Katja standen neben den Kollegen aus Süderbrarup und starrten die Öffnung der Grube an, zu der sie alle einen sicheren Abstand wahrten, als fürchteten sie, sonst ebenfalls dort unten zu landen.
Polizeihauptwachmeister Petersen, ein gestandener und erfahrener Polizist Mitte fünfzig, war weiß im Gesicht und fuhr sich immer wieder über die militärisch kurz geschnittenen grauen Haare. Der Gestank aus der Klärgrube war unbeschreiblich. Schlimmer als jeder Gülletank, der je zwischen Schleswig und Eckernförde die Felder gedüngt hatte. Menschliche Exkremente rochen einfach abscheulich. Und hinzu kam der Geruch von etwas, an das Daniel sich wohl nie gewöhnen würde, gleichgültig, wie lange er diesen Job auch machte: Verwesung.
»Ihr könnt sie hochziehen! Das ist jetzt das letzte Leichenteil.«
Die Stimme aus dem Loch klang durch die Atemmaske seltsam verzerrt, dazu kam das gespenstische Fauchen des Atemgeräts – verstärkt durch den Hohlraum unter der Erde.
Eine Stimme wie aus einer Gruft, dachte Daniel und steckte beide Hände noch tiefer in die Manteltaschen. Die Sonne stand tief und schien ihm direkt ins Gesicht. Das Thermometer war zum ersten Mal in diesem Jahr über fünfzehn Grad geklettert.
Es war ein herrlicher Tag, Frühling wie aus dem Bilderbuch. Trotzdem fror er, seit sie auf das Grundstück gefahren waren. Und an Katjas Körperhaltung konnte er erkennen, dass es ihr nicht besser ging. In ihrem Beruf war das ein besonders schlimmer Moment: der erste Blick auf die Leiche, auf den man sich nie wirklich vorbereiten konnte und vor dem auch Routine nicht schützte.
Lautes Krächzen ließ Daniel aufschauen. In einer stattlichen Buche hockten zwei Krähen. Ihre heiseren Schreie klangen, als wollten sie Ansprüche an dem anmelden, was bereits unter dem Zelt auf der Plane lag wie die Teile eines auseinandergeschraubten Oldtimers. Vor dem Hintergrund des weißen Bungalows, der luxuriösen Terrasse und dem großzügigen Außenpool erinnerte der weiße Pavillon an Sommerfeste mit Musik und langen, festlich gedeckten Tischen.
Daniel atmete tief ein und versuchte, die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.
Während sich unter lautem Gekrächze weitere Krähen in der Krone der Buche einfanden, waren die Menschen an der Klärgrube auffallend still. Keiner sagte ein Wort. Nur der Motor der elektrischen Seilwinde schnurrte. Ganz langsam tauchte aus der Klärgrube ein weiteres in milchige Folie gewickeltes Bündel auf, laut Dr. Henssler die letzte derartige Fracht. Der Fahrer des Saugwagens, der anfangs zwar erschüttert, aber gefasst seine Aussagen gemacht hatte, war bei einem Blick auf den Pavillon buchstäblich zusammengeklappt. Sanitäter kümmerten sich jetzt um ihn.
Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung nahmen den neuesten Fund in Empfang, legten ihn vorsichtig unter dem Zelt ab und öffneten die Plastikfolie so behutsam, als erwarteten sie, ein besonders wertvolles Geschenk zu finden. Gleichzeitig tauchte aus der Luke ein Mensch im Schutzanzug und mit schwerem Atemgerät auf. Sobald die Gestalt außerhalb stand, riss sie sich die Atemmaske herunter, und zum Vorschein kam das gerötete, verschwitzte Gesicht von Dr. Henssler.
»Moin«, rief sie Daniel und Katja zu. »Bleiben Sie am besten da stehen. Ich rieche gerade nicht besonders. Ist wohl besser, wenn wir lauter miteinander reden.«
Sie streifte sich die Handschuhe ab, an denen eine dunkle, breiige Substanz klebte. Daniel verkniff sich alle Fragen. Worum es sich handelte, ahnte er auch so. Sicher wissen musste er es nicht.
»Sie sind bestimmt schon neugierig«, sagte Dr. Henssler und riss sich den ebenfalls bis zu den Knien beschmierten Schutzanzug vom Körper. Darunter trug sie Jeans, einen dicken Pullover und robuste Schnürstiefel. »Das sind wir wohl alle. Gerade im ländlichen Bereich kommt es immer wieder zu Toten im Zusammenhang mit Gülletanks. Allerdings handelt es sich dabei meistens um Unfälle. Jemand stürzt in eine Jauchegrube oder in einen Gärturm, verliert durch die Faulgase sofort das Bewusstsein und erstickt innerhalb kurzer Zeit. Dabei werden Polizei und Rettung in der Regel sofort von den Angehörigen oder Kollegen verständigt, die oft auch Zeugen des Unfalls sind. Aber eine Leiche, die über einen längeren Zeitraum in einer Klärgrube verbleibt, ist ungewöhnlich. Ich habe den Chef eben via Live-Schaltung die Auffindesituation gezeigt. Ich glaube, er wäre am liebsten selbst in die Klärgrube gestiegen und verwünscht gerade sein Pech beim Skifahren und die Knieorthese. Aber ...« Sie zuckte mit den Schultern und lächelte. Es wirkte beinahe schadenfroh. »Was muss er auch in die Berge fahren, nicht wahr?«
»Können Sie schon etwas sagen?«, fragte Katja.
»Bisher nicht viel.« Dr. Henssler beugte sich über eine Kiste und zog einen frischen Schutzanzug heraus. »Weiblich, unbekleidet. Verwesungsgrad ist weit fortgeschritten. Doch Sie sehen ja selbst.« Sie deutete zu dem Zelt, wo gerade ein deutlich erkennbarer Torso auf die Plane gebettet wurde – behutsam, fast zärtlich. Wieder einmal merkte Daniel, wie sehr ihm der Umgang mit Toten in Professor Effenbergers Team gefiel. »Außerdem ist die Leiche unvollständig. Rechts fehlen zum Beispiel Hand und Speiche des Unterarms und links zwei Finger. Ob von der Tat oder durch die Vakuumpumpe des Saugwagens, wird die Obduktion zeigen. Jedenfalls werden wir da unten alles sieben müssen. Und den Inhalt des Saugwagens ebenso.«
Daniel wandte sich zu dem großen, orangefarbenen Lkw um mit dem Schriftzug Gruben-Clean auf dem großen Tank, den dicken Schläuchen und der Pumpanlage, der an der Grundstücksgrenze abgestellt war, als schämte er sich für das, was durch sein Mitwirken aufgedeckt worden war.
»Haben wir es denn mit einer Leiche zu tun, oder besteht die Möglichkeit, dass es mehrere sind?«, erkundigte sich Katja und sprach damit auch Daniels schlimmste Befürchtung aus – ein Massengrab. Irgendein Verrückter, der Leute umbrachte und sie in dieser Klärgrube entsorgte.
»Nein, bisher habe ich nicht den Verdacht. Aber auch das können wir bei dem Zustand der Leichenteile erst im Institut wirklich beurteilen.« Dr. Henssler streifte sich zwei Paar neue Latexhandschuhe über. »Kommen Sie, dann können wir gemeinsam einen ersten Blick auf die Überreste werfen.«
Sie folgten der Rechtsmedizinerin zu dem Zelt. Darin schien sich der Geruch besonders gut zu halten, denn sogar die Assistenten der Spurensicherung, die nun wahrlich fast alles gesehen hatten, wirkten zwischen Schutzbrillen und Mund-und-Nasen-Schutz bleich.
»Ich beneide Sie nicht um ihren Job«, sagte Daniel und hielt sich die Armbeuge vor die Nase.
»Tatsächlich? Ich bin in der glücklichen Lage, dass mein Geruchssinn seit einer OP als Kind nicht wirklich gut ausgeprägt ist. Aber das hier ... Zugegeben, das rieche sogar ich.« Sie hockte sich neben die Plane und nahm die Überreste in Augenschein. »Haare und Glaskörper fehlen, Haut ist vollständig geschwärzt, zum Teil erhebliche Weichteildefekte an Brustkorb, Bauch und beiden Beinen. Der Arm ...«, sie beugte sich über den Stumpf, wo irgendwann mal ein rechter Unterarm gewesen war. »Ich würde sagen, er wurde abgerissen. Am ehesten wohl durch das Saugrohr. Ich kann zumindest mit bloßem Auge keine Schnitt- oder Sägekanten erkennen. Aber das müssen wir überprüfen, sobald sie in der Gerichtsmedizin auf dem Tisch liegt.« Sie hob einen Unterschenkel an. »Das rechte Sprunggelenk scheint gebrochen zu sein.«
»Ist das vor dem Tod passiert?«
»Kann ich so nicht sagen.«
»Was ist mit der Todesursache? Wissen Sie da schon Genaueres – oder haben Sie eine Vermutung?«, fügte Daniel hastig hinzu.
»Nein, tut mir leid. Was ich hier sehe, könnte vom Täter stammen. Theoretisch. Oder aber auch nicht.«
»Wie lange liegt sie da unten?«
»Aus dem Bauch heraus würde ich schätzen, drei Monate, vielleicht vier. Aber auch das kann uns erst die genaue Untersuchung verraten. Hoffentlich. Ich habe eben, als ich da unten war, die Temperatur in der Klärgrube gemessen. Neununddreißig Grad. Diese Wärme in Kombination mit Feuchtigkeit und ausgeprägter Bakterienaktivität beschleunigt die Verwesung erheblich. Da werden sicherlich im Laufe der Zeit viele Spuren vernichtet worden oder nicht mehr nachweisbar sein.«
»Wie alt ist sie?«
Dr. Henssler legte behutsam die Hände um den Kiefer der Toten.
»Dem Gebiss nach zu urteilen, handelt es sich wahrscheinlich um eine jüngere Frau, vielleicht zwischen zwanzig und dreißig. Eher Richtung dreißig. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt reine Kaffeesatzleserei, dafür brauchen wir die Röntgenaufnahmen. Die Körpergröße schätze ich auf einen Meter sechzig, vielleicht einen Meter siebzig. Wir werden jedoch im Institut noch alles genau vermessen.«
»Und was ist das da am Handgelenk?« Katja deutete auf einen kleinen Fetzen, der auf der geschwärzten Haut bräunlich matt schimmerte. »Reste eines Schmuckstücks? Vielleicht ein Partybändchen?«
»Nein. Das ist zwar irgendein Kunststoff, aber ich halte es eher für die Rückstände von Klebeband. Das Labor wird uns da hoffentlich mehr sagen können. An den Fußgelenken finden wir das auch. Sehen Sie?« Dr. Henssler deutete auf ein weiteres braunes Stück, das von dem in merkwürdigem Winkel abstehenden Gelenk herabhing.
»Also einen Unfall schließen Sie aus?«
»Lassen Sie mich überlegen.« Dr. Henssler zog die Stirn kraus. »Splitternackt und mit gefesselten Händen und Füßen unglücklich und ohne fremde Hilfe in eine Klärgrube zu fallen ist ein Unfallszenario, auf das ich nicht meinen Monatslohn setzen würde. Also nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, wir haben es hier mit einem Mord zu tun. Und ich hoffe nur, dass die Frau bereits tot war, als man sie in die Klärgrube verfrachtet hat.«
»Wann können wir mit einer ersten Einschätzung rechnen?«
Die Rechtsmedizinerin richtete sich wieder auf und zuckte mit den Schultern. »Wir haben hier bestimmt noch eine halbe Stunde zu tun, bevor wir die Überreste verpacken und ins Institut bringen können. Ich schätze, heute Abend gegen neun, vielleicht zehn haben wir einen ersten Eindruck. Aber bitte machen Sie sich keine großen Hoffnungen auf schnelle Ergebnisse. Bei dem Zustand der Überreste und der besonderen Auffindesituation wird es länger dauern als üblich, bis wir konkrete Aussagen machen können.«
»In Ordnung.«
»Ach, und bevor ich es vergesse: Wenn Sie gleich mit der Staatsanwaltschaft telefonieren, klären Sie bitte ab, ob wir den Saugwagen nach Kiel mitnehmen dürfen? Sonst müssen wir den Inhalt hier vor Ort untersuchen.«
Katja nickte und zog bereits das Handy aus der Tasche. »Darum kümmern wir uns.« Sie wandte sich an Daniel. »Ich rufe Ayumi an. Sie kann mit Frau Dr. Hillebrecht reden.«
»Gut, dann befrage ich noch mal Herrn Levke, den Fahrer des Saugwagens. Wo finde ich den Mann jetzt?«
Petersen wirkte erleichtert, endlich wieder etwas zu tun zu haben. Vor allem etwas, was ihn unweigerlich aus der Nähe der Klärgrube brachte. »Der ist dort hinten auf der Terrasse, die Sanitäter kümmern sich noch um ihn. Was da aus der Klärgrube ans Tageslicht kam, hat dem Mann wohl einen heftigen Schock versetzt.«
»Wer könnte es ihm verübeln?«
Knud Levke sah selbst im Liegen auf der Trage groß und bullig aus – nicht im eigentlichen Sinne dick, sondern schwer, muskulös, durchtrainiert. Einer jener Typen, die einen Gullydeckel, den Daniel höchstens ein paar Zentimeter anheben konnte, ohne große Anstrengung zwanzig Meter weit warfen. Und doch war der Mann bleich vom Haaransatz bis zum Hals. Sogar die Spitzen seines gepflegten und mit Silberperlen verzierten Vollbartes wirkten fahl und grau – auch wenn das natürlich Unsinn war. Bärte konnten nicht erbleichen.
»Herr Levke, mein Name ist Kowalski, Kripo Schleswig. Ich habe da noch ein paar Fragen an Sie ...«
Der Mann sah ihn so verwirrt an, dass Daniel sich einen Moment nicht sicher war, ob er gerade Polnisch geredet hatte.
»Ist alles in Ordnung mit ihm?«, erkundigte er sich bei dem Notarzt, der neben der Trage auf dem Boden kniete und irgendwelches Gerät in den Alukoffer räumte.
»Nicht wirklich. Der Mann steht unter Schock, sein Blutdruck spielt verrückt. Ich habe ihm gerade eine Spritze zur Beruhigung gegeben. Wir werden ihn gleich mitnehmen. Ich glaube zwar nicht, dass es sich um ein bedrohliches Geschehen handelt, doch ich möchte dafür nicht meine Hand ins Feuer legen. Es ist besser, ihn mindestens vierundzwanzig Stunden stationär zu beobachten.«
»Ist er denn jetzt vernehmungsfähig? Kann ich ihm noch ein paar Fragen stellen?«
»Prinzipiell habe ich nichts dagegen, allerdings glaube ich nicht, dass sie Erfolg haben werden. Aber versuchen Sie gern ihr Glück. Bis die Kollegen wieder da sind, haben Sie Zeit.«
»Geht wahrscheinlich ganz schnell.« Daniel hockte sich neben die Trage auf die Steinfliesen. Die Schweißperlen auf der Stirn des Mannes funkelten in der Märzsonne, an seinem kräftigen linken Oberarm füllte sich die Blutdruckmanschette gerade mit Luft. »Wie oft kommen Sie her, um die Grube zu entleeren, Herr Levke?«
Der Blick des Mannes wandte sich ihm kurz zu, dann irrte er wieder davon in unbekannte Sphären.
»Hören Sie mich, Herr Levke? Hallo?«
Keine Reaktion, nur ein kurzes Flattern der Lider. Und für einen Moment befürchtete Daniel, der Kopf des Mannes würde gleich zur Seite kippen, weil er aufhörte zu atmen. Exitus. Tot. Umgebracht von einem Polizisten, der zu viele neugierige Fragen gestellt hatte. Die Schlagzeilen würden sich gut machen in der Presse.
»Wo bringen Sie ihn hin?«, fragte Daniel den Notarzt.
»Schleswig, Helios Klinikum.«
»Meinen Sie, dass wir ihn im Laufe des Abends noch befragen können?«
Der Notarzt warf einen Blick auf den kleinen, mobilen Monitor. Es piepte, und eine Zahl blinkte rot – 205. Das sah irgendwie bedrohlich aus. Der Arzt schüttelte den Kopf, zog besorgt die Stirn kraus, entnahm seinem Alukoffer eine Ampulle und zog sie in eine Spritze auf.
»Ob und wann der Mann vernehmungsfähig ist, werden die Kollegen im Krankenhaus entscheiden«, sagte er und drückte den Inhalt der Spritze in eine Plastikflasche, auf der NaCL stand und die über einen dünnen, transparenten Schlauch mit Herrn Levke verbunden war. »Rufen Sie in der Klinik an, ich werde dort Ihren Namen angeben.«
»Danke.« Daniel zog eine Visitenkarte aus dem Portemonnaie, reichte sie dem Arzt und wandte sich dann wieder an den Mann auf der Trage. »Gute Besserung, Herr Levke!«
Wieder huschte der Blick des Mannes für einen Moment zu Daniel, um sich dann ein weiteres Mal in der Ferne zu verlieren. Hoffentlich erlangte er bald seine Fassung wieder.
Die zierliche Polizistin neben Katja sah aus, als hätte sie erst wenige Tage zuvor die Polizeischule verlassen. Wie eingefroren starrte sie auf die Überreste, die Dr. Henssler im Zelt einer ersten Untersuchung unterzog. Ihr Gesicht hatte die Farbe von einem Glas Milch. Katja konnte sie verstehen, der Anblick war eine echte Herausforderung.
»Alles okay bei Ihnen?«, fragte sie leise.
»Nein«, flüsterte die junge Frau, und einen Moment befürchtete Katja, dass sie in Tränen ausbrechen würde. Aber sie hielt sich wacker. »Ich bin nicht in Ordnung. Ich habe mich nach Süderbrarup versetzen lassen, weil ich Diebstähle aufklären, Schlägereien verhindern, vielleicht mal einen Trickbetrüger zur Strecke bringen wollte. Zuerst die Basisarbeit kennenlernen, bevor es weitergeht nach oben, zur Kripo. Das war mein Gedanke. Aber das da ...« Sie schaffte es endlich, den Kopf abzuwenden, und schaute Katja an. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Ich auch nicht«, erwiderte sie prompt. »Ehrlich.«
»Wie geht man damit um? Ich meine, im Unterricht haben sie uns natürlich beigebracht, was man tun kann, wenn man mit schrecklichen Situationen konfrontiert wird. Mit schweren Verkehrsunfällen, Opfern von Gewalt, Toten. Aber ...«
»In der Realität ist das noch einmal eine ganz andere Nummer.«
»Wie kommen Sie damit klar?«
Katja zuckte mit den Schultern. »Das ist unterschiedlich. Mal besser, mal schlechter, manchmal auch gar nicht. Meistens hilft es, wenn ich einfach nur an meine Arbeit denke. Daran, dass wir mit den Kollegen die Umstände des Todes aufklären können. Wenn ich Schritt für Schritt die Listen abarbeite – Zeugen befrage, Spuren sichte, Hinweise sammle. Oft hat die Arbeit dann etwas von einem Puzzle oder einem Rätsel. Und über dem Wunsch, die Lösung zu finden, kann ich meistens sogar solche Bilder verdrängen.«
Dass diese Bilder sich dann zum Teil über Jahre hinweg noch in ihre Träume schlichen, behielt Katja an dieser Stelle für sich. »Was mir auch noch hilft: ein Foto des Toten zu Lebzeiten. Dann wird aus dem Opfer wieder ein Mensch – mit einer Identität, einem Leben.«
»Dafür müssten Sie aber zuerst wissen, um wen es sich handelt.« Die junge Polizistin starrte zum Pavillon hinüber, und wieder schien es, als kämpfte sie mit den Tränen.
»Bei der Identifizierung wird uns hoffentlich die Rechtsmedizin helfen«, sagte Katja und streckte ihr die Hand entgegen. »Katja Greve.«
»Laura Petersen.« Ihr Händedruck war angenehm fest, und es schien, als würde sie wieder den Boden für ihre Füße zurückerobern. »Wie kann ich Sie bei der Aufklärung unterstützen, Frau Greve?«
»Sie waren eine der Ersten vor Ort?«
»Ja. Zusammen mit Hauptwachtmeister Petersen.«
»Ihr Vater?«
Laura Petersen schüttelte den Kopf. »Mein Onkel.«
»Was können Sie mir über das Objekt und die Besitzer sagen, Frau Petersen?«
»Nur wenig. Das Objekt gehört wohl einem Herrn mit Wohnsitz in Hamburg. Es wird von einer Immobilienfirma verwaltet, die sich Schleihäuser' nennt und die auf die Vermietung von Luxus-Ferienhäusern in unserer Region spezialisiert ist.«
»Sind der Besitzer und die Verwalterfirma bereits verständigt?«
»Ja. Der Geschäftsführer der Schleihäuser weiß Bescheid, er ist auch gleich gekommen. Praktischerweise hat die Firma ihren Sitz mitten in Ulsnis – mit dem Auto keine fünf Minuten von hier.«
»Ich würde gern mit ihm sprechen. Wie ist sein Name?«
»Hans-Martin Spränger – mit a-Umlaut. Darauf legt er großen Wert, wie es scheint. Ich glaube, er wartet vor dem Haus; das hier wollte er sich nicht antun. Ich bringe Sie zu ihm.«
Katja folgte der jungen Kollegin über den Rasen, vorbei an der Terrasse und dem Außenpool zur Vorderseite des Hauses.
Der Platz vor dem Haus war vollständig zugeparkt: Einsatzfahrzeuge der Polizei, die Transporter der Rechtsmedizin und der Spurensicherung, ein Krankenwagen, Katjas und Daniels Dienstwagen und ein silbergrauer Mercedes mit Schleswiger Kennzeichen. Ein Mann lief mit dem Handy am Ohr vor dem Haus auf und ab, und bei jedem Schritt bauschte sich der offene Trenchcoat um seine Beine.
»Herr Spränger?«
Der Mann hob den Kopf. »Ja. Mit a-Umlaut.«
»Mein Name ist Greve, mit e.« Katja zog ihren Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn so, dass Spränger ihn lesen konnte. »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Ja. In Ordnung.« Er warf einen kurzen Blick auf das Handy-Display, zuckte mit den Schultern und steckte es dann in die Innentasche seines Mantels. »Ich kann Herrn Dr. Greggersen ohnehin gerade nicht erreichen. Nicht einmal seine Sekretärin geht an den Apparat.«
»Und Herr Dr. Greggersen ist ...?«
»Ihm gehört dieses Objekt.«
»Aber er lebt nicht hier?«
Herr Spränger schüttelte den Kopf. »Nein. Jedenfalls nur selten«, verbesserte er sich. »Meistens ist er im November oder Dezember für eine Woche hier, um sich zu entspannen und mit mir über notwendige Arbeiten am Objekt zu sprechen. Die übrige Zeit des Jahres wird das Haus an Feriengäste vermietet.«
»Verstehe. Was für ein Doktor ist denn der Herr?«
»Dr. Greggersen ist Jurist.«
»Mit eigener Kanzlei?«
»Ja. Spezialisiert auf Steuerrecht.«
»Können Sie mir bitte die Adresse geben? Und am besten auch gleich seine Wohnanschrift, damit wir uns mit ihm in Verbindung setzen können.«
Herr Spränger nannte ihr zwei Adressen. Katja notierte sie auf der Rückseite einer Tankquittung, die sie in ihrer Jackentasche gefunden hatte. »Also, Dr. Greggersen war zuletzt im November oder Dezember vergangenen Jahres hier?«
Herr Spränger nickte.
»Und seitdem stand das Haus leer?«
»Nein. Es ist meistens ausgelastet.«
»Dann ist es ein Zufall, dass das Haus gerade jetzt nicht vermietet ist?«
»Nein. Wir blocken in der Regel zwei Wochen im Jahr – eine im Frühjahr, eine im Herbst – um Zeit für notwendige Arbeiten zu haben, ohne Gäste stören oder sie umbuchen zu müssen. Streichen, größere Gartenarbeiten, Wartung von Heizung und Pool. Alles, was sich planen lässt.«
»Gehört die Entleerung der Klärgrube auch zu diesen Arbeiten?«
»Richtig. Die ist immer im März dran.«
»Jedes Jahr?«
Herr Spränger bejahte.
»Wer weiß davon, dass der Saugwagen im März kommt?«
»Meine Mitarbeiter und ich natürlich. Herr Dr. Greggersen, vielleicht seine Frau. Sonst niemand, denke ich. Warum?«
»Nur so.« Katja machte sich eine Notiz auf dem Zettel. »Und die Entleerung der Klärgrube übernimmt immer Gruben-Clean, oder wechseln Sie gelegentlich das Entsorgungsunternehmen?«
»Nein, wozu sollten wir? Seit der Gründung von Schleihäuser arbeiten wir mit dieser Firma zusammen, das sind jetzt fast sieben Jahre. Unsere Objekte liegen ausnahmslos in Alleinlage, zum Teil handelt es sich auch um historische Gebäude. Keines davon ist an die örtliche Kanalisation angeschlossen. Darum brauchen wir ein Unternehmen, auf das wir uns in jeder Hinsicht verlassen können. Gruben-Clean arbeitet zuverlässig, schnell und diskret. Und die Wagen sind immer auf dem neuesten technischen Stand.«
»Entschuldigen Sie die Zwischenfrage. Aber warum sollte eine Firma, die Klärgruben auspumpt, diskret sein? Die gehen ja wohl kaum durch die Badezimmer.«
»Die von uns verwalteten Objekte gehören alle in die gehobene Kategorie, Frau Greve. Dazu gehört selbstverständlich auch eine hochwertige Innenausstattung – ausgewählte Möbel und Stoffe, erstklassige Elektro- und HiFi-Geräte bis hin zu Antiquitäten und Kunstgegenständen. Es ist deshalb von unschätzbarem Vorteil, mit zuverlässigen Unternehmen zusammenzuarbeiten, deren Fahrer nicht am Kneipentresen ausplaudern, dass das Objekt in dieser oder jener Woche leer steht, sodass es ungestört ausgeräumt werden kann.«
»Das leuchtet mir ein. Danke für die Aufklärung.«
Hans-Martin Sprängers Miene hatte nun etwas Herablassendes. Nicht so viel, dass es wirklich auffällig gewesen wäre, aber genug, um Katjas Radar in Alarmbereitschaft zu versetzen. Irgendetwas stimmte nicht – mit Herrn Spränger oder den Schleihäusern oder dem ominösen Dr. Greggersen. Etwas war hier faul.
»Welche Betriebe beschäftigen Sie denn außerdem am Objekt?«
Spränger zuckte mit den Schultern. »Reinigungspersonal natürlich, auf Wunsch eine Haushälterin, eine Gärtnerei, einen Hausmeisterservice, der sich um den anfallenden Kleinkram kümmert: Glühbirnen wechseln, kleinere Reparaturen und so weiter. Eine Firma für Heizungs- und Sanitärtechnik, die einmal im Jahr die Anlagen wartet. Und natürlich Handwerkerbetriebe, wenn irgendwelche besonderen Arbeiten anfallen – Maler, Maurer, Ofenbauer, Innenarchitekten.«
»Sind das ebenfalls immer dieselben Betriebe?«
»Ja. Auch wenn das regional teilweise wechselt. Unsere Objekte liegen weit verstreut in der gesamten Schleiregion. Da ist es zum Teil ökonomischer, Unternehmen vor Ort zu beauftragen.«
»Wir brauchen eine Liste dieser Betriebe. Und eine Aufstellung aller Arbeiten, die hier am Objekt durchgeführt wurden.«
»Was? Aber ...«
»Der Zeitraum von Januar vergangenen Jahres bis heute wird genügen, denke ich.« Katja lächelte freundlich. »Wie kommen denn die Mitarbeiter dieser Firmen hier auf das Grundstück? Haben die alle einen Schlüssel?«
»Nein. Natürlich nicht! Wenn Arbeiten anstehen, bin ich vor Ort.«
»Tatsächlich? Immer?«
»Ja. Meine Kunden vertrauen uns ihre wertvollen Objekte an. Und ich gebe darauf acht, als wären sie mein Eigentum. Das erklärt wohl auch den Erfolg von Schleihäuser. Unsere Mieter sind ebenfalls immer sehr zufrieden.«
»Sind Sie auch dabei, wenn geputzt wird?«
»Nein, die Reinigungsfirma hat natürlich eigene Schlüssel. Aber stichprobenartig bin ich vor Ort.«
Katja konnte sich lebhaft vorstellen, wie Spränger, mit a-Umlaut, mit den Händen in den Taschen seines Trenchcoats hinter einer Reinigungskraft herging und darauf achtete, dass kein Marmoraschenbecher in einer der Kitteltaschen verschwand. »Was kostet es denn, wenn ich das Haus für eine Woche mieten will?«