Lacht hoch die Tür ... das Herz macht weit - Andreas Malessa - E-Book

Lacht hoch die Tür ... das Herz macht weit E-Book

Andreas Malessa

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Beschreibung

Ein "Best-of" der erfolgreichsten Weihnachtsgeschichten des bekannten Autors Andreas Malessa aus zwei Jahrzehnten gemischt mit unterhaltsamen neuen Erzählungen und als "Bonus" zwei weihnachtliche Geschichten von Fabian Vogt. Bewegende Kurzgeschichten jenseits von heiler Weihnachtswelt, Tannenduft und Kerzenlicht: Wenn Andreas Malessa Geschichten rund ums Fest der Feste schreibt, dann geht es eher um himmlische Chorproben, Querelen mit dem Fiskus oder um die halbwegs Heiligen Drei Königinnen. Mit einer guten Prise Humor würzt Malessa seine kurzen Texte, mit denen er zum Schmunzeln bringen will, aber auch zum Nachdenken über die eigentliche Botschaft von Weihnachten und darüber, was das mit dem Leben im 21. Jahrhundert noch zu tun hat. Ein besonderes Lesevergnügen rund um die Weihnachtszeit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 111

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Andreas Malessa

Lacht hoch die Tür …das Herz macht weit

Weihnachtshumorgeschichten

Andreas Malessa, Radiojournalist, Theologe, Buchautor, schrieb die Musicals „Amazing Grace“ und „Martin Luther King“, ist als Referent mit kirchlichen, sozialethischen und kulturellen Themen unterwegs, verarbeitet realsatirische Situationen in humorvolle Kurzgeschichten und gestaltet mit Pianist Uli Schwenger „Lacht hoch die Tür“-Abende im Advent.

Die zitierten Bibelverse sind folgenden Übersetzungen entnommen: BasisBibel, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart; Neue Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen, © 2011 Genfer Bibelgesellschaft.

© 2025 Brunnen Verlag GmbH

Gottlieb-Daimler-Straße 22, 35398 Gießen

www.brunnen-verlag.de

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Die Nutzung von Bild-, Sprach- und Textdaten für sog. KI-Trainings und ähnliche Zwecke ist nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung erlaubt.

Lektorat: Stefan Loß

Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger

Umschlagillustration: Adobe Stock

ISBN Buch 978-3-7655-4270-1

ISBN E-Book 978-3-7655-7771-0

Inhalt

Ankunft in 24 Minuten

Kopf hoch, Augen geradeaus

„Und auf wen warten Sie?“

Blickst du dahinter?

Was man so mit anhört

Der erste Adventmoment

Chorprobe bei den himmlischen Heerscharen

Zwei Nikoläuse, eine Wohltat

Nikolausig kalt (Fabian Vogt)

Wann genau ist Tagesanfang?

Die Sterne dort, die sind von dir

Zwei Freunde, drei Begegnungen

Glasbaustein werden

Vorweihnachtsblitz aus trübem Himmel

Es war Advent, das merkt man hinterher

Celestine

Seelenbrot, retrostyle

Abendlied

Arglose Grüße

Die Tür zum Glück geht nach außen auf

Schmucker Schmuck (Fabian Vogt)

Plötzlich war die Erinnerung da

Weihnachten liegt in der Luft

Die halbwegs heiligen drei Königinnen

Leuchten statt glänzen

Scherben an Dreikönig

Nachweihnachtliche Vorfreude

Den Menschen ein Wohlgefallen

Ankunft in 24 Minuten

Sagt der Navi. Eigentlich ja das Navi. Neutrum. Ein satellitengesteuertes Ortungs-Programm mit Straßenkarten-Display und erotischer Frauenstimme.

„Wer's glaubt, wird selig“, brummt Uli grimmig.

Er biegt auf die Bundesstraße ein und stellt den Scheibenwischer schneller. Schneeregen. Matschwetter. Zwei Baustellen stehen ihm noch bevor. Vermutlich auch Umleitungen wegen der Weihnachtsmärkte in den Dörfern. Außerdem ist es Freitagspätnachmittag. „24 Minuten“, pah! Soll man das glauben?

Sein Patenkind Frederike spielt um halb acht einen Engel. Im Gemeindehaus der übernächsten Stadt. Ausgerechnet heute ist es länger geworden im Büro. Erst streikte der Drucker, dann gab es Rückfragen, was will man machen.

„Noch 24 Tage bis Heiligabend, dann haben Sie Ihr Ziel erreicht.“

Uli reibt sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. Hat der Navi, also das Navi, eben „Heiligabend“ gesagt? Nie im Leben. Ich bin völlig überarbeitet, denkt er, ich bin überdreht und müde. Höre schon Stimmen, meine Güte.

Früher, als man noch Straßenkarten benutzte, hatte seine Frau Simone auf dem Beifahrersitz den Autoatlas immer rumgedreht. Weil Ziele, die eine Frau anstrebt, „oben“ sein müssen. Also jetzt nicht moralisch höherstehend, sondern mehr so hirnphysiologisch gemeint. Frauen wollen nach „oben“. Auf jeden Fall. Auch auf der A 5, wenn man Richtung Basel fährt.

Heute macht dieses Rumdrehen ein Display. Freiburg im äußersten Südwesten Deutschlands ist rechts oben. Und Berlin ist links unten. Wenn man nach Freiburg fährt. Jetzt mal von sich aus gesehen. In dieser seiner streng subjektivistischen Weltsicht ist das Navigationsgerät eigentlich weiblich.

Müsste also die Navi heißen. Sagt aber keiner. Besitzt ein Mann wie Uli noch einen Rest Geografiekenntnisse – Geografie, liebe Kinder, das ist, wenn man weiß, dass Dänemark oben und Österreich unten ist – dann muss der Mann umdenken. Radikal umdenken.

Da! Die erste der befürchteten Baustellen-Ampeln.

So ein Navi ist wie der Pfarrer auf der Kanzel, denkt Uli: Kriegt die Signale von ganz oben. Erwartet einfach, dass man seine Anweisungen befolgt. Behauptet Dinge, die der persönlichen Erfahrung widersprechen. Und manchmal der konkreten Realität. Und provoziert dauernd die Frage: Soll ich das glauben?!

„Ankunft Gottes in 24 Tagen“.

Hat er das jetzt nur gedacht oder tatsächlich akustisch gehört? Uli starrt verwirrt ins Display, prüft dann im Innenspiegel seine nervös geröteten Augen und verpasst dadurch beinah die Grünphase. Hinter ihm hupt es.

Umdenken, geht es ihm durch den Kopf. Radikal umdenken.

Natürlich kommt Jesus nicht erst an Heiligabend auf die Welt und verschwindet an Himmelfahrt wieder … nee nee. Der Kalender des Kirchenjahres erinnert lediglich daran, dass jedes einzelne Menschenleben und die Welt als Ganzes auf ein Ziel zusteuern. Und dass niemand weiß, wie viel Zeit ihm noch bleibt.

„Wenn Sie nur noch 24 Tage zu leben hätten …“

Uli zuckt zusammen. Können diese kleinen Tyrannen jetzt schon Gedanken lesen? Und Sinnfragen stellen statt Abbiegungen ankündigen?

So fängt wahrscheinlich ein Burn-out-Syndrom an.

Wenn ich nur noch 24 Tage zu leben hätte, würde ich nicht freitagabends in einem Feierabendstau stehen!

Sondern … Ja, was eigentlich?

Der kleinen Frederike weise Vorträge halten? Fotos sortieren, versöhnliche Briefe schreiben, alte Freunde aufsuchen und die Verwandten zu einem Abschiedsessen einladen? Mein Testament machen, Bücher und Bargeld verschenken, Meditationskurse belegen, beten und singen?

Er drückt auf den Schalter über dem Türgriff, lässt die Seitenscheibe ein Stück herunter und atmet die feuchte Winterluft ein.

Tief durchatmen, gaaanz tief durchatmen. Und logisch denken:

Ob Gott auf mich zukommt oder ich mich mit jedem Tag verbrauchter Lebenszeit auf ihn zubewege, ist nur eine Frage der Perspektive. So gesehen ist das ganze Leben ein einziger Advent. Die Zeitspanne nämlich, in der ich auf eine Begegnung mit Gott zusteuere. Aber diese Begegnung muss doch nicht erst stattfinden, wenn ich sterbe, oder?

Hat man weniger Angst vor dem Tod, wenn man Gott schon vorher ein paarmal begegnet ist?

Uli schließt das Fenster wieder und wischt sich die Regentropfen von der linken Schulter.

„Neuberechnung. Neuberechnung.“

Aha. Seine neunmalkluge Mutti im Armaturenbrett hat die Umleitung um den Weihnachtsmarkt im nächsten Ort gecheckt. Soll er ihr vertrauen, obwohl er die Nebenstrecke nicht kennt? Wie oft hat er schon regelrechte Machtkämpfe mit ihr ausgefochten! Ja, die Navi wies ihm den kürzesten Weg nach Hause. Aber dass es 600 Meter raufging und dort oben Nebel und Glatteis herrschten, wusste sie nicht. Ja, geradeaus ging die Goethestraße weiter. Aber als Fußgängerzone. Mit Treppenstufen vorne dran. Und die abknickende Vorfahrt hieß Gotenstraße.

Wolf-Rüdiger ist nicht der Typ für „blinden“ Gehorsam. Nicht im Auto und nicht in der Kirche. Einen Rest gesunde Skepsis hat er sich immer erhalten, Navis und Pfarrern gegenüber jedenfalls. Man muss schon mal aus dem Fenster schauen und selber denken. Oder mit der Beifahrerin reden. Säße jetzt Simone neben ihm, könnte er das. Mit dem Navi dagegen ist nicht zu reden. Auch mit Sprachsteuerung nicht. Der/die/das Navi fordert immer nur Gehorsam. Und ist hinterher nicht mal schuld, wenn die Umleitungsstrecke über unbefestigte Forstwege verlief.

Er hat schon Predigten gehört und Lieder gesungen, erinnert er sich, die stellten Gott genauso dar: blinden Gehorsam fordernd, immer im Recht, nie zur Verantwortung zu ziehen. Je angestrengter und erschöpfter der dumme kleine Mensch mit den Widrigkeiten seiner Lebensumstände kämpft, umso triumphaler erhebt sich der Himmelsherrscher über ihn. Je winterlicher und dunkler die Verhältnisse seiner orientierungslosen Geschöpfe sind, desto majestätisch glänzender strahlt der Schöpfer. Uli fand das nie „herrlich“. Sondern immer nur herrisch.

Also gut. Ich werde der Umleitungsempfehlung Folge leisten, denkt er. Was soll's. Eine ganze Stuhlreihe genervter Zuschauer wird aufstehen müssen, Frederike wird enttäuscht sein, ihre Eltern werden vorwurfsvoll dreinschauen und Simone, seine Frau, wird „Typisch!“ zischeln. Eine letzte Chance, rechtzeitig zum Krippenspiel zu kommen, gibt es nur, wenn der Pfarrer eine lange Einleitungsrede hält.

Er schaltet runter, blinkt nach links, lässt den Gegenverkehr durch und biegt in die Nebenstrecke ein.

„Na?“ Erwartungsvoll schaut er aufs Display. Sein Navi schweigt.

„Was ist?! Ich tue, was du sagst, merkst du das eigentlich? Könntest mich ja ruhig mal ein bisschen loben!“

Mein Gott, jetzt rede ich schon mit einem Gerät …

Die Umleitung ist eine überraschend breit ausgebaute Umgehungsstraße. Nagelneu. Es muss Jahre her sein, dass er das letzte Mal diese Strecke fuhr. Uli gibt Gas, schnurgerade bergab, rast mit knapp 110 km/h am Ortsschild vorbei und wird prompt geblitzt. Egal.

„Das Ziel befindet sich auf der linken Seite.“

Schau an, Frau Oberlehrerin hat die Sprache wiedergefunden.

Er stellt den Wagen vor dem Gemeindehaus auf einen gebührenpflichtigen Parkstreifen und legt den Kassenbon vom Getränkemarkt unter die Windschutzscheibe.

„Sie haben Ihr Ziel erreicht“, sagt der/die/das Navi.

Uli schnallt sich ab und schaut auf die Uhr.

„In exakt 24 Minuten“, nickt er. „Aber woher wusstest du, dass ich fahren würde wie eine gesengte Sau?“

Drinnen beginnt der Pfarrer gerade mit einer langen Einleitungsrede. Frederike auf der Bühne, im Engelskostüm, strahlt ihren Patenonkel an. Uli kommen schier die Tränen. Simone begrüßt ihren Mann mit einer heftigen Umarmung und einem Kuss auf den Mund.

„Wie hast du das denn geschafft?!“

„Einfach mehr vertrauen. Mehr darauf vertrauen, dass Gott menschlich ist. Darum geht's doch im Advent, oder?“

Die beiden setzen sich.

Der ist ja völlig überarbeitet, denkt sie.

Aus: „Was gibt's da zu feiern?! Weihnachtsgeschichten, kurz und gut“, Brunnen Verlag GmbH, Gießen, 2018.

Kopf hoch, Augen geradeaus

„Wenn diese Dinge zu geschehen beginnen, richtet euch auf und fasst Mut, denn dann ist eure Erlösung nahe“ (Lukas 21,28; NGÜ).

„Advent“ ist es schon seit meiner Geburt. Denn: Mein Leben ist der Vorabend einer Abholung. Es ist jemand zu mir unterwegs. „Eben, der Tod“, denke ich, „gruselige Vorstellung.“ Jesus sagt: „Nein, Erlösung. Befreiung aus Raum und Zeit, Begrenzung und Unvermögen, Schuld und Schicksal. Ob individuell oder universal – Gottes Reich aus Liebe und Frieden kommt, verlass dich drauf!“ Nicht hochtrabend, aber vorausschauend gibt es Vorfreude statt Beklemmung, Tanz statt Angst, Licht statt Dunkelheit.

„Und auf wen warten Sie?“

„Holst du Sabine ab?“

„Hm?“

„Holst du sie ab? Ich mach' dann abends das Begrüßungsessen. Oder möchtest du lieber kochen?“ Simone kann Fragen so formulieren, dass eine Verneinung erhebliche Mehrarbeit nach sich ziehen würde. Deshalb nickt Uli meist einsichtig. Also gut.

Wann Sabine ankommt, die gute alte Freundin der Familie, das klebt ja seit Wochen an der Pinnwand. Einen lang erwarteten Gast pünktlich am Flughafen abzuholen ist heutzutage ein Kinderspiel. Ankunftszeit, Ankunftsterminal und Ankunftsgate stehen fahrplanmäßig fest und ob die Maschine erst „erwartet“, bereits „im Anflug“ oder schon „gelandet“ ist, kann man im Internet quasi live mitverfolgen. Sollte trotzdem irgendwas schiefgehen, gibt's ja Mobiltelefone.

Pustekuchen. Als Uli an diesem neblig-trüben Sonntagmittag im Advent den Wagen startet, blinkt die Tankanzeige ein rotes „E“. „E“ wie „Empty“, „Ende“, „Ergerlich“. Dass man Kinder über 18 hat, merkt man in solchen Momenten. Das Autoradio brüllt Werbejingles und Punkrock. Ein völlig unbekannter Sender. Panisch tippt Uli auf die Stationstasten. Ein Opernbariton schmettert „Wie soll ich dich empfangen“. Thomas Quasthoff wahrscheinlich. Oder Fischer-Dieskau. Drücken, drücken. Sekundenkurz noch André Rieu im Dreivierteltakt, dann ist endlich Ruhe.

Uli überlegt. Zurück in die Wohnung und den Sohn beschimpfen? Dauert jetzt zu lange. Die Tankstelle im Nachbarort? Hat sonntags geschlossen. Am Flughafen wird es irgendwo eine geben, sicher, aber ob es bis dorthin reicht?

Bis zum Abbiegerschild „Ankunft/Kurzparker“ reicht das Benzin offenbar. Uli hat Schweißperlen am Haaransatz, als er seinen Wagen die spiralförmige Auffahrtsrampe des Parkhauses hinauftreibt. „E“, „Empty“, „leer“ – schreit ihn das Display im Armaturenbrett an. Also optisch, rein visuell. Was, wenn er ausgerechnet hier stehen bleibt? Und die Zufahrt zu allen oberen Parkdecks blockiert? Nerven behalten! Ganz ruhig. Ticket ziehen, Schranke durchfahren, Parkplatz merken. Uli atmet tief durch. Tankstelle suchen kann er ja später. Schließlich kommt in zehn Minuten Sabine an. Aus Kairo immerhin. Von ihrer Studienreise plus Nilkreuzfahrt.

Die Drehtür zum Ankunftsterminal schubst ihn in eine verwirrend andere Welt: Unzählige Grüppchen aufgeregt rufender, gestikulierender Menschen klumpen zusammen, laufen auseinander, formieren sich neu. Frauen lachen schrill auf, Männer befehligen ihre Kinder bei Fuß, mannshoch bepackte Gepäckwagen verhindern jedes Durchkommen. Gegen den Lärm hier drin war der Lieblingssender seines Sohnes im Autoradio ein Klacks. Alles winkt, reckt die Hälse, jemand verliest laut rufend die Informationen des Anzeigemonitors. Auf den wenigen Bistro-Stühlen einer Kaffeebar stehen klein geratene Dickerchen und schwenken Blumensträuße. Uli versteht nichts. Und sieht auch kaum mehr was, weil im feuchtwarmen Dunst der Menschenmassen seine winterkalte Brille beschlägt.

Da – jetzt öffnen sich die Milchglas-Schiebetüren. Hinter langsam heranrollenden Gepäckbergen tauchen weiß gekleidete Männer in Kaftanen nebst Frauen in wallenden Mänteln auf. Der diffuse Geräuschpegel bündelt sich jedes Mal zum jubelnden Schreien, sobald eine neue Welle Ankommender heraustritt. Erst jetzt bemerkt Uli, dass es ausschließlich orientalisch aussehende Wartende sind, die hier stürmisch ihre Verwandten oder Freunde umarmen und küssen. Manche Ankömmlinge bekommen kleine Kuchen oder Kekse in den Mund gesteckt oder quietschbunt verpackte Begrüßungsgeschenke überreicht.

Einem türkischen Taxifahrer muss Ulis Verwirrung aufgefallen sein.

„Hadsch!“, ruft er ihm zu und zieht grinsend die Schultern hoch.

„Was?“

„Die kommen von der Hadsch!“

Uli nickt und lächelt zurück. Pilger. Ach so. Aus Mekka, mit Umsteigen in Kairo wahrscheinlich. Jetzt stöckelt eine sehr braun gebrannte Touristin mit sehr blondierten Haaren aus dem Gate, gefolgt von einem sehr korpulenten Herrn in Shorts und Badelatschen.

Uli putzt seine Brille und blinzelt zum Monitor hinauf. „Fuerteventura. Arrived“. Und darunter: „MS 785 Cairo, arr. 14.10, delayed“.

Wenn Sabines Maschine noch gar nicht da ist – aus welcher kamen dann die islamischen Pilger? „If you want to despair, go Egypt Air“, sagt eine Dame neben ihm und schüttelt den Kopf. „Yes, yes“ nickt Uli, als hätte er ständig mit Fluglinien zu tun.

Nein, hier komme der Flug MS 785 aus Kairo nicht an, hört er nach einer halben Stunde und zwei Tassen überteuerten Kaffees. Dort, wo der Flug dann ankommen soll, sagt ihm eine freundliche Flughafenbedienstete, er komme frühestens in einer Stunde an. Und da, wohin Uli nach dieser Stunde von einer Lautsprecherdurchsage geschickt wird, herrscht Leere. Und Stille. Gähnende Leere und beunruhigende Stille, findet er.

Vielleicht steht Sabine längst irgendwo in einem anderen Terminal und hat ihn schon angerufen?

Uli öffnet sein Smartphone. Keine Anrufe in Abwesenheit, keine SMS.