Lack für Einsteiger - Paolo Nanetti - E-Book

Lack für Einsteiger E-Book

Paolo Nanetti

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Beschreibung

Bereits in der sechsten Auflage schafft dieses Standardwerk eine leicht verständliche Einführung in die Welt der Farben und Lacke. Es richtet sich gezielt an Neu- und Quereinsteiger ohne lacktechnisches Vorwissen und vermittelt ein breites und leicht verständliches Basiswissen der Lacktechnologie. Grundlegende Zusammenhänge zwischen Rezeptstrukturen, Herstellungsverfahren, Fertigungsparametern sowie Lackqualität und -stabilität werden übersichtlich dargestellt. Daneben werden wichtige Informationen über die Prüfung, Applikation und Anwendung von Beschichtungsstoffen und -systemen geliefert und so eine solide Grundlage zu qualitätsbewusstem Arbeiten geschaffen. Beim Thema Lack und Umwelt werden physiologische und umwelttechnische Aspekte mit zukünftigen Trends kombiniert. Ideal für Einsteiger!

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Seitenzahl: 251

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Paolo Nanetti

Lack für Einsteiger

6., überarbeitete Auflage

Umschlagsbild: MR-Adobe.com

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Paolo Nanetti

Lack für Einsteiger

6., überarbeitete Auflage

Hannover: Vincentz Network, 2019

FARBE UND LACK // BIBLIOTHEK

© 2019 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover

Vincentz Network, P.O. Box 6247, 30062 Hannover, Germany

Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern:

Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany

Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029

E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de

Satz: Vincentz Network, Hannover, Germany

E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

E-Book ISBN 978-3-74860-203-3

FARBE UND LACK//BIBLIOTHEK

Paolo Nanetti

Lack für Einsteiger

6., überarbeitete Auflage

Inhalt

1 Was ist „Lack“?

1.1 Allgemeines

1.2 Einteilung der Beschichtungsstoffe

1.3 Aufbau von Beschichtungssystemen

2 Bestandteile des Lackes

2.1 Bedeutung und Einteilung der Lackkomponenten

2.2 Bindemittel (Filmbildner)

2.2.1 Chemischer Aufbau

2.2.2 Mechanismen der Filmbildung

2.2.3 Wichtige Bindemittelgruppen

2.3 Lösemittel

2.3.1 Polarität und Lösevermögen

2.3.2 Wichtige Lösemittelgruppen

2.4 Additive (Lackhilfsmittel)

2.4.1 Allgemeines

2.4.2 Wichtige Additive und ihre Anwendung

2.5 Füllstoffe

2.5.1 Physikalische und technologische Eigenschaften

2.5.2 Die wichtigsten Füllstoffgruppen

2.6 Pigmente

2.6.1 Allgemeines

2.6.2 Was ist Farbe?

2.6.3 Lichtstreuung und Lichtabsorption

2.6.4 Wichtige Pigmentgruppen

3 Lackstabilität: Ein Balanceakt

3.1 Allgemeines

3.2 Physikalische Wechselwirkungen im Lack

3.2.1 Lösungsvorgänge

3.2.2 Verträglichkeit unter den Lackrohstoffen

3.2.3 Benetzungseigenschaften

3.2.4 Rheologie

4 Lackrezepte

4.1 Allgemeines

4.2 Aufbau des Lackrezeptes

4.2.1 Einleitung

4.2.2 Klarlacke

4.2.3 Beschichtungsstoffe mittlerer Pigmentierungshöhe

4.2.4 Hochgefüllte Beschichtungsstoffe

5 Lackherstellung

5.1 Allgemeiner Prozessablauf

5.2 Fertigungsvarianten

5.2.1 Allgemeines

5.2.2 Grundauffertigung

5.2.3 Pasten- und Mischlackfertigung

5.3 Stationen der Lackherstellung

5.3.1 Allgemeines

5.3.2 Rohstofflager

5.3.3 Ansetzerei

5.3.4 Dispergierung

5.3.5 Besonderheiten bei der Dispergierung von Metallic- und Perleffektlacken

5.3.6 Komplettierung

5.3.7 Abfüllung

6 Lack und Umwelt

6.1 Umwelt- und Arbeitsschutzgesetzgebung

6.1.1 Allgemeine Problematik

6.1.2 VOC-Emissionen, REACH und GHS

6.2 Umweltverträgliche Alternativen

6.2.1 Abluftreinigung

6.2.2 High-Solid-Systeme

6.2.3 Wasserlacke

6.2.4 Pulverlacke

7 Wie werden Lacke verarbeitet?

7.1 Vorbehandlung der Beschichtungsuntergründe

7.1.1 Allgemeines

7.1.2 Metalle

7.1.3 Kunststoffe

7.1.4 Holz und Holzwerkstoffe

7.1.5 Mineralische Untergründe

7.2 Applikation von Beschichtungsstoffen

7.2.1 Allgemeines

7.2.2 Handwerkliche Applikationstechniken

7.2.3 Industrielle Applikationstechniken

7.3 Trocknung und Härtung von Beschichtungsstoffen

7.3.1 Allgemeines

7.3.2 Konvektionsöfen

7.3.3 Infrarot-Öfen

7.3.4 Chemische Strahlenhärtung

8 Wie werden Lacke geprüft?

8.1 Allgemeines

8.2 Lackrohstoffprüfung

8.2.1 Bindemittel und Additive

8.2.2 Lösemittel

8.2.3 Füllstoffe und Pigmente

8.3 Prüfung von Beschichtungsstoffen

Autor

Index

Auf ein Wort

Lacktechnologie wird aufgrund ihrer Vielseitigkeit und Komplexität als ein Betätigungsfeld für Spezialisten erachtet: Das Auswählen geeigneter Lackkomponenten aus dem unüberschaubar großen Rohstoff-Angebot der Chemie und deren geschicktes Zusammenführen zur stabilen „Mischung“ eines Lackrezeptes erfordern nicht nur umfangreiche chemische und physikalische Kenntnisse, sondern in der Regel auch viel Erfahrung.

Es ist gar nicht so lange her, dass die Lackentwicklung überwiegend von Einzelgängern beherrscht wurde, die ihre in jahrelanger Kleinarbeit entstandenen Lackrezepturen wie persönliche Geheimnisse gehütet haben. Im Zuge der rasanten, vielfach arbeitsmedizinisch- und umweltbedingten Fortschritte, haben sich auch in der Lackforschung längst wissenschaftliche, systematische und transparente Arbeitsstrukturen etabliert. Außerdem zwingen die heutigen Vorstellungen vom Qualitäts-Management zu einer ständigen Verbesserung der Prozessabläufe im gesamten Bereich der Lacktechnologie. Dies wäre sicherlich ohne bestimmte Grundkenntnisse aller Beteiligten, nicht zu realisieren.

Ziel dieses Buches ist es, den nicht lacktechnisch ausgebildeten bzw. in einer Ausbildung befindlichen Interessenten ein breites und leicht verständliches Basiswissen über die wichtigsten Bereiche der Lacktechnologie zu vermitteln. Dies gilt insbesondere für Mitarbeiter der Lackindustrie, die in der Entwicklung, in der Fertigung bzw. in der Produktbetreuung von Beschichtungsstoffen beschäftigt sind, aber natürlich auch für andere, die über Lack gut Bescheid wissen müssen oder wollen, z.B. im kaufmännischen Sektor, oder in der Werbung. Das Buch versucht, Ihnen allen auf möglichst übersichtliche Weise, grundlegende Zusammenhänge zwischen Rezeptstrukturen, Herstellungsverfahren und Fertigungsparametern auf der einen Seite und Lackqualität bzw. Lackstabilität auf der anderen Seite zu erläutern.

Diese wichtigen Kernbereiche gehen auf die jahrelangen Erfahrungen zurück, die ich im Laufe der bei Herberts bzw. DuPont Performance Coatings regelmäßig durchgeführten „Lackgrundschulung“ sammeln konnte. Ein wesentlicher Aspekt dieser Schulung, die überwiegend von Produktionsmitarbeitern und Auszubildenden zu Beginn der Ausbildung besucht wurde, war auf die Vermeidung von Fehlern ausgerichtet; sie bildete somit eine erste solide Grundlage zum qualitätsbewussten Arbeiten.

Darüber hinaus liefert das Buch ausgiebige Informationen über die Prüfung, die Applikation und die Anwendung von Beschichtungsstoffen bzw. Beschichtungssystemen. Besonders interessant dürfte für den Leser das Kapitel „Lack und Umwelt“ sein, wo neben einer umfassenden Beschreibung der modernsten Lacktechnologien, die überwiegend unter Berücksichtigung physiologischer und umwelttechnischer Aspekte entwickelt wurden, auch Hinweise auf zukünftige Trends zu finden sind. Diesbezüglich mussten in dieser 6. Auflage einige Begriffe und Informationen auf den neuesten Stand gebracht werden.

An dieser Stelle möchte ich dem Leser wünschen, dass ihm dieses Buch nicht nur den Einstieg in die faszinierende und äußerst vielseitige Welt des Lackes erleichtert, sondern dass es auch Impulse vermitteln möge, darüber noch mehr erfahren zu wollen.

Zülpich, im Juni 2019

Paolo Nanetti

2 Bestandteile des Lackes

2.1 Bedeutung und Einteilung der Lackkomponenten

Die Entwicklung von Beschichtungsstoffen läuft im Wesentlichen auf die Auswahl geeigneter Lackrohstoffe und deren optimale mengenmäßige und verfahrenstechnische Einbindung in eine Lackrezeptur hinaus. Ähnlich wie bei einem „Kochrezept“, liefert das Zusammenspiel der ausgesuchten Bestandteile in ihrer Gesamtheit das angestrebte Endergebnis.

Diese auf den ersten Blick einfach erscheinende Aufgabe erfordert in Wirklichkeit von den Lackforschern und -entwicklern sehr ausgedehnte Kenntnisse über die physikalischen und chemischen Wechselwirkungen Tausender von Lackrohstoffen, welche auf Grund ihres unterschiedlichen Aufbaus oft nur mit Mühe in einen stabilen Gleichgewichtszustand zusammengeführt werden können. Außerdem ist es in vielen Fällen nicht möglich, eine „optimale Rohstoffkombination“ zu finden, die alle an den Lack gestellten Wünsche gleichzeitig zu befriedigen gestattet, weil manche Forderungen ihrer Natur nach gegenläufig sind (z.B. niedrige Materialviskosität und hohe Applikationsschichten in einem Arbeitsgang). Der Rezeptausarbeiter ist oft gezwungen, einen Kompromiss zu finden, der möglichst vielen der geäußerten Wünsche und der zu berücksichtigenden Gegebenheiten Rechnung trägt.

Die zur Lackformulierung benötigten Rohstoffe werden überwiegend von der Großchemie synthetisch (künstlich) hergestellt und auf den Markt gebracht, wo Lackfirmen sie nach Bedarf einkaufen können. Jedoch genügen die Eigenschaften solcher Rohstoffe „von der Stange“ nicht immer, das angestrebte Anforderungsprofil der Beschichtungen optimal zu erfüllen. Dies gilt vor allem für die Bindemittel (Filmbildner). Es ist deshalb verständlich, dass es auch Lackfabriken gibt, die eine eigene Rohstoffentwicklung und -herstellung betreiben, mit dem Ziel, „maßgeschneiderte“ Filmbildner oder Additive zum Exklusiveinsatz in ihrer Produktpalette zu erhalten.

Wo dies nicht möglich ist, versucht man zunehmend, sich – über Kooperationsabkommen mit den Rohstoffherstellern – nach eigenem Wunsch Spezialanfertigungen der Lackkomponenten zu sichern. Die Rohstoffauswahl für moderne Beschichtungssysteme orientiert sich jedoch nicht nur nach rein technologischen Gesichtspunkten. Sie wird vielmehr auch stark von ökologischen, physiologischen und einkaufspolitischen Aspekten mitbestimmt.

Die Lackbestandteile lassen sich, entsprechend ihrer Funktion im Beschichtungsstoff, in folgende Gruppen unterteilen:

– Bindemittel (Filmbildner)

– Lösemittel

– Additive

– Pigmente und Füllstoffe

2.2 Bindemittel (Filmbildner)

Die Bindemittel sind die wesentlichsten Bestandteile der Beschichtungsstoffe, weil, wie auch ihre richtigere Bezeichnung „Filmbildner“ verrät, unerlässlich für das Zustandekommen der Beschichtung.

Ein Lack ist ohne Bindemittel nicht denkbar, während die anderen Lackkomponenten, je nach Verwendungszweck und Technologie des Beschichtungsstoffes, durchaus fehlen können. Klarlacke enthalten z.B. weder Pigmente noch Füllstoffe, Pulverlacke sind frei von Lösemitteln und man kann sich schließlich Lacke vorstellen – auch wenn sie in der Praxis kaum vorkommen – die sich ganz ohne Additive formulieren lassen.

Ohne Filmbildner jedoch kann überhaupt kein Lackfilm entstehen!

Durch ihren chemischen und physikalischen Charakter bestimmen die Filmbildner in hohem Maße das Gesamtverhalten des Anstrichstoffes, seinen Verfilmungsmechanismus, das Eigenschaftsbild des ausgehärteten Lacküberzugs und dessen Beständigkeit, Zusammenhalt und Haftung auf dem Untergrund.

Die Bindemittel werden in der Regel in Form von Lösungen oder Dispersionen eingesetzt. In Pulverlacken kommen sie allerdings als feste, lösemittelfreie Kunstharze zur Anwendung. Der Unterschied zwischen Lösung und Dispersion wird an anderer Stelle (s. S. 63) ausführlich erläutert.

2.2.1 Chemischer Aufbau

Als filmbildende Substanzen kommen fast ausschließlich mehr oder weniger komplex aufgebaute organische Verbindungen, das heißt Verbindungen des Kohlenstoffs, in Betracht. Die früher zu diesem Zweck eingesetzten Naturstoffe werden heute – zumindest in reinem Zustand – praktisch nicht mehr verwendet. Sie dienen lediglich zur Modifizierung von künstlich hergestellten Filmbildnern. Die Hauptverbindungen, auf denen die Bindemittelchemie heute basiert, sind durchweg „synthetische“ Produkte. Mit anderen Worten, sie werden über chemische Verfahren erzeugt; als Ausgangsstoffe dienen fast nur Derivate des Erdöls.

Da die Filmbildner, mit Ausnahme der Pulverlackanwendungen, grundsätzlich in flüssiger Form zum Einsatz kommen, muss die Molmasse, d.h. die Masse ihrer kleinsten Teilchen (Moleküle) so gewählt werden, dass sich, bei Verwenden üblicher Lacklösemittel, eine für die Verarbeitung des Lackes geeignete Viskosität ergibt.

In der Praxis bedeutet dies, dass die Molmasse nicht zu hoch sein darf oder, anders ausgedrückt, dass nur Bindemittel mit – in gelöster Form – nicht allzu großen Molekülen zur Anwendung kommen, denn es gilt der Grundsatz: je größer die Moleküle, desto höher wird die Viskosität ihrer Lösungen.

Dieser Zusammenhang hat beim Formulieren umweltfreundlicher, festkörperreicher Lacke (High-Solids) eine zentrale Bedeutung.

Auf der anderen Seite sind Lackierungen, in denen größere Moleküle vorkommen, beständiger gegen Witterungseinflüsse und chemische Belastungen als die auf kleinen Molmassen basierenden. Um aus diesem technologischen Dilemma herauszukommen, bieten sich im Wesentlichen zwei Wege an. Entweder man geht von hochmolekularen Filmbildnern aus und verarbeitet sie nicht als Lösungen, sondern als Dispersionen (s. „Physikalische Wechselwirkungen im Lack“, s. S. 61), oder man verwendet gelöste niedrigmolekulare Bindemittel, deren Moleküle nach der Lackapplikation chemisch „vernetzt“, das heißt in chemischen Reaktionen zu größeren Gebilden „zusammengeknüpft“ werden.

2.2.2 Mechanismen der Filmbildung

Die Art und Weise, wie aus einer flüssigen Lackschicht ein fester Film entsteht, kann verschieden sein.

Prinzipiell unterscheidet man zwischen physikalischer Trocknung und chemischer Härtung. Die oft gesondert betrachtete oxidative Trocknung ist eine spezielle Variante der chemischen Härtung.

a) Physikalische Trocknung

Von physikalischer Trocknung spricht man, wenn die im Lack enthaltenen Bindemittelmoleküle während des Trocknungsvorganges chemisch unverändert bleiben. Die Filmbildung erfolgt ausschließlich durch Verdunsten des Lösemittels.

Abbildung 5 stellt diesen Vorgang graphisch dar. Zunächst betrachten wir den Lackzustand vor der Applikation (I). Die vom Lösemittel umhüllten Bindemittelmoleküle „schwimmen“ frei herum. Anders ist die Situation beim noch nassen Lackfilm (II). Die Bindemittelmoleküle sind zwar noch vom Lösemittel umhüllt – das zunehmend verdunstet–, richten sich aber in der schmaler werdenden Lackschicht immer mehr horizontal aus. Im schließlich trockenen Lackfilm ist das Lösemittel schon vollständig verdunstet (III). Die langgestreckten Bindemittelmoleküle sind sich so nahe gekommen, dass sie sich mit physikalischen Anziehungskräften (Kohäsionskräfte) gegenseitig festhalten und somit einen festen Film bilden können. Dabei haben die Filmbildnermoleküle allerdings keinerlei Veränderung erfahren, d.h. sie können jederzeit durch die gleichen Lösemittel wieder in Lösung gebracht werden.

b) Chemische Härtung

Bei der chemischen Härtung findet, neben der Verfilmung unter Lösemittelverdunstung, auch eine chemische Vernetzung der Bindemittelmoleküle statt. Dies bedeutet, dass nach erfolgter Filmbildung an Stelle vieler kleinerer Filmbildnermoleküle praktisch nur noch ein einziges Riesenmolekül vorliegt, welches nicht mehr löslich ist und hohe Beständigkeiten aufweist. Die Vernetzung kann nach drei chemischen Prinzipien erfolgen, die übrigens nicht nur zur Lackhärtung herangezogen werden, sondern auch die Basis für die Bindemittelsynthese bilden. Es handelt sich um die Polykondensation, die Polyaddition und die Polymerisation.

Abbildung 5: Physikalische Trocknung

Abbildung 6: Schematische Darstellung einer Polykondensation

Abbildung 6 erläutert das Verfahren der Polykondensation. Die Reaktion findet unter chemischen Gruppen (funktionellen Gruppen) statt, welche fast immer zu unterschiedlichen Filmbildnermolekülen gehören. Die Vernetzung erfolgt üblicherweise bei höheren Temperaturen, möglich ist sie aber auch bei Raumtemperatur mit einer Säure als Katalysator. Charakteristisch für diese Reaktionsart ist die Abspaltung eines niedermolekularen Nebenproduktes, in der Regel Wasser. Die Polykondensation ist der grundlegende Härtungsmechanismus der meisten Einbrennsysteme und säurehärtbaren Lacke.

Wie Abbildung 7 veranschaulicht, findet die Polyaddition grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Bindemittelkomponenten statt. Da die Reaktion in der Regel bei Raumtemperatur abläuft und einsetzt, sobald die reaktionsfähigen Partner zusammenkommen, mischt man diese erst kurz vor der Verarbeitung zusammen. Das Polyadditionsprinzip ist somit die Basis der klassischen 2-Komponenten-Systeme. Hier werden bei der Vernetzung keine Abspaltprodukte frei, vielmehr ist sie mit einer Verschiebung von Atomen oder Atomgruppen innerhalb der beteiligten Moleküle verbunden.

Abbildung 7: Schematische Darstellung einer Polyaddition

Die Polymerisation schließlich spielt sich, wie Abbildung 8 verdeutlicht, unter Molekülen ab, die Doppelbindungen besitzen (I). Einige dieser Doppelbindungen werden durch Energiezufuhr bzw. mit Hilfe von fremden radikalbildenden Substanzen (Initiatoren) in Radikale, das heißt in Molekülgruppierungen mit hochreaktiven Einzelelektronen, aufgespalten (II). Die so gebildeten Radikale werden an benachbarte Doppelbindungen weitergegeben, wobei jeweils eine Verknüpfung der Monomermoleküle über eine neue Bindung und gleichzeitig ein neues Radikal entstehen (III). Dieser Vorgang setzt sich als Kettenreaktion fort und führt zu einer weitgehend vollständigen Vernetzung der beteiligten Monomere. Dieser Vernetzungsmechanismus ist charakteristisch für ungesättigte Polyester (UP-Harze) und strahlenhärtbare Systeme.

Abbildung 8: Schematische Darstellung einer Polymerisation

c) Oxidative Trocknung