Lassiter 2761 - Katja Martens - E-Book

Lassiter 2761 E-Book

Katja Martens

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Beschreibung

Die Wildnis Montanas ist unerforscht, rau und tödlich. Eine ehrgeizige Expedition unter der Leitung des Naturforschers Ferdinand Hayden soll den Yellowstone erstmals kartieren. Doch die Reise birgt mehr Gefahren als Bären, Stürme und reißende Flüsse. Einer der Teilnehmer verfolgt ganz eigene Ziele. Schon bald häufen sich unliebsame Zwischenfälle. Als der erste Tote im Lager liegt, ist klar: Der Feind ist näher, als alle ahnen. Mitten in der Gefahr: die ebenso reizende wie eigensinnige Reporterin Lilly Hansom. Als Lady hat sie es schwer, sich einen Platz bei einer Zeitung zu erobern. Ihr Bericht über die abenteuerliche Unternehmung soll ihr helfen, in ihrem Beruf Fuß zu fassen. Dafür riskiert sie alles.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Am Yellowstone lauert der Tod

Vorschau

Impressum

Am Yellowstone lauert der Tod

von Katja Martens

Das krächzende Rrawk-Rrawk eines Kiefernhähers durchschnitt die abendliche Stille über dem Yellowstone. Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont entgegen, und Nebel streiften wie einsame Wanderer durch das Tal. Red Elk stand neben einer ausladenden Gelbkiefer, als wäre er selbst im Boden verwurzelt. Der Wind spielte mit seinen langen blauschwarzen Haaren. Ruhig suchte er die Umgebung mit den Augen ab. Es war ein Abend wie jeder andere – und doch war etwas anders als sonst. Viele Sommer hatte er kommen und gehen gesehen, und er spürte es in seinen Knochen: Etwas braute sich über dem Fluss zusammen. Und es war bestimmt nichts Gutes ...

Sein Stamm hatte sein Lager am Ufer aufgebaut. Kinder rannten zwischen den Tipis umher, spielten mit den Hunden fangen. Frauen nahmen Fische aus oder flochten Körbe. Alte Männer saßen schweigend an den Feuerstellen, kauten auf bitterem Wurzelholz und lauschten dem Wind. Der Geruch von Salbei und Holzrauch wehte zu dem einsamen Mann herauf.

Es war ein Abend wie viele – und doch war Red Elks Herz schwer.

Im Zelt des Medizinmanns kämpfte sein Sohn mit dem Fieber.

Das Tipi stand ein wenig abseits am Rand des Lagers. Die Hitze im Inneren war erdrückend, das Hecheln des Jungen kaum hörbar hinter dem monotonen Singen des Medizinmanns. Seit Stunden tat der Alte, was er konnte, aber es würde womöglich nicht genug sein, um seinen Sohn zu heilen. Red Elk hatte seine Tochter an das gleiche Fieber verloren – im Frühjahr, als der Schnee noch die Flussufer bedeckte. Jetzt drohte es, auch seinen Sohn zu nehmen.

Red Elk hatte sich auf den Hügel oberhalb des Lagers zurückgezogen. Das trockene Gras raschelte unter den Sohlen seiner Mokassins, als er einen Schritt machte, sich hinkniete, seine Augen schloss und seine Ahnen um Beistand bat. Die Narben in seinem Gesicht schienen tiefer zu werden, während er murmelte.

»Wenn ihr mich prüfen wollt, gebt mir eine Antwort. Lasst mich tun, was getan werden muss.«

Der Wind ließ nach. Dann raschelte es im Gebüsch. Red Elk öffnete die Augen ... Und da war er. Ein weißer Fuchs. Sein Fell schimmerte im goldenen Abendlicht. Er stand einen Moment lang da und sah Red Elk direkt an, ohne sich zu rühren. Dann fuhr er herum und verschwand lautlos zwischen den Büschen.

Ein tiefer Friede überkam Red Elk. Er blieb noch eine Weile auf dem Hügel, obwohl der Fuchs längst verschwunden war, legte die Hand auf den Boden und spürte die Wärme der Erde, die feine Bewegung des Grases.

Hier oben hatte sein Vater mit ihm gesessen, an einem Abend wie diesem. Damals war er selbst noch ein Junge gewesen, zu jung, um Pfeil und Bogen zu führen, aber alt genug, um zu fragen: »Wem gehört das Land?« Und sein Vater hatte ihn ernst angesehen und gesagt: »Dem, der es hört, wenn es spricht.«

Sein Blick wanderte über das Tal. Er sah die schmalen Pfade der Wapitis ... die Dampfquellen, die in der Ferne zischten ... das weite Band des Flusses, das sich silbern durch die Landschaft schlängelte. Jeder Fels, jeder Baum war für ihn nicht nur Teil der Welt – er war Teil seiner Geschichte. Hier hatte seine Tochter getanzt, bevor das Fieber kam. Hier hatte seine Mutter ihn gesegnet. In diesen Wäldern hatten seine Ahnen ihre Spuren hinterlassen.

Red Elk atmete langsam aus und stand auf. Seine Beine zitterten leicht.

Als er ins Lager zurückkehrte, kam ihm seine junge Frau mit großen Augen entgegen.

»Er schläft ruhig«, flüsterte sie. »Das Fieber ist gebrochen.«

Red Elk nickte nur und legte ihr ohne ein Wort die Hand auf die Schulter. Dann strebte er dem Zelt von Kútsapi zu und zog den Eingang zur Seite.

Sein Sohn lag still auf den Fellen, die Stirn glänzend, aber ohne Glut.

Der Medizinmann hob den Blick. »Er ist noch bei uns«, sagte er mit einer Stimme, die rau und heiser klang, als würde sie durch dichten Rauch dringen. Der, der das Lied der Krähe sang, musste erschöpft sein nach den vergangenen Stunden.

Während seine Mutter an das Lager des Jungen sank, durchbrach ein Ruf das Lager.

Red Elk trat nach draußen, blickte sich um und sah einen Reiter auf einem Appaloosa zurückkehren. Er trug einen Bogen auf dem Rücken und glitt geschmeidig von seinem Pferd, kaum dass es stand. Es war Tuhawi, einer von Red Elks besten Kriegern – still, wachsam und stark wie die Berge selbst.

Tuhawi war mit einem Trupp auf der Jagd gewesen. Doch nun war er allein – und er trug keine Beute bei sich.

»Wo sind die anderen?«, fragte Red Elk ruhig, obwohl die Sorge in ihm wühlte.

»Sie kommen nach. Ich bin vorausgeritten.«

»Aber du hast nichts mitgebracht.«

»Kein Wild. Aber Worte.« Tuhawi senkte dankend das Kinn, als ihm eine der Frauen einen Becher reichte. Er trank einen Schluck Wasser, dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich habe sie reden gehört – unten im Tal. Weiße Männer. Viele von ihnen werden herkommen. Mit seltsamen Geräten. Schon in wenigen Monden.«

Red Elks Gesicht wurde hart. »Sie sind hier nicht willkommen.«

»Sie werden nicht fragen, ob sie kommen dürfen.«

»Wir werden bereit sein. Und wir werden sie besiegen.«

»Sie kommen nicht her, um zu kämpfen. Sie kommen, um zu messen, zu zeichnen und zu beobachten. Sie wollen keinen Kampf.«

»Vielleicht nicht. Sie werden nur der Anfang sein. Nach ihnen kommen die anderen. Die, die Feuer machen. Die Schienen legen. Die Bäume fällen und Büffel schießen. Sie werden das Land zerstören, wenn ihnen niemand Einhalt gebietet. Wir müssen sie aufhalten. Mit allem, was wir haben.«

»Wenn wir sie mit Gewalt empfangen, werden sie uns mit Gewalt antworten. Viel Blut wird vergossen werden«, gab Tuhawi zu bedenken. »Aber wenn wir ihnen zeigen, dass wir keine Feinde sind – vielleicht hören sie. Vielleicht sehen sie.«

Red Elk stieß ein bitteres Lachen aus. »Du glaubst an ihre Güte, aber ich habe gesehen, was dem weißen Mann folgt. Tod und Blutvergießen sind es. Keine Güte.«

»Vielleicht können wir sie lehren, wie wir auch von ihnen lernen könnten.«

»Was sollten sie uns beibringen, als zu nehmen und immer nur zu nehmen?« Red Elk ballte die Hände zu Fäusten und ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. »Dieses Land wurde in unsere Obhut gegeben. Wenn diese Männer kommen, werden wir sie nicht willkommen heißen. Wir werden dafür sorgen, dass sie nicht mehr heimkehren!«

Der Sitzungssaal des Smithsonian war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Selbst auf den Fensterbänken drängten sich Reporter und Zuschauer. Kein sonderlich sicheres Unterfangen, weil die Fenster offenstanden und es aus dem dritten Stockwerk des Institutes tief hinunterging. Viele Zuhörer mussten sich mit Stehplätzen begnügen. Ein leichter Wind wehte herein, brachte jedoch kaum Abkühlung. Die Luft war stickig und erfüllt vom freudigen Summen der Erwartung.

Von draußen mischte sich der lebhafte Trubel der Straßen von Washington in das Raunen der Unterhaltungen und das Rascheln von fadenscheinigen Anzügen und guten Hemden. Das Klappern von Kutschenrädern, die Rufe der Straßenhändler, die an jeder Ecke ihre Waren anboten, das Lärmen von den Baustellen, die in der großen Stadt wie Pilze aus dem Boden schossen.

Lilly Hansom saß in der dritten Reihe zwischen zwei bärtigen Herren der New York Tribune, den Hut tief ins Gesicht gezogen, den Notizblock auf dem Knie.

Sie hatte sich durch einen Seiteneingang hereingeschwindelt, ein Tablett in den Händen, das sie sich im Lokal an der Ecke geliehen ... nun ja ... gestohlen hatte. Doch sie hatte den festen Vorsatz, es nach der Veranstaltung zurückzugeben. Unter dem Vorwand, als Hilfe beim Verteilen von Erfrischungen für die gelehrten Herren engagiert worden zu sein, hatte sie Zutritt zu dem Institute erhalten.

Drinnen hatte sie ihren blonden Schopf festgesteckt und unter einer braunen Kappe verborgen. In dem braunen Mantel, der für dieses Wetter viel zu warm war, konnte sie auf den ersten Blick als junger Bursche durchgehen, wenn sie den Kopf unten hielt. Sie wollte und durfte keinesfalls auffallen, sonst würde man sie schneller vor die Tür setzen, als sie blinzeln konnte.

Als Frau hatte sie es nicht leicht, als Reporterin Fuß zu fassen. Die meisten Zeitungsherausgeber trauten ihr die Arbeit nicht zu, und die wenigen, die es taten, hielten es der Mühe nicht für wert, sie anzulernen, weil sie der Meinung war, Lilly würde in ein paar Jahren ohnehin eine Familie gründen und ihre Arbeit aufgeben. Dass sie das mitnichten vorhatte und sich stattdessen eine Karriere aufbauen wollte, nahm ihr niemand ab. Doch sie war zu klug, um ihre Ziele aus den Augen zu verlieren, und viel zu eigenwillig, um sich sagen zu lassen, wo sie hingehörte.

Also kratzte der Bleistift in ihrer Hand leise über das Papier, während sie aufmerksam zuhören und mitschrieb.

Expedition in den Westen – Yellowstone – Ferdinand Vandeveer Hayden – 40.000 Dollar!

Vorn am Podium stand Spencer Baird, Sprecher des Smithsonian und graue Eminenz der Wissenschaft. Eine Stimme wie Kreide, aber ein Verstand so scharf, dass Lilly nichts als Bewunderung empfinden konnte. In seinen Händen hielt er ein beschriftetes Papier, das raschelte, als er es glättete.

»Im Auftrag des Innenministeriums«, führte er aus, »und mit den Mitteln, die der Kongress am 20. März unter dem Sundry Civil Appropriations Act freigegeben hat, werden in diesem Jahr vierzigtausend Dollar bereitgestellt – für eine Expedition an den Yellowstone unter der Leitung meines geschätzten Kollegen Ferdinand Vandeveer Hayden. Eine Summe, die, wie Sie mir gewiss alle zustimmen werden, das wissenschaftliche Gewicht dieses Unternehmens unterstreicht.«

Lilly hob den Blick.

Neben Baird, leicht zurückgelehnt, saß Ferdinand Hayden – der Mann der Stunde. Schlank, mit durchdringendem Blick, dem auf Fotos immer ein Hauch Überheblichkeit anhing. Doch heute wirkte er angespannt. Die Finger seiner rechten Hand trommelten gegen das Knie. Sein Haar war ordentlich gescheitelt, der Kragen zu hoch für das warme Wetter.

Er teilte sich das Podium mit Vertretern des Innenministeriums und Wissenschaftlern – Männer mit Schnurrbärten, gewichtigen Mienen und Kartenrollen.

Baird fuhr fort.

»Die Bedingungen für Professor Haydens Feldarbeit sind klar. Er soll das Gebiet des Yellowstone erfassen: geologisch, botanisch und zoologisch. Wir haben bislang nur äußerst bruchstückhafte – um nicht zu sagen, fehlerhafte – Vorstellungen von dieser Gegend. Mr. Hayden wird Informationen sammeln über die natürlichen Ressourcen und Routen für eine Eisenbahnlinie. Eine Karte soll entstehen, die das Land vollständig erschließt. Für die Wissenschaft – und für unsere ganze Nation.«

Ein leises Raunen ging durch den Saal.

Nun wandte sich Baird an seinen Kollegen direkt.

»Mit Wirkung zum 1. Juni 1871 werden Sie, Mr. Hayden, zum US-Geologen ernannt und erhalten ein Jahresgehalt von viertausend Dollar. Sie dürfen Ihre Assistenten selbst auswählen, die Ihren Weisungen vollständig unterstellt sein werden. Es wird erwartet, dass Sie alle öffentlichen Mittel mit Bedacht und Sorgfalt ausgeben.«

Ferdinand Hayden zupfte an seinem Bart und nickte dann bedächtig.

»Sie werden alle gesammelten Informationen bis zum 1. Januar 1872 an die Smithsonian Institution weiterleiten, damit diese gemäß den gesetzlichen Bestimmungen geordnet werden können ...«

Lillys Stift kratzte weiter. Zwischendurch huschte ihr Blick über das Publikum – Senatoren, Journalisten ... Dann wieder zurück zu Hayden. Er hatte noch nicht gesprochen, aber etwas in seiner Haltung verriet ihr: Dieser Mann wusste genau, was auf dem Spiel stand. Nicht nur Land und Ehre. Sondern auch ein Stück Zukunft.

Ein Lächeln umspielte Lillys Mund. Sie würde diese Geschichte nicht nur schreiben. Sie würde sie aufdecken.

Und niemand würde sie daran hindern ...

»... Sie müssen gehen!« Eine schwere Hand legte sich auf ihre Schulter. Als Lilly aufsah, beugte sich ein graubärtiger Oldtimer zu ihr, seine Augen zu Schlitzen verengt und die langen dünnen Finger wie Krallen in ihren Mantel gegraben. »Auf der Stelle.«

Lilly verbiss einen leisen Fluch.

Einer der Türsteher des Smithonian.

»Hier sind keine Ladys erlaubt«, zischte er.

In der vorderen Reihe drehten sich die ersten Köpfe zu ihnen um.

Lilly hob selbstbewusst das Kinn. »Ich bin keine Lady, sondern Reporterin!«

Der Graubart erbleichte. Hätte sie ihm anvertraut, ihr Name wäre Pandora und sie hätte eine Büchse bei sich, die sie jeden Moment aufreißen würde, die Wirkung wäre vermutlich kaum anders ausgefallen. Er sah so entsetzt aus, dass sie versucht gewesen wäre, ihm ihr Fläschchen mit Riechsalz anzubieten, hätte sie denn eines besessen. Da sie in ihrem ganzen Leben noch nie in Ohnmacht gefallen war, hatte sich die Notwendigkeit eines solchen bisher noch nicht ergeben.

»Ich recherchiere für einen Artikel«, fügte sie hinzu.

Doch es war sinnlos.

»Gehen Sie, Lady, bevor wir nachhelfen müssen.« Er blickte bezeichnend zu zwei stämmigen Männern, die fast aus ihren Anzügen platzten und vor lauter Kraft kaum laufen konnten. Sie näherten sich Lilly von links und rechts.

Lilly war niemand, der leicht aufgab, aber in diesem Fall würde sie nicht viel ausrichten können. Außerdem hatte sie bereits, weswegen sie gekommen war: die nötigen Informationen für einen Artikel.

Also stand sie auf, straffte sich, warf dem Graubart samt seinen beiden Handlangern kühle Blicke zu, bevor sie ihr Notizbuch an sich drückte – auf das sie zwei ganze Monate gespart hatte – und mit wehenden Röcken aus dem Sitzungssaal stürmte. Sie strebte die Treppe hinunter und aus dem Institute, quer über die Straße hinüber zum Büro der Washington Gazette.

Drinnen empfingen sie das Rattern der Druckerpresse und der Geruch von Druckerschwärze und Kaffee.

Der Herausgeber – Jeremiah Hucklesmith – war ein kleiner, stämmiger Mann Ende vierzig, den man selten ohne Ärmelschützer und noch seltener ohne seine kleine runde Drahtgestellbrille antraf.

»Ich hab es, Mr. Hucklesmith!« Lilly schwenkte ihr Notizbuch. »Ich hab Neuigkeiten aus dem Smithonian. Es wird eine Expedition geben. An den Yellowstone.«

»Schön. Schön«, murmelte er zerstreut und blinzelte sie hinter seiner Brille an. »Und Sie sind ...?«

»Lilly Hansom. Ich habe Ihnen ein paar meiner Texte geschickt. Ich möchte für Sie schreiben, Sir.«

»Hansom ... Hansom ... Ach, richtig. Ich erinnere mich. Das waren wirklich ansprechende Texte für eine junge Dame, ich muss schon sagen.« Er schob seine Brille mit einem Finger höher auf die Nase. »Nun, leider muss ich Sie enttäuschen. Ich habe gerade keine Stelle vakant.«

»Dann schreibe ich erst einmal auf freier Basis für Sie, bis etwas frei wird.«

»Ich fürchte, das ist unmöglich.«

»Aber ich kann schreiben, Sir, und ich möchte berichten, was in der Welt geschieht. Bitte, geben Sie mir eine Chance.«

»Nun ...« Er stockte und sah sie nachdenklich an. »Hartnäckig sind Sie, meine Liebe, das muss man Ihnen lassen. Das gefällt mir. Die jungen Leute haben oft so wenig Biss, werfen gleich die Flinte ins Korn. Sie nicht, Miss, das spricht für Sie. Also: Worüber wollen Sie denn schreiben?«

»Über die Expedition von Ferdinand Hayden an den Yellowstone!«

Hucklesmith fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Also das ... das geht nun wirklich zu weit. Was haben Sie denn vor? Wollen Sie etwa mitreisen? Mein liebes Kind, das ist nichts für eine Lady. Warum schreiben Sie nicht einen reizenden kleinen Artikel über die Damen unserer örtlichen Kirchengruppe?«

»Weil ich nicht reizend oder klein bin. Ich will über Themen mit Biss berichten. Alles, was ich brauche, ist eine Chance, die Expedition als Reporterin zu begleiten.«

»Absolut unmöglich!« Ihr Gegenüber schnappte nach Luft und lief dunkelrot an, als würde er jeden Moment einen Herzanfall erleiden. »Eine junge Frau unter so lauter Männern ...«

»Die viel zu viel zu tun haben werden, um mich auch nur zu bemerken, Mr. Hucklesmith.«

»Mit Verlaub, aber es ist vollkommen unmöglich, Miss, Sie nicht zu bemerken.« Sein Blick streifte sie flüchtig, bevor sein Gesicht noch dunkler wurde und er rasch auf seine Hände starrte, die nun gefaltet vor ihm auf der Schreibtischplatte lagen. »Ich kann Sie nicht mit diesem Auftrag betrauen«, murmelte er. »Ausgeschlossen.«

Lilly blies die Wangen auf und ließ frustriert die Luft entweichen.

Wie es aussah, würde sie die Expedition kaum offiziell als Reporterin begleiten dürfen. Sie musste sich also etwas anderes einfallen lassen. Und das würde sie auch. Schließlich blieben ihr noch ein paar Monate Zeit, bis Ferdinand Hayden sein Team zusammengestellt und alles an Ausrüstung beisammen hatte.

Bis dahin musste sich doch ein Weg finden, um sie unter die Teilnehmer seiner Expedition zu schmuggeln, oder etwa nicht?

Der Saloon wirkte von außen wie viele andere – Fenster, blind vor Schmutz, enthusiastisches Klimpern auf einem Piano, und die verblichenen Bretterwände wurden von dem einen oder anderen Einschussloch geziert.

Im Inneren jedoch war das Lokal blitzsauber, wenn man von Erdnussschalen auf dem Bretterboden absah, die bei jedem Schritt leise knirschten. Lassiter ließ den Blick schweifen und sah ein Dutzend runder Tische, die allesamt besetzt waren. Der Geruch von Whisky und Rauch waberte ihm entgegen.