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Die Schienenwölfe sind nicht zu schnappen! Die Zeitungen überschlagen sich mit Neuigkeiten zum neuesten Coup der Zugräuber. Wieder einmal hat die Bande einen Zug der North Western Railway überfallen und reiche Beute gemacht. Sie nennen sich selbst die Schienenwölfe, treiben seit Jahren ihr Unwesen und schlagen schnell und erbarmungslos zu. Wer sich widersetzt, ist so gut wie tot. Washington ist in Aufruhr. Bisher konnte noch kein Sternträger den Banditen das Handwerk legen. Stattdessen füllen sich die Stiefelhügel mit getöteten Gesetzeshütern. So darf das auf keinen Fall weitergehen. Die Brigade Sieben setzt ihren besten Mann in Marsch, um dem Treiben ein Ende zu setzen. Lassiter hat einen Plan, um die Bande aufzuspüren. Doch dann stellt ein Zugunglück alles auf den Kopf - und plötzlich wird aus dem Jäger ein Gejagter!
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Callie und die Schienenwölfe
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
von Katja Martens
»Wo ist diese verdammte Hure?« Etwas krachte mit Wucht gegen die Tür, ließ das Holz ächzen und die Staub von der Decke rieseln. »Ich bring sie um! Das schwöre ich. Ich bring sie um!«
Wieder ein Krachen. Diesmal gefolgt von einem unheilvollen Knirschen. Dann brach die Tür auf und schlug mit einem ohrenbetäubenden Krachen gegen die Wand. Ein rotgesichtiger Kerl mit Stiernacken und Fäusten wie Vorschlaghämmern stürmte herein und schaute sich mit wilden Blicken um, während er brüllte: »Callie!«
»T-t-tun Sie mir nichts, Mister!« Der Cowboy in Callies Bett riss die Hände hoch, die eben noch mit den sinnlichen Kurven der rothaarigen Frau beschäftigt gewesen waren. »Ich hab nichts mit der Sache zu tun.«
Callie richtete sich auf und schwang die langen Beine aus dem Bett, um dem Störenfried entgegenzutreten. Sie trug nichts als ihren Strumpfgürtel und ein Paar hauchdünne Strümpfe, aber das scherte sie gerade kein bisschen. Sie zog einen Schmollmund. »Was soll das Gebrüll, Beaver? Siehst du nicht, dass ich arbeite?«
»Es ist mir scheißegal, ob du arbeitest oder ob du gerade dem Papst persönlich einen bläst. Ich bin hier, um mir ein paar Antworten zu holen – und die werde ich auch bekommen!«
»Dann schieß los. Was ist denn so dringend, dass es nicht noch eine halbe Stunde warten kann?«
»Deine verdammte Mixtur!« Er riss den Arm nach oben und schwenkte eine braune Flasche, die noch zur Hälfte gefüllt war. Sie war unverschlossen, und so schwappten ein paar Tropfen der blauen Tinktur auf den Bettpfosten.
»Ist das die Mischung, die ich dir verkauft habe?«
»Ist es. Du hast mir versichert, dass mein Schwanz danach hart wie Stahl wäre und stundenlang durchhalten würde ... aber da rührt sich nichts. Gar nichts mehr!« Spucke sprühte, als der Hüne auf Callie zustampfte und ihr anklagend die Flasche hinhielt. »Was hast du mit mir gemacht?«
Callie musterte die Flasche, die am vergangenen Tag noch voll gewesen war. »Wie viel hast du davon getrunken?«
Beaver zuckte die Achseln. »Was spielt das für eine Rolle?«
»Einen Schluck solltest du nehmen. Auf keinen Fall mehr. Weißt du noch?«
»Und wenn schon. Beth ist eine anspruchsvolle Lady. Eine wie sie gibt sich nicht mit 'ner kurzen Nummer zufrieden. Ich hab mir gedacht, viel hilft viel.«
»Also hast du die halbe Flasche in dich reingekippt?«
»Schon möglich.« Die Wut des Besuchers schien zu verpuffen, denn nun scharrte er mit der Stiefelspitze auf dem Bretterboden. Doch das währte nicht lange, dann funkelte er Callie wieder gereizt an und knurrte: »Mach das wieder rückgängig.«
»Das kann ich nicht.«
»Was? Was soll das bedeuten?«
»Dass ein Schluck von dem blauen Trank einen Mann eine Nacht lang hart machen kann, aber zu viel davon, kehrt die Wirkung ins Gegenteil um.«
»Soll das etwa heißen ...?«
»Dass dein kleiner Freund in den Winterschlaf gefallen ist.« Callie verschränkte die Arme unter ihren nackten Brüsten. »Dagegen kann ich nichts machen.«
»Winterschlaf«, röchelte Beaver und lief dunkelrot an. Er sah aus, als hätte er einen fettigen Fleischklumpen in die falsche Kehle bekommen. »Und wie lange hält das an?«
»Das lässt sich schwer einschätzen.«
»Nun sag schon!«
»Eine Woche. Vielleicht auch einen Monat. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Einen Monat?« Seine Augen traten aus den Höhlen. Dann stieß er ein wütendes Röhren aus. »Das ist deine Schuld, du Hexe. Du hast mir das angetan!«
»Das ist nicht ...« Weiter kam sie nicht, weil die Pranken des Mannes plötzlich vorschnellten, sie bei der Kehle packten und zudrückten. Heiliger Rauch! Der Kerl meinte es wirklich ernst! Seine Finger gruben sich schmerzhaft in ihr Fleisch und schnürten ihr die Luft ab.
Und der Cowboy?
Saß da wie versteinert, die Hände in die Luft gereckt und den Mund offen, sodass ein Speichelfaden über sein Kinn rann. Von ihm war wohl keine Unterstützung zu erwarten. Also griff Callie zu Plan B ... und tastete zu dem Hocker, auf dem der Bettwärmer stand. Er war aus Eisen und konnte mit glühenden Kohlen gefüllt werden, um sie warmzuhalten. Sie schnappte sich das Ding, schwang es hoch und ließ es dann auf den Schädel ihres Angreifers niedersausen.
Es gab ein dumpfes Geräusch.
Beaver begann zu schielen und taumelte einen Schritt rückwärts. Sein Griff um ihren Hals löste sich. Callie schlug seine Hände weg und zog tief den Atem ein, während der Hüne noch einen Schritt rückwärts taumelte und sich brüllend den Hinterkopf rieb.
Callie stellte ein Bettwärmer zur Seite. Dann stieß sie Beaver vor die Brust, dass er aus dem Zimmer taumelte. »Lass dir von Miss Hattie einen Kaffee geben«, empfahl sie ihm. »Oder noch besser etwas Stärkeres.«
Damit warf sie ihre Tür schwungvoll zu.
Sie hoffte, Beaver würde sich zurückhalten, nun, wo er seinem Ärger Luft gemacht hatte. Es wäre schade, wenn er ihr das Geschäft vermiesen würde. Die blaue Tinktur bescherte ihr einen netten Zusatzverdienst, auch wenn Miss Hattie ihr die Hälfte davon abknöpfte, dafür, dass sie das Mittel unter ihrem Dach verkaufte.
Callie war auf einer Farm aufgewachsen. Ihre Großmutter war eine Shoshone gewesen und hatte ihr Wissen über Kräuter an Callie weitergegeben. Die meisten ihrer Tränke und Tinkturen waren dazu gedacht, körperliche Leiden zu lindern. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die blaue Tinktur sich am besten verkaufen würde? Das Zeug wirkte. Man durfte es damit bloß nicht übertreiben.
Callie rieb sich den Hals, der immer noch von Beavers Pranken brannte.
Als sie zum Bett zurückging, fiel ihr Blick auf eine Ausgabe des Little Oaks Chronicle. Die Zeitung musste Beaver aus der Tasche gefallen sein, als er auf Callie losgegangen war. Nun hob sie sie auf und warf einen Blick auf die Titelseite. Sofort brannte sich die Schlagzeile in ihre Netzhaut ein:
Die Schienenwölfe haben wieder zugeschlagen!
Callie knirschte mit den Zähnen.
Diese elenden Bastarde ...
»Hey, Callie ...« Der Cowboy war wieder munter geworden. Inzwischen hatte er die Hände heruntergenommen und die Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt. »Komm doch wieder ins Bett. Mir ist nach einer zweiten Runde.«
Callie schüttelte den Kopf. »Deine Zeit ist um, Dan.«
»Komm schon, Callie. Ich leg auch noch was drauf.«
»Ein anderes Mal, okay?«
»Du siehst wütend aus.«
»Das bin ich auch.«
»Gut.« Ein breites Grinsen schlich sich auf sein bärtiges Gesicht. »Du weißt, ich mag es, wenn du ein bisschen ... fester zupackst.« Er zwinkerte ihr zu.
Callie schnaubte leise, aber dann zuckte sie mit den Achseln. Warum eigentlich nicht? Dan war ein treuer Kunde des Heaven & Hell und fragte jedes Mal nach ihr, wenn er nach einem Viehtrieb in die Stadt kam.
Also schnappte sie sich seinen Pint, schloss ihre warmen Finger fest um ihn und zog ihn daran zurück zum Bett.
Ihre Rache würde sie sich später holen.
Wenn die Zeit dafür reif war ...
✰
»Hazelton!« Die Stimme des Kutschers riss auch den letzten Fahrgast im Inneren der Postkutsche aus seinem Schlummer. Der Mann hatte ein Organ, das vermutlich weit über die Bighorn Mountains hinaus zu hören war. Trotzdem wiederholte er: »Hazelton! Wir erreichen Hazelton!«
Lassiter war so bereit zum Aussteigen, wie man nur sein konnte. Nach der stundenlangen Fahrt in der beengten Kutsche – ganz zu schweigen von dem Gerüttel und Gerumpel – sehnte er sich danach, seine Glieder zu strecken und wieder freien Himmel über sich zu haben. Seine Reisegefährten schienen ebenso begierig darauf zu sein, das Gefährt zu verlassen, wie er, denn kaum dass die Kutsche stand, begann ein wildes Wühlen nach Gepäckstücken und Drängen durch die Tür nach draußen.
Lassiter wartete, bis auch die letzte Lady ausgestiegen war, dann verließ er selbst die Postkutsche und schüttelte seine langen Glieder aus. Derweil ließ er den Blick die Mainstreet hinauf und hinunter schweifen.
Hazelton war genauso, wie er es sich vorgestellt hatte: eine verträumte kleine Stadt, umgeben von Hügeln und grünen Wiesen. In der Ferne ließen sich schroffe Bergspitzen erkennen, halb verborgen hinter tief hängenden Wolken.
Lassiter ließ sich sein Bündel vom Dach der Kutsche reichen. Viel trug er nicht bei sich. Er reiste gern mit leichtem Gepäck, das ihm nicht hinderlich war, wenn er schnell vorankommen wollte.
Auf der Mainstreet waren etliche Passanten unterwegs. Frachtkutschen und Reiter bevölkerten die Straße, wirbelten Staub auf und füllten die Luft mit dem Stampfen von Tieren und Kutschenrädern. Einige seiner Mitreisenden strebten dem nächsten Saloon zu, aus dem Pianoklimpern und laute Stimmen drangen. Andere nahmen ihr Gepäck – Bündel, Koffer und Körbe mit lebhaft gackernden Hühnern – und verschwanden in einer der zahlreichen Seitengassen.
Lassiter machte einen Jungen an der Straßenecke aus, der Zeitungen schwenkte und lautstark anpries.
»Hazelton Kurier! Kaufen Sie den Hazelton Kurier! Lesen Sie alles über die neuste Bluttat der Schienenwölfe!«
Die letzten Worte ließen Lassiter aufmerken. Er stapfte zu dem Jungen hinüber, gab ihm eine Münze und nahm dafür eine der Zeitungen entgegen. Auf der Titelseite prangte ihm in fetten Lettern entgegen: Die Schienenwölfe sind nicht zu schnappen!
Lassiter knirschte mit den Zähnen.
Die Banditen trugen ihren Namen, weil sie lautlos und im Rudel angriffen und verschwanden, bevor jemand sich ihrer erwehren konnte. Seit Jahren machten sie den Westen unsicher, überfielen Eisenbahnen und raubten Fahrgäste aus. Sie zogen eine Spur von Blut hinter sich her.
Und noch niemand hatte sie bislang schnappen können.
Sie waren den Maschen des Gesetzes immer wieder entschlüpft. Lassiter wusste, dass die Belohnung, die auf die Kerle ausgesetzt war, inzwischen hoch genug war, um einem Mann ein gutes Auskommen bis an sein Lebensende zu sicher.
Doch nicht einmal das schien zum Erfolg zu führen.
Die Schienenwölfe plünderten die Züge aus und waren weg, bevor die Sternträger auch nur in ihre Nähe kamen.
Doch bevor Lassiter sich in den Artikel vertiefen und herausfinden konnte, welchen Coup sich die Bande diesmal geleistet hatten, spürte er plötzlich eine sanfte Berührung an seinem Arm. Als er aufblickte, stand eine bildhübsche junge Frau mit blonden Locken vor ihm. Ihr dunkelblaues Kleid war hochgeschlossen, schmiegte sich jedoch eng genug an ihre Kurven, um ihm sekundenlang den Atem zu verschlagen.
»Lassiter?«, fragte sie ihn.
»Der bin ich«, bestätigte er ihr.
»Ich bin Ophelia Erhardt. Mein Vater hat mich gebeten, Sie von der Kutsche abzuholen. Er wäre selbst gekommen, aber ihm ist ein verzweifelter Mandant dazwischengekommen, der seine Hilfe braucht.«
»Dann freue ich mich, dass Sie bereit waren, für ihn einzuspringen.«
»Oh, ich ...« Eine reizende Röte schlich sich in ihre Wangen. »Ich helfe meinem Vater in der Kanzlei. Seine Arthritis macht ihm das Schreiben schwer, deshalb übernehme ich das für ihn.«
»Er kann sich glücklich schätzen, eine so tüchtige Frau an seiner Seite zu haben.«
Seine Worte vertieften die Röte in ihren Wangen. »Sie sind sehr freundlich, Lassiter. Wollen wir uns dann auf den Weg machen?« Sie wartete sein Nicken ab, bevor sie ihre Röcke raffte, herumwirbelte und ihn die Mainstreet hinauf zu einem eingeschossigen Gebäude führte. Über der Eingangstür stand geschrieben:
Martin Erhardt, Rechtsanwalt.
Er war einer der Kontaktmänner der Brigade Sieben – einer geheimen Organisation, die ihre Agenten überall dorthin schickte, wo sich die örtlichen Sternträger die Zähne ausbissen. Lassiter hatte ein Telegramm erhalten, das ihn nach Hazelton zu dem Anwalt bestellte. Er ritt seit vielen Jahren für die Brigade Sieben. Seine Aufträge waren geheim und kamen direkt aus Washington.
Ophelia löste die Bänder ihrer Haube, als sie das Haus betraten.
»Das Arbeitszimmer meines Vaters ist da drüben«, sagte sie und deutete zu einer Tür, die zur Hälfte mit Milchglas verkleidet war. Dahinter drangen Stimmen hervor. »Wie es scheint, ist sein Mandant noch da. Dürfte ich Sie bitten, kurz zu warten?«
»Natürlich.«
»Bitte, nehmen Sie doch Platz.« Sie deutete auf zwei Stühle, die neben einem Garderobenständer standen. »Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen? Oder lieber Tee? Ich kann Ihnen auch etwas zu essen machen.«
»Später vielleicht«, erwiderte er.
»Wie Sie möchten. Rufen Sie mich einfach, wenn Sie etwas brauchen, ja?« Sie schenkte ihm ein Lächeln unter halb gesenkten Lidern, das ihm messerscharf unter die Haut ging. Dann verschwand sie hinter einer Tür zu seiner Linken und ließ ihn allein.
Lassiter ließ sich nieder, streckte die langen Beine aus und faltete seine Zeitung auf. Dabei stieß er auf einen Artikel, der seinen Blick auf sich zog.
Schwere Ungezieferplage in Boise
Boise. Die Stadt sieht sich dieser Tage mit einer Plage von Ungeziefer konfrontiert, wie sie in diesem Ausmaß seit Jahren nicht mehr erlebt wurde. Ganze Scharen von Kornkäfern haben Getreidespeicher, Wohnhäuser und Stallungen befallen. In mehreren Lagerhäusern entlang des Flussufers wurden Säcke mit Weizen und Mais völlig vernichtet. Die Tiere befallen Vorratsschränke und plündern Speisekammern.
›Die Schwärme bedecken den Boden wie ein riesiger, lebender Teppich‹, klagt Stadtrat John D. Briggs. ›Wenn wir nicht handeln, werden wir den kommenden Winter mit leeren Speichern und knurrendem Magen verbringen ...‹
Weiter kam Lassiter nicht mit dem Lesen, weil die Tür zum Büro des Anwalts klappte und ein hagerer Mann herauskam. Er trug den rechten Arm in einer Schlinge und humpelte sichtlich.
Hinter ihm tauchte ein graubärtiger Mann in einem dunklen Anzug auf. Er hatte wache braune Augen und trug eine schmale halbrunde Brille mit Goldrahmen.
»Lassiter?« Er deutete einladend mit der Hand in sein Büro. »Bitte, kommen Sie doch herein. Ich bin Martin Erhardt. Haben Sie vielen Dank für Ihre Geduld.«
»Ihre Tochter hat mir erklärt, dass Sie gerade dringend gebraucht werden.«
»Ja, das stimmt. Ein Zwischenfall, wie sie leider immer wieder passieren. Aber das ist nicht der Grund, weshalb Sie zu mir geschickt wurden. Bitte ...« Einladend deutete der Anwalt auf der ledernen Sessel vor seinem Schreibtisch, bevor er selbst Platz nahm. »Rauchen Sie?« Er reichte Lassiter ein Kästchen mit Zigaretten.
Der große Mann lehnte ab.
Sein Gegenüber nickte kaum merklich, stellte das Kästchen ab und legte dann die Fingerspitzen aneinander. »Die Brigade Sieben hat einen neuen Auftrag für Sie, Lassiter. Sagen Sie: Haben Sie schon von den Schienenwölfen gehört?«
»Das habe ich in der Tat. Die Zeitungen sind voll mit ihren Überfällen.«
»Wohl wahr. Wohl wahr.« Der Anwalt seufzte vernehmlich. »Leider waren sie in jüngster Zeit wieder aktiv. Sie haben einen Zug der Union Pacific Railroad überfallen und reiche Beute gemacht.« Mr. Erhardt nannte ihm eine Summe, bei der Lassiter leise zwischen den Zähnen hindurch pfiff. »Diese Bande ist gnadenlos. Sie schlagen schnell und erbarmungslos zu. Wer sich widersetzt, ist so gut wie tot. Und diesmal gab es leider mehrere Opfer. Unter ihnen ist Senator Colden.«
Colden. Lassiter presste die Zähne so fest aufeinander, dass es in seinen Ohren knirschte. Colden war tot? Das waren keine guten Nachrichten.
Der Senator galt als Mann des Friedens. Ihm waren zahlreiche wichtige Verträge zu verdanken, die den Frieden im Territorium Wyoming sicherten. Und er setzte sein privates Vermögen für die medizinische Forschung ein. Er war besonnen und absolut unbestechlich. Und nun war er tot.
Das war ein herber Verlust.
Lassiter brauchte einen Moment, um diese Neuigkeit zu verdauen.
»Die Zeitung hat darüber nicht berichtet«, stellte er rau fest.
»Ja, das wird noch geheim gehalten. In Washington jedoch ist man informiert – und überaus besorgt. Der Senator war gerade mit wichtigen Verhandlungen mit Häuptling Washakie beschäftigt. Der Frieden im Territorium steht auf tönernen Füßen. Die Shoshone trauen uns kein Stück, und nun sind sie überzeugt, dass wir einander nicht einmal gegenseitig vertrauen können. Der Tod des Senators könnte der Funken sein, den es braucht, um einen Krieg zu entfesseln. «
»Was soll ich dagegen tun?«
»Spüren Sie die Banditen auf, die den Zug überfallen und den Senator erschossen haben. Wenn wir demonstrieren, dass sie ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, sollte das unsere Glaubwürdigkeit wieder herstellen und die Verhandlungen retten.«
Lassiter schwieg. Scharen von Sternträgern waren seit über zehn Jahren hinter der Bande her – und nun sollte er die Kerle möglichst gestern fangen? Wie stellten sich diese Sesselfurzer in Washington das vor? Glaubten sie, dass er zaubern konnte?
»Gibt es Zeugen, die den Überfall miterlebt und überlebt haben?«
»Eine Handvoll.« Der Anwalt nickte. »Leider haben die nichts beobachtet, das helfen könnte, die Banditen zu schnappen. Die Typen hatten ihre Gesichter mit Tüchern maskiert. Keine Namen. Keine Details. Nichts, das sie verraten könnte. Zudem hatten die Leute im Zug Todesangst. Die Erinnerungen der meisten ist ziemlich verschwommen.«
»Und sonst? Was ist mit den Leibwächtern des Senators? Haben die nichts beobachtet?«
»Oh, das haben sie sicher, aber sie wurden erschossen, als sie versuchten, ihn zu beschützen.«
Lassiter zerbiss einen leisen Fluch zwischen den Lippen. »Also keine Zeugen?«
»Keine brauchbaren, fürchte ich. Nein.« Martin Erhardt sah ihn ernst an. »Ich muss Ihnen nicht sagen, was für ein Verlust der Senator ist. Diese Bande muss unbedingt aufgehalten werden, bevor noch mehr Blut fließt. Machen Sie ihrem Treiben ein Ende, Lassiter. Wie Sie das anstellen, bleibt Ihnen überlassen.«
Lassiter nickte schweigend.
Er würde einen Plan brauchen, um die Banditen zu erwischen.
Einen verdammt guten noch dazu ...
✰
Das ist alles andere als ein guter Plan.
Lassiter beschlichen allmählich Zweifel am Erfolg seines Unterfangens.
