Lassiter 2319 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2319 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Flüchtig nur trafen sich die Blicke der beiden Männer, doch Colin Burke spürte sofort, dass es Ärger geben würde.

"Setz dich auf den Bock und rühr dich nicht!", zischte der Farmer seiner Verlobten zu. "Die Kerle sind auf Streit aus. Aber ich werde ihnen keinen Grund dazu geben." Er ging einige Schritte und stellte sich vor die Ladefläche seines Pritschenwagens.

"Verdammt hübscher Skalp, den dein Flittchen da trägt!" Die Stimme gehörte Hugh Eaton, und er starrte Burke immer noch angriffslustig an. "Ich könnte ihn mir nehmen, ohne dass auch nur einer der braven Bürger von Dayton einen Finger krümmen würde."

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Inhalt

Cover

Impressum

Sie kannte kein Gesetz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: TXUS/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4209-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Sie kannte kein Gesetz

Flüchtig nur trafen sich die Blicke der beiden Männer, doch Colin Burke spürte sofort, dass es Ärger geben würde.

»Setz dich auf den Bock und rühr dich nicht!«, zischte der Farmer seiner Verlobten zu. »Die Kerle sind auf Streit aus. Aber ich werde ihnen keinen Grund dazu geben.« Er ging einige Schritte und stellte sich vor die Ladefläche seines Pritschenwagens.

»Verdammt hübscher Skalp, den dein Flittchen da trägt!« Die Stimme gehörte Hugh Eaton, und er starrte Burke immer noch angriffslustig an. »Ich könnte ihn mir nehmen, ohne dass auch nur einer der braven Bürger von Dayton einen Finger krümmen würde.«

Colin Burke fühlte den Schweiß über seine Stirn perlen. Dieser Eaton war beileibe kein ungefährlicher Mann und zu jeder Schandtat bereit. Besonders in Begleitung seiner Männer, die keinen Deut besser waren als er. Fünf Halsabschneider hatte er um sich geschart, alles ehemalige Armeeangehörige, die in den Indianerkriegen ihren Dienst geleistet hatten. Welchen Rang Hugh Eaton bekleidet hatte, war Colin Burke nicht bekannt. Der Farmer wusste lediglich, dass er am Little Bighorn gekämpft hatte und schon allein aus diesem Grund ein gespaltenes Verhältnis zu den Ureinwohnern des Landes hatte. Milde ausgedrückt.

»Hat’s dir die Sprache verschlagen, Bauer?«, höhnte Eaton und legte seine Rechte auf den Knauf eines Messers, das er an der linken Hüfte trug.

Burke warf einen Blick über die Schulter auf seine Verlobte. Wachiwi, flüsterten seine Gedanken. Ich lasse nicht zu, dass sie dir etwas zuleide tun.

Sie war eine Sioux. Das perfekte Opfer für Eaton und seine Indianerschlächter. Bisher hatten sie nur ihrem Spott gefrönt, aber dieses Mal schienen sie ernst machen zu wollen.

»Ich bin einer von euch – und Wachiwi wird meine Frau werden!«, stieß der Farmer aus. »Es hat genug Gewalt gegeben! Wir wollen doch einfach nur friedlich unser Leben leben!«

Lachend drehte sich Hugh Eaton seinen Kumpanen zu. »Habt ihr das gehört, Leute? So spricht ein echter Freund der Rothäute. Ich hab ja nichts dagegen, wenn er das Weibsstück auf die Matratze zerrt, aber offenbar hat unser verliebter Gockel jeden Respekt und Anstand seinesgleichen gegenüber verloren! Findet ihr nicht auch, dass wir ihm wieder beibringen sollten, wohin er gehört?«

»Yeah!«, rief einer von Eatons Begleitern. »Wir prügeln den Blondschopf weich und nehmen uns danach seine Schlampe vor!«

»Es reicht!« Colin Burke hatte all seinen Mut zusammengenommen, seine Fäuste geballt und sich drohend vor Eaton aufgestellt. »Ihr zieht die Ehre meiner Verlobten nicht in den Schmutz!«

Erneut musste Hugh Eaton lachen, laut und anhaltend. »Was soll das werden, du Wicht? Hast du etwa vor, dich mit uns anzulegen?«

»Wenn es sein muss!« Dem Farmer pochte das Herz bis zum Hals. Handgreiflichkeiten waren ihm zuwider. Und in gewisser Weise fürchtete er sich auch vor ihnen. Doch wenn er an Wachiwi dachte, würde er alles riskieren, um sie zu schützen. »Bist du nur so mutig, weil du fünf Schläger mitgebracht hast, oder kannst du auch allein deinen Mann stehen?«

»Nun sieh sich einer unseren kleinen Helden an«, zog Eaton sein Gegenüber auf. »Fühlst dich stark wie Butch Cassidy und Sundance Kid zusammen, was? Bist ein eiskalter Typ. Einer, mit dem man keinen Streit anfangen sollte.« Vorsichtig kam Hugh Eaton näher, verzog in gespieltem Entsetzen sein Gesicht und hob abwehrend beide Hände in die Höhe.

»Lass es gut sein«, forderte Burke ihn auf. »Sucht euch jemand anders, den ihr …« Den Satz hatte der Farmer noch nicht zu Ende gesprochen, da krachte Eatons Faust gegen sein Kinn und schleuderte den Mann rücklings gegen die Ladefläche. Der ehemalige Soldat hatte nicht einmal ausgeholt, sondern seinen Hieb aus der Armbeuge heraus abgeschossen.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Hugh Eaton in falscher Fürsorge. »Hat doch hoffentlich nicht weh getan, oder?«

Mit einem wilden Schrei sprang Colin Burke hoch und stürzte sich auf seinen Gegner. Er feuerte einen rechten Haken ab, traf Eaton in die Leibesmitte und ging einen Lidschlag darauf unter einem Schwinger zu Boden, als hätte ein Maultier mit beiden Hinterläufen nach ihm getreten. Das Knacken seines Kiefers schoss ihm bis unter die Schädeldecke.

»Du musst deine ganze Kraft einsetzen, wenn du es mit einem Schweinehund wie mir aufnehmen willst.« Eaton drückte dem Farmer seinen Stiefel vor die Brust und presste ihn zu Boden. An seine Männer gewandt rief er: »Los, schnappt euch die Squaw und besorgt’s ihr richtig! Aber der Skalp von der Rothaut gehört mir!«

»Nein!« Colin Burke stemmte sich gegen Eaton, packte sein Bein und wollte ihn zu Fall bringen, doch sein Gegner hatte keine Mühe, sich aus dem Griff zu befreien und dem Farmer einen Tritt unters Kinn zu verpassen.

Die Schmerzen nahm er kaum wahr, die Hilferufe seiner Verlobten schon. In ohnmächtiger Wut, aber unfähig zu handeln, hörte er das Reißen von Stoff und den dumpfen Aufprall eines Körpers. Spitze Schreie hallten über die Straße und abstoßendes Gelächter, doch niemand schien sich für das Unrecht zu interessieren, das sich in diesen Momenten ereignete.

»Mit dir bin ich noch nicht fertig«, raunte Hugh Eaton dem am Boden liegenden Farmer zu und packte ihn am Kragen. Kraftvoll riss er Burke auf die Beine und drückte seinen Oberkörper am ausgestreckten Arm gegen die Säcke, die auf dem Pritschenwagen lagen. »Wir alle wollen doch nicht, dass du rückfällig wirst …« Plötzlich blitzte die Klinge eines Messers in seiner Linken. Sie zuckte in die Höhe und schob sich vor Burkes Gesicht. Langsam senkte sich die Schneide hinab auf seine Wange.

»Was willst du beweisen?«, keuchte der blonde Farmer und wagte nicht, sich zu bewegen. Sein Herz raste und drohte, seine Brust zu sprengen. Immer wieder hörte er die Schreie seiner Verlobten und das klatschende Geräusch der Schläge, die sie einsteckte. »Lasst Wachiwi in Frieden und macht mit mir, was ihr wollt.«

»Das tun wir sowieso, du Schwächling!« Er verstärkte den Druck der Messerklinge, bis diese in Burkes Haut schnitt und einen dünnen Blutfaden hinterließ. »Ich werde dir deine Visage so zurichten, dass jeder bis zu deinem Lebensende sieht, was mit Verrätern geschieht …« Schlagartig hielt er inne, als in seinem Rücken das helle Klacken eines Revolverhahns zu hören war. Die Rechte immer noch an Burkes Hals, drehte er seinen Oberkörper zur Seite und erkannte einen finster dreinblickenden Mann, der seinen Colt auf ihn gerichtet hatte.

»Die Show ist zu Ende, Freundchen«, knurrte der Fremde. »Das gilt auch für deine Kumpane.«

Eatons Pranke löste sich von Colin Burke, der röchelnd nach Luft schnappte. Auch seine fünf Begleiter hatten von der Indianerin abgelassen und trotteten verwegen heran. In einer Reihe bauten sie sich neben dem Wagen auf. Drohend schwebten ihre Hände wenige Zentimeter über ihren Holstern.

»Du kannst doch zählen, Amigo, oder?« Abschätzend musterte Hugh Eaton den Unbekannten und schenkte ihm ein schmieriges Grinsen. »Wir sind zu sechst. Du bist allein.«

»Das passt schon«, versetzte der große, breitschultrige Mann. »Eine Kugel für jeden von euch.«

Zwei der umstehenden Kerle waren offenbar der Meinung, es mit dem Fremden aufnehmen zu können. Blitzschnell zogen sie ihre Colts und wollten abdrücken, doch noch ehe sie die Stecher ihrer Waffen durchziehen konnten, heulten beide vor Schmerzen auf. Rauch kräuselte sich aus der Revolvermündung des Fremdlings. Er hatte aus der Hüfte geschossen, einem seiner Gegner die Pistole aus der Hand geprellt, dem anderen eine Kugel in den Unterarm verpasst. Außer Eaton zeigte sich keiner der Männer mehr kämpferisch, doch gerade der vermeintliche Anführer der Horde machte einen Schritt auf seinen Widersacher zu, steckte sein Messer zurück in die Scheide und gab sich gelassen.

»Du bist flink mit dem Colt, Bürschchen«, meinte er und breitete seine Arme aus, »aber einem Unbewaffneten wirst du doch sicher kein Loch in die Brust jagen …«

»Nein, sicher nicht …« Noch ehe die Worte verklungen waren, stürzte der Angesprochene vor, holte mit seiner Rechten weit aus und ließ sie auf Eaton niederkrachen. Der Schlag gegen seinen Schädel riss den Mann von den Beinen. Dumpf knallte er auf die Straße, wollte sich zur Seite rollen und wieder aufspringen, doch da schmetterte bereits der nächste Fausthieb gegen sein Kinn. In seiner Verzweiflung zog er sein Messer, musste es aber sofort schreiend wieder loslassen, als sein Arm knackend im Gelenk verdreht wurde. Das Knie des Fremden sah er auf sich zu rasen, konnte aber nicht mehr ausweichen und bekam die volle Härte des Schlags zu spüren.

Colin Burke konnte sein Glück kaum fassen, rannte hinüber zu Wachiwi und nahm sie in die Arme. Zitternd lehnte sich die Frau an ihn und bedeckte mit dem linken Arm die Blöße ihres Oberkörpers. Die weiße Bluse hing in Fetzen an ihr herab. Einige Hautstellen waren deutlich gerötet, an anderen würden sich in den nächsten Tagen blaue Flecken zeigen. Aber allem Anschein nach hatte die Sioux keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen, und nur das zählte.

»Wir haben uns nicht zum letzten Mal getroffen, Mister!«, hörte der Farmer Hugh Eaton hervorpressen. »Pass gut auf dich auf, denn du wirst nicht wissen, hinter welcher Ecke der Tod lauert!« Schlurfend trotteten er und seine Kumpane davon.

»He, Mister!«, rief Burke, zog seine Verlobte mit sich und umrundete den Wagen. »Danke für Ihre Hilfe! Ich weiß nicht, wie es ohne Ihr Eingreifen ausgegangen wäre.« Im selben Atemzug nannte er seinen Namen und den seiner indianischen Freundin.

»Lassiter«, stellte sich der große Mann vor. »Sie hatten Glück, dass ich gerade in der Nähe war. Hatten Sie mit den Kerlen schon öfter Ärger?«

»Ein paar Mal«, gab Colin Burke zu, »aber Eaton hat nie ernst gemacht und sich nur mit Demütigungen begnügt.«

»Es gibt immer noch eine Menge von Menschen, die andere nach ihrer Hautfarbe beurteilen«, erklärte Lassiter. »Mit gutem Zureden kommen Sie bei denen nicht weiter.«

Bedrückt nickte Burke, zeigte sich aber gleich darauf wieder frohgemut. »Wachiwi und ich werden bald heiraten. Sie sind herzlich zur Hochzeit eingeladen.«

Lassiter lächelte schmal. »Ich bleibe noch eine Weile in der Stadt, kann aber nichts versprechen. Viel Glück Ihnen beiden.« Kurz tippte er zum Abschied an seinen Stetson und ging die Mainstreet hinab.

Burke und Wachiwi sahen ihm noch eine Weile nach, bestiegen den Kutschbock und fuhren los. Trotz des freudigen Ereignisses, das kurz bevorstand, musste der Farmer ständig an Eaton denken.

Schlimme Dinge würden noch geschehen, dessen war er sich sicher.

***

Der erste Eindruck, den Lassiter von Dayton erhalten hatte, war nicht weiter überraschend gewesen. Vorurteile gegen die Ureinwohner Nordamerikas sprossen an diesem Ort wie Unkraut. Davon hatte er sich bereits in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit an verschiedenen Stellen überzeugen können. Es mochte daran liegen, dass das Städtchen Dayton am Fuß der Bighorn Mountains lag, nicht weit entfernt von jenem geschichtsträchtigen Schlachtfeld, auf dem General Custer seine größte Niederlage erlitten hatte. Am Flusslauf des Little Bighorn war er von den Sioux unter Häuptling Crazy Horse vernichtend geschlagen worden.

Das Ereignis mochte den Menschen in dieser Gegend noch in den Knochen stecken, und es war eine denkbare Möglichkeit, weshalb sie jedem, den sie nicht als zu ihrer Gemeinschaft zugehörig betrachteten, mit Vorbehalt begegneten. Lassiter konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass die Leute in Dayton prinzipiell nicht zu einer Verständigung bereit waren. Sie machten sich lediglich keine Gedanken darüber, was sie sagten und taten. Vorbehalte wurden von einer Generation an die nächste weitergereicht. Fortschrittliche Männer wie Burke erschienen ihnen zwangsläufig verdächtig.

Als Lassiter seinen Patronenvorrat im nächsten Waffenladen aufgefüllt hatte, suchte er noch einen Grocery Store auf. Er wollte der Pensionswirtin, bei der er sich erst vor wenigen Stunden niedergelassen hatte, eine kleine Aufmerksamkeit mitbringen. Schon bei ihrem ersten Gespräch war dem Mann der Brigade Sieben aufgefallen, dass sie nicht zu dem Schlag von Menschen gehörte, der vorschnell urteilte. Ganz genau noch erinnerte er sich an ihre Worte, als sie auf die Schlacht am Little Bighorn zu sprechen gekommen waren. Sie hatte gesagt: »Jeder Kampf hat zwei Seiten. Und die eine ist ebenso gewichtig wie die andere.«

Worte, denen eine tiefe Weisheit innewohnte, gestand sich Lassiter ein. Dachte er an Custer, hätte sich der General wohl besser einen Ratschlag bei dieser Frau einholen sollen. Aber die Einstellung dieses Mannes war verbrieft und jedem bekannt. In seiner vor etwa zehn Jahren erschienenen Autobiographie hatte er geschrieben: »Wir sehen den roten Mann, wie er wirklich ist: ein »Wilder« in jeder Beziehung des Wortes. Einer, dessen grausames Wesen das jedes wilden Tieres der Wüste bei Weitem übertrifft.« Dieses Zitat war in ähnlicher Form in mehreren Zeitungen abgedruckt worden, sodass es weite Verbreitung gefunden hatte. Offensichtlich aber gab es zu viele Leser, die ihren Glauben nach dieser Ansicht geschmiedet hatten.

Nachdenklich bog Lassiter in die Seitenstraße ein, in der die Pension stand. Mrs. Summers, deren Mann im Kampf gegen die Sioux gefallen war, stand im Vorgarten und wässerte ein kleines Blumenbeet. Kaum wurde sie Lassiters Anwesenheit gewahr, stellte sie ihre Arbeit ein und winkte dem großen Mann zu.

»Gut, dass Sie wieder da sind!«, rief sie ihm zu. »Es gibt Mittagessen. Ich hoffe, Sie haben ordentlich Appetit mitgebracht.«

»Gegen eine Mahlzeit habe ich nichts einzuwenden«, ließ Lassiter sie wissen. Eine kleine Stärkung würde ihm nach der Auseinandersetzung mit Eaton guttun.

Zehn Minuten später saßen sie bereits zusammen am Esstisch. Für Lassiter gab es ein Steak, Bratkartoffeln und Gemüse. Mrs. Summers begnügte sich mit zwei Scheiben Brot, die sie mit Entenschmalz bestrich.

»Haben Sie keinen Hunger?«, erkundigte sich Lassiter kauend.

»Ich esse nie viel«, antwortete die Brünette, deren Haar zu einem Dutt aufgesteckt war und sie ein wenig älter erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit war. »Ein Mann wie Sie aber muss bei Kräften bleiben.« Neugierig schaute sie auf die kleine Schachtel, die Lassiter neben sich auf den Tisch gelegt hatte.

»Es ist für Sie«, erklärte der große Mann, der Mrs. Summers Blicke bemerkt hatte. »Fast hätte ich vergessen, es Ihnen zu geben.«

»Da bin ich aber gespannt.« Dankbar nahm sie das Geschenk entgegen, öffnete vorsichtig die Verpackung und nahm den Deckel der Schachtel ab, die darunter zum Vorschein kam.

»Nichts Besonderes«, meinte Lassiter und wischte sich mit einer Serviette über den Mund. »Nur ein Zeichen meiner« – er suchte nach dem richtigen Wort – »Wertschätzung.«

»Pralinen!«, staunte die Mittdreißigerin. »Sie scheinen hellseherische Fähigkeiten zu besitzen!«

»Schön, dass ich Ihnen eine Freude machen konnte …«

»Sie scherzen! Ich verzehre mich nach edler Schokolade!« Ihre Augen strahlten mit ihrem zauberhaften Wesen um die Wette. »Allerdings«, meinte sie zögerlich, »habe ich meine Genusssucht rechtzeitig gezügelt.« Sie straffte sich, senkte dann aber verlegen ihren Blick.

Amüsiert hob Lassiter die Brauen. »Um Ihre Figur brauchen Sie sich ganz bestimmt nicht zu sorgen, Mrs. Summers.«

»Linda …«, hauchte die Pensionswirtin und sah erst im zweiten Anlauf auf. »Nennen Sie mich Linda. – Darf … darf ich auch Ihren Vornamen erfahren?«

»Lassiter. Mehr habe ich nicht zu bieten.« Dem Mann der Brigade Sieben wurde das Gespräch eine Spur zu intim. Nicht, dass er einer Liaison gegenüber abgeneigt gewesen wäre, aber er vermutete, dass Linda Summers die falschen Gründe dafür hatte. Lustvolles Begehren war eine Sache, schamhafte Verdrängung eine ganz andere.

»Ihr Mann hat unter Custer gedient?«, stellte er eine unverfängliche Frage und wich dem eigentlichen Thema und der knisternden Spannung, die in der Luft lag, aus.

»Er war im Regiment von Benteen, etwa zwei Meilen vom Deep Coulee entfernt«, stellte die junge Witwe richtig. »Trotzdem … hat es ihn das Leben gekostet.« Mrs. Summers rang um ihre Fassung und legte ihr Besteck beiseite. Mit einer Serviette tupfte sie ihre Augenwinkel trocken.

»Verzeihen Sie. Ich wollte nicht unhöflich sein.«

»Nein, nein!«, wiegelte die Pensionswirtin ab. »Es ist nicht Ihre Schuld. Mein Verlust ist tragisch, aber ich werde mich mit ihm abfinden müssen. Ich habe kein Recht, Sie wegen einer einfachen Frage zu verurteilen.«

Schweigen setzte ein. Jeder Bissen, den Lassiter zu sich nahm, bereitete ihm Unbehagen. Seine Gastgeberin hatte den Tod ihres Mannes längst nicht überwunden, und er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als eine alte Wunde erneut aufzureißen. Dafür gab es keine Worte der Entschuldigung, sodass Lassiter es vorzog, seine Mahlzeit ohne Tischkonversation zu verzehren.

Irgendwann fragte Mrs. Summers: »Schmeckt es Ihnen?«

»Es ist ausgezeichnet!«, lobte Lassiter. »Sie sind eine vorzügliche Köchin.«

Zaghaft biss die Witwe ein Stück ihrer Brotscheibe ab, kaute nachdenklich darauf herum und meinte schließlich: »Robert hat sich ähnlich geäußert. Ich vermisse seine Gesellschaft. Immer noch. Und auch seine … Zuwendung …«