Lauf los - Peter Tauber - E-Book

Lauf los E-Book

Peter Tauber

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Beschreibung

Neue Perspektiven und mehr Selbstvertrauen – Peter Tauber über persönliche Krisen und die Kraft des Laufens Der ehemalige Spitzenpolitiker Peter Tauber hat selbst erfahren: Wenn es im Leben wieder einmal richtig dicke kommt, dann heißt es für ihn Lauf los! Sein Buch über die Erfahrung und Lebenskunst, laufend neu aufzubrechen ist eine Ermutigung, an sich selbst zu glauben, sich etwas zuzutrauen und manchmal auch etwas zuzumuten.  »Das Leben will vorwärts gelebt werden, wie es der dänische Philosoph Søren Kierkegaard formuliert hat. Genau darum geht es in diesem Buch. Natürlich fallen wir gelegentlich hin oder stolpern. Aber viel wichtiger ist die Frage: Was bringt dich wieder auf die Beine? Was lässt dich neu loslaufen? Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, stillzustehen. Das Laufen ist in uns. Und wer erstmal aufgebrochen ist merkt schnell: Beim Laufen bist du im Hier und Jetzt. Das tut gut!  Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass mir das Laufen durch viele Krisen und Herausforderungen geholfen hat. Dank des Laufens konnte ich mich auf das Wesentliche konzentrieren, erkennen, was wichtig ist. Oder auch einfach mal vergessen, was mich gerade plagt: Krisen, Selbstzweifel, Scheitern, Verlust. Wenn wir die Laufschuhe schnüren, dann haben wir eine ganz neue Kraft. Wir vertrauen dem Leben. Darum geht es. Schon im Markus-Evangelium heißt es: ›Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.‹« Peter Tauber

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Peter Tauber

Lauf los

Egal, wo du im Leben stehst: Du kannst immer wieder neu starten

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Der ehemalige Spitzenpolitiker Peter Tauber ist überzeugt: »Es ist an der Zeit, neu anzufangen. Wir sind nicht dafür gemacht, stillzustehen. Das Laufen ist in uns. Natürlich fallen wir gelegentlich hin oder stolpern. Aber viel wichtiger ist die Frage: Was bringt uns wieder auf die Beine? Was lässt uns neu loslaufen? Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass mir das Laufen durch viele Krisen und Herausforderungen geholfen hat. Dank des Laufens konnte ich mich auf das Wesentliche konzen­trieren, erkennen, was wichtig ist. Darum geht es. Lauf los!«

 

Dieses Buch ist eine Ermutigung, an sich selbst zu glauben und sich manchmal auch etwas zuzumuten.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.bene-verlag.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Vier Fichten

Worum es wirklich geht

Hier und jetzt

Was brauchst du wirklich?

Politik ist ein Marathon und kein Sprint

Demokratie braucht Ausdauer

Eine anspruchsvolle Laufstrecke

Shitstorm

Nicht weglaufen, Verantwortung übernehmen

Aufstehen oder liegen bleiben?

Vollbremsung

Einsichten

Orientierung finden

Laufen als Kontemplation

Laufgeschichte(n)

Verrückt

Die Königsdisziplin

Gute Vorbereitung ist alles

Lauftypen

Brüder-Grimm-Lauf

Laufmomente

Den richtigen Weg finden

Laufanfänger

Bloß nichts falsch machen?

Erlaufe dich selbst!

Weglaufen ist nicht!

Kann ich neu anfangen? Ja, lauf los!

Ganz im Moment

Zu sich selbst laufen

Es gibt keinen Grund, schneller zu werden!

Sei dein eigener Maßstab

Du läufst gegen dich selbst

Uns selbst richtig einschätzen lernen

Digitale Selbstvergewisserung

Laufen entschleunigt

Vertraut den neuen Wegen!

»Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt! Danach beginnt ein System von Aushilfen.«

Der Wille entscheidet

Neue Wege entdecken

Nicht stehen bleiben

Vom Glück, Zweiter zu sein

Von Barbarossa bis Harald Schmid

Auf den Blickwinkel kommt es an

Wähle dein eigenes Tempo!

Sport ist Mord?

Laufen gegen die Angst

Die dunkle Seite des Laufens

Durchziehen?

Gern und viel

Laufen hilft uns auf die Beine

Ein Geschenk an uns selbst

»Zu allem Unglück kam noch Pech dazu«

Laufpause

Neu starten

Kopf hoch! Nicht nur beim Laufen!

Anerkennung und Wertschätzung

Laufen gegen die Trauer

Lauf, um Gottes willen, lauf!

Auf der Zielgeraden

Nicht mehr laufen können

Halbzeit

10 nicht ganz ernst gemeinte Tipps für den Lebenslauf!

Literatur

Für meine Eltern, die mir das Laufen beibrachten

Vier Fichten

Seit über einer halben Stunde laufe ich durch den Wald. Es riecht nach frischem Baumharz und feuchter Erde, bei jedem Schritt gibt der Boden ein wenig nach. Meter für Meter geht es bergauf. Ich bin froh, die Hitze der asphaltierten Straßen hinter mir gelassen zu haben. Mein Ziel sind die Vier Fichten, eine der höchsten Erhebungen im Büdinger Wald, gut neun Kilometer von meiner Haustür entfernt. Oben angekommen eröffnen sich auf einmal viele neue Wege. Sofort stellt sich die Frage, wie es jetzt weitergeht. Doch so weit bin ich noch nicht. Noch liegt ein beschwerlicher Weg vor mir.

 

Den Germanen galt die Fichte als Schutz- und Heilbaum. Ihrem Harz wird auch heute noch eine heilende Wirkung zugeschrieben. Im antiken Griechenland wurde der Siegeskranz für die Athleten aus Fichtenzweigen gewunden. Und im Mittelalter war die Fichte das Sinnbild für Stärke und Hoffnung.

 

Den letzten Kilometer geht es so steil bergauf, dass ich den Blick senke und auf den Boden schaue. Wenn ich die Strecke mit Freunden laufe, dann wird es auf diesem Abschnitt meistens sehr still. Mal schauen, wie heute meine Zeit ist, geht es mir durch den Kopf. Das ist wieder typisch, Peter, ermahne ich mich sogleich. Es geht doch nicht nur um perfekte Bedingungen. Es geht auch nicht darum, eine Bestzeit zu schaffen, sondern vor allem ums Sein. Ums Dasein. Und zwar wörtlich in diesem Falle. Da sein an den Vier Fichten, einem meiner Lieblingsorte. Zugegeben: Bis zu dieser Einsicht war es ein weiter Weg, der deutlich schwieriger und länger war als die Strecke hoch zu den Vier Fichten.

 

Heute früh habe ich noch gedacht, dass ich eigentlich überhaupt keine Zeit zum Laufen habe, weil einfach zu viel auf dem Zettel steht. Aber ich weiß, dass ich gerade deshalb die Laufschuhe anziehen muss – denn so bekomme ich den Kopf frei.

Der Puls pocht in den Schläfen, während ich mich den letzten, aber besonders steilen Anstieg hochschleppe. Ich beiße die Zähne zusammen. Trotzdem ist es gut, hier zu sein. Zu laufen. Gleich bin ich da.

Worum es wirklich geht

Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, stillzustehen. Das Laufen ist in uns. Dabei können wir uns nicht immer aussuchen, ob der Weg, den wir nehmen, ein gerader, einfacher, sonnendurchfluteter, aber angenehm kühler Waldweg im Sommer ist oder ein steiler Anstieg im Nebel bei frostigen Temperaturen, bei dem uns ein eiskalter Wind ins Gesicht peitscht.

 

Damit es im Leben ganz grundsätzlich läuft, kann das Laufen eine gute Sache sein. Wohlgemerkt, das richtig verstandene Laufen. Denn wer läuft, der lernt auch mit schwierigen Situationen klarzukommen. Das gilt in der Tat nicht nur für das Laufen selbst, sondern auch für das Private wie für den Job. Wofür ist das Laufen gut? Wie macht uns das Laufen stärker? Was lehrt es uns? Wann hilft es vielleicht auch nicht?

 

So viel sei an dieser Stelle bereits verraten: In diesem Buch geht es nicht in erster Linie um Ratschläge für Laufanfänger oder geheime Tipps für die erfahrenen Läuferinnen und Läufer. Es geht um mehr. Wir gehen oft achtlos mit unserem Körper um. Dann nimmt auch unsere Seele Schaden. Das Laufen jedoch tut Körper und Geist gleichermaßen gut. Deshalb geht es hier um viele Fragen, die wir uns jeden Tag stellen. Wir wollen bisweilen hoch hinaus, haben große Ziele. Und dann will das Leben etwas ganz anderes von uns und wir müssen neu anfangen. Alles auf Anfang? Von wegen. Wir schleppen den Ballast unseres Lebens weiter mit uns. Trotzdem geht es weiter. Da hilft es, auf unsere Perspektive zu achten. Es tut gut, im Moment zu sein.

Hier und jetzt

Mein Atem geht schwer, ich schnaufe ganz schön. Endlich bin ich angekommen. Zwischen den Bäumen wächst Gras, Sonnenlicht fällt durch die Zweige. Ich höre den Gesang der Vögel, die Geräusche des Waldes und auch das leise Surren des nahe gelegenen Windrades. Zwischen den Fichten steht eine eherne Wildschweinskulptur. Der Keiler war ein Geschenk der vier Söhne an den verstorbenen Fürsten Otto Friedrich zu Ysenburg und Büdingen, dem der Wald einst gehörte. Oft mache ich mit dem Wildschwein ein Selfie. Es ist – wie ich – schon etwas ramponiert. Einmal wurde es mit Farbe besprüht, dann hatte jemand den Bürzel, so heißt der Schwanz beim Wildschwein in der Jägersprache, abgesägt. Aber die eiserne Sau steht da unverdrossen. Und ich freue mich jedes Mal, sie zu sehen.

 

Ich blinzle nach oben und sage innerlich »Danke«. Sonst mache ich beim Laufen nie eine Pause, an den Vier Fichten fast immer. Vergessen sind die Anstrengungen beim Anstieg und auch die Zweifel vor dem Lauf, denn es sind hin und zurück immerhin fast zwanzig Kilometer. Das ist nicht nur anstrengend, sondern kostet mich viel Zeit. Und mein Schreibtisch ist so voll und die Telefonliste viel zu lang. Doch heute hatte ich »Besseres zu tun«. Wie gut, dass ich losgelaufen bin und die Zeit jetzt keine Rolle mehr spielt.

 

Die Vier Fichten sind für mich seit Jahren ein wunderbarer Kraftort. Eine alte Legende rankt sich darum. Die vier Bäume stehen sinnbildlich für Wachstum und Gedeihen, aber auch für das Scheitern und den Niedergang. Damit sind auch die Hoffnung und die Zuversicht verbunden, die man immer wieder braucht, um neu anzufangen, zu entscheiden und zu handeln. Tief hole ich Luft.

Ich lehne am Baumstamm und dehne meine Muskeln, der Puls wird ruhiger, bewusst atme ich tief ein und aus. Der Schweiß tropft mir von der Stirn. Der Weg hier hoch ist immer anstrengend. Manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, dass ich letztes Mal nicht so außer Atem, dass ich schneller, nicht so erschöpft war wie jetzt. Aber der Weg hat einen großen Vorteil: Anders als im Leben weiß ich, welche Herausforderung nach der nächsten Kurve noch auf mich wartet.

 

Hinter mir liegt eine heftige Zeit. Schmerzhafte Abschiede – und das gleich mehrfach. Innerhalb weniger Wochen mussten meine Geschwister und ich den Tod der Eltern verkraften. Mit dem Tod kommen vermeintliche Gewissheiten abhanden. Auf einmal sind da viele Gedanken und Fragen, die mit dem Ende zu tun haben. Auch die Frage, was wirklich wichtig ist im Leben. Ich weiß, dass diese Frage sich immer wieder neu stellt.

 

Das Ende meiner politischen Karriere war selbstbestimmt. Ich bin gegangen, weil ich etwas anderes tun wollte. Mich ausprobieren. Was kann ich? Was interessiert mich? Aktuell merke ich: Ich bin auf dem richtigen Weg.

Der Blick zurück, so versöhnlich er manchmal ist, hilft meistens nicht. Das Leben will vorwärts gelebt werden, wie es der dänische Philosoph Sören Kierkegaard einst so treffend formuliert hat. Doch wenn die Aussichten trübe sind und die Zweifel mit Blick auf die Zukunft groß, dann flüchten wir uns eben gerne in das Vertraute. Dann vergessen wir, dass auch unser Gestern nicht frei war von Sorgen, Krisen und Problemen.

 

Natürlich läuft es nicht immer rund. »Der Weg, den wir gehen, ist selten asphaltiert!«, singt die Band Jennifer Rostock in ihrem Lied »Ein Schmerz und eine Kehle«. Das Gefühl kennen die meisten: Die Wegstrecke ist uneben, Schlaglöcher, Pfützen, enge Kurven, Umleitungen und dann eine Vollsperrung. Es geht gefühlt immer einen steinigen Weg bergauf. Wir geraten ins Stolpern und Straucheln. Oft genug fallen wir hin. Das lässt sich nicht vermeiden. Wir trösten uns mit dem Gedanken, dass das dazugehört. Das macht es allerdings nicht leichter und das Aufstehen ist oft genug beschwerlich. Du merkst schon: Das gilt natürlich auch im übertragenen Sinne.

 

Da tut es gut, dass wir uns bewusst machen: Vermutlich bist du auf deinem Weg durchs Leben schon manches Mal hingefallen, vielleicht ziert dich die eine oder andere Narbe. Deine Erfahrungen machen dich aus. Dein Lebenslauf, dein Lauf durchs Leben hat dich hierhergeführt. Das Wort Lebenslauf ist ein wunderbares Wort, um das zu beschreiben, was das Leben ausmacht. Und jetzt stehst du hier.

Was brauchst du wirklich?

Genauso wichtig ist die Frage: Was brauchst du, damit du in deiner Kraft bleibst? Was bringt dich wieder auf die Beine, wenn du den Boden unter den Füßen verloren hast? Und was lässt dich neu loslaufen, wenn du dich gerade schwach fühlst? Das Laufen ist das perfekte Gleichnis für unser Leben. Egal, wo du im Leben stehst, egal, welche Herausforderung du gerade vor der Brust hast, womit du dich plagst, was dich ärgert oder was dich aus der Bahn geworfen hat: Stehen bleiben geht nicht, umkehren wäre auch blöd. Immerhin bist du bis hierher gekommen.

 

Deshalb ist dies ein Buch für alle, die auf dem Weg sind. Alle, die vorwärtsgehen oder -laufen, die unterwegs sind im Leben – notgedrungen oder weil sie eine Idee antreibt. Nicht so sehr ein Buch für diejenigen, die denken, dass sie bereits angekommen sind – aber wer kann das schon von sich behaupten?

 

Für alle, die schon laufen und die weiterlaufen wollen, ist dieses Buch. Wer läuft, der weiß, dass man schon im Ziel wieder an den nächsten Lauf denkt. Das gilt aber nicht nur für einen Wettkampf, sondern auch beim täglichen Lauf durch die vertrauten Straßenschluchten der Großstadt oder durch Felder, Wälder und Wiesen.

Wer erst mal losgelaufen ist, der merkt schnell, wie befreiend das sein kann.

 

Es ist deshalb ein Buch für diejenigen, die zögern und vielleicht einen Schubs aus der Haustür brauchen – nicht nur sprichwörtlich. Denn das Laufen kann helfen, dass der Aufbruch, nach dem wir uns sehnen, sich nicht auf den Sport beschränkt, sondern ganz allgemein in unserem Leben gelingt. Die Lektüre ist deshalb denen empfohlen, die sich auf den Weg machen wollen, aber noch an der Startlinie stehen, weil sie nicht so recht wissen, in welche Richtung sie laufen sollen.

Es ist ein Buch für diejenigen, die immer perfekt vorbereitet sein und alles richtig machen wollen. Und die dabei das Beste verpassen: den Moment. Wer erst mal losgelaufen ist, der merkt schnell: Beim Laufen bist du im Hier und Jetzt.

 

Das Buch wendet sich auch an diejenigen, die eine Vollbremsung im Leben hinlegen mussten. Jeder Läufer kennt das Thema Verletzungen. Man will gerne laufen, aber es läuft eben gerade nicht. Im echten Leben sind das: Krankheit, Verlust eines Arbeitsplatzes, Trennungen, Abschiede, Tod. Mit solchen Verletzungen müssen wir umgehen. Nicht immer ist die Lösung, einfach weiterzumachen. Es braucht eine Pause, man muss heilen. Das Leben mutet uns bisweilen ganz schön was zu. Aber das Leben ist eben auch schön. Deswegen wäre es doch schade, liegen zu bleiben, wenn wir hingefallen sind. Aufstehen und weiterlaufen. Dazu gibt es keine Alternative.

 

Ob du ganz neu mit dem Laufen anfängst oder dich der nächsten Hürde im Leben stellen willst – ich rate dazu, nicht zu lange zu überlegen. Viele Entscheidungen in unserem Leben treffen wir spontan, aus dem Bauch heraus oder mit dem Herzen. Dich plagen Selbstzweifel? Das kenne ich! Du überlegst, ob du das überhaupt kannst, was von dir verlangt wird. Ob du schaffen wirst, was vor dir liegt. Wie oft habe ich mir diese Frage schon gestellt. Die Antwort kann man nicht durchdenken. Die Antwort findet man, wenn man losläuft. Wir können so viel mehr, als wir denken.

 

Ein Beispiel gefällig? Lange Zeit haben Menschen geglaubt, dass es nicht möglich ist, eine englische Meile in weniger als vier Minuten zu laufen. Dann kam 1954 Roger Bannister. Er hat diese »Regel« einfach ignoriert. Er hatte die Vision, eine Meile unter vier Minuten zu laufen – und hat es gemacht. Ganz so einfach war es natürlich nicht. Er musste hart trainieren und sich anstrengen. Aber schließlich gelang ihm, was alle für unmöglich gehalten hatten: Er lief die Meile, das sind 1600 Meter, als erster Mensch in weniger als vier Minuten! Kurz danach versuchten es andere – und schafften es ebenso, vielleicht, weil sie nun wussten, dass es möglich ist. Jedenfalls purzelten die Rekorde über diese Distanz in den Jahren danach nur so.

 

Was Menschen alles können, wenn sie die meist selbst gesetzten Grenzen ignorieren, an sich glauben und ihren Willen entfesseln! Man nennt diese Kraft, die Grenzen verschiebt, seitdem auch den Roger-Bannister-Effekt. Aber so neu ist das eigentlich gar nicht. Es heißt ja schon im Markusevangelium: »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.«

 

Oft genug hören wir vom Chef oder sogar von guten Freunden: Das schaffst du nicht! Lass es sein! Das brauchst du gar nicht erst zu versuchen! Mein Buch soll dazu ermutigen, auf die innere Stimme zu hören, der eigenen Kraft zu vertrauen und an sich selbst zu glauben. Sich etwas zuzutrauen, manchmal auch, sich etwas zuzumuten. Ein schönes Wort übrigens: sich etwas zumuten. Damit meinen wir, dass wir uns etwas abverlangen. Eine Zumutung ist mindestens unangenehm, oft erkennen wir den Sinn nicht und hinterfragen die Notwendigkeit.

Ob das, was uns fordert, uns nicht auch weiterbringen kann? Von Fall zu Fall wird die Antwort unterschiedlich ausfallen. Aber da wir nicht mehr im Paradies weilen, ist das Leben ohnehin oft mit Mühsal verbunden, gerade dann, wenn wir etwas erreichen wollen. Wir wachsen mit unseren Aufgaben. Seien wir ehrlich: Der Erfolg schmeckt besser, wenn wir etwas dafür tun müssen und er uns nicht wie eine reife Frucht in den Schoß fällt.

Entscheidend bleibt, bei alldem auf uns selbst zu hören und nicht andere zum Maßstab unseres Denkens und Handelns zu machen. Dafür braucht es einen klaren Kopf. Und da hilft das Laufen.

Wir Menschen sind fürs Laufen gemacht. Unsere Vorfahren waren bekanntlich Jäger und Sammler. Von der afrikanischen Savanne über die Laufbahn im antiken Griechenland und bis heute ist das Laufen im wahrsten Sinne des Wortes Teil unserer DNA. Allein in Deutschland schnüren über 23 Millionen Menschen regelmäßig die Laufschuhe. Fast 3000 Laufveranstaltungen gibt es hierzulande und über 1,5 Millionen Menschen nehmen jedes Jahr daran teil. Was für beeindruckende Zahlen! Natürlich stimmt es: Wer bei einem Marathon startet, der sollte sich darauf vorbereiten. 42,195 Kilometer läuft man nicht einfach so. Aber die Laufschuhe aus dem Schrank holen oder sich im Sportgeschäft ein Paar kaufen, anziehen und loslaufen: Das ist keine Quantenphysik.

 

Übrigens spielt das Laufen auch in der Bibel eine wichtige Rolle. Es muss ja nicht gleich vierzig Jahre durch die Wüste gehen, wie in der Geschichte über das Volk Israel. Und dann erzählt die Heilige Schrift ja die Geschichte eines Mannes, der immerhin vierzig Tage durch die Wüste lief. Jesus war der erste Ultrarunner der Geschichte.

 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir das Laufen durch viele Krisen und Herausforderungen geholfen hat. Dank des Laufens konnte ich mich auf das Wesentliche konzentrieren und erkennen, was wichtig ist. Oder auch einfach mal vergessen, was mich gerade plagt. Krisen, Selbstzweifel, Scheitern, Verlust. Ich kenne alle diese Situationen.

 

Keine Sorge. Ich erinnere mich auch an viele Triumphe, Freude, Glück, Seligkeit. Damit meine ich nicht nur den Moment im Zieleinlauf des Frankfurt Marathons in der Festhalle, der »Gudd Stubb«, wie es in Mainhattan heißt. Ich meine die guten Momente im Leben, die uns geradezu beflügeln. Das müssen keine Rekorde sein. Oft sind es vermeintliche Kleinigkeiten. Da ist das unerwartete Lob, ein kleines Geschenk, die Tafel Lieblingsschokolade zum Beispiel. Vielleicht unerwartet ein Stück Kuchen an einer Verpflegungsstation. Oder auch die gemeinsame Erinnerung an einen schönen Abend mit Freunden, die wieder wachgerufen wird und uns zum Lachen bringt.

 

Manchmal reichen schon ein sonniger Morgen und ein guter Kaffee. Wenn wir dann die Laufschuhe schnüren, haben wir eine ganz neue Kraft. Dann vertrauen wir dem Leben. Darum geht es. Der Prophet Jesaja hat dieses Gefühl beschrieben: »Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht müde werden« (Jesaja 40,31). Es klingt wie eine Beschreibung des sogenannten Runner’s High, das manche Läuferinnen und Läufer erleben. In dem Moment hat man das Gefühl, dass alles gelingt.

 

Laufen ist einerseits eine ernste Sache. Gleichzeitig sage ich: Laufen soll Spaß machen. Das eine schließt das andere eben nicht aus. Das Leben ist ja auch nicht ohne Widersprüche. Aber bevor ich jetzt erkläre, was in diesem Buch alles passieren wird, schlage ich vor, wir schnüren gedanklich die Laufschuhe und laufen einfach los. Und ich erzähle dir mal, wie es eigentlich kam, dass das Laufen für mein Leben so wichtig geworden ist. Bist du dabei?

Politik ist ein Marathon und kein Sprint

Um kurz vor sieben Uhr stehe ich mit dem Journalisten Hajo Schumacher, der unter dem Pseudonym Achim Achilles seiner Leidenschaft für das Laufen schriftlich Ausdruck verleiht, vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, der Parteizentrale der CDU. Wir haben uns zu einem Interview und zum Laufen verabredet. Er befragt mich unter anderem zu meinen sportlichen Zielen, meiner größten Niederlage und zum Belohnungsbier. Ich habe klare Ziele, von denen ich erzähle: »Wenn ich 9,9 km auf der Uhr habe, dann wetze ich noch mal um die Ecke. Zweistellig muss es schon sein: Für 9,9 gehe ich nicht aus’m Haus. Ich lasse mich von der Technik gern verführen, weil das Aufzeichnen suggeriert, man hätte Macht über sein Leben und Ordnung und Fleiß und Disziplin. Kontrolle halt. Natürlich gucke ich, wie viele Kilometer es im Vergleichsmonat vom Vorjahr waren. Dieser statistische Kram gefällt mir.« Meine beste Zeit für zehn Kilometer liegt damals bei etwa 48 Minuten.Auch von einem »Runner’s High« weiß ich zu berichten: »Bei einem Vorbereitungslauf für meinen ersten Marathon, da dachte ich bei Kilometer 25: ›Geht ja irre locker, wir sind doch gerade erst los, da können wir doch noch mal so viel.‹ Und ich wusste: Du wirst den Marathon schaffen! Irre, dieses naive, kindliche innere Grinsen, das kriegt man nicht aus dem Kopf und nicht aus dem Gesicht.«

Gut zehn Jahre ist das her. Damals war ich CDU-Generalsekretär, reichlich beschäftigt und extrem ehrgeizig. Schumacher vermerkt am Ende: »Zielzone. Tauber ist nach knapp zehn Kilometern durch den Tiergarten kein bisschen erschöpft, rätselt aber, wie er es in zwanzig Minuten geduscht und mit Krawatte ins Kanzleramt schaffen soll.« Der Text, der im SPIEGEL erscheint, hält auch fest, dass ich vor dem Treffen am Konrad-Adenauer-Haus bereits am Schreibtisch gesessen hatte, um Mails zu beantworten.

 

Gelaufen bin ich seit den endlosen Tagen am Schreibtisch, an denen ich meine Doktorarbeit schrieb. Die Bewegung ein- oder zweimal die Woche tat mir gut. Von diesem Zeitpunkt an war ich Läufer. Im Jahr 2008 standen 51 Läufe und 474,1 Kilometer auf dem Tacho. Gelaufen bin ich schon in den Jahren zuvor, aber aus der Zeit vor 2008 gibt es keine Aufzeichnungen.

Als ich Generalsekretär der CDU wurde, erfuhr meine Laufkarriere noch einmal einen richtigen Schub. Ich brauchte einen Ausgleich. Angesichts eines nie leeren Schreibtischs gab mir die Zahl am Ende einer Trainingseinheit das Gefühl, etwas geleistet zu haben. In der Politik endet die Arbeit nie. Mein Tageskalender sah im Rückblick abends immer anders aus als morgens geplant. So viele Unwägbarkeiten und so viel Druck. Das lief ich mir von der Seele.

 

Auch in den ersten vier Jahren in Berlin als »normaler« Bundestagsabgeordneter bin ich regelmäßig gelaufen. Doch das konnte nicht verhindern, dass ich ordentlich an Gewicht zulegte. Gut 2,5 Kilo pro Jahr waren es und am Ende wog ich deutlich über 80 Kilo. So viel hatte die Waage das letzte Mal vor meinem Wehrdienst angezeigt. Ein Grund mehr, regelmäßiger die Laufschuhe zu schnüren.

Viele Politikerinnen und Politiker laufen. Lars Klingbeil und Carsten Linnemann zum Beispiel. Carsten Linnemann hat sogar eine eigene Laufgruppe und teilt Bilder und Videos von seinen morgendlichen Läufen in den sozialen Netzwerken. Die Botschaft ist klar: »Schaut her. Ich bin topfit und damit bereit für meine anstrengende Aufgabe.« Die Botschaft ist gut. Bleibt zu wünschen, dass ihm das Laufen wirklich hilft. Bei mir war es damals so.

Demokratie braucht Ausdauer

Der Job als Generalsekretär der CDU war definitiv ein Langstreckenlauf. Jedes Jahr habe ich weit über hundert Kreisverbände meiner Partei besucht. Im Schnitt bedeutete das, jeden dritten Abend irgendwo in der Republik vielen Menschen Rede und Antwort zu stehen, zu diskutieren, Sachverhalte noch einmal zu erklären und sich Kritik anzuhören. Nach einem langen Arbeitstag in der Bundeshauptstadt noch stundenlang im Auto sitzen und dann eine Rede halten, um anschließend zu diskutieren? Kein Problem! Oder doch?