Leben im Einklang mit der Natur - Eckhard Woite - E-Book

Leben im Einklang mit der Natur E-Book

Eckhard Woite

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Beschreibung

Den Spieltrieb wecken und nutzen, neugierig sein, angstfrei in die Natur gehen - der Naturkundler und Naturschützer Eckhard Woite setzt auf Erlebnisse, auf die Erfahrungen, die aus ihnen entstehen, wenn junge Menschen die Möglichkeit bekommen, die Natur zu entdecken. Woite gibt in seinem Buch praktische Tipps, wie Kinder und Jugendliche an die Natur und an ihre eigenen Stärken herangeführt werden können. Sein Credo dabei: Mit möglichst wenigen Vorgaben. Stattdessen: Machen lassen, erleben lassen. Und auch mit einem weiteren Herzensthema Woites beschäftigt sich das Buch ausgiebig: mit der Förderung der Artenvielfalt. Der Autor hat mehrere Jahrzehnte Erfahrungen damit gesammelt. Auch von ihnen berichtet er. Er zeigt, wie mit wenig Aufwand ein umfassendes und vor allem abwechslungsreiches naturpädagogisches Programm entstehen kann.

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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Eckhard Woite

Jahrgang 1940

Beruflicher Werdegang:

Einklassige Volksschule, Waldfacharbeiter, 1/2 Jahr Argentinien, 3 Jahre Bundeswehr, 2. Bildungsweg, Gesamtschullehrer der Klassen 5 bis 13, Fächer: Biologie und Politik, Geschichte, Erdkunde.

Außerberuflicher Werdegang:

Aufbau und Leitung einer 10 Jahre bestehenden wandervogelähnlichen Jugendgruppe.

10-jähriger Einsatz für Völkerverständigung und die Plansprache Esperanto. Seit 27 Jahren Aufbau und Leitung der Naturerlebnis- und Naturschutz Kinder-, Jugend-, und Erwachsenengruppe „Die Wühlmäuse“. 15 Jahre FDP-Mitglied. Seit Ende der 80er-Jahre bei den Grünen, z. Zt. Ortsvorsteher in dem 1.000-Einwohner-Ort Malchen.

Inhalt und Ziel des Buches:

Der Autor zeigt, wie Menschen und die Natur friedlich Zusammenleben und sich gegenseitig nützen können. Er erörtert Zusammenhänge im Umgang mit der Natur und der Jugend. Außerdem beschäftigt er sich mit einem natürlichen, gesunden Lebensstil und zeigt einige Möglichkeiten auf, die auf ihre Umsetzung warten.

Ich widme dieses Buch den Wühlmäusen und weiteren Naturliebhabern, damit sie vor und nach meinem Ableben ein wenig durch meine Gehirnwindungen kriechen können, sich dabei freuen und vielleicht auch ein paar Anregungen herausziehen können.

Vorwort

Das Buch „Leben im Einklang mit der Natur“ besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil „Mensch und Natur“ beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Menschen zur Natur und mit dem Umgang mit der eigenen Natur. Diesen Teil habe ich 2012 geschrieben und 2021 noch einmal durchgearbeitet und teilweise aktualisiert.

Der zweite Teil „Entwicklungen der Wühlmäuse“ kam 2020/2021 dazu, weil ich während der Coronazeit fast keine Termine hatte und so endlich Zeit fand, weiterzuschreiben. In ihm geht es vor allem um konkrete Projekte, die von mir und den Wühlmäusen entwickelt und teilweise auch durchgeführt wurden. Sie sind ein Beleg dafür, dass man viel, auch Neues, für eine gesunde, artenreiche Natur machen kann, ohne große Labore und Wissenschaftlerteams.

Alle Projekte von mir und den Wühlmäusen haben die Förderung der Artenvielfalt und die Stärkung des Verhältnisses der Menschen zur Natur als Ziele.

Das hat viele Gründe. Gott oder die Natur haben auch für uns sehrviele Arten entstehen lassen. Das geschah nicht, damit wir viel zum Ausrotten haben, sondern damit wir sie erhalten, um ihrer selbst willen und um sie an die uns folgenden Generationen weiterzugeben. Unsere Möglichkeiten werden immer mehr, sowohl zum Ausrotten als auch zum Schützen dieses einzigartigen Wunderwerks auf unserem noch wunderschönen Planeten. Einen Ersatzplaneten gibt es nicht und wir die große Verantwortung, ihn zu erhalten.

Je mehr Arten es gibt, desto stabiler ist das biologische Gleichgewicht. Im Frühjahr vermehren sich Blattläuse oft sehr schnell und es sieht so aus, als wären bald alle Blätter einer Pflanze befallen und sie müsste sterben. Dann aber kommen Marienkäfer und ihre gefräßigen Larven, Florfliegen, Ohrwürmer, Spinnen und mehrere Singvogelarten und nach einigen Tagen findet man keine Blattlaus mehr. Das artenreiche biologische Gleichgewicht hat funktioniert.

Die besonderen Anpassungen einzelner Pflanzen bewirken, dass sehr verschiedene Biotope besiedelt werden können: Seen, Wüsten, Moore...

Für den, der sie zu nutzen weiß, bietet die Natur Entspannung, Erlebnis- und Beobachtungsmöglichkeiten: Wälder, Wiesen, Seen, Bäche, Vögel und hoffentlich auch bald wieder viele Schmetterlinge.

Natur bietet Nahrung, sowohl Kultur- als auch Wildpflanzen, die mehr Vitamine und Mineralstoffe haben als die Supermarktware. So hat die Brennnessel mehr Eisen, Magnesium, Phosphor, Calcium, Vitamin C und Eiweiß als alle Kulturgemüsearten. Ich kaufe seit einigen Jahren fast kein Gemüse, weil in meiner artenreichen Umgebung ganzjährig genügend essbare Wildkräuterwachsen.

Nicht jede Blüte kann von jedem Nektarsauger genutztwerden. So haben z. B. Osterluzei und Waldgeißblatt so tiefe Kelche, dass nur Langrüssler wie Schmetterlinge an den Nektar gelangen.

Wenn ich an Stellen komme, an denen ich geholfen habe, die Artenvielfalt zu fördern und sehe, wie es blüht und wächst und wie viele Tiere die Vielfalt nutzen, dann ist das für mich immer eine große Freude und tiefe Befriedigung.

Ich benutze die Gendersprache sehr spärlich, weil ich die Versuche aus einer maskulinen Nationalsprache eine moderne Gleichberechtigungssprache zu machen für ineffektiv und unnötig langatmig halte. In Europäisch, auch Esperanto genannt, ist das besser gelöst. Da gibt es die Vorsilbe „ge", was beiderlei Geschlecht bedeutet. Also statt „Freundinnen und Freunde" „geamikoj" oder statt „Gästinnen und Gäste" „gegastoj“. So lange es mehr Nationalisten als Europäer und Weltbürger gibt, hat Europäisch keine Chance. Aber das Angebot dieser voll entwickelten, leicht lernbaren Sprache steht.

Sei ein Freund, dann hast Du Freunde. Das habe ich versucht zu leben und genieße es jetzt im Schoß der Natur und einer großen Freundeschar geborgen zu sein, was mich auch zu weiteren Taten anspornt.

Eckhard Woite

Inhalt

Teil 1 Leben im Einklang mit der Natur

1. Lebens- und Orientierungshilfen

1.1 Konsum oder Freiheit

1.2 Angst

2. Lebensstil

2.1 Die 5 Säulen der Gesundheit

2.2 Der Weg zum natürlichen Lebensstil

3. Naturnutzer

4. Was kann ich für die Natur tun?

4.1 Garten und Balkon

4.2 Die freie Natur

4.3 Umwelt

5. Kinder und Jugend

5.1 Familie, Natur und Erdkontakt

5.2 Waldkindergärten

5.3 Kinder- und Jugendgruppen

5.4 Der Aktivitätsfächer einer guten Naturgruppe

5.5 Dauerhafte Gruppen

6. Die Öko-Bewegung

7. Lebensgemeinschaft der Naturschützer

Teil 2 Entwicklungen der Wühlmäuse

8. Einleitung

8.1 Die Wühlmäuse

8.2 Gruppenleiter

9. Projekte

9.1 Labkrautwickel

9.2 Rinnenbeet

9.3 Wurzelburg

9.4 Turm der Tiere

9.5 Teich mit Regenfänger

9.6 Krötenhöhle

9.7 Fuchs an der Schnur

9.8 Inselbiotope

9.9 Idealstandorte von Pflanzen

9.10 Idealbiotope von Tieren: Die Unkenspontanpfütze

9.11 Fernverbreitung von Pflanzen

9.12 Kleine Baumschule

9.13 Unseren Wäldern geht es schlecht

9.14 Projekte zum arten- und strukturreichen Naturwald

9.15 Blühkurve für Schmetterlinge und Bienen

9.16 Braucht der Wald Sträucher und Blumen?

10. Informationsverbreitung

10.1 Tier, Pflanze, Biotop des Jahres

10.2 Der internationale Tag der Artenvielfalt

10.3 Zwölf Biotope Tour

10.4 Zwei kleine Theaterstücke

10.5 Gespräch der Generationen

10.6 Wühlmausbanner, Postkarte, Kalender, Beobachtungsstände und Infotafeln

11. Pläne und Ideen

11.1 Der Naturwald an der Galgenbuche: Alte Bäume und Artenvielfalt

11.2 Klimawald

11.3 Fruchtwald

11.4 Birkenallee: Von der Monokultur zur Vielfalt

11.5 Trockenbiotop mit Streuobstwiese

11.6 Tor zur Bergstraße

11.7 Natürliche Zäune und andere Abgrenzungen

11.8 Milchhof

11.9 Land für Wisent, Ur, Tarpan, Elch, Rot- und Damhirsch

12. Mensch und Natur

12.1 Gegner der Artenvielfalt

12.2 Jagd

12.3 Die Halbwilden

12.4 Zusammenleben von Mensch und Natur

13. Rückblicke alter Wühlmäuse

14. The Real Life Guys

15. Früher war alles besser

Teil 1 Leben im Einklang mit der Natur

1. Lebens– und Orientierungshilfen

In der Nachkriegszeit war Wirtschaftswachstum etwas Gutes. Der Nachholbedarf war groß und viele neue Produkte erleichterten das Leben. Abgesehen von den unnötigerweise mehr werdenden Arbeitslosen, Wenigverdienern, Alleinerziehenden und armen Rentnern hat jetzt in Mitteleuropa jeder Haushalteine große Wohnung mit Waschmaschine, Spülmaschine, Fernseher, PC, Handy, einem Auto vor der Tür und vielen anderen Bequemlichkeiten. Das ist ein Luxus, den man aus der Sicht der Nachkriegszeit nur als paradiesisch bezeichnen kann. Trotzdem sind die Menschen nicht zufriedener als in den 50er-Jahren.

Unsere immer noch allgemein anerkannte Wirtschaftsideologie besagt, dass die Wirtschaft nur funktioniert, wenn sie wächst. Bei Wachstum finden immer mehr Menschen Arbeit und die Neuverschuldung des Staates wird weniger. Das stimmt kurzfristig. Langfristig ist es falsch.

Wir hatten einmal 200.000 Arbeitslose und keine Staatsschulden. Jetzt haben wir, abhängig von der Zählmethode, drei, vier oder sogar fünf Millionen Arbeitslose, nach offizieller Zählweise der Bundesagentur für Arbeit 2,4 Millionen in 2022 und 27.922 Euro Euro Staatsschulden pro Einwohner (Statisitsches Bundesamt, 2021).

Das gilt auch für Säuglinge, die diese Erblast mit auf den Lebensweg bekommen. Trotzdem gilt auch bei sinkender Einwohnerzahlweiterhin die Ideologie vom – ewigen – Wachstum, bei dem außerdem noch wichtige Rohstoffe unwiederbringlich dahinschwinden und unsere Atmosphäre aufgeheizt wird.

Allgemeines Wirtschaftswachstum gibt es dauerhaft nur bei steigendem Konsum. Den heizt die Werbung an. Sie ist genauso penetrant und wirkungsvoll wie die Propaganda der Nazis. Werbung baut auf vorhandenen Wünschen auf: Anerkennungssuche, Eitelkeit, Unterhaltung, genießen wollen, Fernweh ... Viele behaupten: „Werbung wirkt auf mich nicht.“ Über so eine naive Behauptung können Werbefachleute nur milde lächeln. Denn Werbung wirkt hauptsächlich über das Unterbewusstsein und bleibt deshalb dem bewussten Denken verborgen. Die gut ausgebildeten Werbefachleute bearbeiten Laien. Sie arbeiten so gut, dass inzwischen jeder zehnte Haushalt zahlungsunfähig ist und viele weitere die ihnen eingetrichterten Wünsche nur mühsam beherrschen können. Äußerlichkeiten wie Kleidung, Frisur, Fingernägel, Schmierchen, Wässerchen, wechselnde Wohnungseinrichtungen, ein gepflegtes und teures Auto und noch vieles mehr haben einen hohen Stellenwert und ihre Erhaltung und Erneuerung beansprucht einen großen Zeitaufwand und enorme Geldmengen. Viele Zeitgenossen geben mehr als die Hälfte ihres Einkommens für diese Äußerlichkeiten und Prestigeobjekte aus. Die Kosten für Werbung erhöhen die Preise. So zahlt jeder Bundesbürger 500 Euro jährlich für Werbung. Je abhängiger Menschen vom Konsum sind, umso mehr können Hersteller und Händler aus ihnen herausholen.

Viel Anerkennung bekommen, ist etwas sehr Angenehmes. Jeder hört gern: „Du hast aber ein schönes ...“ Aber diese Anerkennung ist oberflächlich. Als Basis für eine tiefe, stabile Beziehung reichen diese Äußerlichkeiten nicht.

Nun noch eine allerdings nur halb ernst gemeinte Einteilung der Menschen in vier Gruppen:

Alle Menschen sind eitel. Deshalb tragen auch alle Schmuck. Erstens die Naturmenschen finden diesen. Zweitens die Kulturmenschen stellen ihn selbst her . Drittens die Konsumer kaufen ihn und dann gibt es noch als Viertes die Superkonsumer. Sie brauchen ihren Schmuck nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern auch um zu zeigen, wie reich sie sind. Deshalb tragen sie so genannten „echten Schmuck".

Andere kaufen sich immer wieder mal ein großes teures Auto, um zu zeigen, was sie draufhaben. Aber im Grunde belegen sie damit nur, dass sie viel Geld für etwas nicht Notwendiges ausgeben, anstatt es sinnvoll einzusetzen.

Noch nie gab es in der Menschheitsgeschichte so viele grundlegende Änderungen wie heute. Nicht nur jedes Jahrhundert, sondern jedes Jahrzehnt und noch kürzere Zeitabschnitte bringen neue Herausforderungen, die für viele schwer fassbar sind. Es ist schade, dass sich in einer so spannenden Zeit so viele so intensiv mit Äußerlichkeiten beschäftigen, dass für die Auseinandersetzung mit tiefer liegenden Problemen kaum oder gar keine Zeit bleibt. Aber neben Pflichterfüllung, Beschäftigung mit persönlichen Problemen, Selbstmitleid, Konsum und Spaß sollte in unserer auf Sahne schwimmenden Gesellschaft für jeden etwas Zeit bleiben, um sich mit Gegenwarts- und Zukunftsbewältigung der Allgemeinheit und damit auch der eigenen zu beschäftigen. Es lohnt sich mehr Wissen und Vernunft als gute Handlungsgrundlage anzustreben.

Eine leistungsfähige Wirtschaft ist etwas Gutes. Sie birgt große positive Möglichkeiten. Maschinen übernehmen viele, besonders schwere und eintönige Arbeiten. Genug und abwechslungsreiches Essen und Trinken, warme Kleidung, warme Häuser, Bewegungsanreize, Informationsquellen, wie Bücher und Internet, Unterhaltungs- und Entspannungsmöglichkeiten sind, dank unserer gut ausgebauten Wirtschaft, im Überfluss vorhanden. Trotzdem fühlen sich die meisten nicht im Paradies. Einige der Gründe dafür sind die Folgenden:

Wir haben eine schlechte Arbeitsverteilung, bestehend aus unnötig langer Arbeitszeit, hoher Arbeitslosigkeit und überlasteten Beschäftigten. Die Werbung verschlingt enorme Geldmengen. Der Schönheitsstandard ist übertrieben. Hohe Konsumwünsche machen Arbeitnehmer erpressbar. Wir haben viele Stinkreiche, die das Zigfache eines armen Malochers verkonsumieren, ohne auch nur einen Ansatz von schlechtem Gewissen zu haben. Von 1992 bis 2006 ist der Durchschnittsverdienst bei den reichsten zehn Prozent unserer Bevölkerung um 31 Prozent gestiegen, während er bei den ärmsten zehn Prozent um 13 Prozent gesunken ist (Der Spiegel, 17.12.2007) und das, obwohl der Unterschied schon vorher riesig war. Politiker haben die Aufgabe, diesem Auseinanderdriften entgegenzuwirken. Die rechten Parteien tun das nicht. Unsere Staatsform ist die Demokratie, aber die meisten Menschen sind keine Demokraten, sondern Untertanen. In etlichen Ländern der Erde haben in den letzten Jahren Unzählige ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um wählen zu dürfen. Ungefähr 50 Prozent unserer Wähler gehen gar nicht wählen. Bis zu 30 Prozentwissen am Tag vor der Wahl noch nicht, welcher Partei sie ihre Stimme geben. Die so genannten Wetterwähler wählen bei Sonnenschein die Regierungsparteien, damit sich nichts ändert und bei Regen Opposition, damit sich viel ändert. Andere lassen sich von der Sympathie und Ausstrahlungskraft von Wahlplakaten beeinflussen. Es gibt viele Politiker, die sich sehr anstrengen und ehrlich das Beste wollen, aber nurwenige, die das merken. Zu wenige kennen die Unterschiede zwischen unseren Parteien. Unpolitisch sein ist heute ein positiver Begriff. Der Grundsatz: „Ich hab‘s gut. Ich bin doof und unpolitisch und deshalb immer unschuldig“, beschreibt leider die Einstellung zu vieler Menschen in unserem Land. Wir werden regiert von einem Zusammenspiel unserer Reichsten, den von ihnen gesponserten Parteien und den von beiden beeinflussten lieben, unpolitischen Wählern.

Hier leben viele Untertanen und nur wenige Demokraten. Nur wenige, die wissen, was für die meisten Menschen und die Natur gut ist und noch weniger, die bereit sind, an Veränderungen aktiv teilzunehmen, deshalb lassen Verbesserungen oft lange auf sich warten und es gibt immer wieder Rückschläge.

Die am stärksten verbreitete Religion unseres Landes ist das Christentum. Als Orientierungshilfe hat sie für viele Menschen auch weiterhin einen hohen Stellenwert. Der Einfluss von Werbung und Konsum ist jedoch unvergleichlich höher. Das dürfte daran liegen, dass das Christentum hauptsächlich für Bauern und Hirten geschaffen wurde und auf dem Wissen der damaligen Zeit fußt. Viele aktuelle Problembereiche werden in der Bibel, dem Koran und anderen heiligen Schriften nicht oder nur unzureichend behandelt: Positive und negative Möglichkeiten der Technik wie Computer, TV, Fortbewegungsmittel und elektrisches Licht, die Klimaveränderung, Umwelt- und Naturschutz, demografischer Wandel, Vereinsamung, neue Formen des Zusammenlebens, Demokratie,...

Früher mussten Religionen Vieles erklären: Wie entstehen Blitze? Warum fehlt manchmal vom Mond und der Sonne ein Stück? Wie entstanden der Artenreichtum und die Menschen? Diese Fragen sind heute geklärt, was die Rolle der Religionen schmälert. Aber warum gehen mehr Moslems als Christen, mehr Katholiken als Protestanten in ihre heiligen Häuser? Warum breitet sich der Islam aus? Ein Islam-Kenner sagte mir, dass diese Religion eine weitgehende Ordnung bringe. Das sei der Grund für ihre Attraktivität. Bei uns werden Weihnachten und Ostern gefeiert. Aber nicht als Christi Geburt und Auferstehung, sondern als Konsum- und Schenkefeste geben sie dem Jahr Struktur und haben deshalb eine gewisse Wichtigkeit. Nach meinen Erkenntnissen gab es in der Menschheitsgeschichte kein Volk ohne Religion. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass er eine Orientierungshilfe braucht. Dass es heute mindestens in Mitteleuropa keine wirksame gibt, macht es der Werbung leicht, in diese Lücke zu springen. In früheren Zeiten waren die Orientierungshilfen der Kampf ums Überleben und eine der vielen Religionen. Heute sind das mehr das Konsumdenken, bei manchen auch Sternzeichen und anderer Aberglaube.

Wenn man die Orientierungshilfe Konsum ablehnt, dann sollte man wenigstens eine Alternative bereithalten. In meinem Leben sind mir unter den Naturverbundenen viele begegnet, die sich vom allgemeinen Konsumverhalten nicht oder nur wenig mitreißen lassen. Das hat viele Gründe. Die Natur ist frei von Konsumanreizen wie Werbung und Schaufenster. Wer sich viel in der Natur bewegt, passt seine Kleidung nicht der Eitelkeit und dem Gerede von Menschen an, sondern Wetter, Gelände, Pflanzenwuchs und anderen Naturgegebenheiten. Die in der Natur Aktiven beschäftigen sich mit Artenvielfalt, Naturschutz, Umweltschutz, Klimaänderung, Artenkenntnis, Haustierhaltung, Exkursionen und Arbeitseinsätzen. Also mit Themen, die nichts oder nur sehr wenig mit Konsum zu tun haben. Viele Naturschützer sind mehr oder weniger religiös. Die meisten bauen ihr Denken aber hauptsächlich auf dem auf, was sie sehen und erleben. Eine Orientierungshilfe sollte weniger auf Glauben, sondern so weit wie möglich auf Erkenntnis und Wissen aufgebaut sein. Ob ein Einzelner, eine Gruppe oder etwas ganz anderes das Schöpfungsprogramm „Evolution“ erdacht hat, weiß niemand. Wahrscheinlich sind die Menschen nicht intelligent genug, um das jemals zu ergründen. Fest steht aber, dass hier etwas Gewaltiges, Wundervolles geschaffen wurde. Viele Künstler haben versucht, Natur auf verschiedene und oft sehr eindrucksvolle Weise darzustellen. Aber das Original bleibt schöner, bietet mehr Entdeckungsmöglichkeiten und Erlebnisse und ist viel facettenreicher als jedes Kunstwerk, das, so schön es auch sein mag, über einen Abklatsch des Originals nicht hinauskommt. Kunst kann aber immerhin auf die Schönheit der Natur hinweisen und vielleicht regt sie auch dazu an, sich das Original genauer anzusehen und es zu erleben.

Es sollte vielmehr getan werden, um dieses mit riesigem Abstand größte Kunstwerk aller Zeiten zu erhalten und ihm noch bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Auch sollten die Wissenden noch mehr zeigen, wie schön die Natur ist, noch mehr versuchen, vielen Mitmenschen Naturerlebnisse zu ermöglichen. Sich vom Fernseher unterhalten lassen, kann jeder. Natur erleben und genießen, muss aber gelernt werden. Was man nicht kennt, sieht man nicht. Eine Menge Naturerlebnisse sind ohne Anleitung kaum machbar.

Leider kann man viele Menschen nicht begeistern. Gegen die Werbepropaganda anzustinken, ist oft wie der Kampf einer Ameise gegen einen Elefanten. Aber die Ameise wächst und der Elefant wird lahmer. Immer mehr Menschen verstehen, dass ein Kampf gegen die Natur ein Kampf gegen sich selbst ist. Viele wollen naturnäher leben, wissen aber nicht, wie das geht. Deshalb sollten die mit der Natur vertrauten Menschen noch mehr bereit sein, ihr Wissen und ihre Erfahrungen von anderen anzapfen zu lassen.

1.1 Konsum oder Freiheit

Freiheit wird von vielen als ein rein positiver Begriff gesehen. Das halte ich für falsch. Je intensiver der Kontakt zu einem Menschen ist, umso mehr schränkt dieser die eigene Freiheit ein. Man muss ja immer auch Rücksicht nehmen auf die Wünsche, Empfindlichkeiten, Bedürfnisse und Verpflichtungen des anderen. Der freieste Mensch ist deshalb der, der ganz allein lebt. Der wird von keinerlei menschlichen Beschränkungen gequält. Glücklich sind solche zwar freien, aber vereinsamten Menschen nicht. Sie leiden unter ihrer zu großen Freiheit.

Menschen, die keinen Tagesrhythmus haben, also mal um 22 Uhr und mal um 4 Uhr morgens schlafen gehen, irgendwann irgendwas essen, sich also von allen Zeitzwängen befreit haben, leiden meist unter Schlafstörungen, sind nicht leistungsfähig und auch nicht zufrieden.

Es gibt jedoch vieles, was die persönliche Freiheit einschränkt, ohne dass sich dadurch die Lebensqualität irgendwie erhöht. Da sind die Drogen: Zigaretten, Alkohol, Kaffee, Hasch, Medikamente die viele regelmäßig nehmen müssen, z. B. um wach zu werden oder sogar nur, um den Suchtdrang zu befriedigen. Dazu gehört aber auch die Notwendigkeit täglichen Duschens, wohlschmeckenden Essens, der Wunsch, sich häufig bedienen zu lassen und ganz generell der Stolz auf einen „hohen Lebensstandard“, womit meist die Abhängigkeit von viel Konsum gemeint ist. Frei sein von vielen Konsumabhängigkeiten erhöht das persönliche Freiheitsgefühl, beseitigt so manchen Zeitdruck und steigert die Möglichkeit, Natur zu erleben und zu genießen.

Das Ziel, immer ganz toll zu wirken und das Herbeiführen wollen der größten Annehmlichkeiten, macht manches unnötig kompliziert. Das Anstreben eines einfachen Lebensstils ist da besser. Wenn ich eingeladen werde und ein wunderbar gedeckter Tisch mit einem herrlichen Menü warten auf mich und die gestressten Gastgeber explodieren fast, weil das letzte I-Pünktchen fehlt, dann fühle ich mich da nicht so wohl wie bei Pellkartoffeln, die mir von ausgeglichenen, fröhlichen Menschen vorgesetzt werden.

Ein alter Kühlschrank mit Gefrierfach verbraucht pro Jahr 330 Kilowattstunden Strom, 122 Euro Stromkosten und emittiert 190 Kilogramm CO2 (37,14 Cent pro kWh im April 2022 bei 3.500 kWh pro Jahr laut Finanztip). Das entspricht einer Autofahrt von Berlin nach Paris. Die besten neuen A+++-Kühl-Gefrier-Kombinationen verbrauchen etwas weniger als die Hälfte. Ab September habe ich meinen Kühlschrank über die Winterzeit abgeschaltet. Auf der Terrasse neben der Küche steht mein alternativer, neuer Kühlschrank - eine Holzkiste. Was etwas länger halten soll, befindet sich im kalten Keller. Außerdem habe ich noch einen Erdkühlschrank. Das ist ein dolles Ding. Er besteht aus einer eingegrabenen Waschmaschinentrommel und einem Holzdeckel. Im Erdkühlschrank herrschen sehr gleichmäßige Erdtemperatur und - feuchte. Gemüse hält sich hier sehr gut. Aber das Beste sind Esskastanien. Sie sind sehr schwer zu lagern. Wenn man sie zu feucht lagert, schimmeln sie. Lagert man sie zu trocken, dann werden sie schwarz und knochenhart. Ich hatte auch schon welche, die waren schwarz, hart und schimmelig. Reif werden sie im Oktober. Mitte Dezember sind die meisten schon schlecht. Im Erdkühlschrank halten sie bis April, dann fangen sie an zu keimen.

Das Einzige, was ich bis jetzt vermisse, ist ein bisschen Eis als Nachtisch. Ich denke, dass ich deshalb im Sommer für ein paar Schlemmertage den Kühlschrank einschalten werde. Der Sommer ist überhaupt die einzige Zeit, in der ein Kühlschrank echt nützlich ist, weil man sonst zu oft einkaufen muss.

Meist benutze ich auch keine Dusche. Wenn man warm anfängt und es dann immer kälter wird, lässt sich so manches ertragen. Ich habe im Garten eine von Regenwasser gespeiste Badewanne, in der ich mich täglich vergnüge. Das dauert in der kalten Jahreszeit meist zwei bis fünf Sekunden. Als einmal das Eis der Wanne erst beim Drauflegen brach, bin ich dann doch mehrere Tage duschen gegangen. Meist habe ich kalt geduscht, habe aber festgestellt, dass warm duschen zwar nicht nötig, aber doch ganz angenehm ist. Wenn ich mehrere Tage unterwegs bin, ist waschen in einem Fluss oder Bergbach kein Problem, denn ich bin ja kaltes Wasser gewöhnt.

Für meine drei dünnen Haare brauche ich weder Shampoo noch warmes Wasser. Das erfrischende Kühl der Wanne reicht und belebt.

Weil manche Gäste es unbedingt wollen, steht bei mir Geschirrspülmittel in der Küche. Ich benutze es nicht. Mir ist ein dünner Fettfilm lieber als ein Film Spülmittel auf dem Geschirr.

Allgemein gilt der Grundsatz „je sauberer umso besser“. Ich halte das für falsch. Bekannt ist, dass Menschen, die viel Erdkontakt haben, weniger unter Allergien leiden als steril lebende Menschen. Der Körper muss immer wieder mit Erde und anderen körperfremden Stoffen konfrontiert werden, damit er den Unterschied zwischen körpereigenen und körperfremden Stoffen erkennt. Vor Jahren war ich regelmäßig in einer öffentlichen Sauna. Da war ein Pärchen, das sich vor dem ersten und nach jedem Saunagang gründlich mit Reinigungsmittel duschte und nach dem letzten Gang noch einmal den ganzen Körper einschäumte. So wurden alle Krankheitsabwehrstoffe aus der Haut gewaschen. Beide waren deutlich jünger als ich und beide leben nicht mehr. So bin ich lieber ein gesunder Schlamper als ein kranker Steriler, der bei allen Putzteufeln hohe Anerkennung genießt.