Lebensmittellügen - Christoph Wiedmer - E-Book

Lebensmittellügen E-Book

Christoph Wiedmer

0,0
14,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die miesen Tricks der Industrie durchschauen Was essen wir da eigentlich? Wissen Sie ganz genau, was alles in Ihrem Einkaufswagen landet? Wahrscheinlich nicht, denn nirgends kursieren so viele Mythen, Irrtümer und Lügen wie in der Welt der Ernährung: Sind Süßstoffe tatsächlich so schädlich wie ihr Ruf? Steht auf der Verpackung wirklich alles, was auch drin ist? Bringen Proteinpulver für Sportler und Nahrungsergänzungsmittel wirklich was, oder schaden sie am Ende sogar? Und sind Superfoods eigentlich so gesund, wie immer behauptet wird? Lebensmittelchemiker Christoph Wiedmer kennt die Antworten auf diese und viele weitere Fragen und zeigt in seinem Buch praktisch und unterhaltsam, worauf wir beim nächsten Einkauf wirklich achten sollten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher:www.piper.deSämtliche Aussagen in diesem Buch wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und beziehen sich auf in Deutschland geltendes Recht. Da sich aber sowohl das Lebensmittelrecht als auch der Stand der Wissenschaft ständig weiterentwickeln, können weder der Autor noch der Verlag deren Richtigkeit und Aktualität garantieren.© Piper Verlag GmbH, München 2022Covergestaltung: FAVORITBUERO, MünchenCovermotiv: Image Source / Getty ImagesKonvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe) Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem Buch (etwa durch Links) hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen. Eine Haftung dafür übernimmt der Verlag nicht.

 

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Ein paar Kleinigkeiten vorab …

Lebensmittelkennzeichnung: Was steht drauf, was ist drin?

Die Bezeichnung – der »Name« des Produkts

Was drin ist, steht auch drauf? – Das Zutatenverzeichnis im Detail

Zusammengesetzte Zutaten: Fluch und Segen zugleich? Oder: Die Geschichte vom versteckten Zucker

Verarbeitungshilfsstoffe: Die Geister unter den Zusatzstoffen

Carry Over: Wie Zusatzstoffe einfach verschwinden

Funktionelle Zutaten: Wölfe im Schafspelz

Lebensmittel ohne Zutatenverzeichnis: Über das Recht zu schweigen

Fazit: Transparenz geht anders

Zusatzstoffe und Aromen: Was machen die eigentlich?

Süßstoffe: Süßes Gift?

Modifizierte Atmosphären: Mehr als nur heiße Luft

Aroma: Kleines Wort, große Wirkung

Fazit: Weniger ist mehr

Fleißbildchen für Lebensmittel? – Was Gütesiegel wirklich bedeuten

Private Gütesiegel

Stiftung Warentest und Öko-Test: Geprüft und für gut befunden

Das DLG-Siegel: Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Ohne Gentechnik – oder doch nicht?

Nachhaltigkeitssiegel: Gute Sache oder »Greenwashing«?

Das »V«-Label: Alles Veggie, oder was?

Das Regionalfenster: Wissen, wo das Essen herkommt

Staatliche Gütesiegel

Besonderer Schutz für besondere Produkte: EU-weit geregelte geografische Angaben und Herstellungsverfahren

Bio-Siegel: Grüne Logos für das grüne Gewissen

Nutri-Score: Gesunde Lebensmittel einfach erkennen?

Fazit: Vertrauen ist gut, (staatliche) Kontrolle ist besser

Chia, Goji und andere Trend-Lebensmittel – Superfoods oder nur ein Supermarketing?

Smoothies: Vitamin- oder Kalorienbomben?

Bananenschalen mit Sägemehl zum Frühstück – oder: Dürfen Hersteller wirklich alles zum Superfood erklären?

Superfoods: Eigentlich superschädlich?

Fleischersatzprodukte: Nur was für eingefleischte Veganer?

Fazit: Superfoods sind superteuer, sonst eigentlich nichts

Wenn’s auch mal ein bisschen mehr sein darf: Nahrungsergänzungsmittel und Fitnessfood

Das System der Influencer-Werbung

Fitnessfood: Iss dich schlank, schön und fit?

Nahrungsergänzungsmittel: Sinnvolle Ergänzung oder bittere Pillen?

Health Claims: Legalisierte Lügen?

Wie riskant sind scheinbar harmlose Vitaminpillen?

Arzneiwirkstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Supermarkt?!

Die Anzeigepflicht für Nahrungsergänzungsmittel: Echter Verbraucherschutz?

Extrakte aus Arzneipflanzen

Schlafmittel mit Melatonin

Stimmungsaufheller mit 5-Hydroxytryptophan (5-HTP)

Verkehrsverbote für Funktionsarzneimittel

Cannabidiol (CBD): Wenn Sie Ihr Essen sogar in den Knast bringen kann

Hanfextrakte und das Betäubungsmittelrecht

THC-freie CBD-Öle

Und wieder: Das Problem mit dem Verkehrsverbot

Fazit: Alles muss man selber machen!

Essen kann tödlich sein –aber wer und was schützt uns eigentlich davor?

Wer sorgt eigentlich dafür, dass unsere Lebensmittel sicher sind?

Warum sagt mir keiner was?! Kontrollergebnisse und die Information der Öffentlichkeit

Fazit: Es muss sich einiges ändern!

… und jetzt?

Rechtsgrundlagen

Quellen

Anmerkungen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Ein paar Kleinigkeiten vorab …

Eigentlich leben wir ja im Paradies: Noch nie in unserer gesamten Geschichte war es für Menschen in Mitteleuropa so leicht, sich gesund zu ernähren, wie heute. Schließlich können wir uns das ganze Jahr über im Supermarkt mit frischem Obst und Gemüse und allen anderen nur erdenklichen Lebensmitteln versorgen.

Aber machen wir uns nichts vor: Niemand kauft im Supermarkt nur Obst, Gemüse und andere Grundzutaten wie Zucker, Eier und Mehl. Denn unsere Beziehung zu den Lebensmitteln hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert: Essen ist längst keine reine Nahrungsaufnahme mehr – es ist Statussymbol oder Ausdruck einer Überzeugung geworden. Gleichzeitig erwarten wir auch immer mehr von unserem Essen: Es soll nicht nur gut schmecken, sondern auch gesund, lange haltbar, einfach zuzubereiten und möglichst preiswert sein. Und so landet eben auch der süße Fruchtjoghurt mit einem überraschend niedrigen Fruchtanteil in unserem Einkaufskorb, genauso wie Chips und Schokoriegel, die vieles sind, nur kein Bestandteil einer gesunden Ernährung. Dazu gesellen sich auffallend rosiges Fleisch, angeblich fangfrischer Fisch oder Vanillearoma, das so gar nichts mit echter Vanille zu tun hat.

Als Lebensmittelchemiker kenne ich solche Produkte und die damit verbundenen kleinen und großen Werbelügen der Industrie in- und auswendig. Ich weiß genau, auf welche Details ich beim Einkaufen achten muss und bei welchen Lebensmitteln es sich besonders lohnt, einen prüfenden Blick ins Zutatenverzeichnis zu werfen: Eine »Bratensoße« hat zum Beispiel absolut nichts mit einer »Soße zu Braten« gemeinsam (nur die erste enthält Fleisch).

Außerhalb meiner kleinen Fachwelt kennt solche Details aber kaum jemand. Und das, obwohl wir alle mehrmals täglich etwas essen. Allerdings ist das auch kein Wunder, denn wenn Sie sich über Ihr Essen informieren wollen, landen Sie früher oder später nur bei grimmigen, unwissenschaftlichen Büchern, die am Ende bloß das altbekannte Klischee der »bösen Lebensmittelindustrie« zementieren wollen.

Aber wie realistisch sind solche Weltbilder? Sind Süßstoffe tatsächlich so schädlich und Superfoods so gesund, wie immer behauptet wird? Steht wirklich alles auf der Verpackung, was in dem Lebensmittel drin ist? Was bringen Proteinpulver für Sportler und Nahrungsergänzungsmittel wirklich, oder schaden sie am Ende sogar? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem »natürlichen Vanillearoma« und einem »natürlichen Aroma ›Vanille‹«?

Diesen und noch vielen anderen Fragen möchte ich mich in diesem Buch widmen. Aber nicht nur das: Ich möchte Ihnen auch die rechtlichen und chemischen Zusammenhänge erklären und mit konkreten Beispielen auf Dinge aufmerksam machen, auf die Sie bei Ihrem nächsten Lebensmitteleinkauf achten können (und sollten), wenn Sie wirklich wissen wollen, was Sie sich da eigentlich in den Einkaufskorb legen. Außerdem will ich Ihnen zeigen, wo die Politik die Lebensmittelindustrie aus meiner Sicht noch viel stärker in die Pflicht nehmen sollte. Denn wenn man sich die vielen industriefreundlichen Schlupflöcher im aktuellen Lebensmittelrecht mit ein bisschen Sachverstand näher anschaut, kann einem echt der Appetit vergehen …

Lebensmittelkennzeichnung: Was steht drauf, was ist drin?

Kaum schlägt man die Zeitung auf, wartet dort schon der nächste Aufreger im Lebensmittelbereich, wie Hackfleisch, das in der Presse kritisiert wurde, weil es statt 100  Prozent Fleisch nur zu 70  Prozent aus Fleisch und ansonsten im Wesentlichen aus »schnittfestem Wasser« besteht.[1] Aber damit nicht genug: Auch im Fernsehen prangert eine Verbrauchersendung nach der anderen die »Tricks der Lebensmittelindustrie« an, mit denen teure Zutaten ausgetauscht und durch billige ersetzt werden. Und selbst bei Lebensmittelklarheit.de, einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanzierten und von den Verbraucherzentralen betreuten Portal, über das Verbraucher Lebensmittel melden können, von denen sie sich getäuscht fühlen, gibt es nach aktuellem Stand knapp 12 000 Beschwerden.[2]

Wie kann das sein? Schließlich hat das deutsche bzw. europäische Lebensmittelrecht explizit das Ziel, uns sowohl vor Gesundheitsgefahren als auch vor Täuschung zu schützen. Wenn man sich so umschaut, entsteht allerdings schnell der Eindruck, dass gerade beim Täuschungsschutz noch etwas Nachholbedarf besteht. Aber was bedeutet »Täuschung« eigentlich konkret? Im lebensmittelrechtlichen Kontext kann man eine Täuschung als das Verwenden von Informationen verstehen, »die das Produkt für den Konsumenten attraktiver erscheinen lassen (sollen), als es in Wahrheit ist«.[3] Dadurch »entwickelt der Verbraucher eine höhere, der suggerierten Produktqualität entsprechende Zahlungsbereitschaft oder tätigt einen Kauf, von dem er ohne die täuschenden Informationen abgesehen hätte«.[4] Deshalb ist es in Deutschland natürlich verboten, Lebensmittel mit irreführenden Angaben in den Verkehr zu bringen – wer dagegen verstößt, muss mit einer Geldstrafe rechnen oder kann sogar für bis zu zwölf Monate ins Gefängnis wandern.

Aber wie passt das zu all diesen Medienberichten, oder – anders gefragt – warum sitzen die jeweiligen Firmenchefs nicht schon alle im Knast? Ganz einfach: Die Rechtsprechung, insbesondere der Europäische Gerichtshof (EuGH), geht von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aus, der beispielsweise auch das Zutatenverzeichnis liest.[5] Gleichzeitig zeigt eine Studie der Uni Gießen, in der Produktmeldungen bei Lebensmittelklarheit.de systematisch ausgewertet wurden, dass die überwiegende Mehrheit der Meldungen (71,8 Prozent) aus enttäuschten Erwartungen resultieren, die man, salopp gesagt, dadurch hätte vermeiden können, indem man sich vor dem Kauf einfach mal die Verpackung genauer anschaut.[6]

Das Konzept eines aufmerksamen Verbrauchers ist natürlich, wie besonders die neueren EuGH-Urteile zeigen,[7] kein Freifahrtschein für sämtliche Täuschungsversuche seitens der Hersteller. Trotzdem heißt das für uns, dass wir zwei Möglichkeiten haben: Entweder wir meckern weiter bei den Straßenumfragen von irgendwelchen Verbrauchersendungen, dass wir die Aufmachung von bestimmten Produkten doof finden, oder wir setzen uns intensiver damit auseinander, was genau auf unseren Lebensmitteln eigentlich draufsteht und, vor allem, was nicht.

Die Bezeichnung – der »Name« des Produkts

Wenn man wissen möchte, was es mit einem bestimmten Lebensmittel auf sich hat, darf man sich also nicht von den bunten Verpackungen ablenken lassen, sondern muss einen Blick ins Kleingedruckte werfen. Das Erste, was man da meistens findet, ist die Bezeichnung des Produkts. Sie kennen diese Bezeichnung wahrscheinlich nur als das Phänomen, wodurch Lebensmittel plötzlich ganz anders heißen als auf der Schauseite. Aus einer Cola wird dann zum Beispiel ein »Koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk« oder Schoko-Donuts werden zum »Hefegebäck mit kakaohaltiger Fettglasur«. Aber warum ist das so? Und wie um alles in der Welt soll dieses Kauderwelsch beim Einkaufen helfen?

Schauen wir uns dafür mal die rechtlichen Grundlagen an. Die finden wir in Artikel 17 der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV):

Ein Lebensmittel wird mit seiner rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnet. Fehlt eine solche, so wird das Lebensmittel mit seiner verkehrsüblichen Bezeichnung oder, falls es keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt oder diese nicht verwendet wird, mit einer beschreibenden Bezeichnung bezeichnet.

[…]

Die Bezeichnung des Lebensmittels darf durch keine als geistiges Eigentum geschützte Bezeichnung, Handelsmarke oder Fantasiebezeichnung ersetzt werden.

Das klingt erst mal ziemlich kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach. Fangen wir dazu noch mal ganz oben an: »Ein Lebensmittel wird mit seiner rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung bezeichnet.« Was heißt das? Es muss jeweils eine Rechtsverordnung geben, also zum Beispiel eine Käseverordnung, eine Honigverordnung, eine Butterverordnung, eine Kaffeeverordnung, eine Konfitürenverordnung, eine Kakaoverordnung etc., und da steht ganz genau drin, welche Bezeichnung man auf das jeweilige Lebensmittel schreiben muss. Diese Idee wirkt natürlich erst einmal absurd; allerdings gibt es diese Verordnungen tatsächlich. Die Kakaoverordnung regelt zum Beispiel, wie viel Kakao und Kakaobutter mindestens in einem Produkt enthalten sein müssen, damit man es »Schokolade« nennen darf.

Natürlich kann nicht jedes Lebensmittel per Gesetz geregelt sein. Nehmen wir zum Beispiel Schokoladeneis; das taucht in der Kakaoverordnung nicht auf. Welche Bezeichnung muss also da drauf? Wie wir gesehen haben, schreibt die LMIV vor, dass, wenn eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung fehlt, die verkehrsübliche Bezeichnung verwendet wird. Darunter versteht man eine Bezeichnung, die von Verbrauchern verstanden wird, ohne dass eine weitere Erklärung notwendig wäre.

In Deutschland gilt in der Regel das als verkehrsüblich, was in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs festgelegt ist. Für Schokoladeneis ist in den Leitsätzen für Speiseeis zum Beispiel festgelegt, dass es üblicherweise Kakaopulver oder Schokolade enthält;[8] wie viel davon mindestens verwendet werden muss, ist aber nicht vorgeschrieben. Das bleibt dem Hersteller überlassen. Abgesehen davon ist das Deutsche Lebensmittelbuch keine Rechtsnorm und damit unverbindlich.

Richtig spannend wird es allerdings, wenn es für ein Lebensmittel auch keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt. Nehmen wir das Beispiel Überraschungseier: Die stehen weder in der Kakaoverordnung noch im Deutschen Lebensmittelbuch. Das ist aber auch irgendwie logisch, denn dort kann ja schlecht die komplette Produktpalette von Ferrero abgedruckt sein – zusammen mit den Produkten von sämtlichen anderen Schokoladenherstellern.

Schauen wir also ein letztes Mal in den Artikel 17 LMIV: Wenn die Optionen gesetzlich geregelte oder verkehrsübliche Bezeichnung wegfallen, muss eine beschreibende Bezeichnung verwendet werden. Und eine Bezeichnung darf nicht durch einen Fantasienamen oder Ähnliches ersetzt werden. Damit heißt unser Überraschungsei also rechtlich korrekt »Vollmilchschokoladenhohlkörper mit Milchcreme«.

Wie hilft das jetzt aber beim Einkaufen? Ganz einfach: Wir haben gesehen, dass Bezeichnungen umso komplizierter werden, je weniger rechtliche Vorgaben es für das entsprechende Produkt gibt beziehungsweise je stärker es von der allgemeinen Erwartung abweicht. Bei solchem »Kauderwelsch« handelt es sich also meistens um beschreibende Bezeichnungen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Zusatz »mit kakaohaltiger Fettglasur«. Das ist, wie Sie sich jetzt vielleicht schon denken können, keine komische Umschreibung für Schokolade (die wäre ja in der Kakaoverordnung geregelt). Stattdessen erkennt man beim Blick ins Zutatenverzeichnis, dass es sich bei der Glasur nur um einen billigen Schokoladenersatz aus ein bisschen Kakaopulver und Pflanzenfett handelt. Gleiches gilt für die Formulierung »mit Vanillegeschmack«. Wenn Sie das lesen, brauchen Sie nicht zu erwarten, mehr als nur den Geschmack von Vanille (sprich: nur Vanillearoma) im Produkt zu finden. Oder wenn Ihnen im Dönerladen Fleisch vom Hähnchen-Puten-Drehspieß statt einem Döner Kebab angeboten wird, verrät Ihnen das genauso, dass hier ein so minderwertiges Fleischerzeugnis gegrillt wird, dass das damit gefüllte Brot nicht mehr »Döner« genannt werden darf.

Eindeutige Bezeichnungen sind also eine sinnvolle Sache und wichtige Orientierung beim Einkaufen. Trotzdem werden sie immer wieder heiß diskutiert. Online finden sich beispielsweise in schöner Regelmäßigkeit Diskussionen nach dem Motto »Warum darf eine Hafermilch nicht ›Milch‹ heißen, aber Kokosmilch und Scheuermilch schon?« oder »Warum darf ein veganer Käseersatz nicht ›Käseersatz‹ heißen?«. Vielleicht wundern Sie sich darüber, denn Begriffe wie »Hafermilch« und »Sojamilch« haben längst Einzug in die Alltagssprache gefunden. Tatsächlich sind Begriffe wie »Milch« oder »Käse« besonders geschützt und daher als Produktbezeichnung für alle anderen Lebensmittel verboten, die eben keine Milch oder kein Käse sind. Und das ist auch sinnvoll, denn es ist schließlich Sinn und Zweck der Bezeichnung, eindeutig zu sein und so eine schnelle Orientierung zu ermöglichen. Und dieselben restriktiven Regelungen, die Begriffe wie »Hafermilch« und »Käseersatz« verbieten, schützen uns gleichzeitig davor, dass Hersteller Milch und Käse mit billigen Zutaten, wie Wasser und Pflanzenfett, strecken und unter ähnlichen Namen, wie »Milchgetränk« oder »Käsekomposition«, verkaufen dürfen. Das würde doch keiner machen? Von wegen! Denn solche Produkte gibt es schon längst, zum Beispiel in Form von streichfähiger Butter, also Butter, die bei Kühlschranktemperatur noch cremig weich ist. Die kann man einfach aus dem Kühlschrank nehmen und sich direkt aufs Brot schmieren – praktisch, oder? Um diesen Effekt zu erreichen, wird Butter mit ca. 15 Prozent Rapsöl vermischt. Dank der aktuellen Gesetze findet man auf diesen Produkten statt des Begriffs »Butter« aber nur noch die Bezeichnung »Mischstreichfett«. Zu Recht, denn Rapsöl ist um ein Vielfaches billiger als Butter; das Endprodukt ist also minderwertiger, kostet im Supermarkt aber meistens genauso viel oder (je nach Marke) sogar mehr als die echte, nicht mit Rapsöl gestreckte Butter. Die eindeutige Bezeichnung zahlt sich hier also definitiv aus, weil Sie sofort erkennen können, welche Art von Produkt Sie da gerade vor sich haben.

Vor diesem Hintergrund wüsste ich auch bei der Hafermilch nicht, was ein Lebensmittel, für das man pro Liter ungefähr einen gehäuften Esslöffel Hafer in Wasser wirft, ein paar Zusatzstoffe dazugibt, das Ganze homogenisiert und anschließend mit einer gigantischen Gewinnmarge verkauft, mit Kuhmilch gemeinsam haben soll – außer der Optik natürlich. Warum sollten sie denselben Namen haben? (Besonders spannend wird diese Frage übrigens auch bei den vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten werden, aber dazu später mehr.)

Und auch die scheinbaren Widersprüche »Kokosmilch« und »Scheuermilch« lassen sich leicht erklären: »Kokosmilch« ist ein traditionell gewachsener Begriff und genießt als solcher Bestandsschutz, genauso wie der Milchbrätling (ein Speisepilz), der Leberkäse und die Erdnussbutter, die bekanntermaßen auch keine Milch, keinen Käse oder keine Butter enthalten. Für neuere Produkte wie Soja-, Hafer- und Mandelmilch gibt es diesen Bestandsschutz einfach nicht. Und für die Scheuermilch gelten die Regelungen aus dem Chemikalien- und nicht die aus dem Lebensmittelrecht. Abgesehen davon: Wer Milch kaufen will, wird mit Sicherheit nicht aus Versehen zur Scheuermilch greifen. Auf der anderen Seite kenne ich aber Supermärkte, in denen die H-Milch direkt neben der »Sojamilch« im Regal steht. Bei Lebensmitteln sind eindeutige Bezeichnungen also durchaus sinnvoll.

Kommen wir aber zurück zur Bezeichnung selbst. In ihrer unmittelbaren Nähe findet man nämlich häufig weitere Hinweise darauf, ob oder wie das Lebensmittel behandelt wurde, die Sie beim Einkaufen beachten sollten. Viele dieser Hinweise sind bei entsprechend behandelten Lebensmitteln sogar gesetzlich vorgeschrieben. Der Zusatz »geschwärzt« bei Oliven bedeutet beispielsweise, dass keine schwarzen, sondern grüne Oliven verarbeitet wurden. Sie sehen nur deshalb schwarz aus, weil sie chemisch behandelt wurden, und schmecken natürlich nicht einmal ansatzweise so aromatisch wie echte schwarze Oliven.

Auch beim Hinweis »aufgetaut« sollte man hellhörig werden. Dass Lebensmittel durch das Einfrieren, die Lagerung und das Wiederauftauen einiges an ihrer Qualität eingebüßt haben können, ist eigentlich selbsterklärend; der Hinweis wird aber oft übersehen, weil man ihn nicht erwartet. Wenn man aber darauf achtet, findet man ihn überraschend häufig, zum Beispiel bei vielen Produkten in Selbstbedienungs-Backshops, die eine Zuckerglasur haben (die können vor Ort nicht aufgebacken werden und werden deshalb komplett fertig angeliefert und nur aufgetaut). Auch im Supermarkt finden Sie den Hinweis, beispielsweise auf (vermeintlich) frischem Fisch oder auf Grillfleisch. Und das sowohl auf Preisschildern in der Fleisch- und Fischtheke als auch bei Fisch und Fleisch, die eingeschweißt in den typischen Plastikschalen verkauft werden. Der Grund dafür liegt bei Grillfleisch auf der Hand: Schweine werden das ganze Jahr über geschlachtet, Schweinenacken wird allerdings überwiegend im Sommer in Form von Steaks beim Grillen gegessen. Deshalb wird das Fleisch im Winter eingefroren und im Sommer wieder aufgetaut und mariniert.[1] Und bei Hochseefischen ist es logistisch einfacher und damit billiger, den Fisch auf hoher See einzufrieren, um ihn haltbar zu machen, und die Filets später wieder aufzutauen. Gerade bei aufgetautem Fisch können Sie sich wirklich die Frage stellen, ob Sie das gleiche Produkt ein paar Meter weiter in der Tiefkühltruhe nicht günstiger bekommen. Auftauen lassen können Sie es ja selbst.

Auch bei Kartoffeln und Zitrusfrüchten kann es sich lohnen, die Kennzeichnung ganz genau zu lesen: Je nach Angebotsform finden Sie auf der Verpackung oder, bei loser Ware, auf dem Preisschild häufig Hinweise wie »nach der Ernte behandelt« oder »konserviert mit Thiabendazol«. Die Formulierungen erklären jeweils, dass die Früchte mit Pestiziden behandelt worden sind, um sie länger haltbar zu machen. Dass das bei Zitrusfrüchten gemacht wird und man ihre Schalen deshalb nicht zum Kochen verwenden sollte, wissen die meisten und achten darauf, als »unbehandelt« gekennzeichnete oder Biozitrusfrüchte zu kaufen, wenn sie die Schale mitverarbeiten wollen. In diesem Zusammenhang sollten Sie den Begriff »Kochen« übrigens nicht allzu eng auslegen. Ich würde zum Beispiel auch davon abraten, Limetten mit behandelter Schale für einen Caipi zu verwenden. Denn Alkohol ist auch für viele Pestizide ein gutes Lösungsmittel …

Bei Kartoffeln ist die Behandlung der Schale genauso verbreitet, aber kaum bekannt. Auch hier können Mittel zur Behandlung der Schale eingesetzt werden, die die Kartoffel länger frisch halten sollen, darunter auch Wirkstoffe, die von der Schale ins Innere der Kartoffel wandern und das Auskeimen verhindern. Schälen hilft bei solchen Wirkstoffen also herzlich wenig. Auf der total sicheren Seite ist man deshalb erst, wenn man komplett auf unbehandelte Kartoffeln umsteigt.

Tipps für Ihren nächsten Einkauf

Wenn Sie das nächste Mal im Supermarkt sind, dann achten Sie auf die Bezeichnung, und vergleichen Sie das, was Sie erwarten würden, mit der Bezeichnung, die tatsächlich auf dem Produkt steht. Nehmen wir an, Sie wollen Fetakäse kaufen, also einen griechischen Schafskäse, und finden im Kühlregal ein Produkt mit dem klangvollen Namen »Hirtenkäse« oder »Balkan-Käse«, das man auf den ersten Blick durchaus für Fetakäse halten könnte. Mit einem Blick auf die Bezeichnung (zum Beispiel »Deutscher Käse aus Kuhmilch, in Salzlake gereift«) erkennen Sie sofort, was Sie hier tatsächlich vor sich haben. Oder wenn Sie Rinderhackfleisch erwarten und stattdessen »Zubereitung aus Rinderhackfleisch mit pflanzlichem Eiweiß« lesen, dann wissen Sie auch gleich, dass Sie hier nicht das bekommen, was Sie eigentlich haben wollen, noch bevor Ihnen das Zutatenverzeichnis (oder die Tageszeitung) verrät, dass da nur 70 Prozent Fleisch drin sind.

 

Was drin ist, steht auch drauf? – Das Zutatenverzeichnis im Detail

Der Blick auf die Bezeichnung kann natürlich nur ein erster Hinweis darauf sein, was ein Produkt tatsächlich enthält. Schließlich gibt es etliche rechtliche Vorschriften zur Bezeichnung, die man (selbst wenn man das zufällig beruflich macht) gar nicht alle im Detail auswendig wissen kann. Genau diese Vorschriften legen aber beispielsweise fest, dass in Kalbsleberwurst ganz legal massig Schweinefleisch und sogar Schweineleber enthalten sein dürfen oder dass Bayerischer Leberkäse keine Leber enthalten muss.[9] Man kommt also trotz der Bezeichnung in der Regel nicht daran vorbei, sich auch das Zutatenverzeichnis einmal genauer anzuschauen.

Aus rechtlicher Sicht gibt es für das Zutatenverzeichnis im Wesentlichen nur zwei wichtige Vorgaben: Erstens muss am Anfang eine Überschrift stehen, die das Wort »Zutaten« enthält, und zweitens müssen alle Zutaten in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels aufgelistet werden. Je mehr von einer Zutat eingesetzt wird, desto weiter vorne steht sie also. So weit die Theorie. Aber, wie so oft, steckt auch hier der Teufel im Detail. Beim Zutatenverzeichnis gibt es nämlich diverse Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen, sodass man als »normaler« Kunde nach der heutigen Rechtslage eigentlich keine Chance hat, herauszufinden, wie ein Lebensmittel genau zusammengesetzt ist, geschweige denn, was tatsächlich in einem Produkt drin ist. Einiges verraten uns die Etiketten zwar, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Verabschieden Sie sich am besten von der oft propagierten Vorstellung »Was drin ist, steht auch drauf«.

Zusammengesetzte Zutaten: Fluch und Segen zugleich? Oder: Die Geschichte vom versteckten Zucker

Also, los geht’s: und zwar direkt mit der Frage, ob das, wovon am meisten in einem Produkt enthalten ist, tatsächlich an erster Stelle im Zutatenverzeichnis stehen muss. Spoiler: Muss es in der Praxis natürlich nicht. Aber warum nicht? Und ist das tatsächlich so schlimm?

Um zu verstehen, warum die Reihenfolge der Zutaten doch nicht immer deren Menge entspricht und wie man ungeliebte Zutaten »verstecken« kann, machen wir einmal ein kleines Experiment mit dem Beispiel Zucker. Stellen Sie sich vor, Sie haben Erdbeermarmelade mit Vanille nach Uromas Rezept gekocht (1 kg Erdbeeren, 1 kg Zucker und 2 Päckchen Vanillezucker), wollen die Marmelade verkaufen und schreiben deshalb ein Zutatenverzeichnis dafür. Es müssten also entweder die Erdbeeren oder der Zucker an erster Stelle stehen, weil davon am meisten verwendet wird, und der Vanillezucker am Schluss. Beim Vanillezucker handelt es sich aber um eine sogenannte »zusammengesetzte Zutat«, das heißt, die Zutat besteht noch einmal aus weiteren Zutaten, in unserem Fall aus Zucker und gemahlenen Vanilleschoten. Diese Zutaten können einfach nach der Bezeichnung der zusammengesetzten Zutat in Klammern aufgelistet werden, wieder in absteigender Reihenfolge ihres Anteils, also erst der Zucker, dann die Vanille. Das vollständige Zutatenverzeichnis für unsere Marmelade müsste also so aussehen:

Zutaten: Erdbeeren, Zucker, Vanillezucker (Zucker, gemahlene Vanilleschoten)

Vielleicht wollen Sie aber nicht, dass Ihre Kunden wissen, dass Sie fertigen Vanillezucker verwenden und keine Vanilleschoten? Kein Problem! Es gibt nämlich auch die Möglichkeit, zusammengesetzte Zutaten ins Zutatenverzeichnis zu schreiben, indem man nur die einzelnen Zutaten ins Verzeichnis aufnimmt und die Mengen der einzelnen Zutaten mit den restlichen Zutaten gegenrechnet. Bei unserer Marmelade müsste man dann die Menge Zucker aus dem Vanillezucker mit dem restlichen Zucker zusammenrechnen. Nehmen wir dafür an, dass aus dem Vanillezucker noch einmal 10 g Zucker in die Marmelade kommen. Damit hätten wir dem Produkt insgesamt 1,01 kg Zucker zugesetzt, also mehr Zucker als Erdbeeren. Der Zucker müsste deshalb bei dieser Variante des Zutatenverzeichnisses an erster Stelle stehen:

Zutaten: Zucker, Erdbeeren, gemahlene Vanilleschoten

»Moment mal«, höre ich Sie schon protestieren, »eine Marmelade, die hauptsächlich aus Zucker besteht, die kauft doch kein Mensch! Kriegen wir den Zucker nicht irgendwie wieder weiter nach hinten?« Aber natürlich! Dafür ändern wir einfach unser Marmeladenrezept und ersetzen einen Teil des Zuckers durch Glucose-Fructose-Sirup. Das ist auch eine Art von Zucker, macht die Marmelade also genauso süß und haltbar und lässt sich in Marmeladen sogar besser verarbeiten als Kristallzucker, weil der Sirup schon flüssig ist und man den Zucker dadurch nicht erst auflösen muss. Und schon sind die Erdbeeren wieder auf Platz eins im Zutatenverzeichnis, obwohl die Hauptzutat immer noch Zucker ist:

Zutaten: Erdbeeren, Zucker, Glucose-Fructose-Sirup, gemahlene Vanilleschoten

Und mit genau diesen Strategien werden auch in der Lebensmittelindustrie Zutatenverzeichnisse erstellt. Hohe Zuckergehalte können verschleiert werden, indem statt einer Auflistung aller Zutaten zusammengesetzte Zutaten deklariert werden. Dadurch taucht das Wort »Zucker« also nicht weit vorne, dafür aber mehrmals im Zutatenverzeichnis auf. Bei einem Schokomüsli zum Beispiel im Müsli selbst, in den Cornflakes, den Krokantstückchen und in der Schokolade.

Zusätzlich oder alternativ dazu können unterschiedliche Zuckerarten eingesetzt werden. Statt nur »Zucker« findet man dann im Verzeichnis auch Zutaten wie Gerstenmalzextrakt, verschiedenste Sirupe (z. B. Glucose-Fructose-Sirup oder Karamellzuckersirup) oder diverse Zutaten, die auf »-ose« enden, wie Glucose, Dextrose, Maltose, Lactose, etc. (außer Aprikose natürlich). Verbraucherzentralen berichten sogar von siebzig weiteren Bezeichnungen für süßende und zum Zuckergehalt beitragende Zutaten.[10]

Allerdings darf man nicht vergessen, dass sich die unterschiedlichen Zuckerarten nicht nur in ihrem Namen unterscheiden, sondern sich auch anders verhalten. Manche lassen sich besser verarbeiten, weil sie flüssig sind, andere bringen einen bestimmen Eigengeschmack mit (z. B. Honig), und wieder andere Zucker ziehen Feuchtigkeit an und können deshalb statt einem Zusatzstoff als Feuchthaltemittel eingesetzt werden. Wenn also verschiedene Zuckerarten eingesetzt werden, liegt das nicht immer daran, dass der tatsächliche Zuckergehalt verschleiert werden soll. Manchmal steckt auch nur ein technologischer Grund dahinter.

Verbraucherschützer fordern trotzdem gerne, dass man doch bitte alle süßenden Zutaten unter dem Namen »Zucker« gesammelt angeben soll. Ich kann diese Idee absolut nicht nachvollziehen. Zunächst einmal untergräbt sie den Transparenzgedanken »Was drin ist, muss auch draufstehen«. Abgesehen davon wirken sich unterschiedliche Zuckerarten auch unterschiedlich auf den Stoffwechsel aus, was besonders bei Menschen mit Unverträglichkeiten relevant wird. Weil Fruktose kein kennzeichnungspflichtiges Allergen ist, sind Menschen mit einer Fruktoseintoleranz beispielsweise zwingend auf die ausführliche Kennzeichnung von unterschiedlichen Zuckerarten angewiesen.

Wie sieht die Sache jetzt aber im Normalfall aus: Kann man versteckten Zucker trotzdem wiederfinden? Und ist eigentlich ein Zutatenverzeichnis mit oder ohne zusammengesetzte Zutaten besser? Beim Zutatenverzeichnis kann man das gar nicht so leicht beantworten, denn beide Systeme haben auch ihre Vorteile: Bei der Variante ohne zusammengesetzte Zutaten sehen Sie direkt, was mengenmäßig am meisten im Produkt enthalten ist. Auf der anderen Seite erfahren Sie bei einem Zutatenverzeichnis mit zusammengesetzten Zutaten sofort, welche einzelnen Bestandteile im Produkt enthalten sind und von welchem Bestandteil am meisten. Außerdem sehen Sie, wie die einzelnen Bestandteile zusammengesetzt sind: Bei einer Schwarzwälder Kirschtorte erkennen Sie etwa durch die Angabe »Belegkirschen (Kirschen, Zucker, Farbstoff: E 120)« im Zutatenverzeichnis, dass die kandierten Kirschen oben auf der Torte mit einem Farbstoff gefärbt sind. Stünde nur »Farbstoff: E 120« irgendwo im Zutatenverzeichnis, wüssten Sie nicht, ob nur die kandierten Kirschen gefärbt sind oder die Kirschfüllung auch.

Unabhängig davon, wie ein Zutatenverzeichnis aufgebaut ist, müssen Hersteller bei besonders wertgebenden Bestandteilen zusätzlich deren Anteil in Prozent angeben, entweder im Zutatenverzeichnis oder in der Bezeichnung. Das trifft zum Beispiel dann zu, wenn eine Zutat auf der Verpackung beworben oder durch den Produktnamen besonders hervorgehoben wird, wie Fisch in Fischstäbchen oder Erdbeeren im Erdbeerjoghurt. Man spricht hier von der sogenannten QUID-Angabe (von engl. Quantitative Ingredient Declaration, also die mengenmäßige Angabe von Inhaltsstoffen).

Nachdem aber kein Hersteller auf sein Produkt »mit leckerem Zucker« schreiben wird, sind QUID-Angaben für Zucker wohl eher die Ausnahme. Trotzdem findet man den Zuckergehalt von Lebensmitteln leicht heraus, und zwar durch die Nährwertangaben. Hier muss der Gesamtgehalt an Zucker pro 100 g Produkt angegeben werden. Sie können den Zuckergehalt also direkt in Prozent ablesen. Sicher, bei den Nährwertangaben findet man den Gesamtzuckergehalt und nicht nur den zugesetzten Zucker. Das heißt, bei unserer Marmelade wäre dort auch der Zucker aus den Erdbeeren mit angegeben. Macht aber nichts, finde ich. Dem Zucker ist es schließlich egal, ob er zugesetzt wurde oder aus Früchten kommt; er ist in jedem Fall genauso ungesund.

Versteckten Zucker erkennen

Schauen Sie sich also bei Ihrem nächsten Einkauf ruhig mal die Nährwerttabellen von den Produkten an, die Sie so kaufen. Und zwar besonders bei den Produkten, in denen Sie keinen zugesetzten Zucker erwarten würden. Wenn dann der Kartoffelsalat plötzlich 8 Prozent Zucker enthält (entspricht etwa der Zuckerkonzentration in einem Apfel), obwohl Kartoffeln von Natur aus kaum nennenswert Zucker enthalten, schauen Sie mal ins Zutatenverzeichnis, und recherchieren Sie im Zweifelsfall Zutaten, mit denen Sie nichts anfangen können, im Internet. Sie werden fündig werden. Versprochen!

 

Verarbeitungshilfsstoffe: Die Geister unter den Zusatzstoffen

Es ist aber längst nicht so, dass ein Lebensmittelhersteller alles, was er in sein Produkt reinkippt, auch in die Zutatenliste schreiben muss. Im Lebensmittelrecht gibt es nämlich so viele Ausnahmen und Schlupflöcher, dass eine Scheibe Schweizer Käse dagegen fast wie eine einheitliche, geschlossene Fläche wirkt. Und die Industrie nutzt das natürlich. Unter dem Schlagwort »Clean Labelling« hat sich dort längst der Trend etabliert, diese Schlupflöcher gezielt auszunutzen und dadurch so wenige Zusatzstoffe wie nur möglich als solche kennzeichnen zu müssen.

Eine Gruppe von Stoffen, die einem Lebensmittel zwar zugesetzt werden, die im Zutatenverzeichnis aber gar nicht erst auftauchen, sind die sogenannten Verarbeitungshilfsstoffe, auch technische Hilfsstoffe genannt. Dabei handelt es sich, allgemein gesagt, um Stoffe, die einem Lebensmittel während der Produktion zugesetzt und anschließend wieder entfernt werden, sodass im Endprodukt keine oder nur geringe Restmengen zurückbleiben, die technologisch nicht mehr wirksam sind.

Ein Beispiel dafür sind Lösungsmittel, wie Dichlormethan oder Butanon, die unter anderem für die Herstellung von entkoffeiniertem Kaffee eingesetzt werden können. Mit diesen Lösungsmitteln wird das Koffein aus dem Kaffee herausgelöst, und anschließend wird das Lösungsmittel zusammen mit dem darin gelösten Koffein wieder entfernt. Wenn der entkoffeinierte Kaffee dann im Laden steht, enthält er (wenn überhaupt) nur noch wenige Milligramm Lösungsmittel pro Kilogramm, sodass Sie nie einen Kaffee mit Dichlormethan im Zutatenverzeichnis finden werden.