Leber an Milz - Andrea Freund - E-Book

Leber an Milz E-Book

Andrea Freund

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  • Herausgeber: Ecowin
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Alles über unsere unterschätzten Organe Wer weiß schon, wo die Milz sitzt und wofür sie gut ist? Warum wir ohne den Hirnstamm gar nicht atmen können und dass das Steißbein für unsere aufrechte Haltung eine entscheidende Rolle spielt? Wir kennen zwar unsere großen Organe wie Herz, Darm und Lunge, die kleinen aber unterschätzen wir allzu oft. Dabei können wir unseren Körper erst in Gänze verstehen, wenn wir die Signale aller Organe richtig deuten. Andrea Freund und Lucia Schmidt zeigen auf ebenso anschauliche wie unterhaltsame Weise, welche Rädchen zwischen Kopf und Fuß ineinandergreifen und wir wir die tägliche Arbeit unseres Körpers besser wertschätzen. Ein Buch, das Spaß macht, staunen lässt und ganz nebenbei für unser Wohlbefinden sorgt.

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Seitenzahl: 294

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ANDREA FREUND + LUCIA SCHMIDT

Wie wir lernen,auf die geheimen Signaleunserer Organe zu hören

Mit Illustrationen von Isabel Klett

Die Informationen und Anleitungen in diesem Buch wurden gewissenhaft recherchiert und geprüft. Sie ersetzen jedoch weder eine fachgerechte Diagnose noch eine angemessene Therapie. Die im Buch gemachten Angaben erfolgen aus diesem Grund ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie vonseiten des Verlags oder der Autorinnen. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden jeglicher Art, die durch das Nutzen der Buchinhalte oder eine Missachtung dieses Hinweises entstehen sollten.

1. Auflage© 2018 Ecowin Verlag bei Benevento Publishing Salzburg–München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Dieses Werk wurde vermittelt durch Aenne Glienke / Agentur für Autoren und Verlage, www.AenneGlienkeAgentur.de

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:Red Bull Media House GmbHOberst-Lepperdinger-Straße 11–155071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.ATGesetzt aus der Minion Pro, Chronic Inline, The HandUmschlaggestaltung: Martina Eisele, MünchenIllustrationen: Isabell Klett

ISBN 978-3-7110-0165-8

eISBN 978-3-7110-5230-8

Für das Leben

INHALT

ZU BEGINN

Wie alles miteinander zusammenhängt

UNSER KÖRPER

Kennenlernen in Etappen

Überall:DIE ZELLE

Womit alles anfängt

Ganz oben:KOPF | HALS

Hirnstamm – Das Basislager

Drüsen – Alles auf Autopilot, oder was?

Lid – Augen zu und durch

Nasennebenhöhlen – Höhlenforschung

Zunge – Eine Geschmackssache

Mittendrin:

BRUSTKORB | RÜCKEN | BAUCH | BECKEN

Herzkranzgefäße – Ständig unter Strom

Lungenbläschen – Bitte einsteigen!

Zwerchfell – Jetzt mal tief durchatmen

Gallertkern – Tiramisu in der Wirbelsäule

Gallenblase – Ja, nein, vielleicht?

Milz – Power rot-weiß!

Bauchnabel – Mehr als nur ’ne Grube

Blinddarm – Der Kevin unter den Organen

Eileiter – Gezielter Seitensprung

Schließmuskel – Doppelnullagent mit der Lizenz zum Erleichtern

Steißbein – Alles im Lot

An den Ecken und Enden:

ARME | HÄNDE | BEINE | FÜSSE

Ellenbogen – Platz da!

Fingernägel – Nachwachsende Visitenkarten

Kniescheibe – Auf Abstand

Fußgewölbe – Über diese Brücken sollen wir gehen

VON ÖTZI BIS EPIGENETIK

Wie sich der Blick auf unseren Körper ändert

PARTNERÜBUNGEN

Was Sie aktiv für Ihren Körper tun können

Danke schön!

Über die Autorinnen

Jeder kennt die Situation. Trifft man einen Bekannten auf der Straße oder rufen Freunde an, heißt es meist direkt: »Und wie geht es Dir?«. Es ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, dass wir uns gegenseitig nach unserem Befinden erkundigen. Ein Klassiker für die Gesprächseröffnung. Für manch einen mag es deshalb auch nur eine Floskel sein, die man eben so sagt. Andere sind wirklich aufrichtig interessiert, wie sich das Gegenüber gerade fühlt. Aber einmal völlig unabhängig davon, mit welcher Absicht die Frage in welcher Situation gestellt wird: Es ist doch bezeichnend, dass sie sich in unserem Zusammenleben so etabliert hat. Denn wie wir uns körperlich und seelisch fühlen, das hat immense Auswirkungen darauf, wie wir selbst unser Leben gestalten können, was wir aus unseren Interesse und Talenten machen, wie wir den Alltag meistern. Und weiß man, wie ein anderer sich gerade fühlt, kann man sein Verhalten oft besser einschätzen und darauf eingehen.

Wie geht es dir? Die Frage kann man nicht nur Verwandten, Freunden und Bekannten stellen, sondern ab und zu auch einfach mal sich selbst. »Hey Körper, wie geht es dir, wo zwickt es, wo drückt es und warum?« Wann haben Sie das zuletzt bewusst gemacht, einmal nachgehorcht, wie es Ihnen so geht? Ist vermutlich schon eine Weile her. Denn bei all dem, was wir im Alltag bewältigen, sind wir meist mehr auf Äußerlichkeiten und Funktionalität aus. Auch bei unserem Körper. Wir tun einiges dafür, dass er gut aussieht, waschen ihn, schminken ihn, trainieren ihn, stylen die Haare und schneiden die Nägel. Halten Diät. Solange er nicht murrt, schenken wir ihm kaum Beachtung. Funktionieren soll er, und wird er krank und gebrechlich, soll dieser Zustand schnell wieder behoben werden.

Einen regelrechten »Körperkult« konstatiert der Frankfurter Soziologe Robert Gugutzer: »Der Körper steht heute im Zentrum einer Diesseitsreligion, nicht mehr die Erlösung im Jenseits ist wichtig, sondern ein schönes Leben hier und jetzt.« Der Körper wirke sinnstiftend, biete Halt und Orientierung, oft bis in hohe Alter, da wir für unsere Gesundheit über Ernährung und Bewegung viel tun könnten. »Sechzigjährige etwa sind heute so fit wie Fünfzigjährige vor zwanzig Jahren«, so Gugutzer. Und warum den Körper nicht hegen und pflegen – auch wenn dazu Körperpflegeprodukte wie die »Nachtcreme für den Mann« gehören oder gar Botox für Gesichtsliftings.

Und obwohl wir Autorinnen uns in Studium und Ausbildung sowie als Journalistinnen mit den Körperfunktionen, ihrem beeindruckenden Aufbau und dem, was den Organismus beeinflusst, beschäftigt haben und es weiter tun, sind auch wir manchmal genervt, wenn wir wegen einer Erkältung, eines umgeknickten Knöchels oder anderen Wehwehchen Termine nicht wahrnehmen können – zumindest war das so, bis wir dieses Buch geschrieben haben. Denn dadurch ist unsere Hochachtung vor dem eigenen Körper noch einmal deutlich gestiegen, die Bewunderung dafür, dass jeden Tag im Grunde alles reibungslos funktioniert. Wenn man sich einmal klarmacht, was da in uns steckt und was theoretisch alles nicht funktionieren könnte, nimmt man einen grippalen Infekt viel demütiger hin.

Im Herbst 2018 ist es nun gut zwei Jahre her, dass die Idee zu der Serie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung entstand, aus der am Ende dieses Buch geworden ist. Während eines unserer damaligen Telefonate – wir hatten natürlich zu Beginn die obligatorische Frage »Wie geht es Dir?« gestellt – tauschten wir uns zu möglichen Themen und zum Zeitplan aus. Und während wir so redeten, klagte eine von uns über Schmerzen am Steißbein. Sie waren die Folge einer typischen Verkettung blöder Umstände am Tag zuvor: Eile, Unaufmerksamkeit, ausgerutscht, gefallen, autsch! Es schmerzte höllisch beim Sitzen auf dem Bürostuhl und davon aufzustehen war die reinste Qual. Und während die eine von uns beiden noch jammerte über die knöcherne Struktur am unteren Rücken, die sie sonst ja überhaupt nie wahrnehme, stellte die andere plötzlich die Frage: »Wofür hat man dieses Steißbein eigentlich genau?« Eine grobe Ahnung hatten wir schon, wofür das Steißbein da ist, aber bis ins letzte Detail konnten wir die Frage nicht beantworten.

Und so begann es: Nachdem wir recherchiert hatten, dass das Steißbein entscheidenden Einfluss darauf hat, dass wir uns im Raum aussteuern können – zur Seite, nach vorn oder hinten, aber vor allem in die Höhe – und dass eine Verletzung Auswirkungen auf die Blase oder auch die Eierstöcke haben kann, war unsere Neugier auf weitere Strukturen, weitere Körperteile geweckt, die wir normalerweise nicht sonderlich beachten. Die normalerweise im Schatten der »Großen« wie Herz, Lunge und Darm stehen. Was genau macht eigentlich die Milz? Welche Aufgaben haben Fingernägel, Band- und Kniescheibe? Für was braucht man einen Hirnstamm oder ein Fußgewölbe? Alles Zufall oder unglaublich smart konstruiert? Schließlich gibt es fantastische Zahlen über unseren Körper, die wir uns nie bewusst machen: Ohne dass wir uns darum kümmern müssen, reinigt die Leber rund 2000 Liter Blut – am Tag. In der Zeit machen wir insgesamt 25 920 Atemzüge. Und pro Jahr schlägt das Herz rund 36 Millionen Mal.

Die meisten Menschen, ob medizinisch interessiert oder nicht, wissen in etwa, welche Aufgaben und Funktionen unser Herz, unsere Lunge, unser Verdauungstrakt und unser Großhirn haben. Und dass, wenn sie nicht mehr funktionieren, es mit dem Leben schwierig werden kann. Darüber hinaus flacht das Interesse aber ziemlich schnell ab. Warum eigentlich wollen wir den Körper nicht in allen Einzelheiten kennenlernen? Warum haben wir für all die wesentlichen Details in unserem Körper, die uns jeden Tag atmen, Treppen steigen, schlafen oder gut riechen und schmecken lassen, so wenig Interesse und Verständnis, so wenig Bewunderung und Wertschätzung? Auch darauf haben wir versucht, eine Antwort zu finden.

Bei unseren Recherchen haben wir uns leiten lassen von unseren neugierigen Fragen. Wir haben Anatomie- und Physiologiebücher gewälzt und Fachartikel gelesen. Vor allem aber haben wir das Gespräch mit Experten gesucht, die tagtäglich mit den ausgesuchten Organen und Strukturen zu tun haben. Wir haben sie gebeten, uns zu erzählen, was sie an dem jeweiligen Körperteil besonders fasziniert. Für was es eine herausragende Stellung im Körper hat, wie es funktioniert, warum es unverzichtbar ist und oftmals unterschätzt wird und was wir ihm Gutes tun können.

Die Antworten haben uns manchmal überrascht und immer mitgerissen. Nach jedem Kapitel, das wir geschrieben hatten, dachten wir: Spannender kann es doch gar nicht mehr werden. Etwas noch Raffinierteres kann sich der Körper doch gar nicht überlegt haben. Und jedes Mal wurden wir von Neuem verblüfft.

Besonders erstaunt waren wir auch, was man alles noch nicht über den Körper weiß. Warum wir zum Beispiel Nasennebenhöhlen haben, ist nicht abschließend geklärt, und genauso wenig hat man im letzten Detail verstanden, wie die Verschaltungen im Hirnstamm funktionieren. Auch bei der Funktion der Eileiter ist der Körper dem menschlichen Begreifen noch ein paar Schritte voraus.

Wir haben bewusst keine Fragen gestellt, die sich aus hochtrabenden wissenschaftlichen Erkenntnissen geformt haben. Wir haben einfach der Lust am Entdecken freien Lauf gelassen und unserer Faszination darüber, was alles in uns steckt.

Bleibt die Frage, warum wir uns ausgerechnet für die Vorstellung genau der zwanzig Organe und Strukturen entschieden haben, die Sie in diesem Buch finden. Ganz einfach: Es waren die, die uns am meisten beeindruckt und die bei Freunden und Verwandten ebenfalls großes Interesse geweckt haben. Wir nähern uns diesen zwanzig Protagonisten dabei so, wie man einen fremden Menschen kennenlernt. Interessiert, offen für das, was er von sich zeigt, zunächst rein oberflächlich und dann auch in der Tiefe. Wir wandern in diesem Buch durch den Körper wie durch ein mehrstöckiges Haus. Es ist aber völlig Ihnen überlassen, ob Sie die Hausbesichtigung im Keller oder lieber im Dachgeschoss beginnen. Sie können auch vom ersten Stock in den dritten und zurück in den zweiten Stock springen. Jedes Kapitel in diesem Buch steht für sich. Es ist eine Aneinanderreihung von Geschichten über die Faszination Menschsein. Porträts über unverzichtbare Bestandteile unseres Organismus. Jedes Organ, jede Körperstruktur wird Ihnen vorgestellt mit ihren Stärken und ihren Schwächen.

Mit der Auswahl der Organe und Strukturen erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir wissen, es gibt noch so viel mehr zu erkunden in uns selbst. Außerdem dreht sich die Welt der Wissenschaft und Medizin stetig weiter. Was heute der neuste Forschungsstand war, kann schon in einigen Monaten veraltet sein. Was heute noch ein Rätsel ist, wird morgen vielleicht durch einen klugen Einfall aufgedeckt. Und auch die Evolution hat ihre Arbeit nicht eingestellt. Vielleicht schauen Menschen irgendwann auf unsere Zeit zurück und fragen sich: Wie, die hatten noch Weisheitszähne? Vielleicht verstehen wir selbst aber schon bald sehr viel mehr, denn wir leben in einer Zeit, in der sich der Blick auf den Körper zu ändern beginnt. Noch sind es vor allem Indizien, die darauf hindeuten, dass wir mehr sind als bloße Materie. Noch sind es vereinzelte, aber doch wissenschaftliche Entdeckungen in jungen Fachrichtungen wie der Psychoneuroimmunologie und der Epigenetik, die zu bestätigen scheinen, wovon traditionelle und damit in der Regel ganzheitliche Heilmethoden schon immer ausgegangen sind: Alles im Körper ist mit allem verbunden, und wir selbst sind verbunden mit der Welt um uns herum. Nichts und niemand ist letztlich isoliert. Der Mensch besteht zudem nicht nur aus Körper, sondern auch aus Seele und Geist, aus Bewusstsein. Und darüber wirken wir offenbar stärker auf unseren physischen Körper ein, als wir lange dachten. In diese neuen Forschungsansätze möchten wir Ihnen im Kapitel »Von Ötzi bis Epigenetik« einen Einblick geben.

Trotz der medizinischen Details: Dieses Buch ist kein Lehrbuch. Es ersetzt auch nicht den Besuch bei einem Arzt oder einem anderen medizinischen Experten. Nur sie können individuell die richtige Diagnose stellen und eine stimmige Therapie einleiten.

Ohnehin wird in der Medizin immer mehr der Weg des »gemeinsamen Entscheidens« beschritten. Der aufgeklärte Patient bestimmt aktiv mit, was mit ihm geschieht, welche Diagnostik und Therapie durchgeführt wird. Die Vorstellung, der Halbgott in Weiß am Bettende sagt mir, was mir fehlt, was ich tun kann und wie meine Chancen stehen, wieder fit zu werden, hat ausgedient. Der Patient soll erstens verstehen und zweitens mitbestimmen, was mit ihm geschieht. Das ist der richtige Weg. Wir sind verantwortlich für unseren eigenen Körper.

Das, was wir lernen durften beim Schreiben dieses Buches, möchten wir mit Ihnen teilen. Und vielleicht haben wir ja Fragen gestellt und beantwortet bekommen, die Sie auch schon einmal umgetrieben haben oder die Sie zumindest auch interessant finden. Etwa ob der Bauchnabel nach der Geburt noch irgendeinen Nutzen hat? Oder wussten Sie, dass das Herz eine Drüse ist, und unsere Drüsen uns wie ein Autopilot steuern? Ach, und dass man mittlerweile davon abkommt, den Blinddarm, auch gern mal vorsorglich, rauszunehmen, weil man vermutet, dass das menschliche Immunsystem unter einem fehlenden Blinddarm leiden würde?

Man kann wirklich schnell ins Staunen kommen, in welcher Perfektion unser Körper physikalische, physiologische und chemische Gesetzte anwendet. Ja, wir können wirklich stolz und ehrfürchtig sein angesichts dessen, was unser Organismus jeden Tag für uns leistet – und das in den meisten Phasen unseres Lebens tagein, tagaus, rund um die Uhr, ganz still und leise ohne Murren.

Wir hoffen, dass dieses Buch dazu beitragen kann, dass Sie sich (mehr) für Ihren Körper begeistern, Ihr Verständnis für seine Funktionsweisen wächst und auch für seine möglichen Schwächen. Dass Sie nach der Lektüre genauer hinhören und verstehen, was er Ihnen sagen will, und auch Geduld haben, wenn eine Heilung mal etwas länger dauert, weil Sie zu schätzen wissen, was alles 24 Stunden am Tag ganz wunderbar funktioniert. Dass Sie stärker darauf vertrauen, dass Ihr Körper schon weiß, was er braucht und es Ihnen mitteilt. Dass Ihr Respekt für seine Intelligenz wächst und dass Sie dadurch leichter Verantwortung für ihn übernehmen. Und wenn Sie durch die Lektüre motiviert sind, direkt etwas für sich, Ihren Körper oder vielleicht sogar ein bestimmtes Organ zu tun – Anregungen dazu finden Sie im Kapitel »Partnerübungen« am Ende des Buches: praktische Tipps und Anleitungen für unseren engsten Partner, mit denen Sie gezielt auf seine Bedürfnisse eingehen können.

Wir sind davon überzeugt: Hat man erst einmal verstanden, was in unserem Körper wie funktioniert, wächst der Respekt vor diesem Kunstwerk und man lässt von schädlichem Verhalten wie etwa dem Rauchen eher ab als durch so manches Ekelbild auf der Zigarettenpackung.

Für ein besseres Körperverständnis:Perspektiven aus zwei Welten

Gesundheitsbewusst leben, möglichst lange fit sein, sich richtig ernähren – wir leben in einer Gesellschaft, die durchaus interessiert ist an Leib und Seele, an Krankheit und Wohlbefinden. Aber meistens beschäftigen wir uns nur mit bestimmten Gesichtspunkten und oft ohne Berücksichtigung innerer Zusammenhänge. Wir kaufen Bücher zu veganer Ernährung, zur Funktionsweise des Darms und des Herzens. Wir schauen Videos, die uns helfen, starke Rücken- und Bauchmuskeln zu bekommen, gehen in Yogakurse. Wir machen mehrtätige Fasten- und Entspannungskuren oder schmieren uns Peelings auf die Haut. Schmerzt das Ohr, holen wir uns ein Medikament, das möglichst schnell wirkt. Sind Muskeln verletzt, rennen wir zum Physiotherapeuten. Uns nur mit Ernährung zu beschäftigen oder Sport, nur die Ausdauer oder nur die Muskulatur zu trainieren, nur gesund zu essen, aber nicht genug zu schlafen – all das hat jedoch nur punktuelle Wirkung.

Unser Körper ist ein Gebilde, in dem ein Rädchen ins andere greift. Hängt eins der Rädchen, dreht es sich nicht mehr schnell genug oder fällt es ganz aus, kann das den ganzen Organismus in Mitleidenschaft ziehen. Er ist ein fein ausgeklügeltes System. Reine Selbstoptimierung und isolierte Wahrnehmung einzelner Aspekte gehen an den wahren Bedürfnissen des Körpers vorbei.

Um aber wirklich gesundheitsbewusst zu leben, um zu verstehen, was hinter einem bestimmten Leiden steckt, und warum es manchmal Zeit braucht zu heilen, benötigen wir mehr als ein Schubladendenken. Es braucht ein vollständiges, ganzheitliches Verständnis für die Funktionen und Abläufe im eigenen Körper. Dieses Buch ist ein Anfang dazu.

Um den Körper möglichst vielschichtig zu beschreiben, war es uns daher wichtig, seine Organe und Strukturen sowohl aus schulmedizinischer als auch komplementärmedizinischer Sicht zu betrachten. Beides ergänzt sich, der Blick ins Detail verbindet sich mit dem auf den Gesamtzusammenhang. Das rein Körperliche wäre unvollständig, würden wir Geist und Seele nicht mit dazu holen, wie es in den letzten Jahrzehnten für immer mehr Menschen wichtig geworden ist und wie es auch in Deutschland bis zur Aufklärung vor rund 300 Jahren üblich war. Deshalb finden Sie in jedem Kapitel auch Passagen etwa aus der Sicht der Osteopathie, der Anthroposophischen Medizin, der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) oder auch des ebenfalls jahrtausendealten indischen Ayurveda. Sie alle ermöglichen einen anderen, tieferen Blick auf Organe und Körperstrukturen und helfen, sie besser zu verstehen. In der TCM etwa werden Bezüge zu Emotionen und zur »Energie« im Organismus hergestellt, was für die Wissenschaft oft nicht nachvollziehbar ist – aber medizinische Erfolge nachweisen kann. Klar, niemand würde sich heute mit einer Auflage aus Kräutern zufriedengeben, wenn er sich das Bein gebrochen hat. Aber warum nicht nach einer Operation unter Vollnarkose die Selbstheilungskräfte des Körpers etwa mit pflanzlichen oder homöopathischen Mitteln unterstützen? Bei Rückenschmerzen ist eine korrekte Diagnose sinnvoll, sie sollte aber den Einfluss möglicher belastender Gedanken und Gefühle nicht außer Acht lassen.

Wir Autorinnen sind beide davon überzeugt, dass die Verbindung aus Schul- und Komplementärmedizin wichtig ist, um den Körper vollends zu verstehen und pfleglich mit ihm umzugehen. Zudem geht der Trend dahin, die beiden medizinischen Ansätze zu verbinden und Patienten ganzheitlich zu behandeln. Aus diesem Grund finden Sie in jedem Kapitel neben der schulmedizinischen Betrachtungsweise immer auch eine ganzheitliche Perspektive. Und die beginnt schon beim Titel.

Leber an Milz. Wir hätten auch schreiben können: Magen an großen Zeh, da im Körper alles miteinander verbunden ist, mit der Haut als äußerer Grenze. Ein eingeknicktes Fußgewölbe schränkt nicht nur den Fuß ein, es kann auch Auswirkungen haben auf das Knie, die Hüfte, sogar die Schulter. Aus schulmedizinischer Sicht haben Leber und Milz auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun, sieht man aber genauer hin, zeigt sich: Beide liegen im Oberbauch, rechts die große Leber, links die deutlich kleinere Milz. Deren Abbauprodukte gelangen über eine Vene zur sogenannten Pfortader, in die auch eine Vene aus dem Dünndarm mit Nährstoffen aus der Nahrung mündet. Durch die Pfortader wiederum fließt beides zur Leber, die Förderliches in den großen Blutkreislauf einspeist, damit es im Körper verteilt wird, Schädliches und Unbrauchbares aber zur Ausscheidung weiterschickt. So erhält die Leber von der Milz auch den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der beim Zerlegen alter roter Blutkörperchen anfällt. Die Leber verwendet ihn für die beiden Gallenfarbstoffe Bilirubin (gelb) und Biliverdin (grün), die den Stuhl färben und mit ihm den Körper verlassen.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) betrachtet man den Körper ohnehin als ein System, in dem alles miteinander in Beziehung steht. Als das Zusammenspiel verschiedener Energien, die sich auch in Organen wie Leber und Milz manifestieren. Das Verhältnis dieser beiden lässt sich, stark vereinfacht und bildlich gesprochen, in etwa so beschreiben: Die Leber gilt als »General«. Ist sie gesund, fällt es uns leicht, etwas zu planen und die richtigen Entscheidungen zu fällen – wofür die Gallenblase als »korrekter Beamter« zuständig ist. Ein Beispiel: Sie wollen heute Abend noch ins Kino gehen. Dafür brauchen die Muskeln Energie, die wiederum von der Milz (der »Vorratskammer«) freigegeben und verteilt wird, nachdem der Magen sie hergestellt hat. Zusammen mit dem Magen repräsentiert die Milz das Erdelement oder »die Mitte«, die Versorgungsstruktur in uns. Ist die Milz schwach, rafft man sich dann eben doch nicht noch mal auf, da kann die Leber noch so drängeln (»Wär doch schön, ach, mal wieder ins Kino, ich sollte doch …«). Kommt das einmal vor, hatte die Leber vielleicht nur ein zu fettes Mittagessen. Kann man sich jedoch zu gar nichts mehr motivieren und fühlt sich energielos, könnte eben auch eine »Mittenschwäche« dahinterstecken. Und eine Milz, die bei der kleinsten Aufforderung, aktiv zu werden, entsetzt protestiert – eben wie auf dem Cover dieses Buches.

Wie kann das denn passieren?Ein medizinisches Beispiel aus dem Alltag

Jeder kennt aus seinem Bekanntenkreis bestimmt Geschichten wie diese: Ein Mann kommt mit einem unkomplizierten Bruch am Mittelfuß ins Krankenhaus. Der Bruch wird problemlos ambulant operiert, doch die Operationswunde will einfach nicht heilen. Noch Wochen nach dem Eingriff schmerzt und nässt die Wunde, sie hat sich infiziert. Der Mann entwickelt Fieber, muss wieder ins Krankenhaus. Er benötigt jetzt Antibiotikainfusionen, und die Wunde wird mit speziellen Verbandsstoffen behandelt. Das Bein soll möglichst ruhig gestellt werden, damit es besser heilen kann. Aus diesem Grund liegt der Mann meist im Bett. Schon die Wochen davor hat er sich aufgrund des Bruchs deutlich weniger bewegt als sonst im Alltag. Nach einigen Tagen in der Klinik merkt er, dass er kurzatmig ist. Die Ärzte sagen, dass sich Wasser in der Lunge gesammelt hat, das mit einer Punktion herausgezogen werden muss. Mit einem EKG-Gerät und Ultraschall wird das Herz regelmäßig überprüft. Sollte die Atemnot zunehmen, müsste der Mann vielleicht sogar auf die Intensivstation. Doch das bleibt ihm erspart. Mit Medikamenten und Sauerstoffgabe bekommen die Ärzte die Kurzatmigkeit wieder in den Griff. Auch die Wunde am Bein heilt allmählich. Der Mann kann sich wieder mehr bewegen. Er wird aus der Klinik entlassen. Es folgt eine Reha-Maßnahme: Ihm fehlen Kraft und Vitalität, Muskeln müssen wieder aufgebaut werden. Bekannte sagen hinter vorgehaltener Hand, der Mann sei lange nicht mehr so fit wie vor dem Bruch am Fuß und fragen sich: Was ist da nur schiefgelaufen? Wie kann denn ein kleiner operierter Bruch am Fuß solche Folgen haben?

Sicher, diese Krankengeschichte ist sehr abgekürzt und auf ein Minimum an medizinischen Informationen reduziert, aber sie zeigt, wie im Körper eins mit dem anderen zusammenhängt. Vermutlich litt der Mann schon vor dem Bruch am Fuß unter einer deutlichen Durchblutungsstörung der Beine. Das heißt, seine Blutgefäße im Bein waren so verengt, dass das Blut nicht mehr ungehindert fließen konnte und nicht ausreichend bis in die letzten Winkel des Fußes kam. Eine gute Durchblutung ist aber wichtig, damit eine Wunde heilt. Blut bringt an eine verletzte Stelle all das, was zum Gesundwerden notwendig ist: Sauerstoff, Abwehr- und Immunzellen, Nährstoffe. Warum die Blutgefäße des Mannes so verengt sind, darüber lässt sich nur spekulieren: Rauchen, Übergewicht, Diabetes, genetische Faktoren – alles ist möglich, zumal in Kombination. Auf jeden Fall konnte der Körper offensichtlich die schlechte Durchblutung am Fuß noch ausgleichen, solange es nicht zusätzlich noch eine Wunde zu versorgen gab. Die plötzliche Verletzung jedoch verlangte eine bessere Durchblutung, da kam der Körper an seine Grenzen. Beschwerden hatte der Mann vorher vermutlich weniger wahrgenommen. Oder er hat sie, wie etwa Luftnot bei Anstrengung, gekonnt ignoriert.

Wer unter einer Durchblutungsstörung der Beine leidet, hat meist auch eine allgemeine Arteriosklerose. Das heißt, zahlreiche Gefäße im Körper sind nicht mehr ganz in Schuss, sie sind, wie man sagt, »verstopft«. Die Folge ist, dass auch andere Körperregionen nicht mehr optimal durchblutet werden, unter anderem das Herz. Aufgrund des gebrochenen Fußes, der Komplikationen durch eine nicht heilen wollende Wunde und des Fiebers als Resultat der Infektion ist der Körper des Mannes in ein Stressgeschehen geraten. Nicht nur die Durchblutung am Fuß kam dadurch an ihre Grenzen, sondern dann auch die des Herzens. Wird das Herz nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, lässt seine Pumpkraft nach. Das kann wiederum zur Folge haben, dass sich Wasser in der Lunge sammelt, was das Atmen beträchtlich einschränkt.

Dieses Beispiel soll deutlich machen, wie das System Körper aufeinander abgestimmt ist. Damit alle Zellen im Körper gut miteinander kommunizieren können, braucht es einen, der sich um das Wohlergehen des Ganzen kümmert. Und das sind Sie. Denn hier geht es um nicht weniger als um die mit Sicherheit längste Beziehung Ihres Lebens.

Unser Körper begleitet uns von Anfang bis Ende. Bis dass der Tod uns scheidet, Trennung auf Probe ausgeschlossen. Und es ist wie im echten Leben: Je besser wir jemanden kennen und je mehr wir verstehen, was er sich von uns wünscht und darauf eingehen, umso erfüllter ist die gemeinsame Beziehung. Umso mehr wird der andere uns geben. Unser Buch möchte dazu einen Beitrag leisten. Wir hoffen, dass unsere Begeisterung für das Wunderwerk Körper bei der Lektüre dieses Buches auch auf Sie überspringt, und wünschen Ihnen nun viel Freude beim Date mit Ihrem eigenen Körper.

UNSERKÖRPER

Kennenlernen in Etappen

Für eine bessere Übersicht haben wir den Körperuntergliedert in »Ganz oben: Kopf und Hals«,»Mittendrin: Brustkorb und Rücken, Bauch und Becken« sowie»An den Ecken und Enden: Arme und Hände, Beine und Füße«.Wir erforschen zunächst jeweils eine dieser Regionen,wie sie aufgebaut ist und was ihre spezielle Aufgabe ist.In den dazugehörigen Kapiteln geht der Blick dann immer tiefer,hin zu einzelnen Organen und Strukturen. Beginnen wir abermit dem kleinsten Baustein unseres Körpers.

Überall:

DIEZELLE

Womit alles anfängt

Nehmen Sie doch mal einen Stift und einen Zettel zur Hand und malen Sie einen Menschen aufs Papier. Ganz spontan. Sie können die Aufgabe auch an Ihr Kind oder Ihren Arbeitskollegen weitergeben. Aber wetten: Egal wer den Stift zur Hand nimmt, in allen Fällen besteht der gemalte Mensch aus ein paar Strichen und Kugeln, die aneinander gezeichnet sind. Je nach künstlerischem Talent und Vorlieben gerät das Bild detailgetreuer und ausgeschmückter. Es bleibt am Ende aber eine Figur, die aus mehr oder weniger großen Strukturen besteht. So stellen wir uns den menschlichen Körper nun einmal ganz grob vor, zumindest wenn wir nicht viel Zeit zum Nachdenken haben. Was wir dabei völlig ignorieren: Tatsächlich besteht ein erwachsener Mensch aus rund hundert Billionen winziger Zellen, aus denen sich die größeren Strukturen erst bilden. Letztlich sind wir nur ein einziger, riesengroßer Zellhaufen.

In den Zeiten, als noch keine Mikroskope eingesetzt wurden, wusste man das aber nicht. Damals ist man wirklich davon ausgegangen, dass sich der Mensch wie ein Lego-Baukasten aus Beinen, Armen, Flüssigkeiten und Gewebe zusammensetzt. Dann aber, durch den Blick in das Objektiv, zeigte sich, es gibt viel kleinere Strukturen, die ein Lebewesen ausmachen: eben die Zellen. Im Durchschnitt ist eine menschliche Zelle rund ein bis dreißig Mikrometer groß. Sie besteht vor allem aus Wasser und Proteinen.

Der englische Wissenschaftler Robert Hooke entdeckte 1665 in einem mikroskopischen Präparat der Korkeiche als Erster die Pflanzenzelle und führte damit den Begriff »Zelle« in die Wissenschaft ein. Von da an nahm die Zellforschung ihren Lauf.

Schon im Biologieunterricht in der Schule lernt man, dass der Beginn des Lebens eine Verschmelzung zweier Zellen ist, nicht mehr und nicht weniger. Umso unvorstellbarer ist es, dass daraus am Ende ein ganzer Mensch entsteht. Gleich am Beginn der menschlichen Entwicklung trifft eine der kleinsten Zellen des Menschen, nämlich das männliche Spermium, auf die größte menschliche Zelle, die weibliche Eizelle. Aus dieser Verschmelzung entwickeln sich dann durch Teilung alle anderen Zellen des Menschen. Insgesamt trägt er am Ende etwa 200 verschiedene Zellarten in sich: Nervenzellen, Blutzellen, Hautzellen, Sinneszellen, Knochenzellen und so weiter. Aber woher weiß eine Zelle eigentlich, für was sie zuständig ist?

In seiner frühen Entwicklungsphase besteht der Mensch aus sogenannten embryonalen Stammzellen, die sich noch zu praktisch allen spezifizierten Zellen weiterentwickeln können. Es sind Allrounder. Ihre Entwicklungspotenz engt sich dann im Laufe der Zeit im Mutterleib etwas ein. Übrig bleiben vor allem sogenannte pluripotente Stammzellen. Das sind Zellen, die zwar darauf festgelegt sind, eine Nerven- oder Blutzelle zu werden, aber noch flexibel genug sind, sich in diesem Rahmen in alle Richtungen zu entwickeln. Diese Schritte von der embryonalen zur pluripotenten und dann zur ausdifferenzierten Zelle werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst, genetische, intrazelluläre und hormonelle, aber auch die Umgebung, in der die Zelle heranreift, hat ihre Auswirkungen darauf.

Dieses Phänomen der Ausdifferenzierung lässt sich vielleicht ganz gut mit einem Beispiel veranschaulichen: Kennen Sie die Reihenhaussiedlungen, die im Moment überall in den Großstädten entstehen? Wo jedes Haus erst einmal von außen und innen genau gleich aussieht und aufgebaut ist? Der Clou aber ist: Wie es am Ende von den Eigentümern genutzt wird, hängt von vielen Details ab. Zieht etwa eine Familie ein, werden die Zimmer als Kinderzimmer genutzt, vielleicht wird das Dach sogar noch ausgebaut, weil Platz nötig ist. Zieht nur ein Paar ein, das ausreichend Platz vorfindet, wird vielleicht eine Sauna in den Keller gebaut, der Garten mit einer Hecke umzogen, eine Wand rausgerissen. Zieht eine Firma ein, werden die Räume zu Büros, alle Bäder zu Toiletten umgestaltet. Innere und äußere Faktoren bestimmen also am Ende, was das Reihenhaus ausmacht, wie es aussieht, für was es nützlich ist. Im ganz Groben läuft das auch bei der Zelldifferenzierung ab.

Auch wenn sich die verschiedenen Zellen im Körper also durch unterschiedliche Aufgaben in Form und Funktion unterscheiden können – manche sind langgezogen wie eine Nervenzelle, manche haben zusätzliche Strukturen wie die Drüsenzelle, um Sekrete oder Hormone zu speichern –, sind sie im Grunde gleich aufgebaut, ein kleiner Kosmos, abgeschlossen zur Außenwelt durch eine Zellmembran. Dieser kleine Kosmos kann Energie herstellen, hat Transportwege und produziert Proteine. Außerdem besitzt jede Zelle im Zellkern, ganz eng zusammengefaltet, den gesamten genetischen Bauplan für das Lebewesen, zu dem es gehört. Dieser wäre beim Menschen ausgerollt fast zwei Meter lang. Zur Erinnerung: Die gesamte Zelle selbst ist nur wenige Mikrometer groß, der Zellkern, je nach Größer der Zelle, entsprechend kleiner. Würde man die DNA aller Zellen unseres Körpers aneinanderreihen, entspräche das tausend Mal der Strecke von der Erde zur Sonne. Tausend Mal 149 600 000 Kilometer, das macht knapp 150 Milliarden Kilometer.

Der erwachsene Mensch besitzt übrigens keine embryonalen Stammzellen mehr, er hat sogenannte adulte Stammzellen. Diese Zellen kommen in den unterschiedlichen Geweben vor und haben leider die Eigenschaft als Vielseitigkeitskünstler verloren. Aber etwas flexibel sind sie schon noch. Je nachdem in welchem Gewebe sie sitzen, können sie sich zu Zellen genau dieses Gewebes ausdifferenzieren. Also adulte Stammzellen in der Haut zu Hautzellen, adulte Stammzellen in der Leber zu Leberzellen. Das passiert nicht nur, wenn wir uns beispielsweise geschnitten haben und Gewebe an der Haut ersetzt werden muss. Unsere Zellen im Körper erneuern sich ständig, manche schneller, manche langsamer. Beim erwachsenen Menschen sterben in jeder Sekunde 50 bis 70 Millionen Zellen ab und müssen durch die gleiche Anzahl ersetzt werden. Und das geschieht ohne unser bewusstes Zutun, vollkommen unbemerkt.

Eine Zelle im Dickdarm lebt etwa 10 Tage. Rote Blutkörperchen existieren etwa 120 Tage, Nierenzellen etwa 286 Tage. Schweißdrüsenzellen erneuern sich das ganze Leben nicht. Ein ständiger, gigantischer Erneuerungsprozess, der permanent in uns abläuft, ohne dass wir ihn überhaupt bemerken. Wollten wir ihn gar bewusst steuern, wären wir vollkommen überfordert und zu einem normalen Alltag nicht mehr in der Lage. Doch auch die Natur hat ihre Grenzen: Weil mit den Jahren weniger Zellen ersetzt werden als ursprünglich vorhanden waren, altern wir.

Zellen sind also winzige Bausteine mit unterschiedlichen Funktionen. Einige schließen sich zu Gemeinschaften zusammen, bilden Gewebe und erfüllen gemeinsam eine Aufgabe, verfolgen ein Ziel für das große Ganze. Solche Funktionseinheiten nennt man dann Organe oder Körperstrukturen. Einige davon stellen wir in den folgenden Kapiteln vor. Vielleicht behalten Sie dafür im Hinterkopf: Die Grundlage all dessen, was diese Organe und Strukturen für uns im täglichen Leben leisten, steckt in jeder einzelnen Zelle.

Ganz oben:

KOPF UNDHALS

Der Mensch kommt, wenn alles nach Plan läuft, als Erstes mit dem Kopf auf die Welt. Das macht Sinn, weil der Kopf und die Schultern im Verhältnis zum restlichen Körper des kleinen Wesens besonders groß sind. Und ist diese Körperregion bei der Geburt erst mal durch den engen Geburtskanal durch, »flutscht es dann oft einfach«, wie Gynäkologen gern sagen.

Aber lenkt man den Blick einmal von dieser rein technischen Seite des Geburtsvorgangs weg, gibt es auch noch einen weiteren Vorteil, wenn der Kopf zuerst in dieser Welt ankommt. Damit ist nämlich das Wichtigste des Menschen schon mal draußen: Die Nase, um nach Luft zu schnappen, das Gehirn, das mit Sauerstoff versorgt wird, und die Sinnesorgane. Denn der Kopf beherbergt nicht nur die Schaltzentrale des Menschen, das Gehirn mit all seinen Bausteinen, sondern außer dem Tastsinn auch alle anderen Sinne. Im Kopf sitzt unser Bewusstsein, dort wird entschieden, was wir wahrnehmen, wie wir sind und wie wir handeln. Unser Gesicht kann all dem, was wir denken, eine Mimik, eine Stimme, einen Ausdruck geben.

Der menschliche Kopf besteht aus dem Gesichtsschädel und dem Hirnschädel. Dabei umgibt der knöcherne Hirnschädel (Mitte und hinten) das Gehirn, der Rest macht die Form unseres Gesichts aus.

Der Hirnschädel besteht aus sieben Knochenplatten, der Gesichtsschädel aus fünfzehn (manchmal variieren diese Angaben in der Literatur). Mit der Geburt sind diese Knochenplatten noch nicht fest miteinander verwachsen, sondern durch sogenannte Fontanellen – bindegewebige Strukturen zwischen den Knochen – verbunden. Fünf dieser sechs Fontanellen schließen sich gleich in den ersten Wochen nach der Geburt, die vorderste, die ganz grob in der Mitte, oberhalb der Stirn liegt, schließt sich jedoch erst vollständig mit dem zweiten Lebensjahr. Es kommt also niemand als Dickschädel auf die Welt.

Die Fontanellen sind wichtig, damit das Gehirn des Säuglings ausreichend Platz hat zu wachsen. Es breitet sich nämlich deutlich schneller aus als die Schädelknochen. Täglich lernen Säuglinge und Kleinkinder dazu, dieses Wissen muss ja irgendwo seinen Platz finden.

Während der ersten zwei Lebensjahre verändert sich auch die Gesichtsform von Kindern oft deutlich. Sah der Junge nach der Geburt ganz wie die Mama aus, lächelt er nun nach einigen Monaten wie der Papa. Zu diesen äußeren Veränderungen trägt das Wachstum des Gesichtsschädels bei, die Zähne bohren sich ihren Platz im Kiefer, Nasennebenhöhlen und Augenhöhlen wachsen.

Lernen, Erinnern, Bewegen, Fühlen, Denken, Schlafen, Planen – alles, was uns und unser Dasein ausmacht, findet seine Verankerung an irgendeiner Stelle in unserem Gehirn. Wie in einem kleinen Städtchen, wo jeder seine Aufgabe hat, der Bäcker, der Metzger, die Feuerwehr, wo der Bürgermeister das große Ganze im Blick hat und der Lehrer die Kleinsten ausbildet, so hat jede Hirnregion ihre Zuständigkeiten und Aufgaben, damit das Zusammenleben im Körper auch funktioniert.

Die drei größten Strukturen im Gehirn sind das Großhirn, das Kleinhirn und der Hirnstamm. Das Kleinhirn ist zuständig für das Gleichgewicht und die Bewegungen der Muskeln. Der Hirnstamm steuert lebenswichtige Funktionen und das Großhirn koordiniert alle Informationen, Befehle und Vorhaben, die aus dem restlichen Körper dort ankommen. Diesen Strukturen untergeordnet sind zahlreiche Areale und Zentren, die etwa für das Sprechen, Sehen oder die Emotionen verantwortlich sind.

Natürlich besteht unser Kopf nicht nur aus Knochen und Gehirnmasse, sondern auch aus Nerven, Haut, Blutgefäßen, Haaren und Muskeln. Dabei werden die Kopfmuskeln unterteilt in mimische Muskulatur, Kaumuskulatur, Zungenmuskeln und Gaumenmuskulatur. Sind wir sauer, erfreut oder traurig, trägt unsere mimische Muskulatur dazu bei, dass das unsere Mitmenschen auch mitbekommen. Sie ist außerdem dafür da, dass wir Mund, Nasenflügel und Augenlider öffnen und schließen können. Kau-, Zungen- und Gaumenmuskeln verraten eigentlich schon mit ihrem Namen, welche Aufgabe sie im Körper erfüllen. Kaumuskeln und die Muskeln des Augenlids sind übrigens die ersten, die nach dem Tod des Menschen erstarren.

Damit wir zu Lebzeiten den Kopf drehen, zustimmend nicken oder abwertend verneinen können, braucht es die Halsmuskeln. Sie halten und bewegen Schädel und Gehirn. In Lehrbüchern über diese Muskelgruppen findet man Einteilungen nach oberflächlichen Muskeln, mittleren und tiefen. Besonders häufig spüren wir die Nackenmuskeln am Hals. Unser heutiger Lebensstil mit stundenlangem Ausharren vor dem Computer lässt die Nackenmuskulatur häufig vor Anspannung schmerzen. Wer sicher ist, dass keine Verletzungen der Grund für diese Beschwerden sind, kann manchmal ganz ohne komplizierte Übungen den Nacken entspannen. Etwa durch langsames Kreisen des Kopfes und der Schultern, jeweils nacheinander, in beide Richtungen, und das am besten mehrmals am Tag.