Legenden der Bronzekriege Band II - Stephan Birkholz-Hölter - E-Book

Legenden der Bronzekriege Band II E-Book

Stephan Birkholz-Hölter

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Beschreibung

Der Krieg zwischen Zwergen und Orks ist für´s Erste vorbei. Aber beide Seiten haben Gefangene gemacht. In den Gefängnissen rumort es, während sich die aus der Sklaverei befreiten Oger nur schwer in Eszak integrieren lassen. In Teilen von Eszak spukt es womöglich und die Angst geht um. Außerdem hat Graf Podos immer noch zu verbergen, womit er die letzte Schlacht beendet hatte. Diese dunkle Seite seines Erfolges holt ihn wieder ein. Die Matriarchin Hatala sammelt derweil neue Orkhorden an ihrem neuen Stützpunkt, um sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten. Und sie hat es jetzt auf die technologischen Fortschritte ihrer Feinde abgesehen, die sie zu stehlen versucht. Andere versuchen aus dem zurückliegenden Krieg noch im Nachhinein Gewinn zu schlagen: Der Händler Bogat hält Saatgut zurück, offenbar um den Preis hoch zu treiben, womit er eine Hungersnot riskiert. Doch er wird selbst zum Opfer von Diebstählen. Und viele geraten unter Verdacht. Hauptmann Bandolf, der Anführer der Menschen, muss in sein Heimatland reisen, um neue Söldner anzuwerben. Die Kriegerin Fehild wird von vielen in der Truppe immer noch nicht richtig akzeptiert. Und die noch neue Reiterei leidet an einem Mangel an Tieren. Auch die Jargoisten, die Anhänger des einen Gottes, haben ein Problem: Sie sind weniger geworden und dürfen sich nicht mehr in der Öffentlichkeit treffen. Der Kontakt zu den Elfen ist unterbrochen. Und dass sie ganz woanders Glaubensgeschwister haben, nützt ihnen nichts. Denn sie wissen nichts davon.

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Seitenzahl: 820

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Kapitel 1: Meinungen und Tatsachen

Kapitel 2: Der Neuner-Kreis

Kapitel 3: Zwei Feste und eine Geschichte

Kapitel 4: Otwards Abenteuer

Kapitel 5: Der Beraterstab

Kapitel 6: Beginn der Aufrüstung

Kapitel 7: Die große Übung

Kapitel 8: Mit allen Mitteln

Kapitel 9: Unter Nomaden

Kapitel 10: Zufallstreffer

Kapitel 11: Pravedans Ermittlungen

Kapitel 12: Kurze Prozesse

Kapitel 13: Rasian und Fjäril

Kapitel 14: Der Wille der Oger

Kapitel 15: Das etwas andere Verhör

Kapitel 16: Unter Verdacht

Kapitel 17: Die Erkundung Sajalons

Kapitel 18: Geheimwissen

Kapitel 19: Ein rätselhaftes Gefecht

Kapitel 20: Zusammenkunft

Kapitel 21: Groll

Kapitel 22: Planungen

Kapitel 23: Mitternacht

Kapitel 24: Der Morgen danach

Kapitel 25: Otwards Runde

Kapitel 26: Die Verfolgungsjagd

Kapitel 27: Der dunkle Häuptling

Kapitel 28: Vom Einkreisen und Unterschlüpfen

Kapitel 29: Wie sie immer weniger wurden

Kapitel 30: Wie sie wieder mehr wurden

Kapitel 31: Ein falsches Spiel kommt selten allein

Kapitel 32: Tage der Muße

Kapitel 33: Der Machtkampf

Kapitel 34: Von den Dämonenkriegen

Kapitel 35: Ravans Rückkehr

Kapitel 36: Vom Wissen der Elfen

Kapitel 37: Neue alte Bekannte

Kapitel 38: Die Berichte der Söldner

Kapitel 39: Der Krieger-Schamane

Kapitel 40: Über die neuen Verhältnisse

Kapitel 41: Ogni´s Geheimnis

Kapitel 42: Harzbergen

Kapitel 43: Neue Waffen

Kapitel 44: Neue Rohstoffe

Kapitel 45: Machtdemonstrationen

Kapitel 46: Planänderungen

Kapitel 47: Kampf der Giganten

Kapitel 48: Der Eklat

Kapitel 49: Pravedans Runde

Kapitel 50: Die Folgen des Eklats

Kapitel 51: Die Rückkehr nach Povaren

Kapitel 52: Das Kind und der Dieb

Kapitel 53: Kärmes Runde

Kapitel 54: Der Kobold

Anhang 1: Landkarte des Orklandes

Anhang 2: Personen-Register

Anhang 3: Über den Autor und Wega

Anhang 4: Ausblick auf Band III

Vorwort

Als der erste Band der „Legenden der Bronzekriege“ erschien, war der zweite bereits in Arbeit. Daher war es möglich, im Anhang bereits eine Vorschau mit Leseprobe-Ausschnitten zu veröffentlichen. Wie bereits angekündigt, hat sich der Wortlaut aber an manchen Stellen noch ein wenig verändert. Dasselbe gilt nun auch für den Ausblick auf Band III, der sich im Anhang dieses Bandes findet.

Auch stand mit der Entscheidung, den ersten Band im Selbstverlag zu veröffentlichen, natürlich fest, dass dies für die ganze Reihe so bleiben wird, damit alles aus einem Guss ist. Ich danke daher wieder allen, die mich dabei unterstütz haben, obwohl sie keine Profis darin sind, vor allem Anne und Mareike fürs Korrekturlesen, sowie Mareike auch für das Titelbild.

Zum besseren Verständnis der komplexen Handlung gibt es im Anhang auch wieder ein Personenverzeichnis, wo man Nachschlagen kann, wenn man sich bei einer wiederauftauchenden Person fragt: „Wer war denn das nochmal?“

Und wie schon beim letzten Mal, sind Ähnlichkeiten der handelnden Personen mit real-existierenden heutigen Menschen rein zufällig und unbeabsichtigt. Für Anklänge an biblische Geschichten, christliche Werte oder theologische Botschaften gilt jedoch das Gegenteil.

Eine gute Lektüre wünscht,

Stephan Birkholz-Hölter

(im August 2025)

Kapitel 1: Meinungen und Tatsachen

Es war eigentlich ein schöner Frühlingstag, als zwei Zwerge miteinander durch einen Hochwald wanderten. Die Sonne schien leicht durch die Baumwipfel hindurch, bei denen es sich mehrheitlich um Nadelbäume handelte. Es war noch ziemlich frisch, aber nicht mehr kalt, und nahezu windstill.

Der eine Zwerg hieß Andor und war kein geringerer als der Sohn des amtierenden Grafen von Eszak. Seit etwas mehr als eineinhalb Jahren regierte sein Vater Podos dieses Land. Unter ihm war die Grafschaft in sieben Baronien aufgeteilt. Er selbst und seine Familie wohnten in der Mittleren davon, die Povaren hieß.

Der andere Zwerg hieß Mason und war der Sohn von Pelzark, dem ehemaligen Baron von Povaren. Sein Vater war vor etwa einem Jahr im Krieg gegen die Orks gefallen. Und er war nicht sein Nachfolger geworden. Podos hatte darauf hingewirkt, dass der Feldherr Fundas neuer Baron von Povaren wurde.

Nun jedoch waren beide außerhalb Povarens, wenn auch noch innerhalb Eszaks unterwegs. Sie befanden sich im Grenzgebiet zwischen den Baronien Rautal und Möhren, wo der Krieg zuletzt am heftigsten getobt hatte. Ganz in der Nähe fand damals auch die entscheidende Schlacht statt, in der Graf Podos die wichtigste Waffe der Orks, den Schädel der Angst, eigenhändig vernichtet hatte.

Beide Wanderer hatten privat etwas in Rautal zu erledigen gehabt. Andor hatte eine seiner Töchter dorthin begleitet, die dort zu ihrem zukünftigen Mann zog. Er würde sehr bald mit größerem Gefolge noch einmal dorthin gehen, um der Hochzeit beizuwohnen. Mason hatte ein Geschäft zu erledigen gehabt. Nun waren beide auf dem Rückweg nach Hause.

Obwohl es eigentlich ein schöner Tag zu sein schien, waren beide Zwerge nicht besonders gut gelaunt, sondern wirkten besorgt. „Ist was mit dir?“ fragte daher Andor als erster seinen Begleiter. Der überlegte kurz und antwortete dann mit einer Gegenfrage: „Habt ihr auch gehört, dass es in dieser Gegend spuken soll?“

Andor versuchte nun, möglichst gefasst zu wirken und fragte wiederum zurück: „Du glaubst das doch nicht etwa?“ „Warum nicht?“ fragte Mason. „Das sind Schauer-Geschichten,“ meinte Andor, „sie werden von Leuten verbreitet, die anderen Angst machen wollen.“

„Warum sollten sie das tun?“ wollte Mason wissen. „Um Unruhe zu verbreiten.“ „Und warum sollten sie Unruhe verbreiten wollen?“ „Das weißt du sehr gut,“ entgegnete Andor und setzte dann einen Blick auf, der das Gespräch eigentlich schon wieder beenden sollte.

Beim Volk der Munzaner, zu dem auch die Grafschaft Eszak gehörte, war es üblich, dass man Höhergestellte auch sprachlich mit Respekt behandelte. Man redete sie in der „Ihr“-Form an, während man selbst von ihnen gedutzt wurde. Und Andor als potenzieller nächster Graf stand im gesellschaftlichen Rang definitiv über Mason, der entgegen allen Erwartungen nicht nächster Baron geworden war.

„Lasst es mich so ausdrücken,“ formulierte er daher vorsichtig, „Mir ist nicht ganz klar, ob die Leute, die hier etwas über Spuk erzählen, Unruhe verbreiten wollen, weil es Schwierigkeiten zwischen ihnen und euch gibt, oder ob es Schwierigkeiten zwischen ihnen und euch gibt, weil sie Unruhe verbreiten. Vielleicht haben sie auch einfach den Grund, dass sie selbst beunruhigt sind, und zwar weil es spukt.“

Der Sohn des Grafen antwortete darauf nicht mehr. Stattdessen sagte er nach einer Pause: „Du musst keine Angst haben. Die Garde deines neuen Barons wird unsere Heimat schon vor solchen Problemen schützen. Und hier, wo wir ja nur auf der Durchreise sind, passe ich schon auf.“

Er war noch nie für sein diplomatisches Geschick bekannt, dachte Mason über seinen Begleiter. Das hatte er mit seinem Vater gemeinsam, der etwas unerwartet als jüngerer Sohn Nachfolger seines Vaters geworden war. Sein älterer Bruder Pravedan war da ganz anders. Und ähnlich verhielt es sich zwischen Mason selbst und Fundas, der an seiner statt Baron geworden war; jedenfalls aus Masons Sicht.

Dennoch blickte der Steinmetz, der nur etwas von seinem Arbeitswerkzeug im Gepäck hatte, nun auf die Bewaffnung seines Begleiters. Der war nämlich Krieger und trug die entsprechende Ausrüstung bei sich. Mason hoffte einfach, dass diese im Ernstfall wirklich etwas gegen Geister und Spukgestalten ausrichten konnte.

Aber obwohl er im Zweifelsfall auf den Schutz durch Andor hoffte, konnte er nicht widerstehen, ihn und seine Familie weiter zu kritisieren. „Die Garde unserer Heimatbaronie,“ begann er daher, „ist in letzter Zeit stark geschrumpft.“ „Dafür hat sie auch nur noch eine Aufgabe,“ konterte Andor sofort.

Mason fuhr fort: „Euer Vater hat die Garden aller Baronien nach dem Krieg auf eine einzige Kohorte geschrumpft, um dafür seine eigene schneller und größer wieder aufbauen zu können.“ „Dafür haben sie auch nur noch die Aufgabe, das eigene Territorium zu sichern,“ entgegnete der Gardist nochmals, „und brauchen in zukünftigen Kriegen keine Kohorten mehr für Feldzüge außerhalb davon zu entsenden.“

„So hat der Graf mehr direkte Befehlsgewalt als früher,“ meinte der Steinmetz, „aber auf Kosten des Einflusses der Barone.“ „Es war eine gemeinsame Entscheidung von Graf und Baronen,“ meinte Andor. „Zu einem Zeitpunkt, als der Graf sich gerade als Volksheld feiern lassen konnte und niemand ihm zu widersprechen gewagt hätte,“ ergänzte Mason.

„Mein Vater hat in hohem Alter alleine und mit eigenen Händen die wichtigste Waffe unserer Feinde zerstört und damit den Krieg beendet,“ ereiferte sich der Sohn des Grafen nun. „Mit Hilfe von Monetus, ja,“ sagte Mason, „aber hat nicht gleichzeitig euer Onkel die Unterkunft der Orkmatriarchin zerstört? Und war das nicht für den Sieg über die Orks ebenso wichtig?“

Wieder antwortete Andor nicht, sondern blickte sich lieber etwas um, ob nicht doch irgendwo Spuren von Spuk zu sehen waren, und prüfte zwischenzeitlich mal die Schärfe seiner Waffen. Er trug einen Speer in der Hand und eine Axt am Gürtel. Seinen Bronzehelm und seinen Holzschild hatte er nicht angelegt. Beide baumelten an seinem Rucksack, der ansonsten nur wenig Gepäck enthielt.

Der Handwerker hingegen, der völlig unbewaffnet war und sich anfangs mehr Sorgen über die Spukgeschichten gemacht hatte als der Gardist, hatte diese jetzt fast vergessen und wollte weiter über Politik diskutieren. Er wusste natürlich, dass er da bei seinem Begleiter vorsichtig sein musste. „Aber es gab seither auch noch weitere Veränderungen im Kriegswesen, nicht wahr?“ fragte er darum erstmal ganz allgemein.

„Ja,“ stieg Andor ein und war sofort in seinem Element, „es gab eine umfassende Heeresreform. Sie ist auch noch nicht ganz abgeschlossen. Der Krieg war sehr verlustreich und die Garde muss fast komplett neu aufgebaut werden.“ „Und das gleich nach den neuen Strukturen?“ „Selbstverständlich, wir wollen ja hinterher stärker sein als vorher.“

„Wie heißt noch einmal euer neuer Dienstgrad?“ fragte der Steinmetz interessiert. „Korporal,“ antwortete der ehemalige Kriegsmeister, „So nennen wir jetzt den Anführer eines Trupps. Ich bin der Korporal der Lagerwache.“ „Und warum gibt es neue Titel für die einzelnen Anführer?“ „Weil es mehr verschiedene Posten gibt als vorher. Dafür mussten auch mehr neue Titel her. Auf jeder Befehlsebene gibt es nun einen Anführer und einen stellvertretenden Anführer.“

„Klärt mich auf,“ bat Mason, „Warum braucht jeder Anführer einen Stellvertreter. Bisher konnte er einen solchen doch einfach vorübergehend ernennen, wenn er mal eine Weile wegmusste oder sowas.“ „Und was ist, wenn er im Kampf fällt und keinen Stellvertreter mehr ernennen kann?“ gab Andor zu bedenken, „Wer führt dann die anderen durch den Rest der Schlacht?“

„Ich verstehe,“ sagte Mason nickend, „Und ist die Gefahr, dass dies passiert, auch bei der Lagerwache groß?“ Durch diese Frage fühlte sich Andor in seiner Ehre verletzt. Er wollte sich nicht unterstellen lassen, dass er einen sicheren Posten in den hinteren Reihen hat, während andere den Kopf hinhalten. Aber er wollte sich das nach dem bisherigen Gesprächsverlauf auch nicht anmerken lassen, sondern weiterhin die Rolle des Wissenden übernehmen.

„Darum geht es doch gar nicht,“ antwortete er deshalb, „Wenn wir eine neue Struktur haben, gilt die einfach in allen Bereichen. Jeder Trupp, jede Kohorte und auch die Garde als Ganze hat jetzt einen Anführer und dessen Stellvertreter. Dieses Konzept gibt es in Vale schon seit langem, und man hat dort gute Erfahrungen damit gemacht.“

„Die Grafschaft Vale hatte in der Vergangenheit auch mehr Kriege mit Orks auszustehen als wir,“ warf Mason ein, der auch mal wieder was wissen wollte. „Stimmt,“ sagte der Korporal, „und auch mit Goblins.“ „Was sind Goblins?“ fragte Mason verblüfft, der weit weniger in der Welt herumgekommen war als Andor. „Widerliche Kreaturen aus dem Westen, mit denen man nicht friedlich auskommen kann, genau wie mit Orks,“ antwortete der Krieger.

Wenn man Politik so macht wie Podos, konnte man das wohl mit kaum einer anderen Spezies, dachte Mason, behielt es aber für sich. „Es war unser Feldherr Ravan,“ hörte er Andor inzwischen fortfahren, „der diese Idee von seinen Reisen aus Vale mitbrachte.“ „Ach, nicht euer Vater, der Graf?“ staunte Mason gekünstelt und erntete dafür einen bösen Blick.

Doch dann wurden die beiden Wanderer von ihrem vorherigen Gesprächsthema wieder eingeholt. Denn auf einmal – sie waren gerade in einem sehr dichten Teil des Nadelwaldes, wenn auch immer noch auf einem breitgetretenen Pfad – hörten sie ein Sausen. „Was war das?“ fragte Mason erschrocken. „Keine Ahnung,“ entgegnete Andor.

Sie gingen weiter, aber das Sausen kam wieder. Andor versuchte diesmal, sich nichts anmerken zu lassen, was ihm aber nicht gelang. „Ihr habt es auch gehört,“ behauptete Mason deshalb direkt. „Was?“ fragte Andor. „Dieses Sausen,“ seufzte Mason genervt und blickte sich zugleich ängstlich nach etwas um, was er als Waffe benutzen könnte.

„Ach, wahrscheinlich ein Windstoß,“ meinte Andor abfällig, umgriff aber ebenfalls seinen Speer fester. „Es ist fast vollkommen windstill,“ erklärte der Steinmetz, „schon den ganzen Tag. Außerdem spüre ich auch nichts, sondern höre es nur.“

„Lass mich raten,“ schmunzelte Andor, „jetzt kommen die Spukgeschichten wieder.“ „Schon mindestens zwei Dutzend Zwerge aus dieser Gegend haben davon berichtet,“ meinte Mason, „die einen haben was gehört, die anderen gesehen. Wieder andere haben rätselhafte Phänomene erlebt, wie, dass ihre Lasttiere plötzlich und grundlos in Panik gerieten.“

„Du übertreibst,“ beharrte der Krieger, „ich kenne bestenfalls halb so viele Berichte.“ „Aber Ihr kennt sie,“ beharrte auch der Handwerker und zog nun seinen Hammer aus dem Rucksack, um sich notfalls damit verteidigen zu können. Es war eigentlich ein Arbeitswerkzeug, würde aber bestimmt auch als Wurfgeschoss taugen.

„Wenn du wünschst, kann ich ja vorsichtshalber meine Rüstung anlegen,“ lenkte Andor ein und hielt dann auch sofort an, um sie vom Rucksack loszubinden. Rüstungen bestanden bei seinem Volk in dieser Zeit zwar nur aus Helm und Schild, aber immerhin. Mason war sich nicht sicher, wem von ihnen beiden das wirklich nutzen sollte, wartete aber geduldig, bis sein Begleiter fertig war und hielt sich ab dann leicht hinter ihm.

Plötzlich hörten beide eine Stimme und erschraken jetzt richtig. Verunsichert sahen sie sich um, aber es war niemand zu sehen. Die Stimme war nur kurz zu hören und sehr undeutlich. „Wer ist da?“ rief Andor und hielt nun seinen Speer halb abgesenkt vor sich.

„Jetzt habt Ihr es also auf jeden Fall auch gehört,“ sagte Mason ebenso bestimmt wie verunsichert und blickte sich um. Sie standen Rücken an Rücken und setzten beide ihre Rucksäcke ab. „Ja,“ gab Andor leise zu, „da hat jemand gesprochen.“ Lauter fuhr er dann fort: „Komm raus und zeig dich, wer immer da ist!“ Er legte den Schild ab, um beide Hände am Speer zu haben.

Und wieder kam das Sausen. Und diesmal huschten einige Tiere wie Eichhörnchen und Hasen über den Weg. Dann raschelte etwas im Gehölz. Und die Stimme war auch nochmal zu hören. Als Andor abgelenkt war, griff sich Mason den Schild und hielt ihn schützend vor sich. „Wer ist da?“ rief der Gardist erneut, „Ich bin Korporal der gräflichen Garde von Eszak und verlange, dass du dich zeigst.“

„Ich glaube nicht, dass er, sie oder es sich zeigen wird,“ flüsterte Mason, „Es ist bestimmt eine Spukgestalt. Die Gerüchte sind eben doch wahr.“ „Einige vielleicht,“ gab Andor zu, „das muss aufgeklärt werden. Ich werde Ravan davon berichten.“ „Wenn wir heil zurückkommen,“ gab der Steinmetz zu bedenken.“

In dem Moment war die Stimme noch einmal zu hören und kam nun nach Masons Wahrnehmung ganz eindeutig von dem Baum, auf den er blickte. Fast reflexartig warf er seinen Hammer danach. Aber daraufhin erhoben sich nur einige Vögel aus dem Baum und flogen davon.

„Was machst du da?“ wollte Andor wissen. „Da war die Stimme wieder.“ „Nein,“ sagte Andor, „die kam doch von dort.“ Er zeigte ganz sicher auf den Baum in seiner Blickrichtung. Beide blickten abwechselnd sich und die Bäume an. „Wir sind umzingelt,“ meinte Mason dann.

„Hast du verstanden, was sie gesagt haben?“ fragte Andor. „Nein, kein Wort,“ antwortete Mason, „es klingt, als spräche jemand aus dem Wind; aber nur abgehackt und sehr undeutlich.“ „Vielleicht ist es auch nicht unsere Sprache,“ sagte Andor nun mit wieder festerer, aber unheilsschwangerer Stimme. „Ihr meint, es seien Orks?“ fragte Mason. „Möglich,“ antwortete der Mann mit dem Speer.

„Es waren schon Leute hier, die Suiadisch verstehen,“ kommentierte Mason nach kurzem Überlegen, „denen wäre doch aufgefallen, wenn es die Sprache der Orks gewesen wäre, die man hört. Außerdem sind hier nirgendwo Fußspuren zu sehen, außer von kleinen Tieren und unsere.“ „Wenn du Recht hast,“ meinte Andor, „müsste es wirklich mit Geistern und Spuk zugehen. Dagegen wären meine Waffen womöglich machtlos.“ „Fürchte ich auch,“ kommentierte Mason.

Auf einmal war ein schriller Schrei zu hören, der in den Ohren der Zwerge Ähnlichkeit mit dem Wiehern eines Pferdes oder Ponys hatte, aber zugleich auch irgendwie nach ihren eigenen Stimmen klang. „Nichts wie weg hier!“ rief Mason und rannte los. Der Krieger wollte noch kurz nach seinem Schild greifen, merkte dann aber, dass sein Begleiter ihn schon bei sich hatte, und folgte ihm. Ihre Rucksäcke konnten sie beide gerade noch ergreifen und in der Hand mitnehmen.

Kapitel 2: Der Neuner-Kreis

Steile Felsen ragten aus einer sumpfigen Landschaft, aus der nach einer verregneten Nacht jetzt Nebel aufstieg. Hinter diesem war allerdings die Sonne schon zu erkennen, die sich langsam dem höchsten Punkt näherte, den sie an diesem Tag erreichen würde.

„Es ist definitiv ein Kreis, Herrin“ sagte Blork zu Hatala, „unsere Späher haben ihn umrundet. Die Felsen stehen im Kreis. Und um sie herum befinden sich unzählige Sumpflöcher. Aber niemand weiß, was in der Mitte ist.“ „Gut,“ sagte die Herrin, „Ausgezeichnet!“

Beide sahen ein wenig aus wie aufrechtgehende Wildschweine. Sie hatten ein schwarzes Fell und ein schweineähnliches Gesicht, aber annähernd menschliche Proportionen, wenn auch deutlich kürzere Beine. Und statt Hufen hatten sie Hände und Füße, wenn auch mit Krallen. Blork hatte zudem Hauer, die ihm unter dem Rüssel aus dem Mund ragten.

Sie waren Orks. Und um sie herum standen noch viele weitere von diesen. Hatala war die Matriarchin dieses Territoriums, aber seit dem verlorenen Krieg gegen die Zwerge ohne festen Stützpunkt. Ihre Höhle war von den Feinden erstürmt worden. Blork war einer der Schamanen, die ihr dienten und für ihre Verehrung in den Horden sorgte, die das Gebiet durchzogen.

„Was hast du vor, Herrin?“ fragte ein Hauptmann, der bei den beiden stand. „Ich gar nichts,“ entgegnete Hatala bedeutungsschwanger, „ihr werdet für mich herausfinden, was in der Mitte ist.“

„Wir haben noch keinen Weg in die Mitte gefunden,“ erklärte Blork, „die Felsen sind unerklimmbar, und um sie herum sind tiefe Sumpflöcher.“ „Umso besser,“ freute sich die Matriarchin, „je undurchdringlicher der Weg, desto interessanter.“

„Aber wie sollen wir überhaupt einen Weg finden?“ fragte Blork. „Ausprobieren!“ befahl sie. „Aber Herrin,“ entgegnete der Hauptmann und verbeugte sich in tiefer Ehrfurcht vor der mächtigen Zauberin, „jeder Fehlversuch wird dazu führen, dass jemand im Sumpf versinkt. Nicht dass es meinen Leuten am Mut dafür fehlte, aber wir haben nicht mehr so viele.“

„Aber wir haben mehr als genug Gefangene,“ entgegnete Hatala. Blork und der Hauptmann blickten einander an. Einen Moment lang zögerten sie, aber dann grinsten beide, verbeugten sich nochmals vor der Matriarchin und bestätigten ihren Befehl.

Kurz darauf ging ein einzelner Mensch, ein junger Mann, auf einen der Felsen zu. Immer wieder blickte er sich um, aber es gab kein Zurück. Hinter ihm standen zwei Dutzend bewaffnete Orks, die ihn auf diesen Pfad gestoßen hatten und ihm zuriefen, er solle weiter gehen. Man müsse einen Weg durch den Morast finden.

Der junge Mann war ein Söldner, der im letzten Krieg für die Zwerge gegen die Orks gekämpft hatte und in Gefangenschaft geraten war. Vorsichtig tapste er Schritt für Schritt vorwärts, immer damit rechnend, dass er in ein Sumpfloch fallen und darin ertrinken könnte. Einige Löcher waren zu sehen, aber andere waren dafür zu dicht bewachsen.

„Schneller!“ befahl ein orkischer Obermann, während ein anderer schon den nächsten Gefangenen herbeiführen ließ. Und während der junge Mann sich umdrehte, um zu sehen, wer es war, passierte es. Er stolperte über eine Wurzel und fiel vorwärts in den Sumpf. Einen Moment lang guckten seine Beine noch strampelnd heraus, aber er steckte kopfüber drin und konnte sich nicht mehr befreien. Er versank.

Der nächste Gefangene war ein etwas älterer Zwerg. Er war beim Verlassenen einer zeitweilig eroberten Baronie mitgenommen worden. Auch er wurde gezwungen, durch den Morast zu waten, um einen Weg hindurch zu finden. Er konnte bis zu der Stelle gehen, wo sein Vorgänger zuletzt sicher gestanden hatte. Ab dann musste auch er sich vorsichtig vortasten.

Das gleiche wie hier passierte parallel auch an fünf anderen Stellen rund um den Felsenkreis. Überall wurden Gefangene losgebunden und dann mit vorgehaltenen Waffen gezwungen, unter Einsatz ihres Lebens einen Weg durch den Morast ins Innere des Kreises zu suchen.

Unter ihnen waren auch Frauen, Kinder und Alte, denn die Orks machten da keine großen Unterschiede, zumindest was die Zwerge anging. Die große Mehrheit der Gefangenen allerdings waren Menschen und damit junge Männer. Denn nur solche dienten als Söldner in den Garden zwergischer Grafschaften.

Neben den Gefangenen aus dem letzten Krieg aber gab es auch noch weitere Zwerge und Menschen, die hier unter den Orks lebten, und zwar als Sklaven. Allerdings konnte man die zwergischen Sklaven an einer Hand abzählen. Denn nur ein orkischer Häuptling hatte es riskiert, auch sie zu versklaven. Ansonsten war das nicht üblich. Es dauerte einfach zu lange, da sie sehr alt werden und Sklaven immer erst in der zweiten Generation brauchbar waren. Die überwiegende Mehrheit der Sklaven waren ohnehin Oger; eine sehr primitive Spezies, die sich besonders leicht abrichten ließ, wie orkische Matriarchinnen und Patriarchen schon vor sehr langer Zeit herausgefunden hatten. Aber es gab auch nicht ganz wenige menschliche Sklaven, die schon in zweiter oder dritter Generation hier lebten.

Einer von ihnen war Thankred, der nun hier dabeistand und genau wie die Orks gespannt zusah. Allerdings interessierte ihn weniger der Erfolg der Suche nach einem Weg als die Überlebensrate seiner Artgenossen. Bei jedem neuen Versuch hoffte er, dass es endlich der letzte war und dieser Gefangene überlebte.

Thankred war ein junger Mann, der als Zeltbauer in der Horde des Häuptlings Ilgjarn lebte. Er war bereits in Sklaverei geboren worden und kannte nichts anderes, wusste aber, dass seine Eltern einmal freie Menschen im Goskenland gewesen waren, die in gewissem Rahmen selbst entscheiden konnten, was sie zu tun und zu lassen hatten. Und immer, wenn er Aktionen wie diese mitbekam, erwachte in ihm auch eine gewisse Sehnsucht nach solch einem Leben.

Diese Aktion kostete am Ende sechs Zwerge und zwölf Menschen das Leben. Der eine versank im Sumpf, der andere brach sich beim Sturz von einem Felsen das Genick. Und keiner der Toten bekam eine angemessene Bestattung, sehr zum Verdruss ihrer Artgenossen, die ohnehin entsetzt waren.

Ganz anders hingegen war die Stimmung Hatalas, als sie, begleitet von ihren Schülern, ausgewählten Kriegern und weiteren engen Vertrauten, den Bereich in der Mitte des Kreises betrat. Denn am Ende hatte man tatsächlich einen Zugang dorthin gefunden, auf dem sie und ihre Leute sicher hineingelangen konnten.

Der Bereich in der Mitte war nichts anderes als eine große Wiese, auf der verteilt ein paar Birken und Nadelbäume wuchsen. Von der Mitte aus betrachtet ragten außen herum insgesamt neun große Felsen wie Zähne aus dem Boden. Einige kleinere Felsen lagen davor oder dahinter. Der Boden in der Mitte war trocken und fest, nicht morastig. Er lag leicht erhöht.

„Hervorragend,“ sagte die Matriarchin, nachdem sie das alles betrachtet hatte, „endlich ein geeigneter Platz für ein neues Lager.“ Auch ihre Begleiter blickten sich um. „Es gibt hier keine Höhle,“ gab Blork zu bedenken. „Die brauchen wir auch nicht,“ erklärte Hatala, „wenn hier alles so ist, wie ich es wünsche, reichen Zelte als Unterkunft.“

Das war ungewöhnlich. Normalerweise hausten orkische Matriarchinnen und Patriarchen in Höhlen und nur die nomadisch lebenden Horden schliefen in Zelten. Aber dass Hatala keine gewöhnliche Matriarchin war, war inzwischen schon vielen in ihrem Umfeld deutlich geworden.

„Die Horde soll außerhalb des Kreises ihr Lager aufschlagen,“ befahl sie nun, „Ilgjarn kommt zur Unterredung mit mir.“ Sie ging ein Stück weiter und alle außer Ilgjarn hatten verstanden, dass sie zurückbleiben sollen.

Ilgjarn war nach dem Krieg der letzte verbliebene Häuptling und führte zurzeit alle Orks an, die sich innerhalb von Hatalas Matriarchat bewegten. „Eine hervorragende Wahl für dein neues Quartier,“ bestätigte er ihr nun, und sprach dabei in dem ihm eigenen, grollenden Ton, zugleich unterwürfig, aber auch auf den eigenen Stolz bedacht.

„Endlich,“ seufzte Hatala, die sich angewöhnt hatte, ihm gegenüber ähnlich aufzutreten, dabei aber deutlich machen konnte, dass sie im Zweifelsfalle den höheren Rang hatte. Matriarchinnen und Patriarchen konnten auf Grund ihrer herausragenden magischen Kräfte in der orkischen Gesellschaft eine den Göttern ähnliche Verehrung beanspruchen. Häuptlinge hingegen beanspruchten die Führung einer Horde auf Grund ihrer Überlegenheit im Zweikampf.

„In der Tat,“ sagte dieser Häuptling nun, „die Suche nach einem neuen Lager hat lange gedauert, nachdem das Letzte von unseren Feinden erstürmt worden war.“ „So etwas darf und wird sich nicht wiederholen,“ erklärte Hatala, „dieser Stützpunkt hier wird uneinnehmbar sein.“

„Es wird schwierig werden, ihn militärisch einzunehmen,“ bestätigte Ilgjarn, „denn es scheint tatsächlich nur einen Weg hinein zu geben. Und der ist ein schmaler Pfad.“ „Wenn alles so weit ist, wird es gar keinen Weg hinein mehr geben,“ verbesserte ihn Hatala, „jedenfalls nicht für Gewöhnliche wie dich und unsere Feinde. Nur meine Schamanen und ich werden noch hinein oder hinaus gelangen können.“

Ilgjarn stutzte. „Was hast du vor?“ fragte er. „Betrifft dich nicht,“ antwortete sie, „denn du bist kein Schamane. Mit dir will ich über etwas anderes sprechen. Du hast nach dem letzten Krieg alle Überlebenden in deiner Horde vereinigt, selbst die, die uns später noch zugelaufen sind. Dadurch ist deine Horde um ein Vielfaches größer als üblich.“

„Sie ist etwa dreimal so groß wie üblich,“ bestätigte der Häuptling und reckte sich dabei stolz, „aber das ist kein Problem für mich. Ich kann sie alle führen.“ „Gut,“ sagte die Matriarchin, „aber wie schnell kannst du sie auch wieder in einen Krieg führen?“ Ilgjarn erschrak etwas. „Du planst schon wieder einen neuen Krieg?“ „Wolltest du dich etwa mit dem Ergebnis des letzten Krieges zufriedengeben?“ fragte sie zurück.

„Dann ist es doch ein Problem,“ gab Ilgjarn nun zu, „denn die meisten der Orks, die ich zurzeit unter mir vereinige, sind noch Kinder. Nicht das davon nicht auch die meisten bereit wären, für dich in den Krieg zu ziehen, aber sie werden weniger effizient kämpfen, denn unsere Feinde werden gut ausgebildete Krieger schicken.“

Hatala nickte. „Wieviele deiner Leute sind noch Kinder?“ wollte sie wissen, obwohl sie die Antwort kannte. „Etwa zwei Drittel,“ gestand Ilgjarn. „Ohne sie wäre die Horde also normal groß,“ meinte sie. Er nickte, ergänzte allerdings noch: „Aber auch die Kinder bringen etwas.“ „Nicht genug,“ fauchte sie plötzlich heftig, „denn wie du schon sagtest: Der Feind wird ausgebildete Krieger schicken.“

Sie gingen noch ein Stück und blickten sich dabei etwas um. Die anderen waren nun außer Hörweite. „Die Ausbildung der Zwerge allein kann natürlich den Mut der Orks nicht überwinden,“ fuhr Hatala dann fort, „hinzu kommt vor allem auch die Ausrüstung. In der Vergangenheit war der Feind uns vor allem immer technisch überlegen.“

„Sie hatten eine neue Technologie, mit der sie unsereins schon töten konnten, bevor wir uns ihnen weit genug genähert hatten,“ bestätigte Ilgjarn, „die Gefangenen, die wir verhört haben, nannten es Bogenschießen. Und ein anderer Trick erlaubte es einigen Zwergen, sich auf Tiere zu setzen und sich von diesen in die Schlacht tragen zu lassen. Sie sahen fast aus wie Zentauren.“

„Orks sind auch Zentauren überlegen, oder nicht?“ fragte Hatala mit feurigem Blick. „Selbstverständlich,“ grummelte Ilgjarn, „aber sie werden von ihren Patriarchen auch entsprechend ausgerüstet.“ Den vorwurfsvollen Tonfall, den er dabei anschlug, überhörte die Zauberin durchaus nicht, ging aber nicht darauf ein, sondern drehte den Spieß um.

„Zu den neuen Technologien der Zwerge kommt ihre alte Überlegenheit durch den Bronzeguss hinzu,“ meinte sie. Auch ihre ganz normalen Handwaffen sind unseren immer überlegen. Härter, präziser und vieles mehr. Und leider reicht der ach so hoch gepriesene Mut deiner Leute eben doch nicht aus, um das auszugleichen.“

„Tatsächlich?“ fragte der Häuptling provokativ, „Und was schlägst du dann vor, jetzt wo die wichtigste Waffe, die du uns gegeben hattest, zerstört wurde?“ Damit spielte er auf den Schädel der Angst an, dessen Herstellung auch für Hatala eine Herausforderung gewesen war, so dass sie nicht einfach einen zweiten bauen konnte.

„Zwei Dinge:“ sagte sie, blieb dabei stehen und baute sich vor ihm auf, „Du wirst das Geheimnis der zwergischen Fortschritte erkunden. Folter die Gefangenen, spionier die Baronien aus, mach weitere Gefangene, die irgendwas wissen, oder tu, was immer sonst notwendig ist! Aber finde heraus, wie auch wir uns diese Fortschritte zu Nutze machen können!“

„Und das zweite Ding?“ fragte er, während er sich ebenfalls aufbaute, obwohl er wusste, dass er gleich auf die Knie gehen musste. „Ich werde inzwischen dafür sorgen, dass wir neue Horden in unser Bündnis integrieren,“ erklärte Hatala. Er starrte sie an. „Und welcher Häuptling wird dann die Führung haben?“ „Das hängt ganz davon ab, wie gut du dich um das erste Ding kümmerst,“ antwortete sie.

Seufzend und schnaufend, senkte er betont langsam ein Knie ab und legte die Hände auf das andere, um sich vor der Matriarchin zu verbeugen. „In dem Falle werde ich tun, was du verlangst, Matriarchin. Deine Weisheit ist wie immer überzeugend.“

Den Rest des Tages über hatte sich Hatala mit ihren Schamanen und Schülern umgeben und das weitere Vorgehen besprochen. Nur zwei Schüler waren derzeit bei ihr in der Ausbildung zum Schamanen. Alle anderen hatten die Flucht aus dem alten Quartier nicht überstanden. Deshalb wollte sie nun, da sie ein neues Quartier hatte, endlich wieder Schüler aufnehmen.

Am Abend versammelten sich daher alle Schamanen vor dem Zelt, das Hatala von Thankred hatte für sich errichten lassen. Und jeder von ihnen hatte einen potenziellen Kandidaten dabei: Jungen und Mädchen aus der unter Ilgjarn zusammen geführten, übergroßen Horde, bei denen möglicherweise magische Fähigkeiten entdeckt worden waren.

Die beiden vorhandenen Schüler, ein junger Mann und eine junge Frau, standen vor dem Zelt Wache, als Hatala heraustrat. Die Schamanen mit ihren Kandidaten standen im Kreis um ein Lagerfeuer. Auf das Zeichen ihrer Herrin hin, setzten sie sich. Die Kandidaten wirkten nervös, weil sie nicht wussten, was auf sie zukam. Die Schamanen waren nervös, weil sie es wussten, verbargen es aber so gut sie konnten.

„Jeder von uns hat dir einen möglichen neuen Schüler gebracht, Herrin,“ erklärte Kärme. Sie war die letzte, die die Ausbildung abgeschlossen hatte, war aber danach sofort zu Hatalas rechter Hand aufgestiegen. Sie stand der Matriarchin also am nächsten, was ihr des einen Ehrfurcht und des anderen Neid einbrachte.

Insgesamt sieben Schamaninnen und Schamanen waren anwesend, und ebensoviele Kandidaten. „Nicht jeder und jede,“ begann Hatala ohne Begrüßung loszulegen, „kann ein Schamane oder eine Schamanin werden; jedenfalls nicht bei mir. Ich verlange mehr als nur die Fähigkeit, etwas zaubern zu können. Die richtige Einstellung und der nötige Mut sind genauso wichtig.“

Sie blickte in die Runde. Die Kandidaten senkte die Köpfe. „Die Ausbildung dauert mehrere Jahre,“ fuhr die Matriarchin fort, „sie endet erst, wenn ich es sage. In dieser Zeit seid ihr zugleich meine Dienerinnen und Diener und tut nichts außer dem, was ich euch sage. Wenn ich es verlange, werdet ihr euch selbst Schaden zufügen und Schmerzen erleiden. Und wenn ich euch für irgendwas bestrafe, werdet ihr euch dafür bedanken. Ist das klar?“

Die meisten Kandidaten nickten oder antworteten kleinlaut mit „Ja“, aber zwei bekräftigten es deutlich. „Sie wissen es,“ bestätigte Blork dann noch einmal für alle. „Sagt der, dem ich es selbst lange nach seiner Ausbildung noch einmal neu einschärfen musste,“ kommentierte Hatala, die selbst etwas jünger war als Blork.

Deshalb wies Kärme nun richtigerweise darauf hin: „Verzeihe ihm, Herrin! Er hat seine Ausbildung ja nicht bei dir gemacht.“ Und tatsächlich wurde Hatalas Gesichtsausdruck daraufhin milder. Blork aber bedankte sich bei Kärme nicht für dieses Eingreifen, sondern grollte sie an. Denn sie hatte ihn damit geschickt gedemütigt und seine Ausbildung vor allen als minderwertig eingestuft.

„Nur die Hälfte von euch,“ fuhr Hatala dann an die Kandidaten gewandt fort, „wird heute in den Kreis meiner Schüler aufgenommen.“ „Eine Hälfte von sieben gibt es nicht, Herrin,“ bemerkte einer. Daraufhin streckte Hatala die Hand in Richtung Lagerfeuer aus. Die Flammen nahmen die Gestalt eines zentaurischen Kriegers mit Speer an, welcher auf den Jungen zulief, der gesprochen hatte, und schließlich seinen Speer nach ihm warf. In Panik warf sich der Kandidat zur Seite.

„Mut allein macht einen auch nicht geeignet,“ kommentierte Hatala, „denn ohne Intelligenz wird sie zu schnell zu Übermut.“ Dann forderte sie die Kandidaten der Reihe nach auf, den Zauber, den sie gerade gesehen hatten, nachzumachen. Nur einem gelang es ansatzweise und das Feuer formte unter seiner Hand eine Gestalt, aus der mit viel Fantasie irgendein vierbeiniges Tier zu erkennen war.

Es folgten weitere Prüfungen, um zu sehen, ob die Kandidaten wirklich magische Begabungen hatten, denn diese angeborene Fähigkeit war Grundvoraussetzung für die Ausbildung zum Schamanen.

Zugleich aber waren Schamanen auch die Vertreter der Religion bei den Orks und hatten für die Verehrung der Götter und Patriarchen zu sorgen. Deshalb prüfte Hatala auch deren Kenntnisse auf diesem Gebiet, sowie ihre Redegewandtheit. Und schließlich machte sie sich in Gedanken ein Bild jedes einzelnen Charakters.

Am Ende des Abends saßen wieder alle um das Lagerfeuer. Hatala hatte zwei Jungen und ein Mädchen ausgewählt, darunter der Junge, den Kärme mitgebracht hatte. Unter dem Applaus der Schamanen waren diese auf Aufruf hin zu den beiden vorhandenen Schülern vor dem Zelt getreten. Zwei andere hatte sie fortgeschickt, weil sie sich als doch nicht magiebegabt erwiesen hatten.

Zwei potenzielle Schüler saßen noch vor den jeweiligen Schamanen, die sie gebracht hatten: die beiden, die auf ihre Frage, ob ihnen klar ist, worauf sie sich einlassen, wesentlich lauter mit „Ja“ geantwortet hatten als die übrigen. Der Eine war der, der sie auch auf ihren vermeintlichen Rechenfehler hingewiesen hatte. Der Andere war der, den Blork mitgebracht hatte.

„Einen von euch, den Besseren, nehme ich noch auf,“ sagte Hatala, „sagt mir, warum ihr euch dafür haltet!“ Und beide begannen, sich selbst zu loben und dabei den anderen zu überbieten. Die unter Orks besonders geachteten Fähigkeiten wie Mut, Tapferkeit und Stärke kamen dabei ebenso vor, wie der Verweis auf ihre magischen und anderen Fähigkeiten, die sie schon unter Beweis gestellt hatten.

Aber obwohl beide abwechselnd auch in der Praxis demonstrierten, was sie in der Theorie behaupteten, ließ sich Hatala von keinem von ihnen überzeugen. „Ich verlange noch einen Beweis für eure Treue,“ sagte sie, „der wird es entscheiden. Also antwortet jetzt ehrlich, denn es könnte sein, dass ich überprüfe, was ihr sagt!“ Beide starrten sie ebenso gebannt an, wie alle anderen Anwesenden.

„Meine Frage an euch beide lautet,“ erhob sich Hatala, „Wen wäret ihr bereit, jetzt sofort spontan für mich zu töten, um mein Schüler werden zu dürfen?“ Beide blickten sich kurz um und dachten nach, aber nicht lange. Dann sagte der, den Blork mitgebracht hatte: „Alle Sklaven meiner Familie!“, während der andere auf ihn zeigte und sagte: „Den da!“

„Ihr habt es gehört,“ sagte Hatala zu den Schamanen, „jeder von ihnen ist bereit, für mich zu töten. Aber nur einer ist bereit, mir dabei auch ein Opfer zu bringen. Der andere hingegen will nur seinen Konkurrenten ausschalten. Hört meine Antwort auf beide Vorschläge!“ Sie machte eine Kunstpause und steigerte die Spannung.

„Ich verzichte darauf, mir zeigen zu lassen, ob beide in der Lage wären, zu tun, was sie behaupten. Aber ich nehme das angebotene Opfer an und nehme dafür denjenigen, der es mir bringt, als meinen Schüler auf. Hol mir alle Sklaven deiner Familie lebend und du wirst mein Schüler sein!“

Unter dem Applaus der Schamanen stand der Sieger auf, verneigte sich und lief fort, um dieses Opfer zu holen, während der andere missmutig von dannen zog. So bekam Hatala an diesem Tag vier neue Schüler und sechs neue Sklaven.

Letztere waren ein Zwerg, zwei Menschen und drei Oger, die sie zusammen mit den vier vorhandenen Ogern anwies, wie sie den einzigen Weg in den Kreis zwischen den neun Felsen verbarrikadieren sollten.

Erstere waren vier Orks, die sie zusammen mit den zwei vorhandenen und den sieben Schamanen anwies, wie sie mittels Teleportzaubern Wege hinein und hinaus einrichten sollten, die dann nur noch sie selbst nutzen konnten.

Der innere Bereich des „Neuner-Kreises“, wie sie ihn fortan nannte, würde also nur einem sehr kleinen Personenkreis vorbehalten sein. Und dann endlich würde Hatala sich wieder sicher fühlen.

Kapitel 3: Zwei Feste und eine Geschichte

Alle Kriegerschüler der menschlichen Söldnertruppe Eszaks waren angetreten. Insgesamt zwanzig waren sie zur Zeit, verteilt auf zwei Trupps mit je eigenem Ausbilder. Und seitdem Ravan angefangen hatte, die Garde neu zu strukturieren, hatte außerdem jeder Ausbilder auch noch einen Stellvertreter. Die beiden Ausbilder selbst bekleideten neuerdings den Rang eines Korporals und ihre Stellvertreter den eines Vizekorporals.

Beide Vizekorporale standen unter ihren Schülern in der ersten Reihe. Die Korporale, früher Kriegsmeister genannt, standen der ganzen Mannschaft gegenüber. Und zwischen ihnen stand Vente, der früher einmal selbst Kriegsmeister war, aber inzwischen zum Fähnrich befördert worden war und als solcher Hauptmann Bandolf vertrat, der zurzeit nicht in Povaren weilte.

Vente hatte schon während des Krieges die Vertretung für Bandolf innegehabt, wenn dieser von seinen Leuten getrennt war. Und da sich das bewährt hatte, hatte Ravan ihn anschließend zu dessen festem Stellvertreter im Rahmen der neuen Ordnung gemacht. Also hatte er jetzt die Verantwortung für alle Vorgänge in der Menschen-Kohorte, darunter auch diesen hier.

Die Schüler standen in drei lockeren Reihen. Sie trugen weder Rüstungen noch Waffen. Es waren Männer verschiedenen Alters von kaum zwanzig bis Mitte-Ende dreißig, die alle aus dem Mittelland stammten und unterschiedlich viel Vorerfahrung im Kriegswesen mit hergebracht hatten.

Sie alle wurden hier zu vollständigen Kriegern ausgebildet, um dann einige Jahre in der Garde der Zwerge zu dienen, bevor sie entweder mit diesen Erfahrungen in ihre Heimat zurückkehrten, wie es seit Generationen üblich war, oder aber hier eine Familie gründeten, um Kinder zu zeugen, die dann auch Söldner werden sollten, wie es neuerdings möglich war.

Es gab durchaus Unterschiede zwischen den Schülern. Einige waren größer und kräftiger und sahen wie geborene Krieger aus. Andere würden dies durch Fleiß und Geschick ausgleichen müssen. Es waren alle Haar- und Augenfarben vertreten und auch die verschiedensten sonstigen Merkmale.

Ein Schüler jedoch unterschied sich deutlich von allen. Denn er war eine sie. Ihr Name war Fehild. Sie war Ende zwanzig, groß und hatte dunkelblonde, mittellange Haare. Und sie war die Einzige, die doch eine Rüstung trug. Sie war auch der Grund, warum alle anderen hier heute angetreten waren. Auf Ventes Wink hin trat sie vor.

„Fehild,“ sprach der Fähnrich, „du hast deine Ausbildung abgeschlossen und alles gelernt, was ein Krieger können muss.“ Die Schülerin senkte sich vor den dreien auf ein Knie ab und blickte sie erwartungsvoll an, während Vente an Iwer übergab, den Korporal des Ausbildungstrupps, zu dem Fehild gehörte.

„Was heute geschieht, ist neu,“ begann dieser, „Wie ihr wisst, bin ich der Älteste hier und habe das auch noch nicht erlebt. Als Fehild ihre Ausbildung bei mir begann, habe ich nicht geglaubt, dass sie sie zu Ende bringen wird. Ja, ich musste mich sogar erst überzeugen lassen, sie überhaupt aufzunehmen.“ Da alle anderen Schüler nach Fehild gekommen waren, konnte sich daran zwar keiner erinnern, aber es fiel dennoch keinem schwer, sich das vorzustellen.

„Heute jedoch ist es soweit,“ fuhr der Ausbilder fort, „und sie hat es tatsächlich geschafft – mit Mut, eisernem Willen, Durchhaltevermögen, Tapferkeit und nicht zuletzt Fleiß. Ich möchte, dass sich daran alle ein Beispiel nehmen.“ Er blickte sich unter den anderen Schülern um, deren Reaktionen höchst unterschiedlich, aber alle auf ihre Art zurückhaltend waren.

„Fehild,“ sagte er dann, „dir wird heute die Ehre zuteil, als erste Frau die Ausbildung in meinem Trupp und dieser Garde, ja dieser ganzen Grafschaft und vermutlich noch darüber hinaus, abgeschlossen zu haben. Du bist jetzt eine Kriegerin. Erhebe dich!“

Doch bevor Fehild sich erhob, blickte sie Iwer und Vente an und sagte: „Ich danke euch! Und ich weiß es zu schätzen. Ich werde mein Bestes geben, um mich dessen würdig zu erweisen.“ „Das wissen wir,“ sagte Iwer, „und nicht weniger erwarten wir.“

Dann reichte er ihr die Hand, um ihr hochzuhelfen, was allerdings von einigen mit hochgezogenen Augenbraun beobachtet wurde. Bei männlichen Schülern tat er das nämlich nicht. Dennoch gab es zumindest verhaltenen Applaus.

Als Fehild wieder stand, wurde sie von einigen Schülern umringt, die ihr gratulieren wollten, andere allerdings wandten sich auch demonstrativ ab. Unter den Gratulanten war auch Thoke, der Heiler, einer der ältesten Schüler, der aber erst nach Fehild angefangen hatte und darum noch nicht fertig war. Auch würde er vermutlich länger brauchen als sie. Dennoch war er einer der wenigen, die ihr nichts missgönnten.

Unter denen, die sich schnell abwandten, um nicht gratulieren zu müssen, war Gerbold. Er war zusammen mit Thoke vor einem Jahr gekommen und hatte hier seinen Jugendfreund Haje wiedergetroffen, der inzwischen mit der Ausbildung fertig war und in der Menschen-Kohorte diente. Gerbold würde auch bald fertig werden, konnte sich aber weiterhin nicht vorstellen, dann mit einer Frau Seite an Seite zu dienen.

Haje hingegen hatte damit kein Problem. Er war auch zum heutigen Anlass noch einmal an den Ort seiner Ausbildung zurückgekehrt, hatte sich Fehilds Ernennung vom Rande aus angesehen und kam nun ebenfalls dazu, um zu gratulieren. Bei ihm waren Fehilds beste Freundin Germaid und deren Mann Eilmar, der inzwischen Korporal seines eigenen im Aufbau befindlichen Trupps war.

Auch die beiden gratulierten und Eilmar fügte hinzu: „Ich bin gespannt, in welchen Trupp du kommst, Fehild.“ Insgeheim rang er damit, ob er hoffen sollte, dass sie zu ihm käme, oder gerade nicht. Denn im Gegensatz zu Haje und Gerbold wusste er immer noch nicht, wie er es finden sollte, dass diese Frau Kriegerin werden durfte.

Seine Frau allerdings freute sich uneingeschränkt für ihre Freundin. „Ich weiß, wie oft du selbst daran gezweifelt hast, Fehild,“ sagte sie, „aber umso mehr musst du jetzt erleichtert sein, oder?“ „Ja,“ sagte die frisch gebackene Kriegerin und atmete tief durch, „auch wenn ich noch nicht weiß, wie es jetzt weiter geht. Aber es ist ein gutes Gefühl, diesen Schritt geschafft zu haben.“

Dann blickte sie sich um und fügte hinzu: „Schade nur, dass so viele ihn mir nicht gönnen.“ „Ach,“ sagte Germaid, „die meisten sind wahrscheinlich nur neidisch, weil ihre eigene Ausbildung nicht so etwas Besonderes ist oder war.“ „Ja,“ sagte Fehild, „aber es wäre einfacher für mich gewesen, wenn meine auch einfach ganz normal verlaufen wäre.“

Wie bei der Ernennung eines neuen Kriegers üblich, wurde dann noch auf diesen angestoßen, bevor sich alle gemeinsam auf den Weg ins Zentrum machten. Denn an diesem Tag stand noch ein wesentlich größerer Anlass auf dem Programm: Fehilds Mitbewohnerinnen würden heiraten.

Fehild lebte in der sogenannten Frauenhütte am Rande des Zentrums von Povaren. Dort wurden immer erstmal alle neu ankommenden menschlichen Frauen untergebracht, seit sie selbst damals vor eineinhalb Jahren mit den allerersten hier eingetroffen war. Aber sobald sie heirateten, zogen sie zu ihren Männern. Fehild hatte daher schon mehrere Mitbewohnerinnen in der Hütte kommen und gehen sehen.

Zur Zeit lebten sie dort zu viert. Alle außer ihr waren erst im vergangenen Herbst gekommen, also nach dem Krieg gegen die Orks. Sie waren Sklavinnen derselben gewesen und bei einem Sieg über die Horde des Häuptlings Yltio befreit worden, zusammen mit vier menschlichen Männern und insgesamt fünfzehn Ogern.

Von den vier Männern waren zwei auch inzwischen Kriegerschüler, während die anderen beiden ins Goskenland zurückgekehrt waren, von wo sie oder ihre Vorfahren stammten. Die Oger hingegen hatte man bisher weder in die Gesellschaft der Zwerge integrieren noch gehen lassen können. Sie sahen die Orks als ihre natürlichen Herren an und würden Zwerge und Menschen vermutlich sofort an sie verraten, wenn es sich ergab. Daher lebten sie zwar mit in Povaren, aber unter strenger Bewachung.

Die drei Frauen, die mit Fehild zusammengelebt hatten, hatten sich jedoch Schritt für Schritt an ihr neues Leben gewöhnt. Sie genossen es, keine Sklavinnen mehr zu sein und nicht täglich von Orks herumgestoßen, angebrüllt, schikaniert und geschlagen zu werden. Anfangs hatten sie Zeit gebraucht, um zu lernen, eigene Entscheidungen zu treffen, aber inzwischen kamen sie damit klar.

Alle drei hatten schnell angefangen, Munzanisch zu lernen, sowie sich mit den anderen Menschen hier in ihrer Sprache zu unterhalten. Zum Glück sprachen sie alle dieselbe, wenn auch nicht die von Fehild. Die Menschen in Povaren sprachen drei unterschiedliche Sprachen. Und nicht jeder verstand die der anderen. Das hatte das Zusammenleben ein wenig erschwert.

Dennoch verstanden sich die vier überwiegend gut und Fehild wollte auch unbedingt bei den Hochzeiten der anderen dabei sein. Sie hatte ihnen nach bestem Vermögen geholfen, sich hier zu integrieren und dann mitbekommen, dass das so gut lief, dass alle drei inzwischen einen Mann gefunden hatten. Die erste heiratete heute einen der mit ihr befreiten Sklaven, die anderen beiden jeweils einen bereits fertigen Söldner.

Danach würde Fehild wieder die einzige unverheiratete menschliche Frau in ganz Eszak sein. Das wusste sie. Und während sie mit den anderen zu der Hochzeit ging, fragte sie sich wieder einmal, warum das so war. Sie konnte zwar anderen bei der Integration helfen, fand aber selbst schlechter Anschluss als diese? Zumindest fand sie einfach keinen Mann oder kein Mann fand sie – so schien es.

Die Gruppe der menschlichen Kriegerschüler betrat den Hauptplatz von Povaren, an dem die Höhle des Grafen der des Barons gegenüberlag und um den herum auch die meisten anderen wichtigen Höhlen und Hütten angesiedelt waren. Hier fand fast das gesamte öffentliche Leben der Baronie und der Grafschaft statt. Und hier sollten heute auch die drei Hochzeiten gefeiert werden.

Als die von Fähnrich Vente angeführte Gruppe jedoch auf den Platz trat, herrschte in dessen Mitte ein Treiben, das nicht gerade nach den letzten Vorbereitungen einer Feierlichkeit aussah. Viele Zwerge und Menschen, sowie auch zwei der jetzt hier lebenden Oger, standen im Kreis und hörten zwei Zwergen zu, die etwas zu berichten hatten.

„Was ist denn hier los?“ fragte Vente den ersten, den er zu fassen bekam. „Sie sind den Geistern begegnet,“ antwortete dieser, „Im Norden von Eszak spukt es tatsächlich.“ Und schnell breitete sich diese Nachricht auch unter den Neuankömmlingen aus.

Die meisten Bewohner des Zentrums von Povaren, darunter auch die Menschen, hatten schon davon gehört, dass es im Grenzgebiet zwischen Möhren und Rautal spuken soll. Erste verstörende Nachrichten darüber waren im Herbst letzten Jahres bis hierher gedrungen. Damals hatte man noch nicht viel darauf gegeben, aber mit der Zeit kamen immer wieder derartige Meldungen und Gerüchte.

Im Laufe des Winters hatten sich die Geschichten dahingehend verdichtet, dass in jener Gegend immer wieder Wanderer unerklärliche Geräusche gehört hatten. Manchmal hieß es auch, es wären schon Leute dort verschwunden. Aber das konnte nie bestätigt werden. Keine konkreten Personen wurden vermisst.

Dann waren erste angebliche Zeugen aufgetaucht, die behaupteten, sie hätten selbst unheimliche Begegnungen gehabt. Aber einmal war es ein Mann gewesen, der schon einmal wegen Betrugs verurteilt worden war. Ein andermal war es eine junge Frau, die man als einfach noch sehr unerfahren abqualifiziert hatte. Beiden wurde jedenfalls nicht geglaubt.

Insbesondere Führungspersönlichkeiten wie Graf Podos, Baron Fundas oder Erzpriester Bolko hatten bisher nichts auf diese Gerüchte gegeben. Als es einmal an sie herangetragen worden war und man sie zu einer Stellungnahme gedrängt hatte, hatten sie versucht, zu beschwichtigen und gesagt, man solle nichts darauf geben.

Aber auch die drei näherten sich gerade von verschiedenen Seiten dem Pulk, der sich die neuen Berichte anhörte. Und als auf Drängen Ventes und eines zwergischen Hauptmanns der Blick auf diejenigen frei wurde, die hier etwas zu berichten hatten, waren es Andor, der Sohn des Grafen, und Mason, der Sohn des ehemaligen Barons.

Beide waren von ihrer Wanderung zurückgekehrt und gerade wieder in Povaren eingetroffen. Sofort hatten sie berichtet, was ihnen auf dem Weg passiert war: Das Sausen, die Stimme, und dass beides gleichzeitig aus mehreren Richtungen gekommen war. Und sofort hatten sich Interessierte um sie gesammelt, für die sie es nun gerne nochmal wiederholten.

„Ist das wirklich so gewesen, Sohn?“ fragte Podos überrascht. „Wenn ja, müsst ihr es jetzt wohl doch anerkennen, Graf,“ sagte der zwergische Hauptmann. Und Podos blickte ihn misstrauisch an. Er verneigte sich und erklärte: „Es ist jetzt durch einen Gardisten bestätigt. Ich jedenfalls glaube ihm.“ Podos blickte abwechselnd zu Fundas, Andor und Bolko. Alle drei nickten zögerlich.

„Es wird Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen,“ sagte der Graf dann, „Wir brauchen keine Gerüchte. Wir brauchen Klarheit. Und wir werden sie bekommen. Macht euch keine Sorgen! Die Sache wird schon bald aufgeklärt werden. Außerdem sind wir hier sicher. Unsere Garde wird uns schützen.“ „Und ebenso die Götter,“ versicherte Bolko.

Dennoch konnte man die Verunsicherung in vielen Gesichtern sehen und es dauerte noch eine ganze Weile, bis sich alle wieder beruhigt hatten. Insbesondere Mason hatte noch den ganzen Rest des Tages Publikum, das ihn immer wieder nach Details befragte. Und er gab auch bereitwillig Auskunft.

Andor hingegen war verschwiegener, erzählte nur das Nötigste und wurde deshalb weniger umringt, so dass er bald Gelegenheit hatte, sowohl mit seinem Vorgesetzten, Hauptmann Smell, unter vier Augen zu sprechen, als auch anschließend mit seinem Vater, dem Grafen, der sich bald wieder in seine Höhle zurückgezogen hatte.

Bolko hingegen war geblieben. Denn er hatte als Erzpriester noch die drei Hochzeiten zu leiten, die nun anstanden. Und als sich die Lage wieder halbwegs beruhigt hatte und die Musiker sich wieder in der Lage sahen, zu spielen, konnte er damit auch endlich anfangen.

Kapitel 4: Otwards Abenteuer

Otward blickte auf, als die Hunde anfingen zu bellen. Langsam näherten sie sich ihm. Aber immer wieder drehten sie sich in Richtung Gebüsch und bellten. Etwas links von ihnen weideten die Schafe. Der Hirte stand auf und nahm seinen Stab in die Hand. Er war alarmiert. Die Hunde schienen ihm etwas sagen zu wollen.

Es waren ein Schäferhund und ein Collie, die er schon kannte, seit sie Welpen waren. Zusammen mit seinem Vater und seiner Schwester hatte er sie selbst als Hütehunde abgerichtet. Seitdem ging er fast täglich mit ihnen auf die Weide und hütete abwechselnd die Schafe und die Ziegen. Und er erkannte, wenn die Hunde Alarm schlugen. Sie bellten immer wieder in Richtung Gebüsch, während sie langsam zu ihm zurückkamen.

Otward pfiff auf den Fingern, so laut er konnte. Das war für die Schafe das Zeichen zum Sammeln. Auch sie waren unruhig geworden und begannen nun, sich um ihn zu scharen. Die Hunde fingen an, sie dabei zu umkreisen, damit keines sich mehr von der Herde entfernte. So folgten alle Tiere ihrem Menschen, der jetzt voran ging in Richtung seiner Siedlung.

Aber immer wieder blickte er sich um, weil er wissen wollte, was seine Hunde entdeckt hatten. Und er erfuhr es. Nach wenigen Augenblicken kam hinter dem Gebüsch ein Ork hervor. Otward umklammerte seinen Stab fester, bereit, seine Herde zu verteidigen, falls nötig.

Aber sofort kam ein zweiter Ork hinter den Büschen hervor, dann ein dritter. Sie entdeckten ihn und griffen ebenfalls zu den Waffen. Ein vierter und fünfter folgten kurz darauf. Und sie redeten irgendwas miteinander. Otward verwarf den Gedanken an Verteidigung und dachte nur noch an Flucht.

Aber die Eindringlinge machten keine Anstalten, ihn oder die Herde direkt anzugreifen, auch wenn sie sie höchst aufmerksam beäugten. Währenddessen kamen weitere Orks hinter dem Gebüsch hervor, bis es elf Stück waren – Männer und Frauen, junge und alte. Sie deuteten gelegentlich zu ihm hinüber, während sie sich miteinander unterhielten, und beobachten ihn offenbar genau.

Der Mensch überlegte, wohin er fliehen sollte. Er entschied sich, die Richtung zu ändern, um die Orkbande nicht zu seinem Dorf zu führen. Immer noch beeilte er sich, rannte aber nicht, sondern versuchte, seine Tiere zusammen zu halten, was auch weitestgehend gelang. Nur ein Schaf kam von der Herde ab und fiel dem Wurfspeer eines einzelnen Orks zum Opfer. Die Hunde knurrten aggressiv.

Otward wohnte in einer kleinen Siedlung, die nur wenige Minuten von hier entfernt lag. Etwa hundert Menschen lebten dort: Viehhirten, Ackerbauern, Jäger und Sammler. Einige von den Männern hatten etwas Erfahrung im Kampf mit Orks, aber keiner war wirklich ein geübter Krieger. Die nahende Bande stellte eine große Bedrohung dar.

Und zu Otwards Erschrecken, folgten die Orks nicht ihm und den Schafen, als er die Richtung änderte, sondern bewegten sich weiterhin auf die Siedlung zu. Entweder wussten sie von alleine, wohin sie wollten, oder sie hatten ihn durchschaut und nun erraten, wo die Siedlung wirklich lag. Wenn sie das Ziel war, war auch klar, warum. Diese Orks waren mal wieder auf der Jagd nach neuen Sklaven.

Otward tat nun alles, was er konnte, um die Aufmerksamkeit der Eindringlinge auf sich zu lenken. Und das fiel ihm auch nicht schwer. Er war jung und beweglich und selbst für einen Menschen ungewöhnlich groß, also für ihre Augen erst recht. Aber ihm war trotzdem klar, dass das wenig erfolgversprechend war.

Und in der Tat: Sobald die ganze Schafherde aus dem Weg war, beschleunigten die Orks sogar ihr Tempo und liefen nun mit gezückten Waffen auf die Siedlung zu. Hinter der nächsten Hügelkuppe würden sie sie sehen. Das wusste der Hirte. Und sie selbst schienen es mindestens zu ahnen.

Otward lief mit etwas Abstand neben ihnen her und nahm ab und zu Steine auf, um sie nach ihnen zu werfen. Seinen Hirtenstab behielt er in der Hand. Zwei Orkfrauen, die am ihm zugewandten Rand der Gruppe liefen, behielten ihn im Auge. Ab und zu hielt eine kurz an und warf mit Steinen zurück. Aber keine Seite hielt auf diese Weise die andere zurück.

Kurz darauf verschwanden die Orks hinter der Hügelkuppe und Otward hielt kurz an, um durchzuatmen. Was sollte er nun tun? Er hatte eine Idee. Er rief den Collie zu sich und befahl ihm, zu seinem Vater zu flitzen, um ihn zu warnen. Der Hund kannte den Namen seines anderen Herren, wusste, wo er ihn finden konnte, und hatte die Situation ja bereits erfasst. So müsste es funktionieren.

Dann rief Otward den Schäferhund und befahl ihm, bei der Herde zu bleiben. Er konnte nur hoffen, dass dieser sie allein zusammenhielt und sie alle noch hier waren, wenn er wieder kam. Aber er musste weiter. Es ging um Freunde und Verwandte, die in Gefahr waren.

Er folgte den Orks auf die Hügelkuppe und konnte von dort sehen, wie sie im Sturm auf die Siedlung zu rannten. Der treue Collie überholte sie gerade und bellte laut, um die Menschen zu warnen. Natürlich merkten sie das und warfen mit zwei Speeren nach ihm. Der erste verfehlte ihn aber und der zweite streifte ihn nur leicht. Er taumelte etwas, lief aber weiter.

Die Siedlung bestand aus etwa zwanzig Häusern, die im Kreis angeordnet und mit einem kleinen Wall geschützt waren. Der würde die Angreifer aber nur kurz aufhalten. Doch zum Glück erklimmten ihn nun von innen her einige Menschen, die offenbar den Lärm gehört hatten, und sahen die Gefahr zumindest kommen. Schnell schlugen sie Alarm.

Aber die Orks waren auch schon kurz vor dem Wall. Und noch bevor die ersten Männer des Ortes sich gesammelt und zu den Waffen gegriffen hatten, erstürmten die Angreifer diese Schutzvorrichtung bereits. Schnell waren sie oben und drangen von dort aus in die Siedlung ein. Sie waren mit Keulen, Hämmern, Speeren und Dolchen bewaffnet.

Die Frauen und Kinder flohen in die Hütten, ebenso die älteren Bewohner. Einige junge Männer versuchten noch, auch die Tiere einzutreiben und in Sicherheit zu bringen. Andere versorgten sich, so schnell sie konnten, mit Waffen, und stellten sich den Angreifern entgegen. Die ersten Geschosse von Steinschleudern trafen einen Ork.

Manche Menschen verließen auch in Panik den Ort in verschiedene Richtungen. Andere versuchten, Verstecke zu finden. Viele, die sich den Orks entgegenstellten, führten ebenfalls Keulen und Hämmer, einige auch Beile und Speere. Aber im Zweifel wurden auch Stöcke, Steine oder andere Gegenstände kurzerhand als Waffen benutzt.

Ein mutiger Mann stellte sich einem Ork mit einem Messer entgegen, wurde aber schnell von diesem entwaffnet und dann mit dessen Dolch schwer verletzt. Es sah nicht aus, als könnten die Einwohner diesen Angriff wirklich aufhalten; auch nicht, als Otward inzwischen angekommen war und sich einen Ork von hinten vornahm, den er tatsächlich schnell zu Boden stoßen konnte.

Doch da kamen von der anderen Seite der Siedlung plötzlich weitere Fremde über den Wall. Kaum einer hatte sie bemerkt, auch die Orks nicht. Eine weitere Gefahr? Nein, es stellte sich als Hilfe heraus. Es waren neun Zwerge und drei Menschen, alle schwer bewaffnet und zum Teil mit Rüstungen gekleidet, wie sie weder Orks noch Menschen in dieser Gegend kannten. Sie gingen nun gezielt auf die Angreifer los. Einer der Menschen gab die Kommandos und binnen kurzer Zeit hatte man die ersten Orks erledigt. Einige der Zwerge gingen zu den Häusern, in welche Frauen und Kinder geflohen waren, um diese zu bewachen. Und wenn ein Ork sich näherte, stellten sie sich ihm. Andere verfolgten gezielt bestimmte Orks, bis sie sie in Zweikämpfe verwickelt hatten.

Die Neuankömmlinge waren den Feinden technisch und zahlenmäßig überlegen und an Können mindestens gewachsen. Das Schlachtglück schien sich also zu wenden.

Der Mensch, der die Kommandos gab, war ein großer, hünenhaft gebauter Krieger mit mittelbraunem Haar unter seinem Bronzehelm. In der einen Hand hielt er einen bronze-beschlagenen Holzschild, in der anderen eine Axt, mit der er relativ schnell und einfach einen Ork niedermachte, der danach nicht mehr aufstand.

Sein Name war Bandolf und er gehörte zur gräfischen Garde von Eszak. Er bekleidete dort den Rang eines Hauptmanns und führte die Kohorte der menschlichen Söldner an. Aber zurzeit war er hier und sein Stellvertreter Vente führte dort das Kommando.

Auch einer der Zwerge gab Kommandos. Er war ähnlich gekleidet wie Bandolf und trug einen Kriegshammer als Waffe. Natürlich war er viel kleiner und wirkte auch älter. Und da er ein Zwerg war, war er weniger wendig. Aber zusammen mit einem Kameraden schaffte er es trotzdem, einen Ork in die Flucht zu schlagen, der gerade in eine Hütte eindringen wollte.

Sein Name war Kaute. Er war der Anführer dieses Trupps, der immer mal wieder das Goskenland durchstreifte, um neue Söldner für die Garde von Eszak anzuwerben. Sie waren Teil einer ganzen Kohorte, die dauerhaft hier im Einsatz war, um die Menschen vor Orks oder Goblins zu schützen. Die Munzaner sahen sich nämlich als Schutzherren dieses Landes.

Kaute und Bandolf trafen sich nahe der Mitte der Siedlung, wo eine steinerne Figur der Göttin Drava stand, welche die Menschen hier anbeteten. Als klar war, dass ihre Männer die Lage so gut wie unter Kontrolle hatten, konnten sie gemeinsam beobachten, was ihnen schon getrennt voneinander aufgefallen war.

„Der Mann ist gut,“ sagte Bandolf, „der könnte für uns in Frage kommen.“ „Dem stimme ich zu,“ sagte Kaute, „für einen, der vermutlich noch kein Krieger ist, kämpft er sehr gut.“ Gemeint war Otward, der es sehr gut verstand, seinen Hirtenstab wie einen Kampfstab einzusetzen, und der damit gerade einen Ork zu Fall brachte, indem er ihm die Beine wegfegte.

Blitzschnell wechselte er dann den Griff seiner Waffe und schlug damit auf seinen Gegner ein, so dass dieser auch nicht wieder aufstand. „Achtung, hinter dir!“ rief ihm Bandolf in seiner Sprache zu. Und sofort drehte sich Otward um, um den Keulenangriff eines anderen Orks zu parieren. „Sehr gut,“ kommentierte Kaute in seiner eigenen Sprache.

Dann tauchte hinter dem Bildnis der Göttin eine Orkfrau auf, die einen Strick in der Hand hatte. Sie stürzte sich auf Kaute und begann sofort, ihn damit zu würgen. Doch sie hatte Bandolf nicht bemerkt, der ihr sofort seine Axt in den Rücken krachen ließ, woraufhin sie von ihrem Opfer abfiel und unmittelbar zu Boden ging.

Fast gleichzeitig zogen sich die letzten sechs überlebenden Orks aus der Siedlung zurück. Kautes Männer und Otward verfolgten sie noch ein Stück über den Wall und bis zur Hügelkuppe, über die sie gekommen waren. Ein weiterer von ihnen fiel auf diesem Weg. Doch dann verloren die Zwerge den Anschluss und allein konnte der Mensch die Verfolgung auch nicht fortsetzen.

Langsam wagten sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung wieder aus ihren Hütten und kamen in der Mitte zusammen, wo Bandolf und die anderen menschlichen Krieger nun an einer erloschenen Feuerstelle standen. Auch Kaute und seine Kameraden gesellten sich nach und nach dazu. Und über den Wall kamen nun noch weitere Menschen, die offenbar zu dieser Gruppe gehörten.

„Ich bin Far, der Obmann dieser Siedlung,“ sagte ein sehr alter Mann, der nun auf Kaute und Bandolf zu kam, „Ihr habt uns gerettet. Wie können wir euch danken?“ „Ich bin Kaute, Sohn des Torre,“ antwortete der Anführer der Zwerge, „Kriegsmeister der Garde von Eszak. Es ist uns eine Ehre, geholfen zu haben. Denn wie ihr wisst, stehen wir immer an der Seite der Menschen, wenn es gegen Orks geht.“

„Das wissen wir,“ entgegnete Far, „und das macht unseren Dank umso größer. Erlaubt uns, euch als unsere Gäste willkommen zu heißen.“ Der Mann sprach fließend Munzanisch, weshalb auch der menschliche Anführer der Krieger nun diese Mundart anschlug: „Ich bin Bandolf, Hauptmann der gräfischen Garde von Eszak. Wir danken euch für die Einladung und nehmen sie gerne an; vorausgesetzt, sie gilt für uns alle.“