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"Vollmundig, herzhaft, delikat ist sein Schreiben, sein Humor pikant, und immer gibt es Tote." Süddeutsche Zeitung Vier Theaterstücke und zwei Monologe von Ferdinand Schmalz, wie sie leibhaftiger nicht sein könnten - am beispiel der butter, dosenfleisch, der herzerlfresser, der thermale widerstand, am apparat und schlammland.gewalt "Ferdinand Schmalz knetet und quetscht die Sprache wie einen Leib, klatscht sie gegen die Wirklichkeit der Bühne, wringt und laugt sie aus." Berliner Zeitung
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Seitenzahl: 237
Veröffentlichungsjahr: 2017
FERDINANDSCHMALZ
Ferdinand Schmalz (*1985 in Graz), aufgewachsen in Admont in der Obersteiermark, studierte Theaterwissenschaft und Philosophie in Wien und absolvierte den Lehrgang Forum Text in Graz. Gleich mit seinem ersten Stück am beispiel der butter (uraufgeführt am Schauspiel Leipzig) erhielt er 2013 den Retzhofer Dramapreis, wurde 2014 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt und mit dem Dramatiker Stipendium der Stadt Wien ausgezeichnet. Sein zweites Stück dosenfleisch eröffnete 2015 in einer Inszenierung des Burgtheaters die Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin und wurde 2016 ebenfalls zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. der herzerlfresser (uraufgeführt am Schauspiel Leipzig) wurde u.a. vom Deutschen Theater Berlin und vom Wiener Burgtheater nachgespielt, der RBB produzierte den Text als Hörspiel. Mit der thermale widerstand (uraufgeführt am Schauspielhaus Zürich) wurde Ferdinand Schmalz 2017 erneut nach Mülheim eingeladen. Im selben Jahr gewann er den Ingeborg-Bachmann-Preis mit dem Text mein lieblingstier heißt winter und den Kasseler Förderpreis Komische Literatur für sein bisheriges dramatisches Werk. 2018 hat seine Adaption des Jedermann von Hugo von Hofmannsthal mit dem Titel jedermann (stirbt) im Großen Haus des Burgtheaters Wien in der Regie von Stefan Bachmann ihre Uraufführung. Ferdinand Schmalz lebt in Wien.
Weitere Informationen zu Ferdinand Schmalz:
http://www.dieschmalzette.at/
www.fischertheater.de
am beispiel der butter
hans von der staatsgewalt erzählt der stielaugenjenny von der reste über den futterer adi
vom abdruck der geste in der butter
im herz der milch
und schimmert dünn am horizont ein butterfilm
die herausnahme des hobbykellers
die schäbige alm am dach der talmilch molkerei
das fleisch der prinzessin
die gemeinschaft der gewalttätigen
böses erwachen
vom abgrund hinter schmierigen fassaden
untotes potential
im angesicht des todes
und leckt die butterzunge durch die stadt
noch böseres erwachen
dosenfleisch
§ 1 der fernfahrerprolog
§ 2 eine letztversicherung, die gibt es nicht
§ 3 von grenzenloser unverdelltheit
§ 4 vom gefühlsstau
§ 5 die unwucht als chance
§ 6 vom da-sein
§ 7 eine abwehrreaktion
§ 8 unter dem teppichboden
§ 9 einen unfallfreien fortschritt gibt es nicht
§ 10 vom temperatursturz im versicherungswesen
§ 11 ein rauschen da vom anfang her
§ 12 crashkurs
§ 13 sturzpredigt
§ 14 und auch die nische keine chance
der herzerlfresser
dark was the night (and cold was the ground)
der bürgermeister erklärt dem gangsterer anhand einer leiche, wie man global denkt und regional handelt
die zukunft steht in unsren füßen
die zweite leiche ohne herz
in bürgermeisters eingeweiden rührt sich was
von seltsamen füßen oder das moritat vom reininger paul
ein unbekannter
rudis rede
in den kunden herrscht eine zerstreuung
der gangsterer will heut situationselastisch handeln
im eignen sumpf
der ungeschminkte rand
du schlägst nicht allein
von der unordnung im leib
ein tanz auf dem zerbrochenen organ
vom wollen sollen
und plötzlich auch ein bisschen nichts in herberts brust
was herzhaftes zum schluss
irrlichtwerden
der thermale widerstand
was nicht extra erwähnt werden muss
von seismischen aktivitäten in der frau brunner
von ungewöhnlichen heilmethoden
wider dem klima der entspannung
ein kurioses zwicken, doch kein sprung
der brockenforscher folz
trockenübungen
ein strömungswiderstand
vom körperlosen sprung zum satz
widerstandswurzelbehandlungen
unter quarantäne
ans kuriöse publikum
ein wassertanz
im schwitzbad
unter wellnesssklaven
ein druck von innen
kein land in gischt
grenzen lose fluten
klimatischer frontalangriff
im wendekreis des nilpferds
im dampfbad
das hydraprinzip
am apparat
schlammland gewalt
Nachwort von Peter Waterhouse
Versuch über Ferdinand Schmalz' beginnendes Werk
jenny, hans, adi, huber, [...]
Nachweise der Druck- und Aufführungsrechte
nachsatz
nachnachsatz
nachnachnachsatz
nachnachnachnachsatz
»die aufgabe einer kritik der gewalt lässt sich als die darstellung ihres verhältnisses zu recht, gerechtigkeit und butter umschreiben.«
unsauber zitiert nach walter benjamin
»nicht das natürliche leben, sondern das der butter ausgesetzte (das nackte oder fette leben) ist das ursprüngliche politische element.«
unsauber zitiert nach giorgio agamben
adi
molkereiarbeiter
karina
molkereiarbeiterin
hans
exekutivbediensteter
jenny
betreiberin der bahnhofsreste
huber
mittleres molkerei-management
/
ein schlag
//
zwei schlag
///
drei schlag
in der bahnhofsreste an der theke lassen die jenny von der reste und der hans von der staatsgewalt den tag gewohnt geruhsam beginnen.
JENNY
der adi ist mir nicht geheuer.
HANS
dir ist keiner heuer.
JENNY
man denkt halt.
HANS
das denken macht halt auch nicht schöner. gib mir lieber einen klaren.
JENNY
einmal frühstück für champions?
HANS
wenn so der nebel, so dünn wie magermilch, ins tal reinhängt, brauchts etwas klares, das von innen dem trüben dann entgegenhält.
/
JENNY
immer steht er, der adi, mit dem joghurt. den hab ich ja noch nie ohne sein joghurt gesehen. und ich hab ihn immer gesehen, wenn er, der adi, da vorbeigegangen ist, weil entgeht mir ja niemand.
HANS
die stielaugen jenny.
JENNY
ihr mit euren zugespitzten namen. auf jeden zugespitzt. aufgespießt ist man auf eure namen.
HANS
so kriegt halt jeder, was er verdient.
JENNY
und er, der adi?
HANS
futterer.
///
der futterer adi.
JENNY
und womit hat er sich das verdient?
HANS
hast das noch nicht mit deinen stielaugen, also ihn, den futterer adi, mit deinen stielaugen gesehen?
JENNY
sicher hab ich alles gesehen, aber weiß halt nicht, worauf du spitzt.
HANS
sitzt also da in deiner reste und übersiehst alles mit deinen stielaugen. also siehst nur drüber über alles. weil das schauen von dir kein erkennen ist.
JENNY
und dein erkennen ist nur benennen. hättst mich ja auch einmal anschauen können, das hätt mir vielleicht sogar gefallen, wenn du mich mal erkannt hättst, aber du musst ja immer nur benennen mit deinen spitzen namen.
HANS
musst auch immer damit anfangen. fängst da immer mit deinen resten an, resten, die schon längst vergessen waren. das hab ich schon einmal benannt, dass das dein problem …
JENNY
nenn mich nicht beim problem.
HANS
wie eine warsagerin bist du, aber ohne h. sagst nur, was schon mal war.
JENNY
das sehen und das sagen, wird man wohl noch dürfen.
HANS
dann beschwer dich nicht über meine spitzen namen.
/
JENNY
jetzt hätten wir das auch gesagt. nur der adi, warum der der futterer ist, weiß ich immer noch nicht.
HANS
jetzt sei nicht angerührt. hast es ja schon gesagt, was du gesehen hast: das joghurt.
JENNY
das müsst man verstehen auch noch.
HANS
der adi fährt zug.
JENNY
das weiß ich, seh ihn ja am steig stehn.
HANS
ja, der nimmt den zug und fährt das ganze tal von oben bis nach unten.
JENNY
sind aber viele, die da pendeln, weil ein milcherzeugnis seine erzeuger oder besser zeugen braucht, geht ja alles automatisch schon. die müssen dort nur mehr bezeugen, dass alles mit rechten dingen zugeht.
HANS
stellt halt sonst sie keiner ein mehr. nur die talmilch nimmt noch auf. weil die butter lassen wir uns nicht vom brot herunter stehlen.
JENNY
ich seh sie jeden tag hier aus den zügen raus und in die hallen von der talmilch rüberhetzen. und wenn sie fertig sind, zurück, und manche kommen zu mir rasten.
HANS
der futterer adi ist einer von denen.
JENNY
das hab ich mir schon dacht, weil das joghurt von dem eins von diesen mitarbeiterexemplaren ohne namen drauf ist.
HANS
das hast du gut gesehn. und sicher hast du auch den löffel, den er bei sich trägt, gesehn. mit dem geht er im zug von einem end zum andern, und wen er trifft, fragt er, ob der nicht bisschen von dem joghurt will. »magst einen schnapper?«, fragt er, der adi, füttert dann von dem namenlosen becher in die münder von den fremden hinein. schaufelt das weißeste der milch in die gierigen gesichter.
JENNY
das gibts doch nicht.
HANS
sind kinder auch dabei.
JENNY
das füttern von den kindern ist den müttern ihre sache. mit ihrer muttermilch, die sie dem kind versprochen haben.
HANS
bei der muttermilch, da hört der spaß sich auf. ein jeder hat doch löffel zhaus genug. da muss sich keiner von dem adi einen löffel in den mund reinstecken lassen.
JENNY
in aller öffentlichkeit.
HANS
und kommt ganz ungestraft davon. der fällt noch auf die butterseite.
/
JENNY
da kann man nichts dagegen tun?
HANS
nichts.
JENNY
du hast aber doch die gewalt auf deiner seite, hans.
HANS
da ist auch meine staatsgewalt gebunden. ich würd ja gern für eine normalität hier sorgen …
JENNY
die dringend nötig wär …
HANS
aber der staat, den ich in meiner person verkörpere, darf nicht mehr, wie er will.
JENNY
da hat man eine gewalt und darf sie nicht vollstrecken, eine schande das.
HANS
dass ich die gewalt nicht mehr als staat ausleben darf, das zwingt mich in den hobbykeller.
JENNY
sag bloß.
HANS
mein hobby ist die gewalt, die ich als staat nicht tragen darf.
JENNY
wennst willst, kannst deine gewalt auch mal zu mir herübertragen. wird die deinige auch nichts dagegen haben, wenn du mal bisschen von deiner gewalt an mir willst ausprobieren.
HANS
die stielaugen jenny.
JENNY
das wär einmal ein staatsakt.
HANS
nur zuerst muss ich mein hobby wieder mal zum beruf aufschwingen. der adi stört das normale, mit seinem abnormen verhalten.
JENNY
wird zeit. weil ist ja kaum zu denken, was der für eine wirkung hat. gerade auf die jungen.
HANS
die jugend gehört behütet. der staat in mir rührt sich mal wieder. es muss geschritten werden. also in diese wirksamkeit muss eingeschritten werden.
JENNY
endlich!
am bahnsteig vor der reste.
HANS
adi.
ADI
hans.
HANS
/
ADI
/
HANS
da stockt was zwischen uns.
/
ADI
was soll da stocken zwischen uns?
HANS
du weißt, wovon ich sprech.
/
ADI
da, wo das tal jetzt ist, in dessen mitte, am talgrund, wo die talmilch steht, hat früher eine alm, die hochalm, sich erhoben, fett und fruchtbar, die den bewohnern goldne butter bracht. nur dass das almvolk übermütig wurd. an jedem sonntag schob man dort mit käsekugeln nach butterkegeln. zur strafe brachen die fetten almen samt den fetten almern in die erd hinab. der bruch, die wunde, die dabei entstand, das ist das tal, in dem wir leben hier. und unten, unter unsren füßen, da bröckelt es schon wieder.
HANS
was willst jetzt damit sagen?
///
ADI
du weißt, wovon ich sprech.
ADI
ich bin die butter! die goldgelbe. die sommerbutter, die die almkuh in ihrer fleischlichkeit, und ihre fleischlichkeit dient einzig und allein dazu, die butter, die ich bin, zu erzeugen. in ihrer fleischlichkeit hat sie, die almkuh, schon alles gespeichert, was die butter ausmacht. da steht die kuh in ihrer ganzen … oder besser die fleischlichkeit der kuh, in ihrer ganzen pracht. den ganzen sommer steht da dieser fleischberg fressend, um dann fressen zu produzieren. sonnt sich in der höhensonne, denn in der höhe ist die sonne eine andere, eine bessere sonne als die talsonne, weil es ist ja auch die almbutter die bessere, gelbere, weil sie der sonne um so viel näher war.
das alles speichert sie, die kuh, diese nähe, oder besser die erfahrung der nähe zur sonne speichert sie, die kuh, in ihrem weißen inneren. und das weiß dann auch die milch, wenn sie unten aus ihrem fetten, fettumschmierten euter rinnt. da weiß die milch schon, dass aus ihr einmal die butter wird, die um die höhensonne weiß, die butter, die ich bin, dieser sonnengelbe patzen fett, dieses träge in sich ruhen. die almkuh ist die fleischlichkeit der höhensonne.
aber wie geht das? wie wird die milch zur butter? das kann man sich doch fragen!
wie ich wurde die milch zur butter in der molkerei. dieser halle, durch die die milch strömt und zum erinnern gezwungen wird, zum erinnern an die höhensonne, die goldgelbe höhensonne. liegt in stahltanks da, die milch, und soll sich erinnern, wie das war auf der alm. und in diesem erinnern kehrt die milch ihr innerstes nach außen. kehrt die fette erinnerung an die höhensonne nach außen. und durch das rühren wird sie träge, die milch, immer träger, bis sie nurmehr reine, fette erinnerung ist. genau wie ich. und vorne die milchströme rein und hinten die butterblöcke raus, diese wunderbutterblöcke, in denen die idee der höhensonne gespeichert ist, wie sie im weißen inneren der kuh schon gespeichert war. die butter hat ein gedächtnis. so wie ich auch ein gedächtnis habe. in das sich die dinge hineinpressen, hineinpressen in mein butter-ich, und abdrücke hinterlassen, abdrücke, die ich erinnerungen nenne. das ist mein gedächtnis, mein speicher, in dem als erster gedanke, erster abdruck, die höhensonne sich hineingepresst hat.
und dann eine geste, also der abdruck einer geste in der butter. daran kann ich mich erinnern, an diese geste, aber was sie getragen hat, die geste, weil eine geste immer etwas trägt, weiß ich nicht. meist die last der macht. aber auch die reine möglichkeit einer veränderung, reines werden eines neuen. vielleicht eine idee von der welt außerhalb der molkerei. eine idee von der höhensonne oder besser die idee der höhensonne, wie sie sich durch meine milchhaut gräbt. aber davon bleibt nur der abdruck. ich butternegativ der geste der veränderung.
und das ist das problem: weil ich, als butter-ich, nur erinnern kann, immer nur warten, bis sich was in mich presst, und dann die narben in mir betrachten, also erinnern. nie draußen bei den dingen sein, sondern immer im inneren der butter. im innersten der butter liegt mein zerbrechlicher kern. immer noch alles in butter, also in der butter, ich. und nie die faust ballen können, zu einer geste ballen, die dann von der möglichkeit spricht. die geballte faust, die davon spricht, dass eine macht nur etwas ist, was zwischen vielen entsteht. vielleicht: ganz da sein, ganz unmittelbar mittelbar oder besser mitteilbar sein. den kopf in den sturm, oder besser den strom, den milchstrom eines augenblicks halten. um endlich, endlich, endlich handeln zu können. nicht nur funktionieren. nicht nur erinnern. das offene ganze sehen. ganz gegenwärtig sein.
aber in mir, in der butter, herrscht die lähmende macht der trägheit. die jede bewegung hemmt, in der jeder gedachte gedanke nicht zu einer handlung wird, sondern zu einer erinnerung, zu einer erinnerung erstarrt und so immer tiefer ins innere der butter treibt. wie der gletscher schluckt sie, die butter, also ich, alles, was da noch lebt. wann kalbt mein butter-ich?
wenig später im butterwerk der talmilch molkerei. der huber und der adi. letzterer mit einer handkamera.
HUBER
authentizität, adi, authentizität. deshalb sie, adi, authentizität.
ADI
aber wie soll ich von hinter dieser kamera von meinem sosein erzählen?
HUBER
die führung ihrer hand, adi, teilt der kamera etwas mit, was den zusehern vor den endgeräten eine unmittelbarkeit mitteilt. adi, deswegen sie, adi, authentizität. die geste ihrer hand. das macht uns glaubwürdig.
ADI
aber wenn ich vielleicht im bild auch …
HUBER
nein, ganz falsch gedacht, adi, da haben sie ganz falsch gedacht. darum ist auch unsereiner für die vermarktung zuständig und nicht sie. definition, adi, definition ist das gebot der stunde. um eine hohe definition zu erreichen, muss man sich abheben, wenn sie, adi, mit mir im bild sind, wie soll ich mich da abheben, wie soll sich meine rede abheben, sie ziehn mich nur hinunter in den hintergrund. sie halten die kamera auf ihre authentische weise. dazu ists billiger, die eigenauthentizität, als wenn ein team mit ihrer profiauthentizität die kamera führt. und achten sie auf die schärfe.
ADI
die schärfe tut sich bisschen schwer bei ihnen.
HUBER
weil sie, adi, mich nicht im bild haben. wenn sie mich in bildmitte nehmen, dann kommt die schärfe allein durch meine kantigkeit.
ADI
jetzt füllts, was sie da kantig nennen, aus das bild.
HUBER
wenn sie mich, adi, in der höchsten definition und schärfe haben, dann drücken sie, adi, auf den knopf, den roten.
ADI
ist schon geschehn
HUBER
geliebteste konsumenten, sie sehen mich im herz der milch …
/
warum filmt er, der adi, jetzt mein knie?
ADI
da hat sich die meiste glaubwürdigkeit gezeigt. in den gelenken teilt sich der mensch in seine glieder. da braucht es einen glauben an ein ganzes.
HUBER
er soll mein gesicht in der innersten schärfe des bildes halten. die gelenke sind für den konsumenten nicht von interesse …
ADI
gibt knieinteressierte auch unter den konsumenten.
HUBER
aber auch in denen wollen wir nicht das knieinteresse befriedigen, sondern die milchlust wecken, die für unsere produktion von größtem interesse ist. dazu muss ich in höchster definition vom milchprodukt hier sprechen, wonach sie greifen dann im kühlregal.
ADI
wärs dann nicht für den konsument von noch viel höherem interesse, wenn die produktion, das heißt jetzt ich, vielleicht zu wort kommt. und sich die schärfe von der kamera mal auf den produzierer richten könnt.
HUBER
wieder falsch, da denken sie, adi, in die falsche richtung. wir verkaufen ja nicht milch. was der kunde, in dem die milchlust wütet, kauft, ist die idee von einem unschuldigen weiß. sie, adi, würden das dann nur mit ihrem groben körperbild beschmutzen. und statt dem reinen weiß sieht dann der milchlustige konsument nur die harte arbeit, die dahinter steht. alles auf anfang, wir drehen jetzt. der rote knopf gedrückt …
ADI
in schärfe und definition sind sie.
/
HUBER
geliebteste konsumenten, sie sehen mich im herz der milch. hier wird das reinste weiß, das sie auf ihrem frühstückstisch sich in die gläser gießen, rein gemacht. da freut sich auch die almkuh, dass die reinheit ihrer natur hier auf die größte sauberkeit und hygiene trifft. es sind die fremden kulturen, keime, die der reinen weiße von der milch gefährlich sind, drum sind wir auch zur reinheit in dem hohen maß gezwungen, um am ende, wie ich, hier vor sie zu treten und mit vollster überzeugung sagen zu können:
/
deine heimat, deine milch.
schnitt.
ADI
so, jetzt ists im kasten, und der produzent von milch und film, der bleibt heraußen und darf sich, hoff ich, endlich einer arbeit wieder widmen.
HUBER
sie, adi, werden nicht mehr nach ihrer kamerahand gefragt, gibt andere, die haben authentizität genug und legens nicht immer auf eine patzigkeit so an wie sie.
ADI
das ist mir selber auch das liebere.
/
HUBER
sie, adi, eins noch!
ADI
was?
HUBER
der hans hat mir gesagt, dass er sie mit dem joghurt zum wiederholten male hat gesehen.
ADI
ja und?
HUBER
er sagt, ist eines von den mitarbeiterexemplaren, das euch die firma aus reinster dankbarkeit lässt von der produktion abzweigen.
ADI
der hans soll sich um seine sache kümmern.
HUBER
nur dass das seine sache ist. er hat einen riecher dafür, wenn wo was sauer wird, wenn wo was nicht der ordnung nachgeht, und da hat er ein recht darauf, dass er mir das dann meldet, wenn wo die unregelmäßigkeit bis zum himmel stinkt.
ADI
und ich hab recht, mit meinem joghurt zu tun und lassen, was und wies mir passt.
HUBER
wenn sie das mitarbeiterjoghurt, das nur für den mund der mitarbeiter zugedacht ist, an jeden, den sie beim zugfahrn treffen, verschwenden, wird das seine konsequenzen haben. die konsumentenschaft soll sich nicht an dem gratisexemplar die milchlust abarbeiten.
ADI
der hans wird mich nicht mehr mit einem joghurt sehen, und wenn doch, dann wird es eines sein, das sich der adi, also ich, von seinem eignen lohn gekauft.
HUBER
sie, adi, sie, ich sag ihnen jetzt mal was! die ordnung ist zu ihrem besten. gerade einer wie sie sollt sich nicht so dagegen wehren. wenn sie hier auffällig werden, dann haben wir ein problem, für das sich, wie zu jedem problem, die passende lösung wird finden.
ADI
ich schreibs mir auf.
/
HUBER
sie, adi, eins noch.
ADI
was noch?
HUBER
bei ihnen, adi, bei der butter drüben, gibts eine neue stelle jetzt. die stelle ist noch in der personalabteilung, die kommt dann aber rüber zu ihnen in die butter. damit sie sie, die neue stelle, etwas einführen in das buttern, wie es sich hier bei uns verhält. und da möcht ich dann keine patzigkeit wie eben, adi, sehen.
KARINA
warum ich so hinstarr vor mich, fragt jeder mich hier. da wird die milch ja sauer, wennst so vor dich hinstarrst, karina. das kommt davon, weil ich mich innen leer gemacht hab. da rührt sich nichts mehr in mir drinnen. hinausgespült mit allerhand klarer flüssigkeit, was da an einteilungen, versuchen einer teilbarmachung, an mitteilungen in mir war.
man stürzt so rein in eine form, die man dann auch sein leben nennt. nur beult man aus, die form, macht eine unform draus, wird man bestraft dann von den andren formen. ich wollt das stürzen aus der form nicht lassen, sturzunform ich. so stürz ich durch mein leben, stürz raus aus meiner mutter. von einer schule stürz ich in die nächste. stürz immer und immer wieder die hoffnung meiner eltern um, die sie mir mit dem taschengeld in meine taschen stecken, sollen weiter hoffen sie, dass sich ein platz noch findet, eine form, für mich. von einer stelle stürz ich in die nächste, will mich nicht halten drin. und am end von jeder woche, stürzt sich die welt in mich und ich dann ab, mit ihr.
bin eine leere tafel innen. nur eins ist da in mir, das sich nicht rausspülen lässt, egal, wie scharf die flüssigkeit. was sich von selber immer wieder in die tafel schreibt, oder besser kratzt: ein wunsch. ein wunsch danach, einmal was eigenes zu finden. eine entscheidung, teilung, teilhabe, selbst zu treffen. was neues in dem leeren innenraum von mir wuchern zu lassen. was außerhalb der eingefahrenen gedankenströme, die mich als einen teil des ganzen sehen wollen, seine eigene kleine, überwucherte insel bildet. vom adi hab ich bisher nur gehört: er soll ganz anders sein als alle hier. das ists, was mich interessiert an ihm. der schafft es, seine eigne wuchernde welt vielleicht zu schaffen.
///
ADI
und, und, und. das ist der grundsatz der maschinen, immer das eine an das andre hängen, die eine maschine dockt an die nächste an, dass nur der milchstrom ja nie unterbrochen sei.
KARINA
ja klar, das hab ich schon verstanden, nur was passiert da drinnen, im inneren von den maschinen?
ADI
da wollt ich ja grad …
das, das wollt ich ja grad sagen, dass da jede maschine einen schnitt auch, aber keine unterbrechung in den milchstrom setzt. schnitt, maschine, schnitt, maschine, so treibts voran, das werden von der butter.
KARINA
wie ein film, wo auch, der schnitt von einer szene dann zur nächsten führt, wie eine unterbrechung, die verbindet.
ADI
wenn dus wie einen film, einen butterfilm, sehn willst, dann wär das dort die erste szene. eine trennungsszene, wo der rahm sich von der magermilch dann trennt.
KARINA
der film fängt gleich mit einer trennung an?
ADI
und kommt noch schlimmer. schnitt, nächste szene, in der maschine da drüben: da liegt der rahm dann, und in ihm drinnen reift etwas heran: er wird sauer.
KARINA
wer kanns ihm verübeln, wenn er da ganz allein und ohne seine magermilch in diesem stahltank liegen muss.
ADI
und ist die säure in ihm ausgereift, kommt zack, schnitt, schon die nächste szenenmaschine dort drüben, eine dunkle gasse, in der er, der rahm, schläge einsteckt, bis dass das fett in ihm, die reine trägheit, klumpt. von den vielen schlägen wird sein leib so träg und weich wie, wie butter.
KARINA
hast du ein taschentuch.
ADI
zum schluss wird er dann, also sie, die butter, zerteilt und in viereckige form gepresst, verpackt und in alle welt zerstreut.
KARINA
reiht sich dann szene an szene, maschine an maschine und schnitt an schnitt erzählt immer wieder dieselbe geschichte. und kein happy end?
ADI
keins. nur eine hoffnung, dass im inneren von jedem stück butter noch was ruht, was keine trägheit ist.
KARINA
ich würd gern reinschaun in die maschine.
ADI
das ist es ja, das werden von der butter ist vor uns weggesperrt. das erzeugnis, produkt, kennt keine berührung mehr.
KARINA
und darum berührt auch das produkt, erzeugnis uns nicht mehr. nur was tun wir dann noch hier?
ADI
man hat zu diesem zweck den schalter konstruiert. der letzte rest berührung, den es braucht. vor unsrer anrührung schützt er nun den prozess in der maschine. bleibt rein und unberührt das werden von der butter.
KARINA
wir sind dann also ausgesperrt, frühzeitig ausgeschieden aus diesem produktionsprozess.
ADI
die butter an sich ist denen oben scheißegal. was die interessiert, ist nur die beute, die butterausbeute. aber irgendwann wird auch der butterstrom herausbrechen aus seiner eingefahrenen bahn und wuchert raus, bis alles drei daumen dick mit butter dann bestrichen ist.
KARINA
und wir nurmehr das gleiten auf der oberfläche von der butter.
///
ADI
kannst was für dich behalten?
KARINA
in mir ist schon nicht wenig geheimnis verschwunden.
ADI
schwörst drauf, dass alle butter ranzig wird hier drinnen, wennst nur ein wort verlierst?
KARINA
ich leist hiermit den butterschwur.
ADI
mir ist es butterernst.
/
KARINA
ich schwör bei all der butter, dass das, was du mir sagst, mit einem mal in mir verschwindet und nie herauf ans tageslicht mehr findet.
//
ADI
hinten, wo die butter vom fertiger in die formmaschine rüberfließt, gibts einen kleinen hahn zur entnahme für die butterprüfung. nur wird der, seitdem die neuen sensoren installiert, nicht mehr benutzt. das geht auch automatisch jetzt und ist damit dem menschlichen versagen nicht unterworfen mehr. ich hol mir jeden tag ein halbes kilo butter dort und schmuggels nach der schicht hinaus an kühlen ort.
KARINA
muss ja ein fetter patzen butter sein, den du da hamsterst.
ADI
genug, um eine menschengroße faust daraus zu bauen. ein denkmal wirds. in einer kühlen nacht werd ichs am parkplatz draußen aufstelln.
KARINA
stimmts, dass dich den futterer nennen, weilst im zug die leute fütterst?
ADI
irgendwie muss man ja anfangen, mit einer reinen geste zu dem andren durchzudringen.
HANS
genau.
KARINA
magst mich auch mal füttern?
HUBER
wie rührselig.
ADI
klar.
HANS
jetzt fällt sie nieder auf die knie vor ihm.
KARINA
jetzt?
HANS
ist eine szene wie aus hollywood.
HUBER
das trieft vor schmalz.
HANS
mach langsam, huber, die findet noch gefallen dran.
HUBER
aufs gröbste nutzt er da das anstellungsverhältnis aus. gut, dass die kamera noch an war, von dem werbefilm.
HANS
hast ihm nicht das messer heute angesetzt, wegen dem joghurt?
HUBER
klar, aber nutzt nichts, siehst es selber ja.
HANS
»wir müssen neue räume, ereignisräume schaffen, dazu brauchts solche gesten«, sagt er, der adi.
HUBER
und in den augen drin von ihr, das sieht man auf dem standbild, leuchtet ein verständnis für den trüben ausguss von dem adi.
HANS
»vielleicht auch nur ein aufschäumen von so was wie veränderung.«
HUBER
ein ändern von was?
HANS
das geht gegen uns, huber, gut, dass du mich sofort gerufen hast.
HUBER
im kleinen weicht es ab ins abnormale, da keimt es in den ecken.
HANS
was heißt im kleinen, der adi schändet da die butter, den nährboden, auf dem unsre stadt gebaut.
/
HUBER
wenn das der vorstand mitkriegt.
HANS
aufruhr ists, was die da anrührn.
HUBER
und was, wenn sich noch mehr von denen finden.
das brauch ich dir nicht sagen, hans, dass das das letzte ist, was wir brauchen in trüben zeiten hier, wie diesen.
HANS
und steigt der liter erst über den euro …
HUBER
fließt keine milch mehr durch die adern von der stadt …
HANS
stirbt sie von innen …
HUBER
wird das reinste weiß dann anderswo erzeugt.
HANS
nur da nicht, wo unsre heimat dann gewesen sein wird.
HUBER
keine heimat, keine milch.
HANS
dann herrscht hier wieder unordnung.
HUBER
und unreinheit.
HANS
drum heißts jetzt, huber, klaren kopf bewahren.
HUBER
von so einem futterer adi darf die milch sich nicht entströmen lassen.
HANS
der sonderling gehört jetzt ausgesondert.
HUBER
das wär ja nicht der erste patzer, den wir zwei bereinigt hätten.
HANS