Leos Hände - Andrea Lepri - E-Book

Leos Hände E-Book

Andrea Lepri

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Beschreibung

Leo ist ein Polizeihund, ein Bastard mit der Leidenschaft für die Looney Tunes. Er wollte schon immer Hände haben, um die Fernbedienung des Fernsehers betätigen und den Kühlschrank öffnen zu können. Aber als sein Herrchen Steve in einem Hinterhalt ums Leben kommt, wird sein Wunsch zu einer regelrechten Zwangsvorstellung, weil die Hände das einzige Hilfsmittel sind, mit denen er den Mörder hätte entlarven und bestrafen können. Fortan befindet er sich in einer Spirale voller Abenteuer, in denen er sich die Hände anderer Figuren „borgt“, denen er auf beschwerlichem Weg, der ihn Schritt für Schritt näher an den Mörder und schließlich bis zum letzten Face-to-Face bringen wird, begegnet ist.
Leo ist ein Polizeihund, ein Bastard mit der Leidenschaft für die Looney Tunes. Er wollte schon immer Hände haben, um die Fernbedienung des Fernsehers betätigen und den Kühlschrank öffnen zu können. Aber als sein Herrchen Steve in einem Hinterhalt ums Leben kommt, wird sein Wunsch zu einer regelrechten Zwangsvorstellung, weil die Hände das einzige Hilfsmittel sind, mit denen er den Mörder hätte entlarven und bestrafen können. Fortan befindet er sich in einer Spirale voller Abenteuer, in denen er sich die Hände anderer Figuren „borgt“, denen er auf beschwerlichem Weg, der ihn Schritt für Schritt näher an den Mörder und schließlich bis zum letzten Face-to-Face bringen wird, begegnet ist. Leo ist ein untypischer Polizeihund, ein Bastard mit der Leidenschaft für Trickfilme. Schon als Welpe wünschte er sich Hände zu haben, denn er war überzeugt, dass diese seine Existenz vereinfachen und angenehmer machen würden. Sein Leben verläuft ganz ruhig, bis sein Begleiter Steve, ein Agent des Sonderkommandos, in einem Hinterhalt, der von einem korrupten Kollegen in einer verlassenen Lagerhalle angezettelt wurde, getötet wurde. Während des Überfalls verliert Steve das Aufnahmegerät, das er für die Entlarvung mitgenommen hatte. Der Mörder flüchtet und das Aufnahmegerät fällt in einen Spalt im Boden. Leo versteht, dass dieses Objekt sehr wichtig ist, aber es gelingt ihm nicht, dieses wieder rauszuholen, weil er keine Hände hat. An Steves Beerdigung erkennt Leo seinen Mörder und greift ihn an, um ihn zu töten. Der Polizeikommandant glaubt ihm und will ihn einschläfern lassen. Doch der Tierarzt verkauft ihn an ein Laboratorium für Tierversuche, wo sich Leo mit Giotto, einem Schimpansen, anfreundet. Die beiden planen ihre Flucht. Leo kann nun auf die Hände des Schimpansen zählen, um das Aufnahmegerät zurückzuholen. Nach dem waghalsigen Ausbruch, einem feinen Abendessen und einer kleinen „Sauftour“ gehen die beiden zum Tatort, wo auch der Mörder in Begleitung eines Komplizen auftaucht: auch sie suchen das Aufnahmegerät. Der Mörder verletzt Leo und schnappt sich das Aufnahmegerät, doch Leo gelingt es zu entkommen und wird von Italo, einem eher heruntergekommenen Privatdetektiven aufgenommen. Dieser kümmert sich um Leo, der ihn versucht mit Stefania, seiner Nachbarin, zu verkuppeln und mit Barbie Freundschaft zu schließen. Anfänglich ignoriert Barbie ihn, aber als Leo sie vor einem Dobermann rettet, verliebt sie sich in ihn. Inzwischen hat es Leo allerdings mit Puffi, einer äußerst schlauen und boshaften Perserkatze zu tun. Gerade auf dem Höhepunkt eines romantischen Abendessens wurde Italo, und Leo mit Ihm, zu einem Vorstellungsgespräch gerufen. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine Falle, die der Killer vorbereitet und organisiert hat, indem er die Bremsen von Italos Auto manipuliert hat. Die beiden landen in einer Böschung und Leo erwacht im Krankenhaus, wo er erfährt, dass sein Körper tot ist, und er, weiß Gott wie, in Italos Körper gelandet ist, der gestorben ist. Diese neue Situation erschreckt ihn sehr, doch bald erkennt er die positive Seite daran: jetzt, da er ein Mann ist, kann er Puffi endlich eine Lektion erteilen, aber vor allem wird er nun versuchen, seinen Feind zu entlarven. Aber Menschsein ist keineswegs einfach und Leo trifft auf zahlreiche Probleme, wie beispielsweise die Beziehung zu Stefania, die ihn seltsam findet, oder diejenige zu Barbie, die ihn erkannt hat und wegen Untreue beschuldigt. Außerdem muss er lernen zu sprechen und sich zu waschen, sich anzuziehen und einzukaufen, Geld aufzutreiben und alle anderen Dinge zu tun, die Menschen so machen. Resigniert denkt Leo darüber nach, was zu tun sei, als plötzlich Italos Geist erscheint, der seinen Körper zurückfordert. Leo erklärt ihm wie die Dinge stehen und erzählt ihm vom korrupten Polizisten, vom Überfall auf Steve und den ganzen Rest. Italo erzählt Leo, dass er an seiner Stelle irrtümlicherweise im Hundeparadies gelandet ist und beschreibt es ihm, sodass dieser b

PUBLISHER: TEKTIME

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INHALT

Kapitel 1

Leo schaut fern

Kapitel 2

Liebeskummer

Kapitel 3

Der Kontakt

Kapitel 4

In der Lagerhalle

Kapitel 5

Die Situation überstürzt sich

Kapitel 6

Steves Tod

Kapitel 7

Die Befreiung

Kapitel 8

An der Beerdigung

Kapitel 9

Angriff auf den Schwarzen Mann

Kapitel 10

Beim Tierarzt

Kapitel 11

Im Labor

Kapitel 12

Der Plan

Kapitel 13

Vorbereitung auf die Flucht

Kapitel 14

Giotto bricht aus

Kapitel 15

Die Befreiung

Kapitel 16

Der Lieferwagen

Kapitel 17

Endlich frei

Kapitel 18

Auf dem Bauernhof

kapitel 19

Das melancholische Saufgelage

Kapitel 20

Giotto, der Philosoph

Kapitel 21

Betrachtungen

Kapitel 22

Bekenntnisse

Kapitel 23

Bei der Lagerhalle

Kapitel 24

In der Lagerhalle

Kapitel 25

Der Walkman

Kapitel 26

Giotto der Held

Kapitel 27

Die Geschichte wiederholt sich

Kapitel 28

Die Rettung

Kapitel 29

Die Operation

Kapitel 30

Das neue Leben

Kapitel 31

Die Nachbarn

Kapitel 32

Barbie und der Dobermann

Kapitel 33

Der Dobermann und ich

Kapitel 34

Das Geständnis

Kapitel 35

Stefanias Besuch

Kapitel 36

Puffis Neckereien

Kapitel 37

Die (Liebes)-Erklärung

Kapitel 38

Bitte um Hilfe

Kapitel 39

Romantisches Abendessen

Kapitel 40

Das Attentat

Kapitel 41

Das Erwachen

Kapitel 42

Wie ist Leo gestorben

Kapitel 43

Stefania kommt

Kapitel 44

Die Polizei

Kapitel 45

Wieder zu Hause

Kapitel 46

Schon wieder Stefania

Kapitel 47

Schnell lernen

Kapitel 48

Der erste Tag als Mensch

Kapitel 49

Der erste Ausgang

Kapitel 50

Der Einkauf

Kapitel 51

Meine Beerdigung

Kapitel 52

Italos Geist

Kapitel 53

Das Hundeparadies

Kapitel 54

Ich will meinen Körper wieder!

Kapitel 55

Der Deal

Kapitel 56

Die Prügelei

Kapitel 57

Einladung zum Abendessen

Kapitel 58

Auf dem Parkplatz

Kapitel 59

In der Zentrale

Kapitel 60

Vorbereitungen für das Abendessen

Kapitel 61

Die Falle

Kapitel 62

Das Buch über die Gespenster

Kapitel 63

Abendessen bei Stefania

Kapitel 64

Nach dem Abendessen

Kapitel 65

Zweifel und Versuchung

Kapitel 66

Sieg!

Kapitel 67

Am nächsten Tag

Kapitel 68

Endgültiger Kampf

Kapitel 69

Die Wendung

Kapitel 70

Die Zauberformeln

Kapitel 71

Die Monster kommen

Kapitel 72

Fazit

Kapitel 73

Die Rückgabe

Kapitel 74

„Das hat ganz schön lange gedauert!“

Kapitel 1

Leo schaut fern

Draußen war es stockdunkel, die Kirchenglocken hatten lange geläutet und ein herrlicher Duft nach etwas Essbarem drang unter der Eingangstür hervor. Die Nachbarn hatten eben angefangen zu streiten und Teller zu zertrümmern, wie jeden Abend, ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Looney Tunes bald anfangen würden! Ich rannte zur Couch, um es mir da bequem zu machen, in der Hoffnung, dass mein Lieblingstrickfilm Silvester gezeigt würde, dann drückte ich wahllos auf den Tasten der Fernbedienung herum, mit dem verflixten Versuch, die Lautstärke einzustellen. Als ich mich abermals fragte, weshalb die Fernbedienungen und ihre entsprechenden Tasten so klein hergestellt werden, trat Steve ein, und sogleich spielte sich pünktlich, wie an jedem regnerischen Abend, die gleiche Szene ab. Die nassen Sohlen seiner Schuhe rutschten auf dem Parket und er stolperte über den Teppich direkt gegen die Vitrine, die schon länger leer in einer Ecke am Eingang stand. Diese begann zu schwanken und Steve setzte zu einer Art griechisch-römischen Kampf an, um sie festzuhalten. Mein Freund Steve war ein Polizeiinspektor, ein echt guter Polizist, der beste, mit dem ich je zusammengearbeitet habe (eigentlich der einzige, wenn ich ehrlich sein soll!). So scharfsinnig und präzise, bestimmt und aufmerksam er bei der Arbeit war, so war im Privatleben ein Hudler. Er war unordentlich und zerstreut und außerdem schüchtern und unsicher. Gerade deswegen ist es ihm wahrscheinlich mit 37 Jahren noch nicht gelungen, eine ernste und feste Beziehung mit seinesgleichen aufzubauen. Nachdem sich Steve vom Kampf mit der Vitrine erholt hatte, fluchte er ein paarmal, rieb sich heftig das Knie, stampfte vor Wut und Schmerz mit dem Fuß auf den Boden und warf den abgenützten und durchnässten Regenmantel fluchend an den Kleiderhaken. Schließlich ließ er sich wie jeden Abend in den Sessel fallen, die Arme baumelnd über den Armlehnen und den Kopf in den Nacken geworfen. Er schloss für einen Augenblick die Augen, anscheinend um einen kurzen Moment des Friedens zu erheischen, besann sich aber und öffnete die Augen, um mich ernst zu mustern. Er stand auf und nahm mir die Fernbedienung weg, ohne meinen bösen Blick zu beachten, dann stürzte er sich erneut in den Sessel. Er stellte die Lautstärke, die ich eben erst mühsam eingestellt hatte, leiser und begann zu sprechen. Es war mir klar, was mich erwartete. Resigniert seufzte ich und flößte mir ein, dass ich Opfer einer regelrechten Ungerechtigkeit war: da arbeitet einer von morgens bis abends, schlecht bezahlt und wenig geschätzt, oft sogar schlecht behandelt und ohne sichere Aussichten auf Zukunft und Pension. Am Ende des Tages legst du dich ohne große Ansprüche und ohne jemanden zu stören auf die Couch, in der Hoffnung, in aller Ruhe lediglich einen Trickfilm zu schauen…aber nein! Du musst das Geschwätz deines Arbeitskollegen, der das verdammte Laster hat, sich niemals zu entspannen, über dich ergehen lassen. Ehrlich gesagt, hat er sich nicht oft so verhalten, aber wenn, dann habe ich ihn ernsthaft verabscheut, vor allem dann, wenn gerade die Looney Tunes am Fernseher liefen.

«Es tut mir leid, dass ich dich alleine gelassen habe, ich hatte zu tun. Bald werden wir uns den „Gesang eines Vögelchens“ anhören» sagte er mit hellbegeisterter Miene, und ich habe nie verstanden, weshalb er sich so gerne auf diese Art und Weise, wie die Figur aus einem Kriminalfilm vierter Kategorie, ausdrückte. Widerwillig drehte ich den Kopf, nur wenig, um den Fernseher nicht aus den Augen zu verlieren und schaute ihn scheinbar interessiert von unten her an.

«Genau so ist es, wir sind nahe dran, wir haben es fast geschafft!» fügte er aufgeregt hinzu, nachdem er lange genickt hatte, um meine Neugier auf Alarmstufe zu bringen. Ich schaute ihn weiterhin gedankenverloren an, ohne mit der Wimper zu zucken, aber nur für einen Augenblick. Sofort wanderten meine Augen, unwiderstehlich angezogen, wieder auf den Bildschirm. Der Kater Silvester hatte sich eben etwas zu weit über die Dachrinne gelehnt, so dass er vom Dach eines 26-stöckigen Hochhauses stürzte.

Kapitel 2

Liebeskummer

«Hey, ich spreche mit dir» ermahnte mich mein Begleiter, und wiederum betrachtete ich ihn irritiert. Wenn ich schon kein Audio haben konnte, so wollte ich mir doch zumindest den unglückseligen Sturz des Katers nicht entnehmen lassen. Als dieser benommen wieder aufstand, mit blutunterlaufenen Augen und den Vögelchen, die um seinen Kopf tanzten und alsbald in tausend Stücke zerbröckelten, zerplatzte ich vor Lachen.

«Ich habe einen neuen Kontakt,» beharrte Steve mit strahlenden Augen, «bald werden wir uns mit einem Vertrauten treffen. Er wird uns konkrete Beweise liefern, damit wir es endlich verhindern können, dass im Polizeirevier extra Geld in Umlauf gebracht werde. Wir werden so viele korrupte Agenten nach Hause schicken, dass die Behörden gezwungen sind, ein neues Auswahlverfahren auszuschreiben, ansonsten wird es in der Stadt zu wenige Polizisten geben…hey, hörst du mir überhaupt zu oder nicht?»

Ich schnaubte immer ärgerlicher und lenkte den Blick nun definitiv auf ihn, mittlerweile lief bereits der Abspann des Trickfilms. Ich streckte mich und bereitete mich geistig vor, spitzte die Ohren, um ihm zuzuhören und beschloss, dass ich am Ende seiner Geschichte ein Nickerchen machen werde. Aber mein Begleiter, längst beleidigt über mein Verhalten, gab es schließlich auf. Er griff nach hinten und drückte die Taste des Anrufbeantworters auf dem Schrank hinter ihm, um die Freisprechanlage einzuschalten.

„Steve, mein Schatz, wann kommst du Mamma besuchen? Seit Wochen lässt du nichts von dir hören. Melde dich aber einen Tag vorher, dann koche ich dir einen Auberginen -Auflauf, der dir so gut schmeckt…ah, ich habe dir drei Paar Unterhosen gekauft, von diesen bequemen…und denke bitte daran, dass …“

Mein Freund schüttelte den Kopf und drückte eine andere Taste.

„Tschau Champion, ich bin es, Paolo. Lebst du noch? Vergiss bitte nicht, dass wir morgen Abend die Revanche des Boccia-Turniers haben. Bitte komm dieses Mal mit voller Konzentration, nach der schlechten Figur, die wir das letzte Mal gemacht haben, müssen wir dieses mal mehr als gewinnen. Dieses Mal müssen wir sie alle demütigen, oder das ganze Revier wird uns bis zur Pension auf den Arm nehmen.“

Steve drückte die Taste nochmals, um das Band schneller laufen zu lassen, dabei ignorierte er die Nachrichten, die ihn nicht interessierten. Plötzlich war eine Frauenstimme zu hören.

„Ich bin es, Mara“ sagte sie in schmeichlerischem Ton, „ich wollte mich für die Blumen bedanken. Es ist wirklich sehr freundlich von dir, dass du an meinen Geburtstag gedacht hast. Ich habe mich sehr darüber gefreut, ehrlich, aber ich nutze dennoch die Gelegenheit, um etwas klarzustellen: in den letzten drei Monaten hast du mir mehrfach das reinste Gewächshaus nach Hause geschickt. Du hast mir am Radio sechzehn Lieder gewidmet, wir haben uns vierzehn Sonnenuntergänge und einundzwanzig Liebesfilme angeschaut, und schließlich hast du mir vier aphrodisisches Abendessen zubereitet… aber an mehr als das, ist wohl kaum zu denken! Hör zu, ich bin nicht Heidi. Ich bin nun fast vierzig Jahre alt, du hättest mir zumindest einen Kuss geben können. Jetzt habe ich jedenfalls das Bedürfnis etwas nachzudenken, also bitte suche mich nicht… ich werde mich dann schon melden.“

Steve errötete und schaute mich verwundert an. Ohne ein Wort zu sagen, warf ich ihm verlegen einen den Umständen entsprechenden Blick zu, so als ob ich sagen wollte: “Na, keine Sorge, es gibt noch viele andere.“ Dabei fragte ich mich, warum wohl die Beziehungen zwischen Mann und Frau oft so schwierig sind. Der Mensch sind weltweit die einzige Spezies, bei der zwei Elemente unterschiedlichen Geschlechtes eine Menge Regeln einhalten müssen, um eine Beziehung aufzubauen: in erster Linie müssen sie sich aus ästhetischer Sicht gegenseitig gefallen, dann sollten sie einen Dialog finden und den gleichen Geschmack in Sachen Kino und Musik, Hobbys, Lektüre und Kultur haben. Außerdem sollten die entsprechenden Familien Gefallen aneinander finden, ganz zu schweigen von Mundgeruch und Look, oder der Farbe der Augen und der Haare…oder der Arbeit und des Bankkontos, auch wenn alle diese Elemente oft ein unterschiedliches Gewicht haben. Jedenfalls hat jede Regel ihre Ausnahmen, und so kann es vorkommen, dass jemand der sich auf eine Liebesgeschichte einlässt, nur am Bankkonto oder an einer einzigen anatomischen Besonderheit ausreichend Interesse findet. Kaum zu glauben, dass sich alle anderen Rassen, die den Planeten bewohnen, mit einem Geruch oder mit einer Farbe begnügen!

Kapitel 3

Der Kontakt

Plötzlich verfinsterte sich Steves Miene, und er wurde traurig. Ich bemerkte, wie sehr es mir leid tat, nur selten habe ich ihn so verbittert erlebt. Während das Band des Anrufbeantworters mit banalen Nachrichten weiterlief, zog er sein Portemonnaie aus der Hosentasche. Er nahm ein Foto und ein paar zusammengefaltete Briefe heraus, betrachtete einen Augenblick das Foto und überflog die Briefe, nur schnell, denn er kannte sie ja schon auswendig. Er nahm ihren Duft auf, zerknitterte sie dann und war schon im Begriff, sie wegzuschmeißen, dachte aber nochmals darüber nach. Er ging zum Schrank im Wohnzimmer, steckte den Schlüssel ins Schubladenschloss und öffnete sie. Ich für mich habe sie „die Schublade der verpassten Chancen“ getauft, weil sie von Fotos, Briefen, Schlüsselanhängern, parfümierten, musizierenden und leuchtenden Kuscheltierchen, Kino- und Discotickets, Postkarten, Plüschtieren und verschiedenen Gadgets nur so überquoll. Seufzend schmiss er die Fotos und Briefe hinein und knallte dann die Schublade mit einem zornigen Stoß zu. Genau in diesem Moment machte sich in mir die erschreckende Erkenntnis über das, was mich nun erwarten würde, breit: mindestens zwei Stunden empörten Wutausbruchs, mit einer Zusammenfassung aller Liebesromanzen der letzten neunundzwanzig Jahre seines Lebens… oder mit anderen Worten, seitdem er acht Jahre alt war…, die nie begonnen haben oder bereits im Keime erloschen sind. Das Absurde an der Sache war, dass praktisch alle Frauen des Reviers auf ihn standen, aber er, der so von seiner Arbeit eingenommen war, bemerkte es nicht einmal. Wenn er sich bloß etwas umgeschaut hätte, anstatt stets nur an seine Pflicht zu denken, hätte er in weniger als fünf Minuten eine Freundin gefunden. Ich suchte nach einer bequemeren Position, um mich auf die Tortur vorzubereiten und versuchte, eine aufmerksame und Anteil nehmenden Miene aufzusetzen, schließlich ging es um meinen Kumpel und ich wollte ihn nicht auch noch enttäuschen!

«Möglich, dass seit dem ersten Mal, als…» begann er eben zu sagen, während er im Wohnzimmer hin und her wanderte, als er plötzlich innehielt.

Er rannte zum Anrufbeantworter, der inzwischen weiterhin Nachricht um Nachricht herunterrasselte, spulte die letzte Aufnahme zurück und ließ sie erneut von vorne laufen.

«Wir haben es geschafft, der Kerl von dem ich dir erzählt habe ist zur Mitarbeit bereit aber er will eine Menge Geld. Die Verabredung findet heute Abend um neun Uhr im alten Industrieviertel, vor der einzigen leerstehenden Lagerhalle statt. Versuche pünktlich zu sein und vor allem komm alleine und unbewaffnet, sonst haut er ab und wir spüren ihn nicht wieder auf» sagte eine heisere Stimme, und ich war ihr so dankbar, denn sie bewahrte mich vor einer regelrechten Qual. Steve schaute auf die Wanduhr und sprang auf, ging zum Kleiderständer und nahm den Regenmantel, der inzwischen eine Wasserlache auf dem Boden hinterlassen hat, danach drehte er sich um und schaute mich ernst an: “Verdammt, die ganze Welt hat sich gegen mich verbündet: keine Trickfilme und kein Nickerchen!“ sagte ich mir enttäuscht, sprang von der Couch herunter und folgte ihm widerwillig.

Kapitel 4

In der Lagerhalle

Glücklicherweise hatte es inzwischen aufgehört zu regnen. Steve hatte die schlechte Angewohnheit, alles alleine in Ordnung bringen zu wollen, sodass sein Auto mit Klappverdeck an einem fernen Juniabend definitiv zum Cabriolet geworden ist. Er war der einzige, der an jenen kalten und regnerischen Tagen Ende Februar mit einem Sonnenschirm zwischen den Beinen eingeklemmt herumfuhr. Als Rechtfertigung dafür erklärte er mir wiederholt, dass ihn die Reparatur der automatischen Abdeckung mehrere Monatsgehälter gekostet hätte. Das Problem war nur, dass der Sonnenschirm bei erhöhter Geschwindigkeit jedesmal entweder umkippte oder gar davonflog…mit den Auslagen, die er für die Sonnenschirme aufbringen musste, hätte er sich einen neuen Wagen leisten können!

«Verdammt, wir sind zu spät gekommen» bemerkte mein Freund, als er das Auto vor der Lagerhalle anhielt. Die Luft war frisch und hatte einen intensiv bitteren Geruch nach Erdöl. Vor dem Tor erwartete uns ein Mann, die Händen in den Taschen vergraben. Er trug einen schwarzen Mantel mit hochgeschlagenem Kragen und einen Hut mit breiter Krempe, die, vom Regen durchnässt, seitlich herunterfiel, sodass sein Gesicht praktisch vollständig verdeckt war. Steve stieg aus und lief ihm entgegen, ich folgte ihm.

«Wo ist das Vögelchen?» fragte Steve den schwarz gekleideten Typen.

«Schon hineingegangen» antwortete der Schwarze Mann. „Er konnte es kaum erwarten zu singen…aber ich habe dir angeraten alleine zu kommen!“ fügte er in ernstem Ton hinzu, indem er mit einem Kopfnicken auf mich hinwies.

Sofort erkannte ich seine Stimme, es war die gleiche, die am Anrufbeantworter die Nachricht hinterlassen hatte, also war der Schwarze Mann wahrscheinlich unser Kollege. Steve schaute mich mit Stirnrunzeln und Achselzucken an, ich trippelte kleinlaut ins Auto zurück. Der Mann schob das schwere Schiebetor am Zugang zum Innenhof der Lagerhalle auf, und sobald sie eingetreten waren, schloss er es hastig wieder zu und ging in Richtung Hauptgebäude, gefolgt von Steve. Dieser Typ gefiel mir überhaupt nicht und diese Situation noch weniger. Wenn mein Freund einen Fehler hat, dann war es das zu große Vertrauen in sich selbst und manchmal auch in die anderen. Angesichts seines Berufes fand ich das äußerst merkwürdig. Auch ich hatte ein paar Fehler: erstens hasste ich es, beiseite geschoben zu werden, und zweitens vertraute ich, im Gegensatz zu Steve, praktisch niemandem. Sobald die Schritte auf dem Kies hinter dem Tor fern waren, hüpfte ich aus dem Wagen und begann am Rand des Palisadenzauns nach einem Spalt zu suchen, durch den ich sie beobachten konnte. Ich hatte den Rundgang um das Gebäude schon fast beendet und wollte eben gerade zum dritten Mal pinkeln (man kann ja nie wissen, ab und zu kommt es vor, dass man den gleichen Weg wieder zurückkehren muss), als die Stimmen plötzlich lauter wurden, ein Zeichen dafür, dass eine wilde Diskussion im Gange war. Aus Angst, dass Steve meine Hilfe benötigte, beschloss ich meinen Rundgang schnell zu beenden und nach einem anderen Eingang zu suchen. Leider verlief die kleine Straße am Rand der Lagerhalle in eine Sackgasse. Die Stimmen wurden immer lauter und erregter, nun sind sie gar in Schreie ausgeartet. Ich drehte leicht den Kopf und spitzte die Ohren, um besser zu verstehen was sie sagten.

«Was ist los? Bist du etwa verrückt geworden, oder ist es vielleicht ein Witz? Was willst du mit dieser Pistole machen? Stecke sie ein, es könnte ein Schuss losgehen» meinte mein Freund besorgt.

«Du musst mir sagen, wer die anderen Spione sind!»

«Aber was willst du tun, willst du mich erschießen?»

«Falls du mich dazu zwingst, werde ich es tun und wie, da kannst du sicher sein! Ich habe dir gesagt, dass du mir alle Namen sagen sollst, und außerdem solltest du aufhören, dich in Dinge einzumischen, die dich nichts angehen, hast du verstanden? Diese Angelegenheit ist viel zu groß für dich!» insistierte der Schwarze Mann.

«Okay, okay, ich habe verstanden» antwortete mein Freund um Zeit zu gewinnen «ich werde dir alles sagen und dir die Dokumente liefern, die ich gesammelt habe. Jetzt steck aber die Pistole weg und lass uns rausgehen, denn wenn mein Kumpel sieht, dass du mich bedrohst, wird er aggressiv werden.»

«Und du nennst diesen Köter Kumpel?» erwiderte der Schwarze Mann in abschätzigem Ton, was mich absolut rasend machte.

«Also gut, mir ist es recht, aber zuerst musst du mich davon überzeugen, dass du die Lektion gelernt hast, und außerdem gibt es da noch einiges zu klären» meinte er abschließend.

Kapitel 5

Die Situation überstürzt sich

Ich begann der Straße entlang zu rennen, so schnell ich konnte. Beim Sparziergang um das Gebäude konnte ich hoch oben ein großes Fenster entdecken. Darunter lagen entlang der Mauer einige Schachteln aufgetürmt, auf die ich hätte klettern können. Ohne zu zögern hüpfte ich von Schachtel zu Schachtel, bis ganz nach oben, ich bemerkte aber schnell, dass sie leer waren, und wer weiß warum, kam mir Kater Silvester in den Sinn. Während ich schaukelte und kämpfte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren und mit dem Risiko runterzufallen, weil die vom Regen aufgeweichten Schachteln unter meinem Gewicht schon nachgaben, ist es mir gelungen einen kurzen Blick durch das Fenster zu werfen. In schäbigem Neonlicht stand der Schwarze Mann mit dem Rücken zu mir und hielt Steve in Schacht. Mein Freund sah mich und ein Hoffnungsschimmer flackerte kurz in seinen blauen Augen auf.

«Geh Leo! Lauf los!» schrie er aus voller Kehle.

Der andere zögerte und drehte sich um. Steve nutzte diesen Augenblick der Unsicherheit, um ihn zu überwältigen. Sie kämpften und drehten und wälzten sich auf dem rutschigen Boden. Unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen schaute ich bloß zu, während ich pausenlos zu kämpfen hatte, um ich nicht vom Kartonberg runterzufallen. Der Schwarze Mann versetzte Steve einen Kinnhaken. Benommen ließ er locker, sodass dieser die Gelegenheit sofort nutzte, um sich zu befreien. Dann schlug er ihm eine heftige Faust in den Magen und stürzte sich auf die Pistole, die ihm vorher aus der Hand gerutscht war.

«Verdammter Rumschnüffler, das hast du nun davon!» schrie er und richtete die Pistole mit gestrecktem Arm auf Steve.

Dieser war inzwischen wieder aufgestanden und rannte im Zickzack los, auf der verzweifelten Suche nach Deckung. Die Situation war äußerst ernst, außerdem würden die Schachteln jeden Moment endgültig runterfallen. Dies war nun die letzte Chance, meinem Freund zu helfen. Ohne das geringste Zögern setzte ich auf einen Sprung an. Der erste Schuss fiel, als ich gegen das Fenster knallte. Sein Widerhall übertönte sogar den Lärm der in Scherben zerfallenden Scheibe. Betäubt und mit einem schrillen Pfeifton im Ohr, sah ich, gerade als ich die Pfoten auf dem Boden aufsetzte, einen zweiten Funken aus der Pistole zischen. Beim ersten Schuss hat sich Steve instinktiv geduckt und blieb stehen. Als er sich langsam mit erhobenen Händen umdrehte, traf ihn der Schuss voll in die Brust. Der Stoß ließ ihn rückwärts zu Boden fallen und irgendetwas glitt dabei aus der Tasche seines Regenmantels. Ein kleiner, eckiger und glänzender Gegenstand rutschte auf dem glatten, öligen Boden davon und verschwand in einer Ritze des Bodens. Der Schwarze Mann eilte zur Tür, um offensichtlich abzuhauen, aber das war mir egal, ich rannte zu meinem Freund.

«Fass ihn, Leo. Schnapp dir diesen Mistkerl!» flüsterte er mir zu.

Ich rannte wie noch nie in meinem Leben, aber es war sinnlos. Als ich den Ausgang erreichte, war der andere bereits draußen und hat das Tor hinter sich geschlossen. Durch eine Ritze konnte ich den Schwarzen Mann nur noch in seinen Wagen steigen sehen. Er fuhr rückwärts aus dem Parkplatz und stieß dabei gegen eine Straßenlampe, dann drückte er im ersten Gang auf das Gaspedal und rauschte in einer Staubwolke schnell davon.

Kapitel 6

Steves Tod

Traurig kehrte ich zu meinem Freund zurück, der noch immer auf dem Rücken, mit dem Kopf zur Seite gedreht und gebeugten Knien am Boden lag. Er keuchte. Ich leckte ihm die Hand. Langsam drehte er den Kopf, mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihm einen Arm zu heben, um mich hinter den Ohren zu kraulen, wie er es immer tat. Die Hand war so kalt, dass es mich schauerte. Von einer plötzlichen Idee übermannt, schloss ich die Augen, streckte mich und steckte meine Schnauze in die Tasche seines Regenmantels, auf der Suche nach seinem Handy.

«Sinnlos, ich habe es zu Hause liegen gelassen…es tut mir leid mein Freund, ich fürchte, dies ist nun wirklich das Ende …» murmelte er mit niedergeschlagener Grimasse, da er meine Absicht erahnt hatte, dann sah er mich mit feuchten Augen an, und ich musste verzweifelt aufjaulen. Die Resignation, die in seinen Augen zu lesen war, gab mir zu verstehen, dass nichts mehr zu machen war. Ich hockte mich neben ihn, möglichst nahe, um ihm zumindest etwas Wärme zu geben. Bald wurde er von einem ersten Hustenanfall geschüttelt, dann nochmals und nochmals.

«Es tut mir leid» flüsterte er ein letztes Mal, dann schloss er die Augen für immer.

Eine abgründige Stille, wie ich sie noch nie gespürt hatte, breitete sich aus, die ab und zu nur vom Pfeifen kalter Böen Luft, die durch das kaputte Fenster eindrangen, unterbrochen wurde. Der beißende Geruch von Schießpulver und Blut meines Freundes war wirklich ekelerregend. Aber ich ging nicht weg, er war mein Freund und für nichts in der Welt hätte ich ihn hier alleine zurückgelassen! Er lag reglos neben mir, lag zwar hier, aber eben, er war doch nicht mehr hier. Er ignorierte mich, und ich konnte einfach nicht verstehen weshalb.

„Das ist nicht fair… du kannst mich nicht so verlassen, wir hatten eine Abmachung getroffen! Immer zusammen, bis zum bitteren Ende, du hast es mir versprochen!“ dachte ich.

Dies war schon immer unser Ritualspruch, er äußerte ihn vor jedem Einsatz. Zwei Worte, ein Zwinkern und dann los, gemeinsam der Gefahr entgegen. Diese Worte bedeuteten, dass wir, falls uns etwas Schlimmes zustoßen sollte (was in unserem Beruf durchaus möglich war) zusammen umkommen mussten. Aber nein, nach jahrelanger enger Freundschaft und harter Zusammenarbeit, wo wir Schulter an Schulter oder zumindest Schulter an Pfote gearbeitet hatten, ließ er mich nun plötzlich auf diese Weise alleine! Das Schlimmste daran war aber, dass ich mich schuldig fühlte, ich sagte mir unaufhörlich, dass es wohl besser gewesen wäre, wenn ich aufmerksamer und bestimmter reagiert hätte. Aber ich hatte zu großes Vertrauen in ihn, ich hatte mit meinem Sprung durch das verdammte Fenster zu lange gewartet!

Plötzlich stieg eine Erinnerung in mir hoch, die mir leichte Hoffnung gab. Während der Ausbildung, als ich noch fast ein Welpe war, hatte er mich oft aufs Land zum Spielen gebracht. In milder und duftender Luft und im unaufhörlichen Flattern bunter Schmetterlinge purzelten wir dort zusammen im Gras. Wir kämpften solange, bis er sich plötzlich totstellte. Gott, war ich die ersten paar Male erschrocken! Voller Angst leckte ich ihm das Gesicht und schüttelte ihn mit den Pfoten, danach sprang er laut lachend auf. Eigentlich wusste ich nun genau, dass es unnötig war… aber ich versuchte es trotzdem…

„Nein, es ist kein Scherz!“ dachte ich verzweifelt.

Kapitel 7

Die Befreiung

Aufgrund meines lauten Gebells und meines unaufhörlichen Jaulens wurden am nächsten Morgen einige Kollegen von den Eigentümern der Lagerhalle benachrichtigt. Sie kamen, um nachzuschauen was vorgefallen war und konnten uns beide dort vorfinden. Ich habe die ganze Nacht versucht, das kleine Objekt, das aus der Tasche des Regenmantels gefallen war, aus der Ritze zu grabschen, aber da war nichts zu machen. Ich konnte es gerade noch mit der Pfote berühren, aber um es packen zu können, hätte ich Finger haben müssen. Ich habe versucht ein Loch zu graben, habe mir allerdings dabei am Zementboden lediglich die Krallen abgewetzt. Auch mit der Schnauze habe ich es versucht, aber die Ritze war zu schmal. Starrköpfig wie noch nie, habe ich es trotzdem abermals versucht, habe mir aber schließlich lediglich einen schönen Schnitt gerade über der Nase zugezogen. Ich hatte auch versucht, die Aufmerksamkeit der Polizeibeamten auf mich zu lenken, indem ich sie am Ärmel zupfte und in Richtung Bodenspalt zog, aber leider war es völlig überflüssig: nachdem sie mich kurz der Reihe nach getröstet hatten, antworteten sie auf mein Bellen, dass sie nun keine Zeit zum Spielen hätten und widmeten sich ihrer Beschäftigung zu, ohne mich weiter zu beachten…als ob ich in diesem Moment Lust auf Spielen gehabt hätte! Nach und nach kamen die Spurensicherung und die Fotographen, Detektiven und Journalisten an den Tatort. Bald legte jemand Steve in einen grauen Sarg, der dann in einem grauen Leichenwagen fortgebracht wurde.

«Chef, was machen wir mit ihm?» fragte ein Beamter den Kommissar, der sich zu mir bückte und meine Schnauze zwischen die Hände nahm.

«Armer Leo… ich kann mir vorstellen, wie schlimm es für dich gewesen sein muss… mit eigenen Augen zuzuschauen, wie dein Kumpel umgebracht wird! Zu sehen wie er im einem Metallsarg weggebracht wird…und außerdem kannst du nicht sprechen, ich bin mir sicher, dass der Mörder sonst seine Stunden gezählt hätte…verdammt! Nehmt ihn mit zu Steves Wohnung und holt seine Sachen, er wird vorerst bei uns in der Zentrale bleiben, später werden wir sehen, ob ihn jemand adoptieren möchte.»

Als ich hörte, dass sie mich nach Hause bringen wollten, war ich etwas erleichtert, denn da war doch die Stimme des Mörders auf dem Aufnahmegerät gespeichert. Ich hätte es arrangieren können, dass jemand es sich angehört hätte, ich hätte ihnen zu verstehen gegeben können, dass dies die aufgenommene Stimme dieses Mistkerls war, der meinen Freund so kaltblütig ermordet hatte. Ich war mir sicher, dass es nicht schwierig sein würde, aber sobald ich aus dem Wagen stieg, drang mir dieser Geruch nach Schießpulver und Erdöl erneut in die Nase. Zweifellos war der Mörder hier gewesen, um die Dokumente von denen Steve gesprochen hatte zu suchen und um die Stimme im Anrufbeantworter zu löschen. So kam es, dass die Wohnungsdurchsuchung auf der Suche nach etwas Brauchbarem, das auf die letzten Lebensstunden hätte Licht bringen können, erfolglos blieb.

Mein Leben lang habe ich mir gewünscht Hände zu haben, womöglich auch nur einmal, auch nur für einen Tag. In der Überzeugung, dass die Hände eine der wenigen wirklichen Unterschiede zwischen mir und einem Menschen waren, fragte ich mich stets, was ich alles hätte unternehmen können, wenn ich sie gehabt hätte. Ich hätte mich beispielsweise mit den sinnlosesten (aber auch lustigsten!) Dingen austoben können, wie die Katze am Schwanz halten und sie in der Luft herumwirbeln, um sie dann loszulassen und davonfliegen zu sehen, oder mir selber Steine und Tannzapfen zuzuwerfen, damit ich ihnen nachrennen und sie wieder einfangen kann. Ich hätte sie allerdings auch für nützliche Dinge einsetzen können, wie etwa mir alleine die Türe für meine Bedürfnisse zu öffnen oder mir gegen die Kälte eine Decke überzuwerfen, außerdem hätte ich die Herrschaft über den Kühlschrank und den Fernseher gehabt. Damals wünschte ich es mir sehnlichst, wie noch nie. Es war mir tatsächlich bewusst, wenn auch nur für wenige Minuten, dass es mir wie durch ein Wunder gelungen wäre, den mysteriösen Gegenstand, der Steve verloren hatte, aus der Ritze zu grabschen und damit den Mörder an die Wand zu stellen! Aber ich fühlte mich lediglich als unnützen Hund mit vier schäbigen, unnützen Pfoten! Alsbald fiel ich in einen tiefen depressiven Zustand und verbrachte die folgenden drei Tage im Polizeirevier in einem improvisierten Hundekorb, mit der Schnauze zwischen den Vorderpfoten vergraben, ohne Lust auf Fressen und ohne je den Kopf zu recken. Sobald ich jemanden meinen und Steves Namen erwähnen hörte, spitzte ich bewegungslos die Ohren, aber ich war absolut nicht in der Lage, irgend in einer Form zu reagieren.

Kapitel 8

An der Beerdigung

„Nie wieder werde ich jemanden gernhaben, und nie wieder möchte ich einen Menschen an meiner Seite haben! Da opferst du dich für ihn auf, hütest sein Haus und spielst mit seinen Kindern (leider ist das kräftige Anpacken an den Ohren und Schwanz das Lieblingsspiel für Kinder mit Hunden), du stehst ihm stets zur Seite, leistest ihm Gesellschaft und tröstest ihn nötigenfalls. Und er, als Gegenleistung dafür, lässt dich plötzlich auf diese Art und Weise alleine… und nun sollst du mit einer anderen oder gar mehreren Personen eine neue Beziehung eingehen, von neuem ein Gleichgewicht suchen und dir neuen Respekt verdienen, neue Worte, den Tonfall seiner Stimme und neue Gewohnheiten erlernen, dich wieder mit einer Menge mühsamer Dinge beschäftigen, wie beispielsweise mit anderen Hunden deines Wohnquartiers kämpfen, damit du dir ein ruhiges Örtchen für deine Bedürfnisse sichern kannst. Und plötzlich beschließt dein Freund vielleicht in die Ferien zu gehen oder er hat plötzlich eine Allergie oder er wird einfach nur Vater, dann gibt er dir einen schönen Tritt in den Schwanz…

Außerdem war Steve ganz besonders! Einen Freund wie ihn würde ich niemals, mein Leben lang, nie wiederfinden. Verdammt, wäre ich doch bloß entschlossener gewesen… das schlechte Gewissen wird mich mein Leben lang begleiten! Wie schade, dass ich nichts mehr für ihn tun kann. Ich bin mir sicher, dass dieser kleine Gegenstand, der in die Ritze im Boden gefallen ist, sehr wichtig ist, aber ich konnte ihn ja nicht herausfischen und allein wird es mir wohl niemals gelingen. Was soll ich denn nun tun? Vielleicht, wenn mich doch jemand aus der Zentrale aufnehmen würde… oder doch nicht, nein besser nicht! Ich habe dieses Leben satt! Uniformen und Schießereien, Verfolgungsjagden und schlaflose Nächte sind mir überdrüssig. Eigentlich könnte ich als Straßenköter durchkommen, zumindest bis ich wieder einen klaren Kopf habe, verhungern werde ich dabei bestimmt nicht…“