Lern wieder lachen, Claire! - Marie Francoise - E-Book

Lern wieder lachen, Claire! E-Book

Marie Francoise

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Beschreibung

Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht.   Mit quietschenden Reifen blieb der Krankenwagen vor der Steinhausener Waldsee-Klinik stehen. Das Blaulicht blinkte gespenstisch durch die Nacht; das Martinshorn war bereits abgestellt worden. Dann wurden die Hecktüren aufgerissen, und eine Trage wurde herausgehoben. Mit einem stählernen Rasseln klappten die Räder herunter, und nun schoben der Notarzt und zwei Sanitäter diese fahrbare Trage im Laufschritt durch die beiden Flügeltüren.   »Wer ist der diensthabende Arzt?« wollte der Notarzt von der herbeieilenden Nachtschwester Irmgard Heider wissen.   »Dr. Scheibler«, antwortete sie, dann wies sie nach vorn. »Da kommt er gerade.«   »Es sieht schlimm aus«, erklärte der Notarzt dem Oberarzt der Klinik. »Starker Blutverlust. Mit Sicherheit auch innere Blutungen. Darüber hinaus Oberschenkelfraktur rechts und etliche andere Knochenbrüche. Höchstwahrscheinlich auch eine schwere Schädelverletzung. Wir haben ihr Dextran gegeben und fixiert, was nur ging.« Er machte eine kurze Pause. »Dr. Daniel kommt mit einem verletzten Mädchen im zweiten Wagen nach.«   Dr. Scheibler nickte, dann übernahm er die Patientin und schob sie in den Operationssaal hinüber.   »Irmgard«, wandte er sich an die Nachtschwester. »Trommeln Sie sofort das Team zusammen. Die sollen umgehend herkommen. Es geht um Leben und Tod.«   Die Schwester nickte und eilte hinaus. Es war fast Mitternacht, und sie wußte, daß sie sämtliche Ärzte aus dem Bett holen mußte. Doch das passierte ja nicht zum ersten Mal.   Schwester Irmgard griff nach dem Telefonhörer und wählte zuerst die Nummer des Chefarztes, Dr. Wolfgang Metzler. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er sich endlich mit verschlafener Stimme meldete.   »Hier Waldsee-Klinik, Schwester Irmgard«, gab sie sich zu erkennen. »Herr Doktor, kommen Sie bitte sofort in die

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Dr. Daniel – 39 –Lern wieder lachen, Claire!

Marie Francoise

  Mit quietschenden Reifen blieb der Krankenwagen vor der Steinhausener Waldsee-Klinik stehen. Das Blaulicht blinkte gespenstisch durch die Nacht; das Martinshorn war bereits abgestellt worden. Dann wurden die Hecktüren aufgerissen, und eine Trage wurde herausgehoben. Mit einem stählernen Rasseln klappten die Räder herunter, und nun schoben der Notarzt und zwei Sanitäter diese fahrbare Trage im Laufschritt durch die beiden Flügeltüren.

  »Wer ist der diensthabende Arzt?« wollte der Notarzt von der herbeieilenden Nachtschwester Irmgard Heider wissen.

  »Dr. Scheibler«, antwortete sie, dann wies sie nach vorn. »Da kommt er gerade.«

  »Es sieht schlimm aus«, erklärte der Notarzt dem Oberarzt der Klinik. »Starker Blutverlust. Mit Sicherheit auch innere Blutungen. Darüber hinaus Oberschenkelfraktur rechts und etliche andere Knochenbrüche. Höchstwahrscheinlich auch eine schwere Schädelverletzung. Wir haben ihr Dextran gegeben und fixiert, was nur ging.« Er machte eine kurze Pause. »Dr. Daniel kommt mit einem verletzten Mädchen im zweiten Wagen nach.«

  Dr. Scheibler nickte, dann übernahm er die Patientin und schob sie in den Operationssaal hinüber.

  »Irmgard«, wandte er sich an die Nachtschwester. »Trommeln Sie sofort das Team zusammen. Die sollen umgehend herkommen. Es geht um Leben und Tod.«

  Die Schwester nickte und eilte hinaus. Es war fast Mitternacht, und sie wußte, daß sie sämtliche Ärzte aus dem Bett holen mußte. Doch das passierte ja nicht zum ersten Mal.

  Schwester Irmgard griff nach dem Telefonhörer und wählte zuerst die Nummer des Chefarztes, Dr. Wolfgang Metzler. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er sich endlich mit verschlafener Stimme meldete.

  »Hier Waldsee-Klinik, Schwester Irmgard«, gab sie sich zu erkennen. »Herr Doktor, kommen Sie bitte sofort in die Klinik. Ein Notfall.«

  Dr. Metzler war mit einem Schlag hellwach, warf den Hörer auf die Gabel und zog sich in Windeseile an. Ein paar Minuten später erreichte er die Klinik. Im selben Moment hielt auch der zweite Krankenwagen, den der Notarzt schon erwähnt hatte, und Dr. Robert Daniel sprang heraus.

  »Robert, um Himmels willen, was ist passiert?« fragte Dr. Metzler, als er einen ersten Blick auf das verletzte Mädchen werfen konnte, das jetzt ebenfalls eiligst in die Klinik gefahren wurde.

  »Ein schwerer Verkehrsunfall am Ortseingang von Steinhausen«, gab Dr. Daniel hastig Auskunft. »Ich kam zufällig vorbei und habe Notarzt und Sanitäter gleich hierhergeschickt. Bei beiden Verletzten geht es vermutlich um Sekunden.«

  Während dieser kurzen Unterhaltung hatten Dr. Metzler und Dr. Daniel schon im Laufschritt die Klinik betreten und eilten nun zum Operationssaal.

  »Wolfgang, endlich!« stieß Dr. Scheibler hervor. »Komm, beeil dich, es ist schon alles für den Eingriff vorbereitet.«

  Mit einem kurzen Blick erkannte Dr. Metzler, daß sich der Anästhesist Dr. Jeffrey Parker und die OP-Schwester Petra Dölling um die zuerst eingelieferte Patientin kümmerten. Außer ihnen waren auch die zweite Anästhesistin Dr. Gabriela Teirich und Dr. Daniels Sohn Stefan, der hier als Assistenzarzt tätig war, anwesend.

  »Gerrit, Stefan, fangt schon an«, befahl Dr. Metzler. »Ich muß noch nach der anderen Patientin sehen. In zwei Minuten bin ich dann bei euch.«

  Währenddessen hatte sich Dr. Daniel schon über das verletzte Mädchen gebeugt.

  »Ganz ruhig, Claire«, flüsterte er beruhigend. »Du bist hier in den allerbesten Händen.«

  »Du kennst sie?« fragte Dr. Metzler, während er sich einen ersten Überblick über die Verletzungen des Mädchens verschaffte.

  Dr. Daniel nickte nur.

  »Sie scheint Glück…« Dr. Metzler stockte mitten im Satz, als er sah, daß durch die dichten Locken des Mädchens ein Glassplitter ragte. Vorsichtig schob der Chefarzt die langen blutverschmierten Haare auseinander und erkannte mit Entsetzen, daß sich der Glassplitter durch die Schädeldecke des Mädchens gebohrt hatte. Trotz dieser Verletzung war sie aber bei Bewußtsein und wimmerte nur leise vor sich hin.

  »Gabriela«, wandte sich Dr. Metzler an die junge Anästhesistin. »Scheuchen Sie sofort Ihren Mann aus den Federn. Wir brauchen hier einen Neurochirurgen, und Franz ist der beste, den ich kenne.«

  Gabriela nickte nur, dann hastete sie zur Eingangshalle, um ihren Mann anzurufen. Keine fünf Minuten später war er zur Stelle, während Gabriela schon die Narkose eingeleitet hatte. Auch Dr. Daniel stand bereit. Er war zwar eigentlich Gynäkologe, doch er wußte, daß in diesem Fall jeder Arzt gebraucht wurde. Und um Dr. Teirich zu assistieren, würden seine Fähigkeiten auf diesem für ihn ungewohnten Gebiet sicher ausreichen.

  Währenddessen hatte Dr. Metzler schon den anderen Operationssaal betreten und gesellte sich nun zu dem gut eingespielten Team.

  »Wie sieht’s aus?« wollte er wissen.

  »Frag nicht«, seufzte Dr. Scheibler. »Im Grunde weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.«

  Das erkannte auch Dr. Metzler, als er das Operationsfeld überblickt hatte. Der Notarzt hatte wahrlich nicht übertrieben. Um die verletzte Frau stand es denkbar schlecht, und so wurde es eine äußerst schwierige Operation, die den erfahrenen Chirurgen Dr. Metzler und Dr. Scheibler alles abverlangte.

  »Blutdruck fällt«, erklärte Dr. Parker.

  Dr. Metzler gab Anweisung für ein anderes Medikament, doch es schlug nicht an.

  »Herzstillstand.«

  »Verdammt«, knurrte Dr. Metzler. »Du kannst doch jetzt nicht aufgeben. Wir haben’s ja gleich geschafft.«

  Dr. Scheibler begann mit Herzmassage, während Stefan den Defibrillator bereitmachte und Dr. Metzler dann die beiden Defibrillatorpaddel reichte. Rasch legte der Chefarzt sie auf die Brust der Verletzten.

  »Zurücktreten«, kommandierte er, dann drückte er auf den Knopf, der einen kurzen Stromstoß durch den Körper der Patientin jagte, doch weder dieser noch die beiden nächsten Versuche brachten den gewünschten Erfolg.

  »Ich mache sie auf«, beschloß Dr. Metzler kurzerhand. »Das Gehirn arbeitet noch. Wir haben eine Chance, sie zurückzuholen.«

  Währenddessen hatte er schon den Brustkorb der Patientin geöffnet und begann nun ganz vorsichtig mit einer Massage am offenen Herzen.

  »Komm schon«, knurrte er. »Du bist noch zu jung, um die Arbeit einfach hinzuschmeißen.«

  »Wolfgang, Sie können aufhören, die Patientin ist tot«, erklärte Dr. Parker so behutsam wie möglich, doch Dr. Metzler nahm seine Worte gar nicht wahr. Zu verbissen kämpfte er noch um das Leben der verletzten Frau.

  »Es ist vorbei, Wolfgang«, fügte Dr. Scheibler hinzu. »Ihre Verletzungen waren zu schwer. Wir konnten diesen Kampf um ein Menschenleben nicht gewinnen.«

  Doch der Chefarzt schüttelte den Kopf. »Ich schaffe es. Ich hole sie zurück.«

  Da legte Dr. Scheibler ihm von hinten beide Hände auf die Schultern.

  »Wolfi, es hat keinen Sinn mehr«, erklärte er eindringlich. »Die Patientin ist hirntot.«

  Mit brennenden Augen starrte Dr. Metzler zum Monitor hin, hörte den schrillen Pfeifton, der anzeigte, daß sämtliche Körperfunktionen zum Erliegen gekommen waren, und sah die geraden Linien, die über den Bildschirm flimmerten.

  »Nein«, flüsterte er verzweifelt. »Nein…«

  »Zeitpunkt des Todes…« Dr. Scheibler warf einen Blick zu der großen Wanduhr. »Drei Uhr fünfundvierzig.«

  Die OP-Schwester notierte die Uhrzeit für das Operationsprotokoll, dann sah sie mitleidig zu Dr. Metzler, der jetzt völlig gebrochen wirkte. Sie wußte, wie schlimm ein Exitus für jeden Chirurgen war, und auch sie selbst empfand den Tod eines Patienten im Operationssaal immer als besonders schlimm. Irgendwie hatte man danach das Gefühl, nicht wirklich alles versucht zu haben.

  Jetzt legte Dr. Scheibler einen Arm um die Schultern seines Schwagers.

  »Komm, Wolfgang«, bat er leise. »Wir haben getan, was wir konnten.«

  »Es war nicht genug«, entgegnete Dr. Metzler. »Vielleicht…«

  »Hör auf, dir Vorwürfe zu machen, Wolfgang«, erklärte Dr. Scheibler eindringlich und bemühte sich dabei um einen festen,

energischen Ton, obwohl es ihm absolut nicht leichtfiel, so zu sprechen. Dieser Exitus nahm ihn ebenso mit wie alle anderen, die bei der Operation zugegen gewesen waren. »Die Verletzungen dieser Frau waren einfach zu schwer, und du machst dich kaputt, wenn du versuchst, dir etwas anderes einzureden. Wolfgang, wir sind Chirurgen, wir müssen mit dem Tod leben. Es tut verdammt weh, einen Patienten auf dem Tisch sterben zu sehen, und ich selbst könnte jedesmal heulen, wenn es passiert, aber wir können es nicht ändern.«

  Dr. Metzler nickte, dann raffte er sich auf. »Danke, Gerrit.« Er seufzte. »Ich muß nach dem Mädchen sehen. Teirich operiert mittlerweile auch schon fast vier Stunden.«

  »Ich komme mit«, meinte Dr. Scheibler entschlossen.

  Sie zogen die Operationskittel aus und wuschen sich die Hände, dann eilten sie zu dem kleinen Operationssaal der Gynäkologie hinüber, wo Dr. Teirich noch immer damit beschäftigt war, das verletzte Mädchen zu retten.

  »Robert assistiert«, stellte Dr. Scheibler überrascht fest, als er durch die Scheiben des Operationssaals blickte, dann schüttelte er fassungslos den Kopf. »Er ist wirklich einmalig.«

  »Das kann man wohl sagen«, stimmte Dr. Metzler zu, dann wandte er sich dem Waschraum zu. »Ich werde jetzt die Assistenz übernehmen.«

  »Nein, das wirst du nicht«, entgegnete Dr. Scheibler mit Nachdruck. »Die schaffen das auch ohne dich. Robert ist exzellent, das sehe ich sogar von hier aus, und außerdem haben er und Franz sich in den vergangenen Stunden aufeinander eingespielt. Es wäre Unsinn, wenn du jetzt dazwischengehen würdest.«

  »Hör mal, Gerrit, ich bin der Chefarzt hier…«, begann Dr. Metzler ärgerlich, doch sein Schwager ließ ihn gar nicht aussprechen.

  »Richtig, und dieser Chefarzt hat gerade eine Patientin verloren. Ich kenne dich, Wolfgang, du steckst so etwas nicht innerhalb von fünf Minuten weg – niemand könnte das. Und deshalb wirst du keinen Fuß in diesen Operationssaal setzen. Haben wir uns verstanden?«

  Dr. Metzler seufzte tief auf. »Ja, Herr Oberarzt.« Dann fuhr er sich mit gespreizten Fingern durch die dichten dunklen Locken. »Ich sehe ja ein, daß du recht hast, Gerrit. Wir beide sollten uns wirklich ein paar Minuten Ruhe gönnen.« Sein Blick wanderte zu dem Mädchen auf dem OP-Tisch. »Für die Kleine können wir ohnehin nichts tun. Wenn Franz Teirich ihr nicht helfen kann, dann könnte es niemand.«

*

  Währenddessen kämpfte Dr. Franz Teirich mit einer beispielhaften Verbissenheit um das Leben der jungen Claire Buschmann. Es grenzte schon fast an ein Wunder, daß der eingedrungene Glassplitter das Gehirn der knapp Sechzehnjährigen nicht verletzt hatte, aber dieses spitze, rasiermesserscharfe Etwas nun herauszuoperieren, ohne bei dem Mädchen eine Hirnschädigung zu verursachen, erforderte das ganze Können und die außerordentlich große Erfahrung des Neurochirurgen.

  »Ich glaube, wir haben’s geschafft«, meinte Dr. Teirich nach einer schier endlos dauernden Operation. Durch die Fenster drang bereits das Licht des anbrechenden Tages, und Dr. Daniel hatte das Gefühl, als könne er keinen Schritt mehr gehen. Allerdings war nicht nur er völlig erschöpft. Dr. Teirich und seine Frau Gabriela, die die Anästhesie gemacht hatte, waren ebenfalls am Ende ihrer Kraft.

  Dr. Teirich ordnete noch an, welche Medikamente Claire bekommen mußte, dann verließ auch er hinter Dr. Daniel und Gabriela den Operationssaal.

  »Das war ein hartes Stück Arbeit«, meinte er, während er sich die Hände wusch.

  Dr. Daniel nickte. »Das kann man wohl sagen. Aber ich bin nur froh, daß es Ihnen gelungen ist, das Mädchen zu retten.«

  Obwohl er vor Müdigkeit kaum noch aus den Augen sehen konnte, brachte Dr. Teirich jetzt ein Lächeln zustande.

  »Mit Ihrer tatkräftigen Unterstützung«, ergänzte er.

  Doch Dr. Daniel winkte ab. »Was habe ich schon groß getan? Das bißchen Assistenz…«

  »Sie sind wirklich zu bescheiden, Robert«, fiel Dr. Teirich ihm ins Wort. »Ich glaube, Sie hätten auch einen guten Neurochirurgen abgegeben.«

  Auch Dr. Daniel mußte nun lächeln. »Bei aller Freude über dieses Kompliment muß ich doch gestehen, daß mir die Gynäkologie lieber ist.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Schon gleich sechs. Meine Güte, in drei Stunden beginnt ja meine Vormittagssprechstunde.«

  »Dann würde ich mich an Ihrer Stelle jetzt ganz schnell aufs Ohr hauen«, riet Dr. Teirich. »Ich werde das auch tun. Mein Dienst in der Thiersch-Klinik beginnt glücklicherweise erst heute mittag.«

  Dr. Daniel nickte. »Trotz Müdigkeit muß ich erst noch nach Frau Buschmann sehen. Nach allem, was ich mitbekommen habe, war sie äußerst schwer verletzt, aber Wolfgang und Gerrit sind ja erstklassige Chirurgen.«

  Er verabschiedete sich von Gabriela und Franz Teirich, dann eilte er zur Chirurgie hinüber. Auf dem Flur begegnete ihm Dr. Scheibler, und an seinem Gesicht erkannte Dr. Daniel sofort, daß etwas Schreckliches geschehen sein mußte.

  »Nein«, stieß er hervor. »Bitte, Gerrit, sagen Sie nicht, daß…« Er brachte es nicht fertig, den Satz zu beenden.

  »Es tut mir leid, Robert«, entgegnete Dr. Scheibler niedergeschlagen. »Wir konnten nichts mehr für die Frau tun. In ihrem Körper gab es kaum noch einen Knochen, der nicht gebrochen war. Dazu die inneren Verletzungen… Wir haben fast vier Stunden operiert, bis es zum Herzstillstand kam. Und sogar dann hat Wolfgang noch alles versucht, um sie wiederzubeleben, aber es war vergeblich.«

  Dr. Daniel war von dieser Nachricht zutiefst betroffen. Er hatte Margot und Peter Buschmann gut gekannt. Schon vor Jahren war Margot bei ihm in Behandlung gewesen, weil sie und ihr Mann sich sehnlichst ein Baby gewünscht hatten, doch es hatte einfach nicht klappen wollen. Als sie dann die damals sechsjährige Claire hatten adoptieren können, schien ihr Glück vollkommen. Und nun dieser schreckliche Unfall…

  »Peter… ihr Mann… war sofort tot«, erklärte Dr. Daniel stockend. »Das allein war eigentlich schon ein Schock für mich. Aber Margot auch… meine Güte…«

  »Sie haben sie gekannt?« fragte Dr. Scheibler mitfühlend.

  Dr. Daniel nickte. »Sehr gut sogar. Als meine Frau noch lebte…« Er stockte, weil auch die Erinnerung an Christine noch immer schmerzte, obwohl seit ihrem plötzlichen Tod inzwischen sechs Jahre vergangen waren.

  Impulsiv legte Dr. Scheibler einen Arm um Dr. Daniels Schultern.

  »Sie sollten jetzt ein wenig schlafen, Robert«, riet er ihm. »Sie haben Franz fast sechs Stunden lang assistiert.« Er zögerte, wagte es kaum, nach dem Mädchen zu fragen. »Wie geht es der Kleinen?«

  »Sie wird durchkommen«, antwortete Dr. Daniel mechanisch, dann fuhr er sich mit einer Hand über die Augen. »Aber nun ist sie wieder allein.«

  »Wieder?«

  Dr. Daniel nickte. »Als Fünfjährige wurde Claire zur Vollwaise, und jetzt… jetzt steht sie zum zweiten Mal vor den Trümmern ihres Lebens. Dabei ist sie gerade sechzehn Jahre alt.«

  Dr. Scheiblers Herz zog sich vor Mitleid zusammen. Er hatte selbst eine schwere Kindheit gehabt und konnte daher gut nachfühlen, was in dem Mädchen vorgehen würde, wenn sie erst von diesem Schicksalsschlag erfuhr, der sie nun zum zweitenmal ereilt hatte.

  »Wie verkraftet Wolfgang den Exitus?« wollte Dr. Daniel wissen und riß Dr. Scheibler damit aus seinen Gedanken.

  »Schwer«, antwortete er ehrlich. »Er versucht es zwar zu verbergen, aber ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, wie sehr er leidet. Und wenn er erst erfährt…« Dr. Scheibler stockte. »Ich fürchte, das wird ihn in ein ziemliches Tief werfen.«

  »Da haben Sie zweifellos recht, Gerrit, aber ich glaube, es wird sich nicht vermeiden lassen, daß er es erfährt.« Dr. Daniel seufzte tief auf. »Ich muß jetzt in meine Praxis, aber heute mittag werde ich noch einmal nach Claire sehen.«

  Damit wollte er gehen, doch Dr. Scheibler hielt ihn am Arm fest.

  »Robert, darf ich Ihnen einen Rat geben?« Er wartete Dr. Daniels Antwort gar nicht erst ab. »Lassen Sie Ihre Praxis heute zu, und legen Sie sich ein paar Stunden ins Bett. Sie hätten den Schlaf dringend nötig.«

  »Danke für den Rat, Gerrit, aber ich kann die Praxis nicht einfach zusperren. Es geht nicht…«

  »Wenn Sie zusammenbrechen, dann wird es auch gehen müssen«, fiel Dr. Scheibler ihm ins Wort.

  »Sie verstehen es ausgezeichnet, mich aufzumuntern«, erklärte Dr. Daniel mit offenem Sarkasmus.