Lerne, meine Sklavin zu sein! Erotischer SM-Roman - Marie Rust - E-Book

Lerne, meine Sklavin zu sein! Erotischer SM-Roman E-Book

Marie Rust

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 204 Taschenbuchseiten ... Als Natalie von ihrem Chef bei der Auftragsvergabe für ein Amerika-Projekt übergangen wird, weil ihre Kollegin Carmen mehr Sex-Appeal hat, sucht sie Hilfe bei ihrem Gärtner, der nicht nur etwas von Pflanzen versteht. Sylvester bringt ihr bei, wie sie sich weiblicher präsentieren kann und wie erfüllend es ist, die Lust hemmungslos auszuleben. Doch bald schon will sie mehr, als nur den Chef verführen - Sylvesters dominante Art zieht sie magisch an. Sie muss sich entscheiden: Geht sie nach Amerika oder unterwirft sie sich dem hünenhaften Gärtner? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 282

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Impressum:

Lerne, meine Sklavin zu sein! Erotischer SM-Roman

von Marie Rust

 

Marie Rust (Jahrgang 1974) hat sich seit ihrer Jugend – insbesondere bei Frauen – damit unbeliebt gemacht, dass sie den Genderwahn offen ablehnt: „Wären die Unterschiede zwischen Mann und Frau belanglos oder sogar unsinnig, hätte die Natur sich die Mühe gespart, zwei verschiedene Geschlechter zu erschaffen und es bei Hermaphroditen belassen. Aber anstatt das zu akzeptieren, zwingt die Emanzipationsbewegung Frauen, sich wie klein geratene Männer zu benehmen. Wer devote Frauen verachtet, weiß nicht, wovon er redet. Eine Sklavin hat eine unfassbare Macht über ihren Herrn, der ohne Zögern die Welt für sie aus den Angeln hebt, um diesen unbezahlbaren Schatz niemals zu verlieren!“Dem Beruf der Krankenschwester hat Marie Rust den Rücken gekehrt und sich für eine Weile dem horizontalen Gewerbe zugewandt. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Ehemann und vielen Tieren in einem kleinen Dorf in der Eifel.

 

Lektorat: Ulrike Maria Berlik

 

 

Originalausgabe

© 2023 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © isn5000 @ 123RF.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783750712249

www.blue-panther-books.de

Gartenbau Jost

Natalie beobachtete mit angehaltenem Atem und eiskalten Fingern die drei Männer, die konzentriert und langsam kauten. Es schien Stunden zu dauern, bis der Erste zu lächeln begann und dann auch die anderen beiden ihr, Jonas und Carmen lächelnd zunickten. Die drei atmeten auf und gratulierten sich gegenseitig – sie hatten es geschafft!

Während die Vertreter der Nahrungsmittelfirma mit Herrn Stüber in dessen protzigem Büro verschwanden, gingen Natalie und ihre Kollegen zurück ins Labor und ließen sich erleichtert auf die beiden Sofas im Aufenthaltsraum fallen. Zwei Monate hatten sie unter Hochdruck gearbeitet, um ein halbes Dutzend chinesische Fertiggerichte geschmacklich für den deutschen Markt anzupassen. Letzte Woche hatten die Testesser endgültig ihre Favoriten bestimmt und glücklicherweise waren die Bosse heute der gleichen Meinung. Es war ein riesiger Auftrag für ihren kleinen Betrieb gewesen, aber noch viel wichtiger waren die Türen, die durch den erfolgreichen Abschluss aufgestoßen worden waren.

Carmen öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche Sekt heraus. »Die haben wir uns verdient!«, beschied sie.

»Und? Was macht ihr mit eurem Bonus?«, erkundigte Jonas sich.

Carmen schloss verträumt die Augen. »Ich werde mir einen Tag freinehmen und nur shoppen. Und zwar richtig opulent.«

Jonas blickte Natalie neugierig an. »Und du?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, ich pack’s auf das Sparbuch, falls mal Not am Mann ist.«

Carmen stöhnte. »Natalie, gönn’ dir doch mal was Schönes, einfach nur so! Wenn du magst, ziehen wir morgen zusammen los. Ich helfe dir gern, was Schickeres zu finden, als immer nur deine langweiligen, einfarbigen Oberteile und Hosen. Oder vielleicht zum Friseur? Pony mit Pferdeschwanz ist total out! Ein paar Strähnchen oder ein moderner Schnitt würden bestimmt prima aussehen. Du bist doch keine alte Jungfer. Sieh mal, du könntest morgen von einem Auto überfahren werden. Und was hast du dann vom Leben gehabt?«

Natalie hob die Schultern. »Wenn ich morgen überfahren werde, nützt mir die Shopping-Tour von heute auch nichts mehr. Wenn ich aber schwer verletzt im Krankenhaus liege und mir eine Chefarzt-Behandlung leisten kann, weil ich genug auf der hohen Kante habe, stehe ich eindeutig besser da.«

Jonas schnaufte. »Du bist so was von fanatisch pragmatisch. Dir ist echt nicht zu helfen.«

»Was machst du denn mit der Kohle?«, fragte Natalie zurück, um das Gespräch in eine andere Richtung zu leiten. Sie mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, nicht mal bei einem Gespräch unter Kollegen.

Jonas lehnte sich zurück: »Urlaubskasse! Simon und ich wollen nächstes Jahr eine Segeltour durch die Fjorde machen.«

»Oh, das klingt aber abenteuerlich«, stellte Carmen fest.

Jonas zuckte lächelnd mit den Schultern. »Ist halt was ganz anderes als Ballermann oder die Alpen.«

Während Carmen sich neugierig erkundigte, was Fjorde waren, ließ Natalie die Gedanken schweifen. Über die dreihundert Euro Bonus hätten Lebensmittelchemiker in großen Laboren nur müde gelächelt. Dort wurden zwar keine Boni ausgezahlt, allerdings war der Verdienst dafür auch deutlich höher. Doch Geld war nun einmal nicht das Wichtigste. Hier, in diesem kleinen Start-up war sie ihr eigener Herr. Es ging zwar selten um solche spannenden Sachen wie heute, aber die Projekte, die sie übertragen bekam, gehörten ihr ganz allein, von der ersten bis zur letzten Minute. Sie konnte sich mit Jonas besprechen, jedoch pfuschte er ihr genauso wenig rein wie sie ihm. Es hätte sie krank gemacht, tagein, tagaus immer nur im Akkord an einem Laborplatz ein und dieselben Handgriffe zu machen. Auch Jonas hätte einen besser bezahlten Arbeitsplatz haben können, aber als Homosexueller, der – wie er es selbst ausdrückte – »eine klassische Schwuchtel« war, hatte er so viele Erfahrungen mit Vorurteilen und Anfeindungen gemacht, dass kein Geld der Welt ihn in ein großes Team mit heterosexuellen Männern locken konnte. Im Gegensatz zu ihnen beiden hatte Carmen allerdings keine Alternative, sondern musste froh sein, dass sie die Stelle bekommen hatte. Sie hatte ihre Prüfung nur mithilfe ihres Augenaufschlages und hautenger Klamotten geschafft und damit hatte sie wohl auch Stüber überzeugt. Ihr Job bestand darin, Natalie und Jonas zu entlasten, indem sie Reihentests und andere Aufgaben übernahm, die zwar kein großes Fachwissen erforderten, allerdings viel Zeit kosteten.

Ihr Blick wanderte zur Glastür und ihrem Spiegelbild darin. Es stimmte zwar, dass sie keinen Wert auf modische oder gar auffallende Kleider legte, aber sie hätte auch nicht gewusst, warum sie das tun sollte. Sie machte lieber mit guter Arbeit auf sich aufmerksam als mit bunten Stoffen. Und den Friseur brauchte sie auch nicht. Locken wollte sie keine haben, mit ihrem Mittelbraun war sie zufrieden und die Spitzen und den Pony konnte sie mit der Schere problemlos selbst in Form halten. Kurzum – sie hatte es nicht nötig, solchen Aufwand zu treiben wie ihre Kollegin.

Sie tranken den Sekt gemütlich aus. Um ein neues Projekt zu beginnen, war es schon zu spät, also beging jeder den Rest des Arbeitstages nach eigenem Gusto. Carmen verließ das Labor, vermutlich um der Besatzung der Testküche von diesem tollen Erfolg zu erzählen, Jonas rief seinen Freund an und Natalie begann, ihren Arbeitstisch zu desinfizieren. Nötig war das nicht, weil die Tische jeden Abend von der Reinigungsfirma gründlich gesäubert wurden, aber sie hatte sich dieses Ritual angewöhnt, um eine Arbeit auch im Kopf für beendet zu erklären. Die Flasche mit dem Desinfektionsmittel war so gut wie leer. Natalie ging hinaus, um sich eine Neue zu holen. Als sie die Putzkammer erreichte, blieb sie verdutzt stehen. Die Tür stand einen Spalt offen und aus dem kleinen Räumchen kamen sehr eindeutige Geräusche. Irgendjemand hatte da drin gerade heftigen Sex! Das Keuchen des männlichen Parts konnte sie nicht zuordnen, das Stöhnen der Frau jedoch erkannte sie auf Anhieb. Neugierig und ungläubig lugte sie durch den Spalt.

Carmen lag auf dem Putzwagen. Sie hatte die Augen geschlossen und umklammerte die Streben des Regals hinter ihr. Es wackelte bedrohlich in dem gleichen Rhythmus, in dem sie vor und zurück getrieben wurde und auch das Wägelchen würde dieser Belastung vermutlich nicht mehr lange standhalten. Der Spalt war nicht groß genug, um zu erkennen, wer Carmen so derbe rannahm, doch Natalie wagte nicht, die Tür weiter zu öffnen. Es wäre ihr zu peinlich gewesen, als Voyeurin dazustehen.

Die Bewegungen wurden heftiger und das angestrengte Ächzen des Mannes lauter. Carmens Stöhnen wurde zu einem Wimmern. Sie flehte den Mann an, noch nicht aufzuhören. Natalie ertappte sich dabei, dass sie beide Hände zu Fäusten schloss und die Daumen drückte, dass er noch so lange durchhielt, wie Carmen für ihren eigenen Höhepunkt brauchte. Er schaffte es tatsächlich! Natalie beobachtete, wie Carmen sich aufbäumte, mit einer Hand die Regalstrebe losließ und sich stattdessen auf die Knöchel biss, um nicht aufzuschreien. Fast gleichzeitig gab auch der Mann ein gurgelndes Geräusch von sich und die Bewegungen hörten auf. Carmens Arme sanken schlaff zur Seite. Natalie wandte sich ab und kehrte ins Labor zurück, bevor einer der beiden sie entdeckte. Es ärgerte sie, dass sie nicht gesehen hatte, wer der Mann war. Bestimmt der gut aussehende Haustechniker. Unwillkürlich dachte sie an die amourösen Erlebnisse mit Jens, ihrem ersten und bisher letzten Freund. Sie hatten sich während der Ausbildung kennengelernt. Es war für sie beide weniger eine romantische Liebe gewesen als vielmehr ein Experiment. Jens war genauso ein Chemie-Nerd wie sie und nur wenig erfahrener in Sachen Sex. Innerhalb weniger Wochen hatten sie die gängigsten Stellungen durchgetestet und Natalie war zu dem Schluss gekommen, dass der Hype, der um die angeblich schönste Nebensache der Welt gemacht wurde, völlig übertrieben war. Die wenigen Minuten sexuelle Erregung rechtfertigten in keiner Weise den Aufwand vor- und vor allen Dingen hinterher. Daher hatte sie die Beziehung beendet und beschlossen, sich auf Wichtigeres, als schnöde körperliche Bedürfnisse zu konzentrieren. Bislang hatte sie nicht das Gefühl gehabt, irgendetwas verpasst zu haben, und wenn doch einmal Lust auf Sex aufgekommen war, hatte sie sich recht schnell mit vernünftigen Argumenten wieder unter Kontrolle bringen können, doch Carmens verträumter Gesichtsausdruck und ihr wonnevolles Stöhnen ließen ihr zum ersten Mal den Gedanken in den Sinn kommen, dass es möglicherweise ein Fehler gewesen war, gleich nach dem ersten unbefriedigenden Versuch aufzugeben. Jedenfalls schien der Mann hinter der Tür sich deutlich besser auszukennen als Jens und für einen peinlich lüsternen Moment hatte Natalie sich gewünscht, mit Carmen zu tauschen, ganz gleich, wer da bei ihr gewesen war.

Sie rief sich zur Ordnung, holte die flüssige Zitronensäure aus dem Regal und wischte damit ihren Arbeitsplatz, um ihrem Ritual Genüge zu tun. Carmen kam herein. Sie lächelte ihren beiden Kollegen sehr entspannt zu und ließ sich mit einem gut gelaunten Seufzen auf ihren Stuhl fallen. Wenn man es wusste, war offensichtlich, dass sie gerade Sex gehabt hatte. Ihre Haare waren unordentlich und die Kleider wirkten etwas derangiert. Allerdings hatte Natalie zuvor nie auf so etwas geachtet. Sie fragte sich, wie oft sie diese Anzeichen schon übersehen hatte und ob sie die Einzige, war, die davon wusste oder ganz im Gegenteil die Einzige, die bisher nichts gemerkt hatte. Nun hätte sie sich zwar den Reiniger holen können, doch die Vorstellung, dass die Flasche möglicherweise mit Körperflüssigkeiten besudelt sein könnte, hielt sie davon ab.

***

Nach Feierabend fuhr sie nach Hause, stellte das Auto vor dem kleinen Reihenhaus ab und ging hinein. Wie immer atmete sie auf, sobald sie den Flur betrat. Hier war sie am liebsten. In ihren eigenen vier Wänden! Sie zog sich den bequemen Jogginganzug an, machte sich einen Tee und setzte sich damit in den Rahmen der Terrassentür. Seufzend ließ sie den Blick über den Garten wandern. »Garten« konnte man das eigentlich nicht mehr nennen, eher eine struppige Wildnis. Als sie das Haus vor drei Jahren auf Rentenbasis von einem alten Herrn gekauft hatte, der ins Altenheim umgezogen war, war hier draußen alles richtig gepflegt gewesen. Mittlerweile wucherte die Thuja-Hecke in alle Richtungen, die letzten Grashalme standen kurz vor der Kapitulation vor dem Moos und sowohl der gepflasterte Weg als auch das Staudenbeet waren nicht mehr zu erkennen, weil sich überall Brennnesseln und irgendwelche gelben und weißen Unkrautblumen breitgemacht hatten. Natalie war froh, dass der alte Mann nicht mehr sehen konnte, was aus seinem Schmuckstück geworden war. Dabei hatte sie sich richtig darauf gefreut, an schönen Tagen hier zu sitzen und zu lesen. Aber Gartenarbeit war nun einmal etwas, was sie zutiefst verabscheute, egal wie viele Ratgeber behaupteten, dass es ein wundervoll entspannendes Hobby sei.

Es half nichts, in den nächsten Tagen würde sie sich das Werkzeug nehmen und etwas für Ordnung sorgen müssen.

Dann kam ihr der Gedanke, dass sie, falls sie wirklich von einem Auto überfahren werden würde, auf gar keinen Fall ihre letzten freien Stunden mit etwas so Widerwärtigem verbracht haben wollte. Sie beschloss, sich einen Gärtner zu leisten, der diese Drecksarbeit übernahm. Das war immer noch sinnvoller investiert als in eine Shopping-Tour.

Sie holte sich das Anzeigenblättchen und suchte nach den gewerblichen Angeboten. Vier Gartenbau-Betriebe boten ihre Dienste an. Von dem Inserat der Firma Jost Gala-Bau fühlte sie sich gleich angesprochen. Die Firma warb mit dem abgegriffenen, aber immer noch netten Spruch: »Wir machen, dass es grün wird!« Das war genau das, was sie brauchte – jemand, der keine Fachgespräche führen wollte, sondern einfach dafür sorgte, dass es hinterher besser aussah als vorher. Sie nahm sich das Telefon und wählte die Nummer. Eine angenehm tiefe Männerstimme meldete sich: »Gala-Bau Jost?«

»Ja, guten Tag, hier ist Natalie Kleinert. Es geht um meinen Garten. Der ist ziemlich verwildert. Ich wollte Sie bitten, sich den mal anzusehen und mir zu sagen, ob da noch irgendwas zu machen ist«, bat Natalie.

Der Mann am anderen Ende lachte. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch irgendwas zu machen ist. Wo wohnen Sie?«

Natalie gab ihm die Adresse. Er überlegte kurz und bot dann an: »Ich könnte in zwei Stunden da sein.«

»Huch? So schnell? Ja, gern!«, gab Natalie verdutzt zurück. Sie hatte mit wochenlangen Wartezeiten gerechnet.

Der Mann antwortete: »Ich kann Sie da doch nicht hilflos in der Wildnis sitzen lassen.«

»Das ist sehr ritterlich von Ihnen«, bestätigte Natalie lächelnd. »Dann bis nachher.«

»Bis nachher«, erwiderte Herr Jost zurück und legte auf.

Natalie blickte auf das Telefon. Sie hatte nur sehr wenig Kontakt jenseits ihrer Arbeitskollegen und war über den lockeren Gesprächston dieses Gärtners überrascht. Es war ungewohnt, aber sehr angenehm, dass er sich nicht einfach nur technisch nach Problem und Termin erkundigt hatte. Er hatte sich sehr vertrauenerweckend angehört. Natalie war gespannt, ob ihr erster, guter Eindruck bestätigt werden würde.

Tatsächlich hörte sie pünktlich auf die Minute vor dem Haus eine Autotür. Sie blickte durch den Spion und sah einen rothaarigen Hünen mit einem kurzen, buschigen Vollbart auf sich zukommen. Er sah aus wie Rübezahl nach dem Friseurbesuch. Vermutlich sägte der Typ die Bäume nicht ab, sondern riss sie mit der Hand aus. Sie öffnete die Tür und schaute ein wenig eingeschüchtert zu dem Riesen nach oben.

»Herr Jost?«, begrüßte sie ihn.

Er nickte. »Frau Kleinert?«

Sie schluckte und stotterte: »Äh, ja … Gut … wollen Sie sich dann mal den Garten ansehen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, die Sache hat sich erledigt, ich übernehme den Job nicht.«

Sie blickte ihn verdutzt an. »Was? Aber Sie wissen doch noch gar nicht, was da gemacht werden muss.«

Er schnalzte mit der Zunge. »Nein, aber ich weiß, dass Sie nicht die Höflichkeit besitzen, sich für einen Termin mit einem Fremden was Ordentliches anzuziehen. Mit dieser Kundenklientel habe ich keine guten Erfahrungen gemacht und deshalb arbeite ich nicht für Sie.«

Natalie fuhr erbost auf. »Es ist ja wohl meine Sache, wie ich in meinem eigenen Zuhause herumlaufe.«

Er nickte. »Ja, ist es. Und es ist meine Sache, für wen ich arbeite. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

Damit drehte er sich um und ging zurück zu seinem Auto. Natalie sah ihm ungläubig nach. So etwas war ihr noch nie passiert. Sie musste an sich halten, um nicht die Tür zuzuknallen. Was bildete dieser Kerl sich ein? Wütend stapfte sie ins Wohnzimmer. Das durfte nicht wahr sein! Gab es so viele verzweifelte Gartenbesitzer, dass der sich so eine Blasiertheit leisten konnte? Sie blickte zur Uhr. Um jetzt noch einen anderen Betrieb anzurufen, war es zu spät. Stattdessen begann sie, die Küche aufzuräumen. Nicht, dass das nötig gewesen wäre, aber das Wischen lenkte sie von ihrem Ärger ab. Sie nahm den Müllbeutel aus dem Abfalleimer und brachte ihn nach draußen zur Mülltonne.

Zwei Häuser weiter unterhielt sich Frau Schneider mit einer anderen Nachbarin. Wie immer trug sie ihren rostroten Stepp-Morgenmantel. Wer sie kannte, wusste, dass sie schwer krank war und sich nicht ohne Hilfe anziehen konnte. Doch wer das nicht wusste, sah nur eine Fünfzigjährige, die den ganzen Tag im Bademantel herumlief.

Natalie ging hinein und stellte sich nachdenklich vor den Garderobenspiegel. Kleider machten Leute. Und je länger sie sich betrachtete, umso mehr schämte sie sich dafür, dass sie Herrn Jost so die Tür geöffnet hatte. Er kannte sie ja nicht und hatte keine andere Beurteilungsgrundlage als den ersten Eindruck. Und der war definitiv nicht der Beste gewesen. Dass er da lieber den Rückzug antrat, als zu riskieren, dass er möglicherweise seinem Geld hinterherlaufen musste, war völlig klar.

Sie ging ins Wohnzimmer und wählte erneut die Nummer seines Betriebes.

»Gala-Bau Jost?«, meldete sich die Stimme genau wie beim ersten Telefonat.

Natalie kam ins Stottern. »Ja, hallo Herr Jost. Hier ist noch mal Natalie Kleinert. Also ich … äh … ja also das war vorhin etwas unglücklich gelaufen und ich wollte fragen … ja also … könnten wir den Termin vielleicht noch einmal neu machen?«

Am anderen Ende der Leitung war es einige Augenblicke lang still. Natalie lauschte gespannt und glaubte, ihr eigenes Herz schlagen zu hören.

»Heute bekomme ich das nicht mehr hin, aber morgen könnte ich um die gleiche Zeit wieder reinschauen«, bot Herr Jost schließlich an.

»Ja, gut, das passt ausgezeichnet«, bestätigte Natalie.

»Dann bis morgen«, verabschiedete er sich.

»Bis morgen«, antwortete Natalie und legte dann rasch auf.

Nachdenklich blickte sie auf das Telefon. Warum hatte sie das gerade getan? Es konnte ihr völlig egal sein, welchen Eindruck dieser Mann von ihr hatte. Er war noch nicht einmal ihr Typ. Sie bevorzugte eher südländisch aussehende Männer. Rothaarige oder Blonde wirkten auf sie immer zu blass und zu langweilig. Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Sie verlor sich selbst genauso in oberflächlichen Vorurteilen, wie sie es anderen unterstellte. Möglicherweise war Herr Jost genau das Gegenteil von langweilig und nordisch unterkühlt. Aber eigentlich interessierte sie das gar nicht. Er sollte schließlich nicht mit ihr ins Bett, sondern ihre Hecke schneiden.

***

Am nächsten Tag war sie tatsächlich einigermaßen aufgeregt. Sie versuchte, sich zur Ordnung zu rufen, aber trotzdem kam sie sich wie bei der Vorbereitung für ein Bewerbungsgespräch vor, während sie vor ihrem Kleiderschrank stand und überlegte, was wohl angemessen sein könnte, um bei einem völlig fremden Gartenbauer einen guten Eindruck zu machen.

Schließlich entschied sie sich für eine olivgrüne Hose und eine dunkelrote Bluse. Das wirkte nicht aufgesetzt fein, aber dennoch gepflegt.

Wieder auf die Minute genau hörte sie das Auto vorfahren. Es war also kein Zufall gewesen, dass er gestern die Zeit eingehalten hatte. Pünktlichkeit war für Natalie wichtig. Nicht nur im Beruf, wo es teilweise um Sekunden beim Aufwärmen von Mahlzeiten in der Mikrowelle ging, daran konnte man außerdem auch erkennen, wie zuverlässig der Mensch gegenüber war.

Sie straffte sich und öffnete die Tür. Herr Jost ließ seinen Blick von oben nach unten schweifen und nickte zufrieden. »Gut, Frau Kleinert, dann zeigen Sie mir mal Ihr Sorgenkind!«

Natalie musste an sich halten, um nicht hörbar aufzuatmen. Während sie den Gartenbauer nach hinten führte, kam sie sich sehr lächerlich vor. Sie freute sich, weil jemand ihre Klamotten in Ordnung fand. War sie etwa auf so etwas Plattes angewiesen? Sie hatte deutlich mehr auf der Pfanne als ein adrettes Aussehen. Sie war ein Ass in ihrem Fach und übernahm Aufträge, für die andere Firmen ein ganzes Team einsetzten. Ihre Kreationen wurden tagtäglich von Zigtausenden von Menschen gekauft. Und trotzdem hatte sie eben einen echten Kloß im Hals gehabt aus Angst, auch diesmal daneben gegriffen zu haben.

Sie blieb auf der Terrasse stehen, während Herr Jost einmal quer durch das »Sorgenkind« schlenderte. Er kam zu ihr zurück und erkundigte sich schmunzelnd: »Gartenarbeit ist nicht so Ihr Ding, nicht wahr?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hatte mir das zwar ganz nett vorgestellt, aber die Realität sieht dann doch anders aus als in Baumarktprospekten.«

Herr Jost nickte verständnisvoll. »Ich bin der Letzte, der sich darüber beklagen wird. Immerhin lebe ich davon. Also, wie haben Sie es sich denn vorgestellt?«

Natalie zuckte hilflos mit den Schultern. »Grün, nett und pflegeleicht.«

Herr Jost lachte. Dann zückte er eine kleine Kamera. »Wenn Sie einverstanden sind, mache ich ein paar Fotos und schicke Ihnen im Laufe der nächsten Tage ein Angebot zu. An welchen Preisrahmen hatten Sie gedacht?«

Natalie zuckte erneut mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was so was kostet. Also ich könnte bis fünftausend Euro gehen.«

Herr Jost nickte, machte die Fotos und verabschiedete sich wieder. An der Tür drehte er sich jedoch noch einmal um und fragte: »Warum haben Sie ein zweites Mal bei mir angerufen, anstatt einen anderen Betrieb zu nehmen?«

Natalie räusperte sich. »Ich … also es war mir einfach wichtig, den ersten schlechten Eindruck zu korrigieren. Ich fühle mich unwohl, wenn ich das Gefühl habe, dass jemand mich falsch beurteilt.«

Herr Jost blinzelte, dann erwiderte er: »Hat geklappt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«

»Ja, danke. Ihnen auch«, gab Natalie verdattert zurück. Sie war es nicht gewohnt, so offen zu reden. Im Allgemeinen begegneten andere Menschen ihr zurückhaltend und beschränkten sich auf Formales, wie sie es umgekehrt auch tat. Dass sie einem Fremden gegenüber ihre Gefühlswelt erwähnte, war ihr ihres Wissens nach noch nie passiert.

Nachdenklich blickte sie dem Wagen hinterher, bis er um die nächste Ecke verschwunden war.

Der Traumgarten

Drei Tage später lag ein großer Umschlag im Briefkasten. Neugierig öffnete Natalie ihn. Herr Jost hatte die Fotos, die er gemacht hatte, richtig professionell bearbeitet und insgesamt drei Design-Vorschläge mitgeschickt: Ein sogenannter »Natur-Garten«, der in erster Linie auf Öko angelegt war und ein wenig verwildert aussah, ein japanischer Garten, klar, übersichtlich und mit strengen Formen und ein romantischer Garten, der so märchenhaft wirkte, dass man sich kein bisschen gewundert hätte, wenn jeden Moment Dornröschen hinter dem Busch hervorgekommen wäre. Bei allen Vorschlägen waren nicht nur die Kosten für die Anlage aufgeführt, sondern auch ein Überblick über die Pflegearbeiten, die zum Erhalt des Zustandes nötig waren, inklusive des finanziellen Aufwandes, den sie hätte, wenn sie auch das von seinem Betrieb erledigen lassen würde.

Natalie war überrascht. Sie hatte damit gerechnet, dass Herr Jost versuchen würde, den von ihr genannten Betrag so gut es geht auszuschöpfen, aber tatsächlich kostete keiner seiner Vorschläge auch nur die Hälfte. Sie betrachtete die Bilder. Zwar hatte sie von solchen Fotoprogrammen keine Ahnung, aber so aufwendig, wie das Ganze aussah, musste es ein paar Stunden gedauert haben, die Montagen zu erstellen. Der Natur-Garten fiel von vorneherein weg. So etwas war nicht ihr Ding. Das japanische Design war eher ihr Fall. Alles schön strukturiert, so wie sie selbst. Allerdings konnte sie den Blick auch nicht von dem Märchengarten lassen. Er sah unheimlich einladend aus. So richtig zum Träumen. Sie ließ die Bilder noch ein wenig auf sich wirken, dann rief sie Herrn Jost an.

»Gala-Bau Jost?«, lautete die inzwischen schon bekannte Begrüßung.

Natalie räusperte sich. »Ja, guten Tag, Herr Jost, hier Kleinert. Ich habe Ihr Angebot bekommen.«

»Und, ist was für Sie dabei?«, erkundigte er sich.

»Ja, auf jeden Fall!«, bestätigte sie. »Wann hätten Sie denn Zeit, um vorbeizukommen, damit wir das durchsprechen können?«

Dem Papierrascheln im Hintergrund nach zu urteilen, sah Herr Jost in seinem Terminkalender nach.

»Ich könnte in knapp zwei Stunden da sein«, schlug er vor.

»Ja, fein«, bestätigte Natalie.

»Dann bis gleich«, verabschiedete er sich.

»Ja, bis gleich«, gab Natalie zurück und schluckte im letzten Moment ein Ich freue mich … noch herunter. Sie wollte nicht aufdringlich wirken und er sollte auch auf keinen Fall denken, dass sie versuchte, ihn anzumachen. Ein derartiges Missverständnis wäre ihr höchst unangenehm gewesen.

***

Diesmal hatte sie sich für eine beigefarbene Hose und ein weißes Top entschieden. Und wieder hatte sie dieses Bewerbungsgespräch-Gefühl, während sie wartete.

Herr Jost kam bereits nach eindreiviertel Stunden. Natalie bat ihn herein und ins Wohnzimmer, wo sie seine Vorschläge auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Herr Jost blickte an ihr herunter und beschied: »Die Hose ist unmöglich geschnitten. Darin sieht Ihr Hintern aus wie ein Pferdearsch. Gehen Sie sich umziehen, ich warte so lange hier!«

Natalie ging der Mund auf. Sie schluckte und fragte dann ungläubig: »Sind Sie etwa bei allen Ihren Kundinnen so unverschämt?«

Er schüttelte den Kopf. »Nur bei denen, von denen ich glaube, dass es sich lohnt. Im Übrigen ist das keine Unverschämtheit, sondern ein ehrliches Feedback, das Sie ja anscheinend ansonsten von niemandem bekommen.«

Natalie reckte das Kinn. »Ich weiß wirklich nicht, was mein Hintern mit den Gartenarbeiten zu tun hat oder was er Sie angeht.«

Herr Jost antwortete gelassen: »Er geht mich insofern was an, als ich ihn mir ansehen muss, wenn Sie um mich herumlaufen. Abgesehen davon schaden Sie sich mit diesem unvorteilhaften Äußeren nur selbst. So kriegen Sie nie einen Freund. Seien Sie dankbar, dass ich Sie darauf aufmerksam mache!«

»Und wenn ich gar nichts an meinem Singlestatus ändern will?«, fragte sie erbost. Das ging diesen Mann überhaupt nichts an!

Herr Jost lächelte nachsichtig. »Das wäre ein Verlust für Sie, weil Sie niemals das warme geborgene Gefühl in den Armen eines Mannes kennenlernen werden, das jeder Frau zusteht und auch ein Verlust für den Mann, der nie die Gelegenheit haben wird, Sie auf Händen zu tragen und Ihre Hingabe genießen zu dürfen, aber letztlich ist das Ihre Entscheidung. Ich lege allerdings Wert auf einen appetitlichen Anblick beim Arbeiten. Das fördert die Kreativität und lässt alles leichter und schneller von der Hand gehen. Also ziehen Sie sich was an, das gefälliger aussieht als diese Politkommissar-Kluft!«

Er wies mit einer bestimmenden Handbewegung in Richtung des Flures. Natalie war so überrumpelt, dass sie tatsächlich gehorchte und ins Schlafzimmer ging. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, überlegte sie, was sie tun sollte. Sie konnte doch jetzt nicht brav eine andere Hose anziehen, nur weil ein wildfremder Mann ihr das so befahl. Oder war das nur ein Trick, um sie zu beschäftigen, damit er ihre Sachen durchwühlen und etwas stehlen konnte? Sie lugte durch das Schlüsselloch und konnte gerade so den Durchgang zum Wohnzimmer sehen und ein Paar Schuhe neben einem Tischbein. Herr Jost hatte sich anscheinend hingesetzt und wartete, genau wie er es gesagt hatte. Sollte sie jetzt wieder rausgehen und demonstrativ die Sachen anbehalten, um ihm zu zeigen, dass sie keineswegs vorhatte, nach seiner Pfeife zu tanzen? Vermutlich würde er dann den Auftrag ablehnen und gehen. Das konnte ihr eigentlich egal sein, schließlich hatte sie noch nichts bezahlt und es gab Dutzende andere Gartenbauer, aber andererseits hatte er sie nicht beleidigt oder angebaggert, sondern ihr nur einen aufrichtig gemeinten Styling-Tipp gegeben. War es da fair, ihn einfach so mitsamt der Mühe, die er sich mit dem Angebot gemacht hatte, vor den Kopf zu stoßen?

Natalie stellte sich vor die verspiegelte Schranktür. Wirkte ihr Hintern wirklich so fett? Sie hatte sich noch nie unter diesem Aspekt betrachtet oder mit anderen Frauen verglichen, und auch jetzt konnte sie ihre optische Wirkung nicht einschätzen. Schließlich öffnete sie den Schrank und nahm die rote Hose aus weich fließender Viskose heraus. Sie zog sich um und warf noch einmal einen zweifelnden Blick in den Spiegel. Dann kehrte sie sehr unsicher ins Wohnzimmer zurück.

Herr Jost hatte die Hände im Schoß gefaltet und lächelte. »Na also! Das sieht doch richtig toll aus. Zum Anbeißen! Werfen Sie das andere Ding in den Müll!«

Natalie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie spürte, dass ihr Gesicht heiß wurde, und murmelte verlegen: »Könnten wir dann jetzt vielleicht die Vorschläge durchsprechen?«

Herr Jost nickte und wandte sich den Bildern zu. »Gut, dann schießen Sie mal los!«

Natalie räusperte sich und erklärte: »Also den Öko-Garten finde ich nicht so schön, ich meine, unordentlich sieht es doch auch so schon aus. Aber die anderen beiden gefallen mir. Könnte man das kombinieren?«

Herr Jost lachte. »Ein verspielter Zen-Garten? Kommen Sie mit raus und erklären Sie mir, wie Sie sich nüchterne Opulenz vorstellen!«

Er stand auf und trat an die Terrasse. Natalie tappte hinterher. Sie war verunsichert und fühlte sich diesem Mann in jeder Hinsicht unterlegen. Das war ihr schon seit Jahren nicht mehr passiert. Am liebsten hätte sie ihn wieder fortgeschickt.

Als sie neben ihm stand, hob sie hilflos die Schultern. »Also ich habe da nicht so den Blick für. Ich hätte gern was Romantisches zum Abschalten und was Aufgeräumtes für die Konzentration.«

Herr Jost zog die Oberlippe genauso zur Seite, wie Wickie im Zeichentrickfilm das immer tat, wenn er nachdachte. Dann nickte er zufrieden und beschied: »Alles, was vom Wohnzimmer aus zu sehen ist, gestalten wir übersichtlich und strukturiert und der nicht einsehbare Bereich um die Ecke wird Ihr kleiner Märchengarten, inklusive einer Hollywoodschaukel.«

Der Vorschlag hörte sich gut an. Um sich an der Planung zu beteiligen, deutete sie auf den Geräteschuppen und bestimmte: »Daneben hätte ich gern eine Trauerweide!«

Herr Jost schüttelte den Kopf. »Nein!«

Natalie blickte ihn irritiert an. »Wieso das denn nicht? Ich finde Trauerweiden schön.«

Herr Jost rieb die Lippen aufeinander. »Sind sie auch, aber nicht in einem so kleinen Garten.«

Natalie verschränkte trotzig die Arme. »Aber ich will eine Weide haben!«

Herr Jost atmete vernehmlich durch. »Das mache ich nicht!«

Natalie musste an sich halten, um nicht laut zu werden. »Sie haben ja wohl nicht zu bestimmen, welche Pflanzen ich in meinem Garten habe!«

Herr Jost beulte mit der Zunge die Wange aus und erwiderte: »Frau Kleinert, wenn Sie eine Trauerweide haben wollen, besorge ich Ihnen eine und hebe das Pflanzloch aus, aber reinsetzen müssen Sie sie selbst.«

Natalie hob irritiert die Augenbrauen. »Wieso das denn?«

»Weil ich für meine Arbeit gerade stehe und einen verdammt guten Ruf zu verlieren habe. Weiden sind stark wüchsig. Ich will auf keinen Fall, dass Sie in fünf Jahren, wenn Ihnen das Ding den halben Garten zugewuchert hat und die Nachbarn mit Klagen drohen, weil die Äste durch die Hecke kommen, irgendjemandem erzählen, ich hätte diesen Baum gesetzt«, erläuterte er.

Natalie dachte nach. Das Argument war logisch, aber konnte sie jetzt so einfach von ihrem Willen zurücktreten, ohne das Gesicht zu verlieren? Sie entschied, dass eine vernünftige Pflanzung wichtiger war als ein Punktsieg gegenüber einem Gärtner. »Was würden Sie denn nehmen?«

»Ein romantisches Mandelbäumchen oder ein nettes Säulenobst. Kommt darauf an, in welchen Farben Sie gern träumen wollen«, erwiderte er.

Sie hob unsicher die Hände.

»Wie wäre es mit rosa? Das finden Frauen in der Regel sehr ansprechend. Dann würde sich ein Kirschbäumchen gut machen«, schlug er vor.

Natalie rang mit sich. Rosa war eine Farbe für kleine Mädchen oder Frauen, die mit dem Älterwerden nicht klarkamen. Dafür war sie eigentlich zu abgeklärt, aber auch wenn sie es nicht zugeben mochte, nicht vor sich selbst und schon gar nicht vor Herrn Jost, hatte ihr die Fotomontage mit den rosafarbenen Rosenbüschen von allen Vorschlägen am besten gefallen.

Sie räusperte sich und versuchte, möglichst neutral zu klingen. »Nun, das überlasse ich wohl am besten Ihrer Fachkunde. Wann können Sie anfangen?«

Herr Jost überlegte kurz. »Mit den ersten Arbeiten könnten wir am Montag anfangen. Je nachdem wie widerspenstig sich Ihr Boden und der aktuelle Bewuchs geben, könnten wir irgendwann zwischen Donnerstag und Samstag fertig sein.«

»So schnell?«, wunderte sie sich.

Er grinste. »Alles eine Sache der Organisation und des Materials.«

Natalie war zufrieden. »Gut, einverstanden. Dann bis Montag!«

Sie händigte ihm den Schlüssel zu dem kleinen Gartentor an der Rückseite aus und begleitete ihn zur Tür. Danach bereitete sie sich einen Tee zu und setzte sich in die offene Terrassentür. Nachdenklich ließ sie den Blick über den Garten schweifen. So ein Mensch wie Herr Jost war ihr noch nie begegnet. Einerseits schrieb er ihr dreist vor, wie sie sich anzuziehen hatte, doch andererseits war er offenkundig enorm darum bemüht, dass sie sich wohlfühlte, aber alles, ohne sie anzumachen. Sie hatte darauf geachtet, ob er ihr nach dem Umziehen auf den Hintern starren würde, was er nicht getan hatte. Was war das für ein seltsames Verhalten? Und warum hatte sie selbst so ungewöhnlich reagiert? Normalerweise wich sie vor Männern keinen Zentimeter zurück. Das hatte sie nicht nötig. Hätte man ihr vorher gesagt, wie dieser Gärtner drauf war, hätte sie ihn erst gar nicht in ihr Haus gelassen, geschweige denn ihm den Auftrag erteilt. Doch anstatt ihm die Stirn zu bieten und sich sein Benehmen zu verbitten, zog sie sich auf sein Geheiß um, damit er sich in ihrer Gegenwart wohlfühlte und sich dazu herabließ, für sie zu arbeiten. War sie etwa scharf auf ihn? Die entschiedene Antwort lautete: Nein!

Wenn es das nicht war, was hatte sie dann so aus der Fassung gebracht? Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und sich und ihre Gefühle genauso zu analysieren, wie sie es mit Lebensmitteln tat. Herr Jost war für sie keine Gefahr, wenn ihr so ein Kontrollverlust allerdings in einer bedeutsamen Situation passieren würde, könnte es ein echtes Problem werden. Dem musste sie vorbeugen!

Die Bewerbung

Als sie am Montag nach Hause kam, hörte sie bereits beim Aussteigen Maschinenlärm hinter dem Haus. Sie ging rasch hinein und neugierig in den Garten, wo ein Mann mit einem kleinen Bagger die Erde abkratzte. Herr Jost und ein weiterer Mitarbeiter säbelten, auf einem fahrbaren Gerüst stehend die Hecke ab. Natalie trat ein paar Schritte näher. Herr Jost entdeckte sie, schaltete seine Heckenschere aus und kam von dem Gerüst herunter. Er wies zur Terrasse und herrschte sie an: »Rein mit Ihnen – auf der Stelle!«

Natalie zog erschrocken den Kopf ein und ging sofort zurück ins Haus. Herr Jost kam hinterher, trat jedoch mit Blick auf seine schmutzigen Schuhe nicht ins Wohnzimmer, sondern blieb im Türrahmen stehen.

»Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Ihnen keinen Ärger wegen Sicherheitsvorschriften oder so was machen, ich wollte nur mal gucken«, erklärte Natalie kleinlaut.

Er wischte unwillig mit der Hand. »Es geht nicht um Sicherheitsvorschriften. Klare Ansage: Während ich im Garten arbeite, bleiben Sie entweder hier drin oder ziehen sich ein Kleid an. Ich will Sie da draußen nicht mit einer Hose sehen.«

»Wie bitte?«, fragte Natalie ungläubig. »Also das geht jetzt aber wirklich zu weit! Ich mache ja noch Ihren komischen Hosentick mit, wenn Ihnen das beim Arbeiten hilft, aber ich werde auf gar keinen Fall ein Kleid kaufen, nur um meinen eigenen Garten betreten zu dürfen!«

»Ich mache die Rechnung hundert Euro billiger, dann können Sie sich eins leisten«, schlug er vor.

»Darum geht es doch gar nicht!«, fauchte Natalie.

»Sie können meine Bedingung akzeptieren oder es bleiben lassen. Dann packen wir wieder ein und Sie holen sich einen Gärtner, der sich für Ihr Grün genauso wenig interessiert wie für Sie!«, bestimmte er.

»Das ist Erpressung!«, begehrte sie auf.

»Das ist freie Marktwirtschaft. In ein Casino kommen Sie auch nicht mit Latzhose rein«, widersprach er.