Les Misérables / Die Elenden - Victor Hugo - E-Book

Les Misérables / Die Elenden E-Book

Victor Hugo

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Beschreibung

mehrbuch-Weltliteratur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Der ehemalige Sträfling Valjean vollzieht eine Wandlung zum Guten und nimmt sich des Waisenkinds Cosette an. Er wird aber immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt. Cosette verliebt sich in den jungen Anwalt Marius, der ebenso wie Valjean in den Pariser Barrikadenschlachten von 1832 für mehr soziale Gerechtigkeit kämpft. Durch Güte und Menschlichkeit überwindet Valjean alle äußeren und inneren Widerstände und stirbt am Ende versöhnt mit sich und der Welt. #lestmalbittemehrbuch

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Die Elenden

Victor Hugo 

Inhaltsverzeichnis
Erster Theil. Fantine
Erstes Buch. Ein Gerechter
I. Myriel
II. Herr Myriel wird der Herr Bischof Bienvenu
III. Ein tüchtiger Arbeiter findet viel zu thun
IV. Uebereinstimmung von Thaten und Worten
V. Der Bischof Bienvenu trägt seine Sutanen zu lange
VI. Von wem er sein Haus bewachen ließ
VII. Cravatte
VIII. Philosophie bei Tische
IX. Was die Schwester über den Bruder erzählt
X. Eine neue Erleuchtung
XI. Eine Einschränkung
XII. Warum der Bischoff allein stand
XIII. Sein Glaubensbekenntiß
XIV. Seine Philosophie
Zweites Buch. Der Fehltritt
I. Am Abend eines Tagemarsches
II. Alltagsweisheit und Philosophie
III. Heldenmüthiger Gehorsam
IV. Über die Käsereien in Pontarlier
V. Furchtlose Seelenruhe
VI. Jean Valjean
VII. Wie es im Herzen eines Verzweifelten aussieht
VIII. Ein Mann über Bord!
IX. Neue Mißhandlungen
X. Das Erwachen
XI. Was er that
XII. Der Bischof bei der Arbeit
XIII. Der kleine Gervais
Drittes Buch. Im Jahre 1817
I. Das Jahr 1817
II. Ein Doppelquartett
III. Vier und Vier
IV. Tholomyés singt vor Freude ein spanisches Lied
V. Bei Bombarda
VI. Wie man sich gegenseitig anbetet
VII. Die Weisheit des Tholomyès
VIII. Tod eines Pferdes
IX. Das lustige Ende der Lustigkeit
Viertes Buch. In schlechten Händen
I. Zwei Mütter
II. Erste Skizze zweier verdächtiger Gestalten
III. Die Lerche
Fünftes Buch. Dem Abgrund zu
I. Ein Fortschritt in der Glasindustrie
II. Madeleine
III. Bei Lafitte hinterlegte Gelder
IV. Madeleine trauert
V. Schwarze Punkte am Horizont
VI. Vater Fauchelevent
VII. Fauchelevent kommt als Gärtner nach Paris
VIII. Frau Victurnien giebt fünfunddreißig Franken für moralische Zwecke aus
IX. Was Frau Victurnien Schönes angerichtet hatte
X. Weitere Erfolge der Frau Victurnien
XI. »Christus hat uns befreit.«
XII. Wie Herr Bamatabois sich amüsirte
XIII. Ueber gewisse Polizeireglements
Sechstes Buch. Javert
I. Anfang der Ruhe
II. Wie aus Jean Champ wird
Siebentes Buch. Der Fall Champmathieu
I. Schwester Simplicia
II. Ein Schlaukopf
III. Ein Sturm unter einem Schädel
IV. Die Form, die Seelenqualen während des Schlafes annehmen
V. Hemmnisse
VI. Schwester Simplicia wird auf die Probe gestellt
VII. Der Angekommene trifft Maßregeln, um wieder umzukehren
VIII. Eine Vergünstigung
IX. Ein Ort, wo man sich eine Überzeugung bildet
X. Er legte sich aufs Leugnen
XI. Champmathieu wundert sich noch mehr
Achtes Buch. Der Rückschlag
I. In was für einem Spiegel Madeleine sein Haar ansieht
II. Fantine ist glücklich
III. Javert freut sich
IV. Die Obrigkeit macht ihr Recht geltend
V. Ein anständiges Begräbniß
Zweiter Theil. Cosette
Erstes Buch. Waterloo
I. Was man sieht, wenn man von Nivelles kommt
II. Hougomont
III. Am 18. Juni 1815
IV. A
V. Das Quid obscurum der Schlachten
VI. Vier Uhr Nachmittags
VII. Napoleon bei guter Laune
VIII. Eine Frage Napoleons an seinen Führer Lacoste
IX. Etwas Unerwartetes
X. Die Hochfläche von Mont-Saint-Jean
XI. Ein Führer, von dem viel abhing
XII. Die Garde
XIII. Die Katastrophe
XIV. Das letzte Karré
XV. Cambronne
XVI. Quot libras in duce?
XVII. Ueber die Folgen der Schlacht bei Waterloo
XVIII. Die Wiederbelebung des Gottesgnadenthums
XIX. Das Schlachtfeld bei Nacht
Zweites Buch. Der Orion
I. Nr. 24601 wird Nummer 9430
II. Zwei Verse, die der Teufel gedichtet haben soll
III. Eine angefeilte Kette
Drittes Buch. Das eingelöste Versprechen
I. Die Wasserpein in Montfermeil
III. Wein für die Menschen und Wasser für die Pferde
IV. Die Puppe
V. Allein
VI. Daß Bousatruesse vielleicht Recht hatte
VII. Cosette und der Unbekannte
VIII. Ein armer Mann, der reich zu sein scheint
IX. Thénardiersche Manöver
X. Verrechnet
XI. Cosette gewinnt das große Loos mit Nr. 9430
Viertes Buch. Das Gorbeausche Haus
I. Meister Gorbeau
II. Das Nest des Uhus und der Lerche
III. Unglück und Unglück zusammenaddirt giebt Glück
IV. Was die Vicewirtin beobachtete
V. Ein Fünffrankenstück, das Lärm macht
Fünftes Buch. Eine stumme Meute
I. Strategischer Zickzack
II. Ein Glück, daß auf dem Pont d'Austerlitz Wagen fahren
III. Siehe den Plan von Paris aus dem Jahre 1727
IV. Umhertastend
V. Ein Königreich für einen Strick!
VI. Anfang eines Räthsels
VII. Die Fortsetzung des Räthsels
VIII. Immer mehr Räthsel
IX. Der Mann mit dem Glöckchen
X. Wie es kam, daß Javert den Vogel nicht fing
Sechstes Buch. Das Kloster Petit-Picpus
I. In der Rue Picpus Nr. 62
II. Die Obedienz Martin Verga's
III. Strenge Observanz
IV. Erholungen
V. Zerstreuungen
VI. Das kleine Kloster
VII. Einige Silhouetten
VIII. Post corda lapides
IX. Ein Jahrhundert im Kloster
X. Der Ursprung der beständigen Anbetung
XI. Das Ende des Klosters Petit-Picpus
Siebentes Buch. Eine Parenthese
I. Das Kloster als abstrakte Idee
II. Das Kloster als geschichtliche Thatsache
III. Mit welchem Vorbehalt man die Vergangenheit achten kann
IV. Principielle Fragen über die Berechtigung des Klosterwesens
V. Das Gebet
VI. Ueber die absolute Vorzüglichkeit des Gebetes
VII. Vorsicht beim Tadel
VIII. Glaube und Gesetz
Achtes Buch. Die Kirchhöfe nehmen, was man ihnen giebt
I. Wie man in ein Kloster hineinkommt
II. Fauchelevent der Schwierigkeit gegenüber
III. Mutter Innocentia
IV. Nach Austin Castillejo
V. Auch Trunkenbolde sind nicht unsterblich
VI. Zwischen vier Brettern
VII. Eine verlorne Karte
VIII. Ein gut bestandenes Verhör
IX. In der Klausur
Dritter Theil. Marius
Erstes Buch. Ein Atom von Paris
I. Parvulus
II. Einige von seinen Merkmalen
III. Wie nett er ist!
IV. Vielleicht ist er zu etwas nütze
V. Sein Wohngebiet
VI. Zur Geschichte der Kinder
VII. Die Straßenjugend – eine Kaste
VIII. Ein Scherz des vorigen Königs
IX. Hin echter Gallier
X. Ecce Lutetia, ecce homo
XI. Spotten heißt regieren
XII. Das Volk, der Träger der Zukunft
XIII. Der kleine Gavroche
Zweites Buch. Ein Mann von altem Schrot und Korn
I. Ein rüstiger Alter
II. Wie der Hausherr, so die Wohnung
III. Luc-Esprit
IV. Hundert Jahr
V. Baske und Nicosette
VI. Die Magnon und ihre Kinder
VII. Nur des Abends Besuche empfangen
VIII. Ungleiche Schwestern
Drittes Buch. Großvater und Enkel
I. Ein Salon der alten Zeit
II. Eines von den rothen Gespenstern jener Zeit
III. Requiescant
IV. Der Tod des Räubers
V. Wie Einer in der Kirche zum Revolutionär werden kann
VI. Was bei einer Begegnung mit einem Kirchenvorsteher Alles herauskommen kann
VII. Irgend eine Schürze
VIII. Marmor und Granit
Viertes Buch. Die Freunde des A-B-C
I. Eine Gesellschaft, die beinah eine Rolle in der Geschichte gespielt hätte
II. Eine Leichenrede
III. Marius wundert sich
IV. Im Hinterzimmer des Cafè Musain
V. Eine Erweiterung des Horizonts
VI. Res angusta
Fünftes Buch. Die Vortheile des Unglücks
I. Marius im Elend
II. Marius Armuth nimmt ab
III. Marius als Mann
IV. Mabeuf
V. Armuth und Elend halten gute Nachbarschaft
Vl. Ein Ersatzmann
Sechstes Buch. Die Zusammenkunft zweier Sterne
I. Wie man zu einem Familiennamen kommen kann
II. Und es ward Licht
III. Eine Wirkung des Frühlings
IV. Der Anfang einer schweren Krankheit
V. Arme Frau Burgon!
VI. Gefangen
VII. Vermuthungen über den Buchstaben U
VIII. Ein glücklicher Invalide
IX. Eine Wolke am Horizont
Siebentes Buch. Patron-Minette
I. Minen und Mineure
II. Die unterste Schicht
III. Babet, Gueulemer, Claquesous und Montparnasse
IV. Die Organisation der Bande
Achtes Buch. Der böse Arme
I. Eine merkwürdige Begegnung
II. Ein Fund
III. Vierstirnig
IV. Eine verkümmerte Rose
V. Das Guckloch
VI. Ein Raubthier in seiner Höhle
VII. Strategik und Taktik
VIII. Eine Lichtgestalt in der Hölle
IX. Jondrette weint beinahe
X. Zwei Franken pro Stunde
XI. Das Elend bietet dem Kummer seine Dienste an
XII. Was für Leblancs fünf Franken angeschafft wurde
XIV. Zwei Terzerole
XV. Was Jondrette kaufte
XVI. Ein Lied aus dem Jahre 1832
XVII. Wozu Marius' Fünffrankenstück gebraucht wurde
XVIII. Marius' Stühle bilden vis-à-vis
XIX. Im dunklen Hintergrunde
XX. In der Falle
XXI. Immer erst den Angegriffenen arretiren!
Vierter Theil. Eine Idylle und eine Epopöe
Erstes Buch. Ein wenig Geschichte
I. Gut zugeschnitten
II. Schlecht genäht
III. Louis Philippe
IV. Schwache Grundmauern
V. Unbeachtete geschichtliche Thatsachen
VI. Enjolras und seine Offiziere
Zweites Buch. Eponine
I. Das Feld der Lerche
II. Wie im Gefängniß Verbrechen ausgeheckt werden
III. Was Vater Mabeuf für eine Erscheinung hatte
IV. Eponine und Marius
Drittes Buch. In der Rue Plumet
I. Ein Haus mit einem Geheimniß
II. Jean Valjean als Nationalgardist
III. Foliis ac frondibus
IV. Ein anderes Gitter
V. Die Rose merkt, daß sie gefährlich werden kann
VI. Der Krieg beginnt
VII. Immer mehr Trauer
VIII. Die Galeerensklaven
Viertes Buch. Hülfe, die von unten ausgeht und von oben ankommt
I. Aeußerliche Verwundung und innere Heilung
II. Wie Mutter Plutarque ein Wunder erklärt
Fünftes Buch. Schlechter Anfang, gutes Ende
I. Die Kaserne neben der Einöde
II. In tausend Ängsten
III. Noch mehr Angst
IV. Ein Herz unter einem Stein
V. Nach der Lektüre des Briefes
VI. Wenn Vater zur rechten Zeit ausgeht
Sechstes Buch. Der kleine Gavroche
I. Ein böser Schelmenstreich des Kindes
II. Der kleine Gavroche zieht Vortheil aus einer Idee des Großen Napoleon
III. Die Flucht
Siebentes Buch. Die Gaunersprache
I. Der Ursprung der Gaunersprache
II. Die Etymologie der Gaunersprache
III. Scherz und Ernst in der Gaunersprache
IV. Zwei Pflichten: Wachen und Hoffen
Achtes Buch. Freud und Leid
I. Ein Wonnezustand
II. Betäubt vom Glück
III. Eine Trübung des Glücks
IV. Ein tapfrer Hund
V. Nächtliches
VI. Marius fängt an praktisch zu werden
VII. Ein altes und ein junges Herz
Neuntes Buch. Wohin?
I. Jean Valjean
II. Marius
III. Mabeuf
Zehntes Buch. Am 5. Juni 1832
I. Oberflächliche Prüfung der Frage
II. Die gründliche Prüfung der Frage
III. Ein Begräbniß
IV. Wie es ehemals brodelte
V. Die Eigenart der Stadt Paris
Elftes Buch. Eine Winzigkeit, die sich mit dem Orkan verbrüdert
I. Gavroche's Poesie
II. Gavroche auf dem Marsche
III. Gerechte Entrüstung eines Barbiers
IV. Die Jugend wundert sich über das Alter
V. Der Alte
VI. Rekruten
Zwölftes Buch. Corinthe
I. Geschichte des Restaurants Corinthe
II. Eine vergnügliche Vorbereitung
III. In Grantaire's Seele wird es Nacht
IV. Ein Versuch die Wittwe Hucheloup zu trösten
V. Die Vorbereitungen
VI. Auf der Wacht
VII. Der Rekrut von der Rue des Billettes
VIII. Le Cabuc
Dreizehntes Buch. Marius unter den Insurgenten
I. Von der Rue Plumet nach der Rue Mondétour
II. Paris aus der Eulenperspektive
III. Am äußersten Rande
Vierzehntes Buch. Die Großthaten der Verzweiflung
I. Die Fahne. – Erster Akt
II. Die Fahne. – Zweiter Akt
III. Ein ungeladenes Gewehr
IV. Das Pulverfaß
V. Der Tod eines Dichters
VI. Die Todesqualen nach den Lebensqualen
VII. Gavroche berechnet Entfernungen
Fünfzehntes Buch. Die Rue de l' Homme-Armé
I. Ein verrätherisches Löschblatt
II. Ein Straßenjunge, der kein Freund des Lichtes ist
III. Während Cosette und die Toussaint schlafen
IV. Gavroches Eifer für die gute Sache
Fünfter Theil. Jean Valjean
Erstes Buch. Eine Schlacht zwischen vier Wänden
I. Die Charybdis in der Vorstadt Saint-Antoine und die Scylla in der Vorstadt des Temple
II. Angesichts des Verderbens
III. Enttäuschte Hoffnungen
IV. Vier Mann weniger und Einer mehr
V. Ein Ausblick von der Barrikade in die Zukunft
VI. Marius und Javert
VII. Die Lage verschlimmert sich
VIII. Die Artillerie macht Ernst
IX. Ein guter Schütze
X. Aurora
XI. Ohne zu töten
XII. Die Anordnung als Vertheidigerin der Ordnung
XIII. Enttäuschte Hoffnungen
XIV. Wie Enjolras's Braut hieß
XV. Gavroche vor der Barrikade
XVI. Der kleine Vater
XVII. Mortuus pater filium moriturum expectat
XVIII. Der Verfolgte fängt den Verfolger
XIX. Jean Valjean's Rache
XX. Die Toten haben Recht und die Lebenden nicht Unrecht
XXI. Die Heroen
XXII. Der letzte Kampf
XXIII. Ein nüchterner Orestes und ein betrunkner Pylades
XXIV. Gefangen
Zweites Buch. Das Innere des Lewiathan
I. Wie das Meer das Land ärmer macht
II. Die Geschichte der Kloaken
III. Bruneseau
IV. Unbekannte Einzelheiten
VI. Zukünftige Fortschritte
Drittes Buch. In den Regionen des Koths
I. Ueberraschungen in den Kloaken
II. Die Erklärung
III. Der Verfolgte
IV. Auch er trägt sein Kreuz
V. In feinem Sande
VI. Das Schlammloch
VII. Bisweilen scheitert man, wo man zu landen glaubt
VIII. Das abgerissene Stück Tuch
IX. Marius wird von Einem, der sich darauf versteht, für tot gehalten
X. Die Rückkehr des verlornen Sohnes
XI. Eine Erschütterung des Absoluten
XII. Der Großvater
Viertes Buch. Javert geräth aus seinem Geleise
I. Javert geräth aus seinem Geleise
Fünftes Buch. Enkel und Großvater
I. Wieder der Baum mit dem Zinkpflaster
II. Nach dem Straßenkampf der häusliche Krieg
III. Marius' Attacke
IV. Fräulein Gillenormand findet das Buch, das Herr Fauchelevent unter dem Arm trägt, nicht übel
V. Bei manchem Notar ist Geld nicht so gut aufgehoben, als in manchem Walde
VI. Die beiden Alten thun ihr Möglichstes, damit Cosette glücklich sein soll
VII. Reminiscenzen im gegenwärtigen Glück
VIII. Zwei Unauffindbare
Sechstes Buch. Eine schlaflose Nacht
I. Am 16. Februar 1833
II. Jean Valjean trägt den Arm noch immer in der Binde
III. Der Handkoffer
IV. Immortale iecur
Siebentes Buch. Der letzte Tropfen des Kelches
I. Der siebente Kreis und der achte Himmel
II. Die Zweifel, die eine Offenbarung hinterlassen kann
Achtes Buch. Es nachtet schwärzer
I. Das Zimmer im Erdgeschoß
II. Weiter rückwärts
III. Sie erinnern sich des Gartens in der Rue Plumet
IV. Ein Niedergang
Neuntes Buch. Durch Nacht zum Licht
I. Seid mitleidig gegen die Unglücklichen, aber nachsichtig gegen die Glücklichen
II. Das letzte Aufflackern der Lampe
III. Wo ist die alte Hünenkraft geblieben?
IV. Ein Anschwärzer, der weiß brennt
V. Die Nacht, hinter der der Tag steht
VI. Der Grabstein
Nachtrag
Impressum

Erster Theil. Fantine

Erstes Buch. Ein Gerechter

I. Myriel

Im Jahre 1815 war Charles François Bienvenu Bischof von Digne. Er zählte damals fünfundsiebzig Jahre und hatte sein hohes Amt seit 1806 inne.
Letzterer Umstand steht eigentlich in keiner wesentlichen Beziehung zu dem Inhalt unsrer Erzählung, aber vielleicht ist es nicht überflüssig, – wäre es auch nur der Genauigkeit wegen – hier zu berühren, was über ihn bei seiner Ankunft in der Diöcese erzählt und gemuthmaßt wurde. Was man von einem Menschen sagt, spielt ja, gleichviel ob es wahr oder falsch ist, in seinem Leben oft eine ebenso wichtige Rolle wie seine Thaten und Handlungen. Myriel war der Sohn eines Parlamentsraths der Stadt Aix, gehörte also zu dem Beamtenadel. Man erzählte sich, sein Vater, der ihm sein Amt vererben wollte, habe ihn schon, als er erst achtzehn oder zwanzig Jahr alt war, verheiratet, wie dies bei dem Parlamentsadel gebräuchlich war. Trotz dieser Heirat hätte aber Charles Myriel viel von sich reden gemacht. Er war gut gewachsen, wenn auch von kleiner Statur, hielt sehr auf sein Aeußres, hatte feine Manieren und viel Geist und brachte den ersten Abschnitt seines Lebens mit weltlichen Zerstreuungen und Liebesabenteuern hin.
Da brach die große Revolution von 1789 aus, und als bald wurden auch die Familien des Parlamentsadels in den Strudel hineingerissen und decimirt, aus dem Lande gejagt, verfolgt, auseinander gesprengt. Auch Charles Myriel emigrirte gleich zu Anfang der Revolution nach Italien. Hier starb seine Frau an einer Brustkrankheit, an der sie schon seit Jahren gelitten hatte. Kinder hatten sie nicht. War es der Zusammenbruch der alten Weltordnung, der Niedergang seiner Familie, die Dramen des Schreckensjahres 1793, die den Emigrirten aus der Ferne noch entsetzlicher erschienen als sie in Wirklichkeit waren, kurz, waren es die äußerlichen Umwälzungen, die ihn der Welt und ihren Freuden entfremdeten? Oder traf mitten in dem Strudel seiner Vergnügungen ihn persönlich ein Unglück, das die tiefsten Tiefen seines Herzens aufwühlte und seinem Denken eine andere Richtung wies? Diese Fragen wußte Niemand zu beantworten; nur so viel stand fest, daß er, aus Italien zurückgekehrt, Priester war.
Im Jahre 1804 war Myriel Pfarrer von Brignolles, wo er ein sehr zurückgezogenes Leben führte. Zu dieser Zeit, kurz nach Napoleons Kaiserkrönung, kam er einmal behufs Erledigung eines Amtsgeschäftes nach Paris und mußte unter Andern auch dem Kardinal Fesch seine Aufwartung machen. Während nun unser wackrer Pfarrer im Vorzimmer wartete, kam zufällig auch der Kaiser um den Kardinal, seinen Oheim, zu besuchen. Ihm fiel ein gewisser Ausdruck von Neugierde auf, mit dem die Augen des Pfarrers ihm folgten, und, sich umwendend, fragte er barsch:
»Wer ist denn der gute Mann, der mich so ansieht?«
»Majestät, sagte Myriel, sehen einen guten, und ich einen großen Mann. Beide Teile können profitiren.«
Der Kaiser fragte nachher den Kardinal sofort nach dem Namen dieses Pfarrers, und kurze Zeit darauf erfuhr Myriel zu seiner großen Verwundrung, daß er auf den Bischofssitz von Digne berufen sei.
Im Uebrigen wußte Niemand, ob an den Gerüchten, die über Myriels Vorleben in Umlauf waren, etwas Wahres sei. Nur wenige hatten seine Familie gekannt.
Selbstredend ging es Myriel wie jedem Neuangekommnen in jeder Kleinstadt, wo Jedermann einen Mund zum Reden, aber nur Wenige ein Hirn zum Denken haben. Er mußte die Leute reden lassen, obgleich und weil er Bischof war. Was man sich über ihn erzählte, waren nur Reden, nur leeres Wortgeklingel, und als er neun Jahre in Digne residirt hatte, war all der Klatsch, der anfangs alle kleinen Geister in dieser kleinen Stadt in große Aufregung versetzt hatte, der Vergessenheit anheimgefallen. Niemand wagte mehr davon zu sprechen, Niemand ihn zu gehässigen Zwecken auszubeuten.
Myriel brachte nach Digne ein altes Fräulein Namens Baptistine, mit, die seine Schwester und zehn Jahre jünger war als er. Die ganze Dienerschaft der beiden Geschwister bestand in einer Magd desselben Alters wie Fräulein Baptistine, Namens Frau Magloire, die ehedem nur die »Magd des Herrn Pfarrers« gewesen und nun zugleich als Kammerfrau des Fräulein Baptistine und als Wirtschafterin Sr. Bischöflichen Gnaden fungirte.
Fräulein Baptistine war eine hoch gewachsene, blasse, hagre Dame von sanftem Wesen, eine Verkörperung alles dessen, was ein weibliches Wesen achtungswert macht; denn auf Ehrfurcht Anspruch machen darf ja wohl nur das Weib, das Mutter ist. Hübsch war sie nie gewesen, aber da ihr ganzes Leben mit Werken frommer Liebestätigkeit ausgefüllt worden war, so war jetzt über ihre äußere Erscheinung eine Art lichter Klarheit ausgegossen, etwas, das man die Schönheit des Gemüths nennen kann. Was in ihrer Jugend Magerkeit gewesen, hatte sich jetzt zu engelhafter Durchsichtigkeit verklärt. Sie war mehr Seele noch als jungfräuliches Weib, gleichsam ein Schatten mit so viel Körper, daß man ihm noch ein Geschlecht beilegen konnte; ein wenig Stoff, der einen lichten Glanz einhüllte. Dazu große Augen, die sie immer zur Erde gesenkt hielt, als suche diese Seele einen Vorwand noch hienieden zu verweilen.
Frau Magloire war eine kleine, dicke Alte, die immer keuchte, weil sie sich im Hause tüchtig tummelte, und zweitens, weil sie engbrüstig war.
Als Myriel seinen Einzug in Digne hielt, wurde er mit den üblichen hohen Ehrungen, gemäß den kaiserlichen Dekreten, laut denen die Bischöfe im Range unmittelbar den Brigadegenerälen folgen, in dem bischöflichen Palast installirt. Der Maire und der Präsident machten ihm zuerst ihre Aufwartung, und er seinerseits besuchte zuerst den General und den Präfekten. Dann, nachdem die Installation vollzogen war, wartete die Stadt, wie ihr neuer Bischof seines Amtes walten würde.

II. Herr Myriel wird der Herr Bischof Bienvenu

Der bischöfliche Palast in Digne lag neben dem Hospital. Es war ein großes, schönes Gebäude, das zu Anfang des 18. Jahrhunderts von Henri Puget, Doktor der Theologie und 1712 Bischof von Digne, errichtet worden war. Alles in diesem wahrhaft fürstlichen Schlosse war in großem Stile angelegt: die Wohnzimmer des Bischofs, die Säle, die Kammern, der große Ehrenhof nebst den Wandelgängen, die sich, von altflorentinischen Arkaden überwölbt, um ihn herumzogen, die mit herrlichen Bäumen bepflanzten Gärten. In dem Speisesal, einer langen und prachtvollen Galerie, die im Erdgeschoß belegen war und sich nach den Gärten hinaus öffnete, hatte einst Henri Puget sieben hohe Würdenträger der Kirche feierlichst bewirtet. Die Bildnisse dieser sieben ehrfurchtgebietenden Prälaten schmückten den Sal, und das denkwürdige Datum, der 29. Juli 1714, war mit goldnen Buchstaben auf einer weißen Marmortafel eingegraben.
Das Hospital war ein enges, niedriges, einstöckiges Haus mit einem kleinen Garten.
Drei Tage nach seiner Ankunft besichtigte der Bischof das Hospital. Nach Beendigung der Visitation ließ er sofort den Direktor zu sich bescheiden.
»Herr Direktor, redete er ihn an, wieviel Patienten haben Sie gegenwärtig?«
»Sechsundzwanzig, Ew. Bischöfliche Gnaden.«
»Soviel habe ich auch gezählt«, bemerkte der Bischof.
»Die Betten«, hob der Direktor wieder an, »stehen recht dicht aneinander.«
»Das ist mir auch aufgefallen.«
»Statt Säle haben wir nur Stuben, die schwer zu lüften sind.«
»Das scheint mir auch so.«
»Und fällt einmal ein Sonnenstrahl in den Garten, so ist er zu klein, die vielen Rekonvalescenten zu fassen.«
»Das habe ich mir auch gesagt.«
»Wenn Epidemieen umgehen, wie z. B. dieses Jahr der Typhus und vor zwei Jahren Friesel und Schweißfieber, haben wir bisweilen an die hundert Kranke und wissen dann nicht, wo wir mit ihnen hin sollen.«
»Der Gedanke ist mir auch in den Sinn gekommen.«
»Aber allen diesen Uebelständen ist nun einmal nicht abzuhelfen«, sagte der Direktor. »Man muß sich fügen.«
Dieses Zwiegespräch fand in dem Speisesal des Erdgeschosses statt.
Der Bischof schwieg einen Augenblick und wandte sich dann wieder an den Direktor mit der hastigen Frage:
»Herr Direktor, wieviel Betten, meinen Sie, würde wohl dieser Sal allein schon fassen?«
»Der Speisesal Ew. Bischöflichen Gnaden?« rief der Direktor in maßlosem Erstaunen.
Der Bischof überschaute den Sal und schien mit den Augen Messungen anzustellen.
»Zwanzig Betten würden hier wohl Platz finden,« flüsterte er leise, als spreche er für sich. Dann, zu dem Direktor gewendet, fuhr er laut fort:
»Ich will Ihnen was sagen, Herr Direktor. Es liegt offenbar ein Irrthum vor. Ihr seid sechsundzwanzig Menschen in fünf bis sechs winzigen Zimmerchen. Unserer sind hier drei, und wir haben Platz für sechzig. Da liegt ein Irrthum vor, sage ich Ihnen noch einmal. Sie haben meine Wohnung, und ich die Ihrige. Geben Sie mir mein Haus wieder. Sie gehören hierhin.«
Am folgenden Tage waren die sechsundzwanzig armen Kranken in dem Palast des Bischofs untergebracht und der Bischof in das Krankenhaus übergesiedelt.
Myriel hatte, da seine Familie durch die Revolution ruinirt war, kein Vermögen. Seine Schwester bezog eine Leibrente von fünfhundert Franken, die seiner Zeit im Pfarrhause für ihre persönlichen Bedürfnisse ausgereicht hatten. Myriel erhielt vom Staate als Bischof ein Gehalt von fünfzehn Tausend Franken. Ueber diese Summe verfügte Myriel laut einer von ihm selber aufgestellten Rechnung, deren Original uns vorliegt, ein für alle Mal folgendermaßen:
Ausgaben für meinen Haushalt.
Für das kleine Seminar
1500
Franken
Für die Missionskongregation
100
"
Für die Lazaristen zu Montdidier
100
"
Für das Seminar der auswärtigen Missionen in Paris
200
"
Für die Kongregation des Heiligen Geistes
150
"
Für die religiösen Anstalten im Heiligen Lande
100
"
Für die Frauenvereine zur Unterstützung armer Wöchnerinnen
300
"
Für den Verein in Arles außerdem noch
50
"
Für die Verbesserung der Gefängnißeinrichtungen
400
"
Zur Unterstützung und Befreiung Gefangner
500
"
Für die Befreiung von Familienvätern aus dem Schuldgefängniß
1000
"
Zuschuß zu den Gehältern der armen Schullehrer der Diöcese
2000
"
Für das Getreidemagazin der Oberalpen
100
"
Für die Kongregation der Damen von Digne, Manosque und Sisteron zur Erteilung von unentgeltlichem Unterricht an bedürftige Mädchen
1500
"
Für die Armen
6000
"
Für meine persönlichen Ausgaben
1000
"
 
_____
 
Summa
15,000
"
An dieser Einrichtung »seines sogenannten Haushaltes« änderte er nichts, so lange er den Bischofssitz zu Digne inne hatte.
Dieser Anordnung unterwarf sich auch Fräulein Baptistine ohne den geringsten Widerspruch. Für diese fromme Dame war Myriel nicht allein ihr Bruder, sondern auch ihr Bischof, ein Freund, den die Natur ihr zugesellt, und ein Vorgesetzter, den die Kirche ihr übergeordnet hatte. Sie brachte ihm nur Liebe und Ehrfurcht entgegen. Allen seinen Worten pflichtete sie bei; was er that, hieß sie gut. Nur die Magd, Frau Magloire, murrte ein wenig. Hatte doch, der Herr Bischof, – wie aus der oben angeführten Rechnung erhellt,– sich nur tausend Franken vorbehalten, was mit Fräulein Baptistines Pension fünfzehn Hundert Franken jährlich ergab. Mit diesen fünfzehn Hundert Franken bestritten die beiden Frauen und der alte Herr ihren ganzen Lebensunterhalt.
Und wenn ein Dorfpfarrer nach Digne kam, brachte es der Bischof noch fertig ihn anständig zu bewirten, dank Frau Magloire's großer Sparsamkeit und Fräulein Baptistine's weiser Haushaltungskunst. Eines Tages – er war damals seit etwa drei Monaten in Digne – sagte der Bischof: »Meine Einkünfte wollen doch gar nicht recht zulangen!«
»Das wollte ich meinen! rief Frau Magloire. Wenn Bischöfliche Gnaden sich wenigstens noch das Geld auszahlen ließen, das Ihnen das Departement als Vergütigung für Equipage und Reiseunkosten schuldig ist. Die Vorgänger Ew. Bischöflichen Gnaden haben's doch immer so gehalten!«
»In der That, Sie haben Recht, Frau Magloire, stimmte ihr der Bischof bei und reichte ein Gesuch bei der Stadtverwaltung ein.
Der Generalrath zog auch das Gesuch in Erwägung und warf einen Posten von dreitausend Franken jährlich aus, als Vergütung der Unkosten, die der Herr Bischof für seine Equipage in der Stadt und für seine Reisen mit der Post zu bestreiten habe.
Natürlich erhoben die Freidenker ein Zetergeschrei und ein Senator namentlich, ein ehemaliges Mitglied des Rathes der Fünfhundert, der dem Staatsstreich vom 18. Brumaire zugestimmt und von Napoleon ein bei Digne gelegnes großes Gut als Dotation erhalten hatte, erließ an den Kultusminister Bigot de Préameneu einen entrüsteten Schreibebrief, dem wir folgende Zeilen entnehmen:
»Wozu eine Equipage in einer Stadt, die keine viertausend Einwohner hat? Und Unkosten für Rundreisen? Was sollen denn solche Rundreisen für einen Zweck haben? Und wie reist man denn per Post in einem Gebirgslande? Wir haben hier ja überhaupt keine Chausseen. Man reist hier nur zu Pferde. Kaum daß die Brücke über die Durance bei Chateau-Arnoult ein Ochsenfuhrwerk tragen kann! Aber so sind die Priester alle! Geldgierig und geizig. Der hier hat sich Anfangs auf den Heiligen ausgespielt. Jetzt macht er's wie die Andern. Er muß in einer Equipage fahren und in einer Postkutsche reisen! Er braucht Luxus wie die Bischöfe des alten Regime. O über dieses Pfaffengeschmeiß! Glauben Sie nur, Herr Graf, ehe uns der Kaiser die Schwarzröcke nicht vom Halse schafft, werden die Zustände nicht besser. Nieder mit dem Papst! (Frankreich stand damals mit Rom auf gespanntem Fuße). Ich für mein Theil bin dafür, daß Cäsar allein regiert. U.s.w. U.s.w.«
Desto mehr freute sich Frau Magloire.
»So ist's recht, sagte sie zu Fräulein Baptistine. Se. Bischöfliche Gnaden haben bis jetzt nur für Andere gesorgt, aber schließlich haben Sie doch endlich auch an sich denken müssen. Die Armen sind nun versorgt, und die dreitausend Franken bleiben für uns. Es war auch Zeit, daß wir was kriegten!«
An dem Abend desselben Tages stellte der Bischof wieder eine Rechnung auf und gab sie seiner Schwester. Sie lautete folgendermaßen:
Unkosten für Equipage und Amtsreisen.
Zu Bouillon für die Kranken unseres Hospitals
l,500
Franken
Für den Frauenverein zu Arles
250
"
Für den Frauenverein zu Draguignan
250
"
Für die Findelkinder
500
"
Für die Waisenkinder
500
"
 
_____
 
Summa
3,000
Franken
Das war Myriels Budget.
Was die Nebeneinkünfte anbelangt, die Einnahmen für Abkauf von Aufgeboten, für Dispensationsscheine, Nothtaufen, Predigten, Einweihungen von Kirchen und Kapellen, Hochzeiten u.s.w., so trieb der Bischof diese Gelder von den Reichen mit um so größrer Strenge ein, da er sie sämtlich den Armen zuwandte.
Nach Verlauf einer kurzen Zeit flossen ihm denn auch Liebesgaben in reicher Menge zu. Begüterte und Bedürftige, Alle klopften an Myriels Thür, die Einen um Spenden bei ihm zu hinterlegen, die Andern um sie in Empfang zu nehmen. Aber so beträchtliche Summen ihm auch durch die Hände gingen, so fand er sich doch nicht veranlaßt seine Lebenshaltung in irgend einem Punkte zu ändern und sich außer dem Notwendigen auch Ueberflüssiges zu gestatten.
Im Gegentheil. Da in der menschlichen Gesellschaft allzeit unten mehr Elend als oben Wohlthätigkeitssinn vorhanden ist, so war alles schon weggegeben, ehe er es bekommen hatte, so fiel alles wie ein Tropfen auf einen heißen Stein. Man konnte ihm noch so viel Geld geben, nie hatte er etwas. In solchen Fällen gab er noch mehr von dem Seinigen her.
Der dankbare Instinkt des Volkes wählte denn auch unter den Vornamen, die sein Bischof dem Brauche gemäß in seinen Erlassen und Hirtenbriefen vollständig aufzählte, denjenigen heraus, der einen bedeutungsvollen Sinn darbot. Die armen Leute nannten ihn nur den Bienvenu (Willkommen, Segensreich). Wir wollen diesem Beispiel folgen und ihn gelegentlich gleichfalls so nennen. Ihm selber sagte übrigens diese neue Bezeichnung zu. »Der Name gefällt mir,« ließ er sich vernehmen. Er mildert, was der Titel Bischöfliche Gnaden zu Stolzes hat.«
Daß diese Schilderung, die wir hier entwerfen, die Wahrscheinlichkeit für sich habe, wagen wir nicht zu behaupten, wohl aber ist sie der Wahrheit gemäß.

III. Ein tüchtiger Arbeiter findet viel zu thun

Der Bischof hatte zwar seine Equipage in Almosen umgewandelt, bereiste aber gleichwohl fleißig seinen Amtssprengel, was mit erheblichen Strapazen verbunden war. Die Diöcese Digne ist ein Land mit wenig Ebenen und viel Bergen, dabei fast ohne Chausseen, wie schon erwähnt. Sie umfaßt zweiunddreißig Pfarreien, einundvierzig Vikariate und zweihundert fünfundachtzig Filialkirchen. Dies Alles zu bewältigen, erheischte keine geringe Summe von Arbeitskraft, die aber unser Bischof aufzubringen verstand. War der betreffende Ort in der Nachbarschaft gelegen, so ging er zu Fuß; in den ebenen Gegenden fuhr er in einer Halbkutsche, im Gebirge ritt er auf einem Maulthier. Die beiden Frauen begleiteten ihn gewöhnlich, außer wenn die Strapazen das billige Maß überstiegen. In diesem Fall reiste er allein.
Eines Tages ritt er in Senez, einer alten Bischofsstadt, auf einem Esel ein. Ein andres Transportmittel hatte er wegen der starken Ebbe, die in seiner Börse aufgetreten war, nicht genehmigen können. Als er nun von seinem Esel abstieg, maß ihn der Bürgermeister, der sich zu seinem Empfange vor dem Bischofspalais eingefunden, mit Blicken, aus denen tiefe sittliche Entrüstung sprach, und einige Vorübergehende, die ihrer Kleidung nach zu urtheilen den bessern Ständen angehörten, blieben stehen und lachten.
»Meine Herren, sagte der Bischof, ich kann mir das Motiv Ihres Unwillens denken: Sie finden es anmaßlich, daß ein armer Priester sich des Reitthieres Jesu Christi bedient. Ich versichere Sie aber, ich thue es aus Noth, nicht aus Eitelkeit.«
Wohin er auch bei einer solchen Rundreise kam, stets zeigte er sich milde und nachsichtig gegen seine Untergebnen und in seinen Predigten schlug er vorzugsweise einen gemüthlichen Gesprächston an. Weither geholte Gründe und Beispiele liebte er nicht. Dagegen ermahnte er die Leute an einem Ort sich die Bewohner eines andern, benachbarten, zum Vorbild zu nehmen. Wo man hart gegen die Bedürftigen war, sagte er z.B.: »Nehmt Euch Eure Nachbarn in Briançon zum Vorbild. Sie haben den Armen, den Wittwen und Waisen die Erlaubnis ertheilt, ihre Wiesen drei Tage vor den Andern abmähen zu lassen und repariren ihnen ihre Häuser, wenn sie baufällig geworden sind, unentgeltlich. Deshalb hat aber auch der liebe Gott das Land gesegnet, denn volle hundert Jahre lang ist daselbst kein Mord vorgekommen.«
Zu Leuten, die bei der Ernte zu genau verfuhren, sagte er. »Seht Euch mal an, wie sie's in Embrun machen. Hat ein Familienvater Söhne beim Militär oder Töchter, die in der Stadt dienen, und kann er wegen Krankheit oder aus einem andern Hindrungsgrunde die Einbringung seiner Ernte nicht besorgen, so empfiehlt ihn der Pfarrer der Gemeinde, dann kommen am Sonntag alle Leute aus dem Dorfe, die Männer, die Frauen, die Kinder, mähen ihm sein Getreide und schaffen es ihm, Korn und Stroh, in seine Scheune.« – Zu den Familien, die wegen Geld- und Erbschaftsangelegenheiten uneinig waren sagte er: »Schaut mal, wie sie's in Devolny anfangen. Es ist das eine rauhe Gebirgsgegend, wo man den Gesang der Nachtigall kaum einmal in fünfzig Jahren zu hören bekommt. In diesem Lande also gehen die Söhne, wenn der Vater stirbt, in die Fremde, und überlassen das Erbe ihren Schwestern, damit diese sich verheirathen können.« – In den Kantonen, wo viel prozessirt wurde, sagte er: »Nehmt Euch die braven Bauern in Queyras zum Vorbild. Es sind ihrer dreitausend Seelen, und die Leute leben dort einträchtig, als bildeten sie eine kleine Republik für sich. Richter und Exekutor giebt's dort nicht. Der Schulze besorgt da alles. Er veranlagt die Steuern, schätzt Jeden ein, wie er's vor seinem Gewissen verantworten kann, schlichtet unentgeltlich Streitigkeiten, theilt Erbschaften ohne Honorar zu fordern, fällt Urteilssprüche ohne den Leuten Unkosten zu verursachen, und er findet Gehorsam, weil er ein gerechter Mann ist und unter einfachen Leuten lebt.« In den Dörfern, wo kein Schullehrer war, verwies er wieder auf das Beispiel der Bauern in Queyras: Wißt Ihr, wie die's machen? »Da ein Dorf mit nur zwölf bis fünfzehn Häusern nicht immer die Mittel besitzt einen Magister zu ernähren, so thun sich die Bewohner des ganzen Thales zusammen und halten sich Schulmeister. Die gehen von Dorf zu Dorf und geben hier acht, dort zehn Tage lang Unterricht. Diese Magister finden sich ein, wo Jahrmarkt ist, und ich habe selber welche gesehen. Sie sind an den Schreibfedern, die sie in einer Schnurschleife am Hute tragen, zu erkennen. Die nur Unterricht im Lesen ertheilen, haben eine Feder; die im Lesen und Rechnen unterrichten, zwei; die Lesen, Rechnen und Latein lehren, drei. Diese Letzteren sind große Gelehrte. Aber welche Schande unwissend zu sein! Ahmt den Leuten in Queyras nach.«
In dieser eindringlichen und väterlichen Ausdrucksweise pflegte er mit den Leuten zu reden. Und die Ermanglung von Beispielen erfand er Gleichnisse, hob deutlich das hervor, worauf es an kam, und brauchte wenig Redensarten, aber desto mehr bildliche Wendungen, wie Jesus Christus, dessen Beredsamkeit zu Herzen ging, weil sie aus dem Herzen kam.

IV. Uebereinstimmung von Thaten und Worten

Im Gespräch war er leutselig und heiter. Er paßte sich dem Verständniß der beiden Frauen an, die bei ihm lebten. Lachen konnte er so herzlich wie ein Schulknabe.
Frau Magloire nannte ihn gern Hoher Herr. Eines Tages nun erhob er sich von seinem Sessel, um ein Buch zu holen, konnte es aber, da es auf einem oberen Regal lag und er zu kleiner Statur war, nicht langen. Da rief er Frau Magloire: »Bringen Sie mir doch einen Stuhl. Die Hoheit des hohen Herrn reicht nicht bis an das Brett da.«
Eine entfernte Verwandte von ihm, die Gräfin von Lô, ließ es sich selten entgehn, in seiner Gegenwart die »Hoffnungen« ihrer drei Söhne ausführlich aufzuzählen, nämlich all die Glücksgüter und Vortheile, die sie von reichen alten Verwandten binnen voraussichtlich kurzer Zeit erben würden. Der jüngste Sohn erwartete von einer Großtante ein Jahreseinkommen von nicht weniger als hunderttausend Franken; dem zweiten mußte der Herzogstitel seines Oheims zufallen; der Aelteste hatte Anwartschaft auf die Pairie seines Großvaters. Diesen unschuldigen und verzeihlichen Prahlereien der zärtlichen Mutter hörte meistentheils der Bischof mit musterhaftem Stillschweigen zu. Bei einer Gelegenheit indeß hing er seinen eigenen Gedanken nach, während die Gräfin sich in weitschweifigen Erörterungen aller dieser Successionen und »Hoffnungen« erging. Plötzlich brach sie ungeduldig ab und fragte ärgerlich: »Aber, Vetter, woran denken Sie denn?« »An einen sonderbaren Ausspruch, versetzte er, der, wenn ich nicht irre, sich in den Werken des heil. Augustin findet: Setzet Eure Hoffnung auf Den, dem Niemand succedirt.«
Ein andres Mal, als er eine Todesanzeige mit einem langathmigen Verzeichnis der Würden des Verstorbnen und der Adelstitel aller Verwandten desselben erhalten hatte, rief er aus: »Was für einen starken Rücken Freund Hein haben muß, daß man ihm soviel gewichtige Titel aufpacken kann, und wie gescheidt die Menschen sind, da sie sogar in einem Grabe Gelegenheit zur Befriedigung ihrer Eitelkeit finden!«
Er verstand auch zu spotten, in harmloser Weise, aber fast immer mit einem ernsten Hintergedanken. So kam einmal während der Fastenzeit ein junger Vikar nach Digne und hielt eine recht beredte Predigt über die Mildthätigkeit. Er forderte die Reichen auf den Armen zu geben, um der Hölle zu entgehen, deren Schrecknisse er ihnen in den grellsten Farben ausmalte, und sich das Himmelreich zu erobern, das er als überaus lieblich und erstrebenswert hinstellte. Diese Schilderung machte auf einen seiner Zuhörer, der im Handel zwei Millionen zusammengerafft hatte, einen so nachhaltigen Eindruck, daß er von seiner Gepflogenheit niemals Almosen zu geben abließ und von der Zeit an jeden Sonntag an der Kirchenthür eine kleine Kupfermünze für sechs Bettlerinnen spendete. Eines Tages nun, als er wieder diesen Akt hochherziger Mildthätigkeit vollzog, sah ihn der Bischof und bemerkte lächelnd zu seiner Schwester: »Sieh mal, da kauft sich Herr Geborand für einen Sou ewige Seligkeit.«
Handelte es sich um Mildthätigkeit, so ließ er sich selbst durch eine abschlägige Antwort nicht abschrecken und verstand es mit einer treffenden, geistreichen Entgegnung den Widerspenstigen andern Sinnes zu machen. Einmal sammelte er in einer Gesellschaft für die Armen. Unter den Anwesenden befand sich der Marquis von Champtercier, ein reicher alter Geizhals, der das Kunststück fertig gebracht hatte zugleich ultraroyalistisch und ultravoltairianisch gesinnt zu sein. Denn es hat auch solche Käuze gegeben. Als der Bischof zu ihm gelangt war, berührte er ihn am Arm und sagte: »Herr Marquis, Sie müssen mir etwas geben.« Der Marquis wandte sich um und antwortete trocken: »Bischöfliche Gnaden, ich habe schon meine Armen.« »Dann geben Sie mir die,« entgegnete der Bischof.
Eines Tages hielt er im Dom folgende Predigt: »Theuerste Brüder, liebe Freunde, es giebt in Frankreich 1,320,000 Bauernhäuser mit nur drei, 1,817,000 mit zwei Oeffnungen, der Thür und einem Fenster, und endlich 346,000 Hütten mit einer einzigen Oeffnung, der Thür. Schuld daran ist etwas, das man die Thür- und Fenstersteuer nennt. Denkt Euch nun arme Familien, alte Frauen, kleine Kinder in solchen Behausungen und stellt Euch vor, was für Fieber, was für Krankheiten da herrschen müssen! Gott schenkt, das Gesetz verkauft den Menschen die Luft. Ich klage das Gesetz nicht an, aber Gottes Güte preise ich. In den Departements Isére, Bar, Ober- und Unteralpen haben die Landleute nicht einmal Schubkarren und tragen den Dünger auf dem Rücken; keine Talglichter, und brennen Kienspäne oder mit Harz bestrichene Stricke. So macht man es in dem ganzen Ober-Dauphiné. Das Brod backen sie auf ein halbes Jahr und heizen den Backofen mit getrocknetem Kuhmist. Im Winter zerschlagen sie dies Brod mit der Axt und lassen es vierundzwanzig Stunden in Wasser weichen, um es essen zu können. Seid barmherzig, liebe Brüder; bedenkt, wieviel Elend Euch umgiebt!«
Als geborner Provenzale war es ihm leicht geworden sich mit allen südfranzösischen Dialekten gründlich vertraut zu machen. Das gefiel dem gemeinen Volk sehr und trug nicht wenig dazu bei, daß er seine Gedanken dem Verständniß Aller näher bringen konnte. Er war in der Hütte und im Gebirge zu Hause. Er verstand es, die erhabensten Dinge mittels der trivialsten Redewendungen auszudrücken, und da er Jedermanns Sprache redete, so fand er auch Mittel und Wege seinen Ideen Eingang in Jedermanns Herz zu schaffen.
Uebrigens benahm er sich gleich gegen die Vornehmen und Geringen.
Nie übereilte er sich mit Verdammungsurtheilen, sondern zog stets die Umstände in Erwägung. »Erst wollen wir uns den Weg ansehen, pflegte er zu sagen, den das Vergehen entlang gekommen ist.«
Als »Exsünder«, wie er sich im Scherz nannte, trug er keine Strenge zur Schau und lehrte mit großem Freimuth und ohne seine Stirn nach Art der Tugendhelden in finstre Falten zu legen, Grundsätze, die man in folgenden Worten zusammenfassen könnte:
»Der Mensch ist ein Geist, der mit Fleisch bekleidet ist. Dieses Fleisch ist eine Last und eine Versuchung. Der Mensch trägt es und giebt ihm nach.«
»Er soll es im Auge behalten, es zurückdrängen, es niederhalten und ihm nur im äußersten Nothfall willfahren. Solch ein Gehorsam kann mit Schuld behaftet sein, aber solch eine Schuld findet Vergebung. Wer so nachgiebt, fällt, aber auf die Knie und kann sich mit Gebet loskaufen.«
»Ein Heiliger zu sein ist die Ausnahme, ein Gerechter zu sein ist die Regel. Irret, fehlet, sündiget, aber seid Gerechte.«
»So wenig Sünde wie möglich, lautet das Gesetz für den Menschen. Gar nicht zu sündigen ist das Ideal des Engels. Alles Irdische ist der Sünde unterworfen. Wir können uns von ihr ebenso wenig frei machen wie von dem Gesetz der Schwere.«
Hörte er ein allgemeines Zetergeschrei, sah er die große Menge ein hastiges Tadelsvotum abgeben, so spottete er: »Hier liegt gewiß eine Sünde vor, die Jedermann begeht. Sonst würden die Heuchler es nicht so eilig haben zu protestiren, um den Verdacht von sich abzulenken.«
Gegen die Frauen und die Armen, auf denen mit ihrer ganzen Wucht die menschliche Gesellschaft lastet, war er nachsichtig: »An den Vergehen der Frauen, der Kinder, des Gesindes, der Schwachen, der Bedürftigen und Unwissenden sind die Männer, die Eltern, die Herrschaften, die Starken, Reichen und Gelehrten Schuld.«
Ferner: »Die Unwissenden belehret, so gut Ihr es vermöget; die Gesellschaft ist zu tadeln, daß sie nicht den öffentlichen Unterricht unentgeltlich ertheilen läßt; sie ist verantwortlich für die Finsterniß, der sie die Entstehung giebt. Ist eine Seele umnachtet, so schleicht sich die Sünde in sie hinein. Nicht derjenige ist der Schuldige, der die Sünde begeht, sondern der die Nacht geschaffen hat.«
Man sieht, er hatte eine absonderliche und eigne Art die Dinge zu beurtheilen. Ich habe ihn stark in Verdacht, daß er diese Gedanken dem Evangelium entnommen hatte.
Eines Tages war er gerade zugegen, als in einer Gesellschaft von einem Kriminalprozeß gesprochen wurde, der damals die Gerichte beschäftigte. Ein armer Mensch hatte sich aus Liebe zu einer Frau und zu dem Kinde, das sie ihm geboren, der Falschmünzerei schuldig gemacht, da er sie auf andre Weise vor dem Hungertode nicht zu bewahren wußte. Dieses Verbrechen wurde damals noch in Frankreich mit der Todesstrafe geahndet. Die Frau war bei dem ersten Versuch ein von dem Manne fabrizirtes Geldstück in Umlauf zu setzen, verhaftet worden, aber Beweise um sie einer Schuld zu überführen, hatte man nicht. Sie allein konnte gegen ihren Liebhaber aussagen und durch ein Geständniß seine Verurtheilung ermöglichen. Sie leugnete aber aufs hartnäckigste. Da hatte der Staatsanwalt einen gescheidten Einfall. Er legte der Unglücklichen geschickt ausgewählte Bruchstücke aus Briefen des Mannes vor und brachte sie auf diese Weise zu dem Glauben, sie habe eine Nebenbuhlerin, mit der er sie hintergehe. Da klagte sie, getrieben von sinnloser Eifersucht, ihren Geliebten an, und lieferte die nöthigen Beweise. Nun war der Mann verloren und nächster Tage sollte ihm, samt seiner Mitschuldigen in Aix der Prozeß gemacht werden. Dieser Vorfall also bildete den Gegenstand der Unterhaltung, und Alle bezeigten das höchste Entzücken über die Schlauheit des Staatsanwalts. Dadurch, daß er die Eifersucht ins Spiel gezogen, auf die Rachsucht der gekränkten Eitelkeit spekulirt, habe er der Wahrheit und Gerechtigkeit zum Siege verholfen. Allen diesen Lobeshebungen hörte der Bischof bis zu Ende schweigend zu. Dann fragte er:
»Vor welches Gericht werden die Beiden gestellt werden?«
»Vor die Assisen.«
»Und der Staatsanwalt?«
Wir müssen hier noch einen andern tragischen Vorfall erwähnen, der sich in Digne zutrug. Es wurde ein Mann wegen Mordes zum Tode verurtheilt, ein Unglücklicher, der nicht gerade ein gebildeter Mann, aber auch nicht ganz unwissend war, und der sich als Akrobat und öffentlicher Schreiber sein Brod auf den Jahrmärkten verdiente. Der Prozeß erregte große Sensation. An dem Tage vor der Hinrichtung wurde der Gefängnißgeistliche krank, und da man einen Priester brauchte, der den armen Sünder auf seinem letzten Gange begleiten sollte, so schickte man nach dem Stadtgeistlichen. Dieser aber weigerte sich, wie es heißt, mit rücksichtsloser Deutlichkeit: »Das geht mich nichts an«, ließ er sich vernehmen, »ich werde es bleiben lassen, mich mit dem Hanswurst zu befassen. Außerdem bin ich selber krank, und es ist Überhaupt nicht mein Beruf.« Seine Aeußerungen wurden dem Bischof hinterbracht, und dieser sagte: »Der Herr Pfarrer hat Recht. Es ist nicht sein Beruf. Aber es ist der meinige.«
Er begab sich auch unverzüglich in das Gefängniß, ließ sich in die Zelle des »Hanswurstes« führen, redete ihn mit seinem Namen an, ergriff seine Hand und sprach zu ihm. Den ganzen Tag blieb er bei ihm, versagte sich Essen, Trinken und Schlaf, betete zu Gott für die Seele des Verurtheilten und ermahnte den Unglücklichen seines Seelenheils zu gedenken. Er predigte ihm die besten Wahrheiten, nämlich die einfachsten. Er sprach mit ihm wie ein Vater, ein Bruder, ein Freund; und kehrte den Bischof nur hervor, um ihn zu segnen. Er unterwies ihn, indem er ihn beruhigte und tröstete. Der Mann sah seinem letzten Augenblick mit Verzweiflung entgegen. Der Tod war ihm ein Abgrund, an dessen Rand er schaudernd zurückbebte. Er war nicht so roh, daß er völlig stumpf hätte sein können. Seine Verurtheilung hatte ihn bis in sein Innerstes erschüttert und gewissermaßen jene Schranke hie und da niedergerissen, die das Geheimniß der Dinge unsern Blicken entzieht, und die wir das Leben nennen. Durch die Breschen blickte er ohne Unterlaß über diese Welt hinaus und sah nur Finsterniß. Der Bischof aber zeigte ihm ein Licht.
Am andern Tag als der arme Sünde geholt wurde, war der Bischof gegenwärtig. Er ging neben ihm und zeigte sich den Augen der Menge im violetten Mantel, mit dem Bischofskreuze am Halse neben einem mit Stricken gefesselten Verbrecher.
Er stieg mit ihm auf den Karren, stieg mit ihm auf das Schaffot. Der Delinquent, der Tags zuvor niedergedrückt und verzweifelt gewesen, sah gefaßt aus. Er hatte das Gefühl, daß seine Seele Erlösung gefunden und bald mit ihrem Gott vereinigt sein werde. Der Bischof umarmte ihn und sagte in dem Augenblick, als das Fallmesser der Guillotine herabstürzen sollte: »Wen Menschen töten, den läßt Gott wiederauferstehn; wen seine Brüder verjagen, der findet den Vater. Bete, glaube, gehe in das ewigen Leben ein: der Vater ist da, dich aufzunehmen.« Als er vom Schaffot wieder herunterstieg, lag in seinem Blick ein Etwas, vor dem die Menge ehrfurchtsvoll zurückwich. Man wußte nicht, was man mehr bewundern solle, die Blässe oder die Heiterkeit seines Antlitzes. In der bescheidnen Wohnung angelangt, die er scherzend seinen Palast nannte, sagte er zu seiner Schwester: »Ich habe ein feierliches Hochamt gehalten.«
Da das Erhabenste oft am wenigsten Verständniß findet, so legten manche Leute das Verhalten des Bischofs als Affektation aus. Freilich nur Leute aus den bessern Ständen. Das Volk, das Werke der rechten Frömmigkeit nicht mißdeutet, war gerührt und bewunderte seinen Bischof.
Was den Bischof anbetrifft, so hatte ihn der Anblick aufs heftigste erschüttert, und es währte lange, ehe er diesen Eindruck verwand.
Das Schaffot weckt in der That, wenn man es vor sich aufgerichtet sieht, in der Phantasie unheimliche Gedanken und Bilder. Man kann gleichgültig denken über die Todesstrafe, sich jedes Urtheils enthalten, Ja und Nein sagen, so lange man die Guillotine nicht mit Augen gesehen hat; ihr Anblick aber bringt eine mächtige Erschütterung in unserm geistigen Innern hervor und zwingt zur Parteinahme. Die Einen bewundern sie dann, wie de Maistre, die Andern verfluchen sie, wie Beccaria. Die Guillotine ist das körperlich gewordene Gesetz, ihr Name ist Rache; sie ist nicht neutral und gestattet nicht, daß man neutral bleibt. Nichts Geheimnisvolleres als der Schauer, der uns bei ihrem Anblick durchzuckt! Alle socialen Probleme richten um das Fallmesser ihre Fragezeichen auf. Die Guillotine ist eine Vision. Sie ist kein Gerüst, keine Maschine, kein Mechanismus aus Holz, Eisen, Stricken! Sie gleicht einem beseelten, der Thätigkeit fähigen Wesen. Es ist, als sehe, als höre diese Maschine, als habe sie einen Verstand, als seien dieses Holz, dieses Eisen, diese Stricke mit Willen begabt. Die durch ihre Gegenwart geängstigte Phantasie zeigt sie uns als einen Unhold, der mit Bewußtsein handelt. Die Guillotine betheiligt sich an der Tötung, die der Henker vollzieht; sie verschlingt, frißt Menschenfleisch und säuft Blut. Die Guillotine ist ein von dem Richter und dem Zimmermann fabrizirtes Ungethüm, ein Gespenst, das sich fortwährend aus dem Tode ein scheußliches Leben schafft.
Deshalb war auch bei dem Bischof der Eindruck ein fürchterlicher und nachhaltiger; am Tage nach der Hinrichtung und viele Tage später sah er niedergedrückt aus. Die Seelenheiterkeit, die noch auf dem Schaffot bis zu einer gewaltsamen Höhe angewachsen war, hatte ihn verlassen; ihn peinigte das Phantom der socialen Gerechtigkeit. Er, der sonst auf seine Handlungen mit ungetrübter Seelenruhe zurückzublicken pflegte, schien sich dies Mal Vorwürfe zu machen. Zeitweise stellte er halblaut traurige Betrachtungen an. Einen solchen Monolog belauschte eines Abends seine Schwester und behielt ihn in ihrem Gedächtniß: »Nein, so schauerlich hatte ich es mir nicht vorgestellt. Es ist Unrecht den Blick so fest auf das göttliche Gesetz zu heften, daß man die menschlichen Gesetze darüber vergißt. Den Tod zu geben hat Gott allein das Recht: Warum befassen sich also die Menschen damit, da ihnen der Tod doch etwas Unbekanntes ist?«
Mit der Zeit wurden diese Eindrücke schwächer und erloschen vielleicht ganz. Nur fiel es auf, daß der Bischof es seitdem vermied über den Richtplatz zu gehen.
Zu jeder Stunde durfte man Myriel zu Kranken und Sterbenden rufen. Er war sich klar darüber, daß einem solchen Rufe zu folgen die dringendste und wichtigste Obliegenheit seines Amtes war. Zu Wittwen und Waisen ging er von selber: Sie brauchten ihn nicht erst zu sich zu bitten. Er vermochte es Stunden lang neben einem Mann, der eine geliebte Frau, bei der Mutter, die ihr Kind verloren, zu sitzen und zu schweigen. Ebenso aber, wie er zu schweigen verstand, erpaßte er auch richtig den Augenblick, wo es zu reden galt. Und welch ein Trostspender war er! Nicht dadurch suchte er den Schmerz zu verdrängen, daß er verlangte, man solle ihn der Vergessenheit anheimgeben; nein, er bestrebte sich ihn zu vertiefen und zu läutern, indem er zu hoffen lehrte. Er sprach: Achtet wohl darauf, wie ihr nach den Todten hinseht. Denket nicht an das, was verweslich ist. Blicket fest hin, so werdet Ihr den lebendigen Glanz Dessen, den Ihr beweint, droben schauen. Er kannte die Heilkraft des Glaubens, beruhigte die Verzweifelten, indem er sie auf die Geduld und die Ergebung in das Unabwendbare verwies, und lehrte den Schmerz, der auf ein Grab blickt, zu dem Himmel emporschauen.

V. Der Bischof Bienvenu trägt seine Sutanen zu lange

Myriels häusliches Leben bewegte sich innerhalb derselben Gedankenwelt wie seine Amtsthätigkeit. Die freiwillige Armuth, in welcher der Herr Bischof von Digne beharrte, wäre wohl für Jeden, der ihn hätte beobachten können, ein würdevolles und anmuthendes Schauspiel gewesen.
Wie alle alten Leute und wie die meisten Denker schlief er nur wenig. Dafür aber ziemlich fest. Des Morgens gab er sich eine Stunde religiösen Betrachtungen hin, dann las er die Messe entweder im Dom oder in seinem Hause. Nach der Messe nahm er sein Frühstück ein, das aus Roggenbrod und Milch bestand. Dann arbeitete er.
Ein Bischof ist ein sehr beschäftigter Mann. Er muß täglich den Bisthumssekretär und beinahe täglich seine Großvikare empfangen. Er hat Kongregationen zu kontrolliren, Privilegien zu ertheilen, alle neuen Erscheinungen auf dem Gebiete der geistlichen Litteratur zu prüfen, wie Meß- und Gebetsbücher, Katechismen u.s.w., Erlasse zu schreiben, Predigten zu autorisiren, Einigkeit zu stiften zwischen Pfarrern und Dorfschulzen, mit Geistlichen und mit den staatlichen Behörden zu korrespondiren. Kurz tausenderlei Geschäfte.
Die Zeit, die ihm diese vielen Geschäfte, seine Amtsverrichtungen und sein Brevier übrig ließen, widmete er in erster Linie den Armen, den Kranken und Unglücklichen; die Zeit, die ihm dann noch blieb, widmete er der Arbeit. Bald grub er dann in seinem Garten, bald las und schrieb er. Beide Arten von Arbeit schienen ihm gleichwertig, denn der Verstand, so lautete sein Wahrspruch, bedarf ebenso sehr der Pflege und Bearbeitung wie ein Garten.
Gegen Mittag, wenn schön Wetter war, ging er aus, aufs Land oder in die Stadt, und trat dabei oft in ärmliche Häuser ein. Die Leute sahen ihm dann gern nach, wie er allein vor sich hin ging, in tiefes Nachdenken versunken, auf seinen langen Stock gestützt, in seinem dick wattirten Rock, violetten Strümpfen, groben Schuhen und mit seinem flachen Hute, von dessen drei Ecken drei goldne Quasten herabhingen.
Sein Erscheinen wurde überall freudig begrüßt, als bringe er sozusagen, Licht und Wärme mit. Die Kinder und die Greise kamen auf die Thürschwelle, wie sie zu thun pflegten, wenn sie sich des Sonnenscheins erfreuen wollten. Er ertheilte seinen Segen, und sie wünschten ihm Glück und Segen. Jedem, der etwas bedurfte, zeigte man sein Haus.
Hier und du blieb er stehen, sprach mit den Kindern und lächelte ihren Müttern zu. So lange er Geld hatte, besuchte er die Armen; hatte er keins mehr, so ging er zu den Reichen.
Da ihm seine Sutanen recht lange vorhalten mußten, und er dies die Leute nicht allzu sehr merken lassen wollte, trug er bei seinen Gängen in der Stadt immer nur seinen dicken wattirten Rock, der ihm im Sommer manchmal recht lästig wurde.
Zu Hause angelangt, speiste er zu Mittag. Dieses Mahl glich dem Frühstück.
Um halb neun nahm er mit seiner Schwester die Abendmahlzeit ein, wobei Frau Magloire hinter ihnen stand und sie bediente. Es war ein ausnehmend frugales Mahl. Wenn jedoch der Bischof Einen seiner Pfarrer zu Besuch hatte, benutzte Frau Magloire die gute Gelegenheit, um Se. Bischöfliche Gnaden mit einem vorzüglichen Fisch oder einem delikaten Stück Wild zu regaliren. Jeder Pfarrer war ihr ein willkommner Vorwand ihren Herrn zu einer Abweichung von seiner strengen Diät zu verleiten, denn für gewöhnlich kam nur in Wasser gekochtes Gemüse und Suppe mit Oel auf den Tisch. Deshalb hieß es auch in der Stadt: »Wenn der Bischof nicht mit einem Pfarrer speist, ißt er wie ein Trappist.«
Nach dem Abendessen plauderte er eine halbe Stunde mit Baptistine und Frau Magloire; dann zog er sich auf sein Zimmer zurück und schrieb wieder, bald auf einzelne Blätter, bald an den Rand eines Folianten. Er war sehr belesen und besaß wissenschaftliche Bildung, Er hat auch fünf bis sechs merkwürdige Manuskripte hinterlassen, u.a. eine Abhandlung über den Vers im 1. Buch Moses: »Im Anfang schwebte der Geist Gottes über den Wassern.« Er verglich mit diesem Text drei Varianten, eine arabische: »Die Winde Gottes wehten;« die des Flavias Josephus: »Ein Wind von oben blies auf die Erde,« und die chaldäische Paraphrase des Onkelos: »Ein Wind kam von Gott und blies auf die Oberfläche der Gewässer.« In einer andern Dissertation prüft er die theologischen Werke des Bischofs Hugo von Ptolemais, Urgroßonkel Dessen, der dieses Buch schreibt, und wies nach, daß dieser Bischof der Verfasser der verschiednen im vorigen Jahrhundert unter dem Pseudonym Barleycourt veröffentlichten Abhandlungen sei.
Bisweilen schweifte sein Geist, während er irgend ein Buch vor sich hatte, von dem Inhalt desselben ab und überließ sich tiefsinnigen Betrachtungen, von denen er nur abließ um das Resultat seines Nachdenkens in dem Buche selbst niederzuschreiben. Natürlich standen derartige Aufzeichnungen oft in gar keiner Beziehung zu dem Buche, das sie enthielt. So lautet z.B. der Titel eines seiner Quartanten: Korrespondenz des Lord Germains mit den Generälen Clinton, Cornwallis und den Admirälen der Amerikanischen Station. Versailles, Verlag von Poincot, und Paris, Verlag von Pissot, Ouai des Augustins. In diesem Buche haben wir folgende von dem Bischof niedergeschriebne Zeilen gefunden:
»O Du, der Du bist!«
»Der Prediger Salomo nennt dich die Allmacht, die Bücher der Makkabäer den Schöpfer, die Epistel an die Epheser die Freiheit, Baruch die Unendlichkeit, die Psalmen Weisheit und Wahrheit, Johannes das Licht, das Buch der Könige Herr, der Exodus die Vorsehung, der Leviticus die Heiligkeit, Esra die Gerechtigkeit, die Schöpfung Gott, der Mensch Vater; Salomo heißt dich den Erbarmer, und dies ist der schönste unter Deinen Namen.« –
Gegen neun Uhr Abends begaben sich die beiden Frauen in ihre Zimmer im ersten Stock und ließen ihn bis zum andern Morgen im Erdgeschoß allein.
Hier müssen wir eine genaue Beschreibung der Wohnung unsres Bischofs einschalten.

VI. Von wem er sein Haus bewachen ließ

Das Haus, das er bewohnte, bestand, wie schon erwähnt, aus einem Erdgeschoß und einem einzigen Stockwerk. Drei Räume im Erdgeschoß, drei Schlafzimmer im ersten Stock, darüber der Boden. Hinter dem Hause ein fünfundzwanzig Ouadratruthen großer Garten. Die beiden Frauen hatten den ersten Stock inne, unten wohnte der Bischof. Das erste Zimmer, das auf die Straße hinausging, diente als Speisesaal, das zweite als Schlaf- und das dritte als Betzimmer. In dieses Betzimmer konnte man nur gelangen, wenn man durch das Schlafzimmer ging, und dieses war nur durch den Speisesaal hindurch zugänglich. In dem Betzimmer war noch ein Alkoven, wo die von dem Bischof zu Gaste gebetnen Landgeistlichen schliefen.
Die ehemalige Apotheke des Hospitals, ein an das Haus angebautes und im Garten gelegenes Gebäude, enthielt jetzt die Küche und Vorrathskammer.
Außerdem befand sich im Garten noch ein Stall, der früher die Küche des Hospitals gewesen war, und in dem der Bischof zwei Kühe hielt. Wieviel Milch diese auch geben mochten, die Hälfte davon schickte er regelmäßig jeden Morgen den Kranken des Hospitals. »Das ist der Zehnt, den ich zahle,« pflegte er zu sagen.
Sein Schlafzimmer war ziemlich groß und schwer erheizbar. Da das Holz in Digne sehr teuer ist, so war er auf den Gedanken gerathen sich in dem Kuhstall einen Bretterverschlag machen zu lassen. In diesem Raum, den er seinen Wintersalon nannte, brachte er, wenn es sehr kalt war, den Abend zu.
In diesem Wintersalon, sowie in dem Speisezimmer waren keine andern Möbel, als ein viereckiger Tisch aus weißem Holz und vier Strohstühle. In dem Speisezimmer stand allerdings noch ein altes rosa angestrichnes Büffet. Aus einem eben solchen mit weißen Obertischtüchern und falschen Spitzen behangnen Büffet, hatte der Bischof den Altar gemacht, der in seinem Betzimmer prangte.
Seine reichen Beichttöchter und die frommen Frauen in Digne hatten oft Geld aufgebracht, um Sr. Bischöflichen Gnaden einen schönen neuen Altar für das Betzimmer zu verehren; dieses Geld hatte er auch angenommen und den Armen zugewendet. Der schönste Altar, entschuldigte er sich, ist die Seele eines getrösteten Unglücklichen, der dem Herrn dankt.
In dem Betzimmer standen zwei Betstühle aus Stroh und in seinem Schlafzimmer ein Armsessel gleichfalls mit Strohsitz. Hatte er zufällig sieben bis acht Besucher zugleich zu empfangen, den Präfekten, oder den General, oder den Stab des Regiments, das die Garnison von Digne bildete, oder Schüler des kleinen Seminars, so sah man sich genöthigt die Sessel und Stühle aus dem Wintersalon, dem Betzimmer, dem Schlafgemach zusammenzuholen. Auf diese Weise konnte man elf Stühle aufbringen.
Es kam aber auch vor, daß Zwölf zugleich kamen. Dann verdeckte der Bischof die Verlegenheit dadurch, daß er sich mit seinen Gästen stehend unterhielt.
Allerdings besaß er noch einen Stuhl in dem Alkoven, aber der Sitz war entzwei und es fehlte ein Bein, so daß man ihn an die Wand lehnen mußte, wenn man sich darauf setzen wollte. Desgleichen hatte noch Fräulein Baptistine in ihrem Zimmer eine sehr große Bergére, aus Holz, die vor Zeiten vergoldet gewesen und mit Pekingseide überzogen war, aber die hatte man durch das Fenster in das erste Stock hinaufwinden müssen, weil die Treppe zu schmal war. Sie konnte also nicht zur Aushülfe gebraucht werden, wenn es an Stühlen fehlte.
Fräulein Baptistine's sehnlichster Wunsch wäre gewesen, Salonstühle u. Canapee aus gelbem Utrechter Sammt mit Rosetten geschmückt und aus Mahagoniholz, das in Form eines Schwanenhalses geschnitzt war, anschaffen zu können. Aber das hätte mindestens fünfhundert Franken gekostet, und da sie in fünf Jahren Summa Summarum nur zweiundvierzig und einen halben Franken zu diesem Zweck hatte sparen können, so gab sie den Gedanken auf. Wer erreicht denn je sein Ideal?
Etwas Einfacheres kann man sich nicht vorstellen, als das Schlafzimmer des Bischofs: eine Glasthür nach dem Garten; ihr gegenüber das Bett: ein eisernes Hospitalbett mit einem Himmel aus grüner Serge; im Schatten des Bettes, hinter einem Vorhang, Toilettengegenstände, die noch die feinen Gewohnheiten des ehemaligen Weltmannes verriethen; zwei Thüren, die eine in der Nähe des Kamins, die andre nach dem Betzimmer; ein großer Bücherschrank; ein marmorartig angestrichner Kamin aus Holz, wo gewöhnlich kein Feuer brannte mit zwei eisernen Feuerböcken; über dem Kamin ein kupfernes, ehemals versilbertes Krucifix, das auf schäbigem Sammet befestigt und von einem früher vergoldeten Holzrahmen umgeben war. In der Nähe der Glasthür ein großer Tisch mit Tintenfaß, unordentlich hingeworfnen Papieren und dicken Büchern. Vor dem Tisch der Strohsessel. Vor dem Bett ein dem Betzimmer entlehnter Betstuhl.
Neben dem Bett hingen auf jeder Seite zwei Porträts in ovalen Rahmen. Kleine Inschriften mit Goldbuchstaben zeigten an, daß das eine Porträt den Abt von Chaliot, Bischof von Saint-Claude, das andre den Abt Tourteau, Generalvikar von Agde, Abt von Grand-Champ, von dem Cistercienser Orden, darstelle. Diese Porträts hatte der Bischof, als er in dem Hospital Wohnung nahm, in dem ehemaligen Krankenzimmer vorgefunden und sie dort hängen lassen. Waren es doch Bildnisse von Priestern, die vielleicht dem Hospital Schenkungen gemacht hatten, zwei genügende Gründe die Portraits zu behalten. Alles, was er von diesen Prälaten wußte, war, daß der König sie an demselben Tage, dem 27. April 1785, in ihre Aemter eingesetzt hatte. Diese Notiz hatte der Bischof, als Frau Magloire die Bilder eines Tages heruntergenommen hatte, um sie abzustäuben, auf einem vergilbten, auf der Rückseite des einen Portraits aufgeklebten Stückchen Papier gefunden.
Am Fenster hing ein Vorhang aus grobem Wollstoff, der schließlich so alt wurde, daß, um keinen neuen anschaffen zu müssen, Frau Magloire sich genöthigt sah, mitten drin eine große Naht zu machen. Diese Naht bildete ein Kreuz, und der Bischof machte oft darauf aufmerksam, mit den Worten; »Wie gut sich das ausnimmt!«