Letzte Hoffnung Australien - Adelheid Bürkle - E-Book

Letzte Hoffnung Australien E-Book

Adelheid Bürkle

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Beschreibung

Einst war Alexandra eine Berühmtheit in Deutschland. Aber das Leben meinte es nicht gut mit ihr. Nach einem tragischen Unfall muss sie in Sydney in Australien unter einem anderen Namen ein neues Leben beginnen. Als sie Gary, einen australischen Christen, kennen lernt, scheint ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu kommen. Jedoch steht sie dem christlichen Glauben skeptisch gegenüber und Australien ist auf einmal nicht mehr so sicher, wie es zuerst schien.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel: Allein

Kapitel: Suche

Kapitel: Opernhaus

Kapitel: Little Bay

Kapitel: Gottesdienst

Kapitel: Begegnung

Kapitel: Überlegungen

Kapitel: Davos

Kapitel: Misstrauen

Kapitel: Watson’s Bay

Kapitel: The Rocks

Kapitel: Hochzeit

Kapitel: Nützlich

Kapitel: Stellensuche

Kapitel: Kassieren

Kapitel: Kirche

Kapitel: Sorgen

Kapitel: Gewissensbisse

Kapitel: Janine

Kapitel: Kampf

Kapitel: Freiheit

Kapitel: Supermarkt

Kapitel: Alpträume

Kapitel: Einkaufen

Kapitel: Belauscht

Kapitel: Barnes

Kapitel: Manly Beach

Kapitel: Gierig

Kapitel: Feierabend

Kapitel: Wanderungen

Kapitel: Was nun?

1. Kapitel: Allein

Gedankenverloren blickt sie über den Pazifik - jenes tiefblaue, nimmer endende Meer, das der Horizont ganz weit hinten verschluckt.

Die Strandtasche mit einigen Utensilien baumelt lässig in ihren schön geformten Fingern der linken Hand, die rechte trägt ein paar weiße Stöckelschuhe. Barfuß spaziert sie über den goldgelben Sandstrand des „Bondi Beaches“. „Bondi Beach“ - jener weltbekannte Strand Australiens in der Nähe der Millionenmetropole Sydney im Bundesstaat New South Wales.

Sie fühlt sich wieder gut, denkt sie. Und das beinahe ein Jahr nach dem fürchterlichen Unfall in den Schweizer Alpen. Sanft streicht sie über ihre Wangen. Der Schönheitschirurg hat wirklich gute Arbeit geleistet - nicht die kleinste Narbe spürt sie unter ihren Fingern, als sie zaghaft über ihre weiche Gesichtshaut fährt. Nach etlichen Wochen des Bangens, des Hoffens und der Angst, sie könne für immer entstellt sein, weiß sie, dass sie wieder gut aussieht.

Obwohl sie ihre Freunde von damals nie mehr wiedererkennen würden. Ihr einstmals braunes, glattes Haar trägt sie jetzt rabenschwarz - durch eine Dauerwelle in Form gebracht, in gleichmäßigen Wellen um ihren Kopf liegend.

Leicht rieselt der feine, goldgelbe Sand durch ihre Zehen – vorsichtig läuft sie darüber und versucht, nicht auf die durchsichtigen blauen „Shelly-Fish-Tiere“ zu treten. Shelly-Fish - eine Quallenart, die massenweise an die australischen Strände gespült werden, um dort im gleißenden Sonnenlicht auszudörren, aller Lebenskräfte langsam beraubt zu werden. Ein beinahe grausamer Tod, aber der Lauf der Natur.

Sie lässt die Schuhe in den Sand fallen, die Strandtasche daneben, und setzt sich. Sicher stehen einige ihrer Habseligkeiten in zwei Koffern in einem Mittelklassehotel im Stadtteil Glebe.

Versonnen weilt sie am Strand, umringt von lachenden Australiern, die sich die Mai-Sonne auf die Körper scheinen lassen. Hier scheint der Sommer kaum ein Ende zu nehmen - hell überstrahlt die Sonne die ganze Szenerie - den gelben, weiten Sandstrand, der von großen, mondänen Hotels und anderen Bauten gesäumt ist.

Eigentlich sollte sie sich endlich wieder glücklich fühlen - die Frau, deren Lächeln einst Europa bezauberte. Sie, die Fürstin von und zu Blauberg-Schön, einem alten deutschen Adelsgeschlecht. Sie ist vielem entronnen, weil es notwendig war. Sie musste fliehen, weil eine Ehe mit ihrem jordanischen Freund vielen Leuten ein Dorn im Auge war. Sie musste fliehen, weil sie nach der Scheidung von Harro zu Blauberg-Schön nicht mehr in die europäische heile Welt des Hochadels passte. Jene Welt, die nur nach außen heil war, aber nach innen so unpersönlich und so steril wirkte.

Die von und zu Blauberg-Schöns, deren starre Etikette mit einem festgefrorenen Lächeln auf den Lippen sie fast zerstört hatten.

Die Welt, die sie einst sehr liebte, denkt, dass sie tot ist. Getötet bei einem Absturz vom Berg Piz Linard in der Schweiz. In einem Gebiet, in dem Berge in den Himmel hinauf ragen. So, als wollten sie die Sterne berühren.

Aber sie weilt bei schönem Wetter im Traumland „Down-Under“, in der Nähe von Opernhaus und „Harbour Bridge“, Kängurus und Koalas. Hier auf dem weiten Kontinent, den sie bereits bei ihrer Hochzeitsreise dorthin als glückliche Ehefrau von Fürst Harro zu Blauberg-Schön ins Herz geschlossen hatte. Aber sie fühlt sich hier wie ein Fremdkörper. Nicht, weil sie Deutsche ist und keine Australierin. Sondern weil sie immer noch mit vielen inneren Schmerzen zu kämpfen hat.

Der Kummer, ihre Kinder in Deutschland gelassen zu haben.

Zu arg nagen tiefe Wunden in ihrem Herzen, haben Löcher wie Krater hineingefressen. Man hat ihr nahegelegt, hier im fernen Australien ein neues Leben anzufangen. Als neue Person, nicht mehr als die Alexandra von Blauburg-Schön von einst. Sie genießt die Ruhe, die sie jahrelang nicht hatte. Sie genießt die Anonymität - die sie als Person des öffentlichen Interesses nie hatte. Sie wird nie mehr von Paparazzi verfolgt werden - sagte man nicht, man werde ihr behilflich sein, sich wieder ins normale Leben eingliedern zu können? Als eine von vielen, unbehelligt von Fotografen, Journalisten, gierigen Magazinlesern, denen der Sinn danach stand, sie auf unklaren Fotos mit Liebhabern zu erkennen, um sich einen Reim auf ihr Privatleben machen zu können.

Vor einem Jahr noch bummelte sie Hand in Hand mit Ali Ben Saba über einen abgeschiedenen Strand in Italien. So gut wie möglich abgeschottet von den geldgierigen Fotografen, die in ihren Motorbooten in sicherem Abstand mit gezückten Kameras startbereit auf der Lauer lagen, um wenigstens ein unklares Foto zu schießen. Ein Foto, für das so mancher Verleger Millionen auf den Tisch blätterte. Nur, um es dann in einem der vielen Massenblätter veröffentlichen zu können.

Aber dennoch waren sie und „ihr“ Ali Ben Saba glücklich und unbeschwert. Zum ersten Mal seit langem schmiedete sie wieder Zukunftspläne. Ali Ben Saba hatte ihr die Sterne vom Himmel versprochen. Zur Krönung ihrer Liebe verbrachten sie so viel Zeit wie möglich miteinander auf Ali Ben Sabas schnittigem Motorboot. In England suchten sie fleißig nach einem Haus, in dem sie ihre Zukunftspläne verwirklichen konnten.

Ja - damals schien die Welt noch in Ordnung zu sein. Bis zu jener katastrophalen Bergtour in den Schweizer Alpen, der das mühsam konstruierte Gebäude ihres persönlichen Glücks in Schutt und Asche legte. Jemand hatte sie vom Berg gestoßen...

Nun ist ihr Äußeres komplett verändert. Was sie hier in Australien anstrebt, sind ein geordnetes Leben, eine geregelte Zukunft. Sie streicht über ihre Haare und lächelt.

Das Lächeln, das einst Millionen verzauberte. Das Lächeln, das das trügerische Bild einer Märchenprinzessin schuf, die innerlich aber so todunglücklich war.

Ja, niemand würde sie mehr erkennen, wenn er ihr auf der Straße begegnen würde.

Niemand - es sei denn, er sähe dieses Lächeln.

Bondi Beach – einer der bekanntesten Strände der australischen Stadt Sydney

2. Kapitel: Suche

Endlich vorbei!“, denkt Gary Sheringham, als er sich in die braun-weiß-karierten Polstersitze seines marineblauen „Golf-Sportsvans“ fallen lässt. Die Arbeit im Einkaufsbüro des „Dritten Sydneyer Polizeidistriktes“ macht ihm schon längst keinen Spaß mehr. Die Aufstiegschancen sind gleich Null, die Arbeit plätschert dahin im täglichen Einerlei eines längst bekannten Fahrwassers. Es gibt keinerlei Herausforderung, Tag für Tag droht ihn, noch mehr in seine persönliche Einsamkeit zu reißen wie ein unerbittlicher Strudel.

Abends verläuft sein Leben kaum anders. Gähnende Leere empfängt ihn in seinem spärlich eingerichteten Apartment, das gerade mal aus einem Bett, einem Tisch, zwei Stühlen, einem Kleiderschrank, einem Fernseher und einer Küche und Bad besteht. Ein schmales Holzregal mit einigen wenigen Büchern zeugt von seiner Gesinnung. „Jesus - heute noch aktuell?“, „Das Vaterherz Gottes“ und „Jesus - unser Schicksal“ liest man auf einigen der abgegriffenen Buchrücken.

Kein Zweifel - Gary ist Christ.

Aber heute fühlt er sich wieder besonders einsam. Das Gefühl der Einsamkeit nagt an seiner Seele wie eine Ratte an altem Brot. Dabei sollte er doch als Christ nicht einsam sein, hat nicht Jesus verheißen, bei jedem Christen zu sein?

Doch andere Christen haben eine Ehefrau, und die hat Gary nicht. Eigentlich dachte er immer, als Christ habe er keinerlei Probleme, eine Frau zu finden. Gläubige Frauen gäbe es doch dutzendweise in jeder Gemeinde. Doch die, die er fand, waren schon mit anderen Männern liiert oder sogar verheiratet. Es schien beinahe, als solle es Gary nie gelingen, eine Frau zu finden. Als solle er sein ganzes Leben lang ein Single bleiben. So wie Paulus zum Beispiel.

Gary seufzt. Er beneidet Paulus. Für ihn schien die Einsamkeit gut erträglich, aber Gary sehnt sich heute wie nie nach einer Partnerin fürs Leben.

Aber wozu gibt es denn Kontaktanzeigen? Die Zeitschrift „Christianity today“ bietet Woche für Woche eine Ecke für Anzeigen - und es scheinen von Ausgabe zu Ausgabe mehr Leute zu werden, die einen Partner suchen. Anscheinend kämpft nicht nur Gary mit demselben Problem.

Und deswegen hat er letzte Woche eine Anzeige unter „Chiffre“ in dieser Zeitschrift platziert.

Das ist seine letzte Hoffnung, an die er sich klammert wie an einen Strohhalm.

In einem ausführlichen Gebet dankt er seinem Schöpfer für die Möglichkeit einer Kontaktanzeige und bittet um einige ernstzunehmende Zuschriften. Zuschriften von Christinnen, unter denen doch eine die Frau fürs Leben sein möge. Anschließend setzt er sich vor seinen Fernseher, um die „ABC-News“ (Nachrichten im Fernsehprogramm ABC) anzuschauen.

3. Kapitel: Opernhaus

Alexandra stochert lustlos in ihrem Frühstück. Für ein Mittelklassehotel schmeckt das Frühstück leider nur mittelmäßig. Sie vermisst ihr morgendliches Müsli. Die vorgesetzten Rühreier sind zu wässrig, die Tomaten und Pilze angebrannt. Aber sie wird sich nie bei der Hotelverwaltung beschweren.

Vielleicht sollte sie ihrem Anwalt sagen, er solle sich beschweren.

Seufzend erhebt sie sich, auf ihrem Teller liegen noch die traurigen Reste des verschmähten Frühstücks. Zurück im Zimmer bürstet sie ihre Mähne mit einem Strähnenkamm. Das weiße T-Shirt mit der Aufschrift „Sydney 2000“ flattert munter um ihre Wespentaille. Schlank war sie schon immer, schlecht sieht sie trotz der gravierenden Veränderungen in ihrem Gesicht nicht aus.

Wie geht es wohl Ali Ben Saba? Man sagte ihr, er sei tot. Abgestürzt, genauso wie sie. Aber sie glaubt niemandem.

‚Ali Ben Saba‘, denkt sie. Vielleicht lebt er noch. Irgendwo versteckt, irgendwo anonym, damit sie ihn nie wieder findet.

Weil es nicht passend für ihr Bild in der Öffentlichkeit war, dass sie mit einem Moslem glücklich wurde. Sie wusste, dass diese Verbindung viele Feinde auf sich zog, aber sie ahnte nie, dass alles in diesen schrecklichen Unfall ausufern würde.

Eine Häufung unglücklicher Ereignisse, die sich alle an jenem warmen Augustabend zusammenballten. Einem Abend, an dem sie und Ali Ben Saba zum letzten Mal glücklich waren.

Sie denkt an Harro und Petra. Petra, die ihre Ehe zerstört hatte. Sie verscheucht den Gedanken an ihre ehemalige Nebenbuhlerin mit einer unwirschen Handbewegung. So, wie man eine lästige Fliege verscheucht.

Harro weilt glücklich in Deutschland, genießt jeden Morgen ein Rührei mit Schinken und Tomaten. Vielleicht noch angereichert mit einem Paar Schweinswürsten - wer weiß. Dazu eine gute Tasse Kaffee im Kreise seiner Eltern. Und sicherlich verschwendet er kaum noch einen Gedanken an sie - Alexandra, einst Prinzessin von und zu Blauberg-Schön. Also sollte sie aufhören, auch an ihn zu denken.

Das ist allerdings leichter gesagt, als getan. Zur Ablenkung beschließt Alexandra, ihre Lieblingssehenswürdigkeiten in sich aufzusaugen. So, wie ein trockener Schwamm herrlich klares Wasser in sich aufsaugt. Endlich muss sie schwimmen lernen - allein in einem fremden Land.

Marilyn Benton-Stout. So nennt sie sich jetzt. Sie klappt ihren neuen Reisepass wieder zu. Es ist ein britischer Pass. Den Pass, den ihr der Anwalt besorgte.

Es wird Zeit, dass sie ihn wieder trifft, um weitere Schritte mit ihm zu besprechen. Schritte, die aus ihr einen normalen Menschen in dieser einstigen Kolonie Großbritanniens machen sollen.

Aber zuerst einmal fährt sie mit der Bahn nach „Circular Quay“, einen berühmten Platz am riesigen Hafen von Sydney, an dem die Fährschiffe rund um die Uhr anlegen. Sie sieht sich um - Menschen aller Nationalitäten sprudeln lärmend aus den U-Bahn-Schächten und von der Anlegestelle. Und dort drüben erblickt sie das weltberühmte Opernhaus!

Langsam schlendert sie dorthin, lässt sich eine sanfte Meeresbrise leicht um die Nase wehen. Der Hafen von Sydney ist riesig, man benötigt viel Zeit, um die zahlreichen Buchten zu erkunden, durch das Gebüsch zu schlendern und den atemberaubenden Ausblick zu genießen.

Sie atmet die würzige Meeresluft ein - wie Lebenselixier. Und sie hört das Plaudern etlicher Menschen und das Schreien einiger Möwen. Jedoch schneidet ihr der Anblick vorbeischlendernder Pärchen unerwartet tief ins Herz. Wie sie sich liebevoll gegenseitig anlächeln, fest ihre Hände drücken und wie sie im Gleichklang nebeneinander spazieren! Genau wie Ali Ben Saba und sie vor einem Jahr ...

Vielleicht sollte sie sich nach einem Mann umsehen. Nach einem soliden Australier, der treu und nett ist. Sie sollte sich darüber mit ihrem Anwalt unterhalten.

Sie will sich ihre Laune nicht verderben lassen! Aber ihre Vergangenheit, der Geruch dessen, was sie um des lieben Friedens willen, des unbefleckten Ansehens der Blauberg-Schöns willen, verlor, begegnet ihr unwillkürlich auf Schritt und Tritt.

Wieder steht Alexandra vor dem Opernhaus und verharrt zunächst in andächtigem Staunen. Dieses Gebäude ist in Wirklichkeit beeindruckender, größer und schöner als jeder, der es nur von Fotos her kennt, es sich jemals vorgestellt hat.

Heute allerdings scheint dieses imposante Gebäude seinen Reiz verloren zu haben. Jedenfalls für Alexandra. Liegt es daran, weil sie so viel verloren, so viel erlebt, so viel geopfert und hinter sich gelassen hat?

Ansonsten strahlt das Opernhaus mit seiner eigenwilligen Architektur einen besonderen Charme aus. Majestätisch thront es am Bennelong Point, gegenüber der „Harbour Bridge“, auf einer der Landzungen im riesigen Hafen der interessantesten Stadt Australiens. Weiße, ineinandergestapelte, geöffnete Muschelhälften machen den Reiz des Opernhauses aus. Dieses Bauwerk ist einmalig auf der ganzen Welt.

Heute bricht sich das gleißende Licht des Sonnenscheins in Tausenden von weißen Facetten. Facetten wie gleichmäßige Puzzleteilchen, aus denen jede Muschelhälfte zusammengesetzt ist.

Sie steigt die breite Treppe mit ungefähr siebzig Stufen zum Haupteingang hinauf. Oben angekommen, schweift ihr Blick über die Wolkenkratzer Sydneys, „Circular Quay“ und schließlich „The Rocks“, das älteste Viertel der Stadt.