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»Warum bezaubern diese Gedichte? Leonor Gnos wählt ein leises behutsames Sprechen, und zugleich wirkt ihre Aussage kraftvoll, steckt voller Intensität. Zart und stark gebärden sich diese Texte, die mit einer originären Stimme sprechen.« Beatrice Eichmann-Leutenegger
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Seitenzahl: 20
für Andrea, für Irina
Wir sind das, was wir sagen, aber auch das, worüber wir schweigen.
Jon Kalman Stefansson
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Das Leuchten der roten Amaryllis
im Geburtstagsstrauss
Gleichnis der Blütenblätter
an den Fruchtkelch geklammert
purpurner Staub fährt durch die Finger
dazwischen Spitzes Scharfes
Wacholder- und Weissdornzweige
warnen vor Wunden
Lavendel tanzt beschwingt klingt
stimmhaft-hell luftverwandt
sein Parfüm
belebt das Blau der Felder
Ausbruch dringender Pracht und Wärme
Sonnenflecken in den Rinnen
das Land liebt Farbtöne
kein Evergreen
ein Everblues der Lavendel
Sommerabend Wankelmut
Stechmückengeschwirr
ein Magnet meine Haut
in die ich Sternzacken ritze
das Blut dosenweise aufzuteilen
später bläuliche Färbungen
auch auf den Bäumen
dort ist Dämmerung
und eher ein Glanz
Abends bin ich da
wenn du deine Hand
an mein Gesicht legst
und in mein Gedicht
hinein willst
Wenn ich nachts mit der Hand
über die nasse Stirn fahre
höre ich Sand
durch die Finger rieseln
Die Nächte vergessen einander
im Morgengrauen
zwischen uns und den Träumen
ein Aschefunken
die blaue Stunde
aufgehoben zwischen uns
Die Winde wehen
die Wege nirgends hin
der Fuss des Läufers
befreundet sich
mit einem Strohhalm
Küstenvögel stürzen ins Zwielicht
die verrückten Schatten
tragen den Nachtwind
ich habe eine Sandblume
auf der Schläfe
in den Pupillen den Stachel
was die Lippen lecken
frage ich mich
und warum die Gischt so rot
Ich lasse das Fenster
im Mistral anschlagen
damit er meine Innenwelt aufbläst
mit dem Wind auf den Lippen
sage ich kein Wort
es ist der Mond
der goldgelb
hinter den Hügeln auftaucht
steigt und steigt sich rundet
über der unendlichen Weite
des Horizonts
Die Kirschblüten
empfangen mich
ein Frühlingsflor vor der Sonne
nur mein Gesicht
ist im Hellen
so dauert
die Liebe
in meinem Heimatdorf
Das Laub fällt von den Bäumen
aus den Gärten
kreischt die Fräsmaschine
im Nieselregen rieche ich
die Fährte des Sägemehls
ein herbstsüssliches Parfüm
die Äste strecken sich wie Lanzen
der Motorsäge entgegen fallen
mit voller Wucht auf den Boden
Waffen sagen
die Zeit hat keine Worte mehr
Erst schnattern in den Gärten
die Elstern dann finden auch sie
keinen sicheren Ort
von der Blutfräse durchschnitten
fällt der Stamm auf die Erde
der Schlag schreckt die Luft auf
wieder fehlt ein Baum