Liebe Rock - Tom Zürcher - E-Book

Liebe Rock E-Book

Tom Zürcher

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Beschreibung

Timm ist achtzehn und Schulabbrecher und will hoch hinaus. Als erster Schritt zieht er von zu Hause aus – und bei der Kellnerin Rock ein. Dort freundet er sich nicht nur mit ihrem Hund an, er ist auch mit Mitbewohner Marc konfrontiert. Weil er in ihm einen Rivalen um Rocks Liebe sieht, torpediert Timm ihn, wo er kann, und montiert Teile aus dessen unfertiger Dissertation in seinen zweifelhaften Cut-up-Roman. Wenngleich völlig ahnungslos, hat sich Timm nämlich in den Kopf gesetzt, Schriftsteller zu sein. Sein Vater setzt sein gesamtes Geld und alle Hebel in Bewegung, um das zu ermöglichen. Timms absurder Erstling fällt, trotz seiner großen Ambitionen, bei der Kritik zunächst durch, doch dann scheint sich das Blatt zu wenden … Der neue, aberwitzige Roman von Tom Zürcher, der mit "Mobbing Dick" 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Ein sympathischer Hochstapler und seine Nöte: Wie man einen Bestseller schreibt und dabei sein Leben immer weiter vermurkst.

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Copyright © 2021 Picus Verlag Ges.m.b.H., WienAlle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, WienUmschlagabbildung: © acilo/iStockphoto

ISBN 978-3-7117-2110-5

eISBN 978-3-7117-5451-6

Informationen über das aktuelle Programm des Picus Verlags und Veranstaltungen unterwww.picus.at

Tom Zürcher, 1966 geboren, ist freier Texter. Meistens textet er in Zürich. Er textet alles, was das Leben von ihm verlangt, doch am liebsten textet er Romane. Keine Mitgliedschaften, keine Jurys, keine Pläne. In festen Händen

Tom Zürchers letzter Roman »Mobbing Dick« war 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert.

TOM ZÜRCHER

LIEBE ROCK

ROMAN

PICUS VERLAG WIEN

Für IsabelleFür Gino

Inhalt

Kapitel 100–91

Kapitel 90–81

Kapitel 80–71

Kapitel 70–61

Kapitel 60–51

Kapitel 50–41

Kapitel 40–31

Kapitel 30–21

Kapitel 20–11

Kapitel 10–0

100

Liebe Rock, wenn du das liest, bin ich tot. Tot wie dein Hund, der sich immer gewundert hat, dass ich dich rumgekriegt habe. Dabei wusste er, dass es ein Trick war, ich habe es ihm erzählt. Ein kleiner, fieser Trick, Rock, du wirst dich gleich in den Hintern beißen, auf den immer alle gestarrt haben, wenn du mit dem Tablett durch die Kneipe bist. Ich habe auch geguckt, klar, aber so, dass man es nicht merkte.

Eines Abends bist du dann neben meinem Tisch stehen geblieben und hast gefragt, was ich da die ganze Zeit in mein Wachstuchheft schreibe. Einen Roman, sagte ich, ich bin Schriftsteller. Ob ich nicht noch etwas jung für einen Schriftsteller bin? Überhaupt nicht.

Schreibst du über mich?

Nö.

Zeig mal her.

Du last den Satz von den alten Säcken, die mit ihren wässrigen Äuglein deine Jeans auszogen.

Das sind meine Jeans, oder?

Nein.

Feigling.

Ja.

99

Am nächsten Abend hast du dich an meinen Tisch gesetzt und gesagt: Hör zu, Kind. Ich brauch einen Text.

Du wolltest ein Zimmer ausschreiben. Es war klein und eng, aber ich sollte es so formulieren, dass es nicht nach Abstellkammer klang.

Kriegst du das hin?

Krieg ich das Zimmer?

Was?

Ich wohnte noch zu Hause, aber dort konnte ich nicht schreiben. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, meine Eltern schauen mir über die Schultern und fragen sich, wann das Buch endlich fertig ist. Du nanntest mir den Preis und ich war einverstanden.

Zahlung im Voraus. Keine Drogen in der Wohnung.

Ich nehme keine Drogen, sagte ich. Ich trinke.

Alle meine Lieblingsschriftsteller trinken und ich wollte so sein wie sie, Rock. Ich ging das Geld abheben.

98

Als ich am nächsten Tag mit meiner Tasche bei dir einzog, war ich noch nicht verliebt in dich. Ich schaute dich gern an und mochte es, wie du dich in deinen Jeans bewegtest, aber mehr war da nicht. Du gehst übrigens wie ein Junge, hat dir das schon mal einer gesagt?

Ich fand dich zusammen mit Marc und etwas Sonne in der Küche. Marc war gerade vom Hund gebissen worden und du träufeltest Wundbenzin auf seinen Unterarm. Er schüttelte sein männliches Kinn aus und verlangte, dass der Hund eingeschläfert wird.

Aber sonst geht’s dir gut?

Es ist mein Ernst, Rock. Der Hund ist gestört.

Blödsinn, er mag dich nur nicht, das ist alles.

Du klebtest ihm ein Pflaster auf die Wunde, drücktest es mit deinen warmen Händen fest und da erwischte es mich. Es schoss wie ein nasser Blitz durch mich hindurch und ich stand in Flammen. Zugleich fühlte ich, wie beschädigt ich war und dass alles noch viel mehr auseinanderfallen würde, jetzt, wo ich so lichterloh brannte.

Der Hund saß unter dem Tisch und schaute hervor. Mein Mund war ganz trocken geworden und ich sagte zu ihm, Hallo, Herr Hund. Ihr bemerktet mich endlich.

Das ist Timm, sagtest du zu Marc.

Timm, aha.

Timm nimmt das kleine Zimmer.

Die Abstellkammer?

Ich ging nach hinten, stellte die Tasche auf den kleinen Tisch und setzte mich aufs Bett. Ich vergrub mein glühendes Gesicht in den Händen, die nach der Banane rochen, die ich auf dem Weg zu dir gegessen hatte. Etwas in mir sagte, steh auf und geh, aber wohin hätte ich gehen sollen, Rock, etwa wieder nach Hause? Meine Eltern hätten das als Scheitern gewertet und ich war nicht gescheitert, ich hatte mein Wachstuchheft und das war schon recht vollgeschrieben.

Marc kam in mein Zimmer und sagte, da sind noch Sachen von ihm drin. Wir schafften ein paar Kisten und ein rotes Superbike zu ihm rüber. Dann standen wir vor seinem großen Schreibtisch und er sagte:

Du bist also Timm.

Nein.

Nein?

Ich weiß nicht, wieso ich das sagte. Ich glaube, ich wollte einfach kein solcher Langweiler sein wie er.

Wer bist du dann?

Ich betrachtete mich im Spiegelschrank. Und dann haute ich den besten Satz raus, der mir je in den Sinn gekommen ist. Er kam von tief unten, ich hörte, wie er langsam hochstieg, es rauschte und zitterte in meinen Ohren und ich sagte:

Ich bin der, der Timm spielt.

Marc kehrte in die Küche zurück und ich schrieb den Satz ins Heft. Dann ging ich ebenfalls in die Küche und hörte auf dem Weg, wie Marc zu dir sagte:

Der ist gestört.

Wieso, hat er dich gebissen?

Marc wollte wissen, woher du mich kennst und du sagtest, aus der Kneipe.

Aber da verkehren doch nur alte Säufer.

Keine Bange, Timm säuft auch. Er ist Schriftsteller.

Das beeindruckte Marc. Er wollte wissen, welche Bücher von mir sind.

Ich arbeite noch an meinem Erstling, sagte ich.

Dann bist du kein Schriftsteller.

Doch, ich schreibe einen Roman.

Schriftsteller ist man erst, wenn man veröffentlicht hat.

Und was ist man bis dahin?

Keine Ahnung, sagte Marc. Vielleicht einer, der einen Schriftsteller spielt?

Nicht schlecht, dachte ich. Er selber war auch ganz entzückt von seinem Satz, reckte stolz sein Kinn. Du wartetest darauf, dass ich etwas entgegnete, aber ich brachte nichts heraus. Ich sah in deine schwarzen Augen und schwitzte. Liebe muss flüssig sein, Rock, wie sonst kann sie so in einem kochen?

97

Am Abend bist du zur Arbeit gegangen und hast Marc und mich allein in der Wohnung gelassen. Das konnte nicht gut gehen.

Marc briet sich ein Omelett und ich fragte, ob ich was davon abhaben kann. Er meinte, einer muss noch mit dem Hund raus und ich sagte, gut, ich mach’s, wenn er mir sein Handy leiht. Kein eigenes?

Nö.

Wie kann man so leben?

Im Treppenhaus fragte ich den Hund, ob du und Marc ein Paar seid. Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass Marc dich hin und wieder fickt, weil er dann aus dem Zimmer muss.

Hast du ihn deswegen gebissen?

Er hat so laut gepfiffen.

Wir müssen schauen, dass er das nie wieder tut, sagte ich.

Pfeifen?

Das auch.

Im Park nahm ich die Leine ab und der Hund trottete zu den Bäumen. Ich rief zu Hause an. Mutter nahm ab und sagte, sie kann jetzt nicht reden, sie ist am Kochen. Sie klang verstimmt und ich wusste wieso. Ihr ältester Sohn war heute ausgezogen und das steckt man nicht so einfach weg als Mutter. Als Sohn auch nicht. Das wollte ich ihr sagen, drum hatte ich angerufen. Hast du dir endlich ein Handy gekauft?

Gehört dem Freund von Rock.

Deine Freundin hat einen Freund?

Kumpelfreund.

Ich hatte den Eltern erzählt, dass du meine Freundin bist. Damit sie sich einen Reim auf meinen plötzlichen Auszug machen konnten und nicht dachten, es ist wegen ihnen.

Du, ich kann hier prima schreiben, sagte ich jetzt zu Mutter. Ich hab vorhin einen Wahnsinnssatz hinbekommen, möchtest du ihn hören?

Ist gut, sagte sie und hängte auf.

Ich ging den Hund suchen.

Marc wartete mit dem Essen auf mich. Einen Salat hatte er auch noch gemacht. Er versuchte mich auszufragen, aber ich passte auf und gab nicht viel preis von mir. Ich holte mein Wachstuchheft und schrieb ein paar Sätze am Küchentisch, damit er sah, dass ich ein richtiger Schriftsteller bin. Er stellte die Teller in die Spüle und verzog sich in sein Zimmer.

Aus einer offenen Flasche schenkte ich mir etwas Rotwein ein. Dann ging ich in dein Zimmer, deine warme Höhle aus Tüchern und Kissen, und legte mich auf die Matratze. Ich bedeckte mein Gesicht mit einem T-Shirt von dir und spürte, wie du mich küsstest. Mein Herz klopfte wie wild.

Als ich aufwachte, schaute Marc auf mich herunter. Er steckte in einem weißen Unterleibchen und sah aus wie ein Vorturner. Du standest neben ihm. Ich war nicht allein im Bett, der Hund hatte sich zu mir gelegt. Jetzt stand er auf und zottelte aus dem Zimmer. Ich rührte mich nicht. Ich wollte nicht, dass Marc dir seinen gelben Schwanz reindrückt.

Komm schon, sagtest du.

Marc machte die Tür hinter mir zu.

Auf dem Küchentisch lagen Zigaretten. Ich zündete mir eine an und rauchte. Der Hund legte seine Schnauze auf mein Knie und schaute mich an. Ich kraulte seinen Hals, dann ging es los. Du warst so laut, dass es mich tief in den Bauch stach. Wie schafft es dieser Langweiler bloß, dich so zum Schreien zu bringen? Verprügelt er dich?

Das tut weh, sagte ich zum Hund.

Wenigstens pfeift er nicht.

Hättest ihn woanders beißen sollen.

96

Am nächsten Tag, als ich aufwachte, standest du halb nackt neben meinem Bett und strecktest mir die Hand hin. Ich dachte, du willst mich zu dir rüberholen und fragte, wo Marc ist.

Weg. Nun nimm schon.

Erst jetzt sah ich das Handy in deiner Hand. Mein Vater war dran, er sagte, er hat einen Verlag.

Was für einen Verlag?

Für dein Buch.

Es ist doch noch gar nicht fertig.

Kannst du um zwölf in der Kantine sein?

Ich brachte dir das Handy in die Küche, aber du warst unter der Dusche. Also las ich die Mitteilungen, die Marc dir im Laufe des Morgens geschickt hatte. Er war zu seiner Großmutter rausgefahren, die eine schlimme Nacht hinter sich hatte. Er wollte bis morgen bleiben, was ich gut fand, denn so konnte er nicht auf dir rumturnen. Über mich schrieb er auch etwas:

Hüte dich vor Timm. Ich trau ihm nicht.

Das traf mich. Er kannte mich noch nicht gut genug, um so etwas sagen zu dürfen. Ich schrieb zurück:

Hab auch eine schlimme Nacht gehabt. Hast mir wehgetan. Wieso hast du nicht aufgehört, hast doch mitgekriegt, wie ich vor Schmerzen geschrien habe. Das ist Vergewaltigung, du blöder Kerl. Wir sehen uns vor Gericht!

Ich schickte es nicht ab. Dafür las ich eine Nachricht von deiner Mutter, die soeben reinkam.

Guckst du mein Zeug an?

Ich hatte dich nicht gehört. Ich sagte, deine Mutter will zum Abendessen kommen.

Ich hasse das.

Dass ich’s gelesen habe?

Dass die Alte kommen muss.

Soll ich dabei sein? Als Marc-Ersatz?

Ach, Kind.

Du nahmst die Leine und gingst mit dem Hund raus.

Ich mochte es, wenn du Kind zu mir sagtest. Für Marc hattest du sicher auch einen Kosenamen, nanntest ihn Stier oder Stecher oder Pferdebauschen, doch ihn hattest du nur mit dem Schoß gern, während du mich mit dem Herzen einer besorgten Mutter liebtest.

Ich musste zu Vater. Es war fast zwölf.

Ich borgte mir das rote Superbike aus Marcs Zimmer und raste durch die Stadt. Als ich es vor der Kantine abstellte, merkte ich, dass ich kein Schloss dabeihatte. Ich lehnte es an die Fensterfront, damit ich es von innen im Auge behalten konnte.

95

Vater saß an seinem gewohnten Platz. Er trug Jackett und Krawatte und sah aus, als würde er immer noch hier arbeiten, dabei hatten sie ihn letztes Jahr entlassen. Sie nannten es Frühpensionierung, aber es war ein Rauswurf mit fünfundfünfzig. Wenigstens durfte er weiterhin in der Kantine essen, worüber wir alle sehr froh waren, denn die Kantine war dreißig Jahre lang sein Zuhause gewesen wie die Versicherung, zu der sie gehörte.

Da bist du ja, sagte er. Wir haben noch ein paar Minuten, bis er kommt.

Bis wer kommt?

Der Verleger. Wie war deine erste Nacht? Kannst du schreiben?

Der Verleger war lang und dünn. Er nahm neben Vater Platz und lächelte. Vater stellte ihn als ehemaligen Arbeitskollegen vor, der die Versicherung vor Jahren verlassen hatte, um einen eigenen Verlag zu gründen.

Und das hier, sagte Vater, ist mein Schriftstellersohn Timm. Kannst du mal was zeigen, Timm?

Ich holte mein Wachstuchheft hervor und fächerte es auf, damit man die eng beschriebenen Seiten sehen konnte.

Ist das alles?, sagte Vater.

Das sieht doch schon recht gut aus, fand der Verleger. Darf man fragen, worum es geht?

Um den ersten Satz, sagte ich.

Interessant. Nur um den ersten?

Nicht nur, aber er ist der wichtigste.

Mehr wollte ich nicht verraten. Vater strich sich nervös über die Krawatte und der Verleger lächelte. Ich sagte, der erste Satz ist wie ein Samenkorn, er trägt die ganze Geschichte bereits in sich und alle anderen Sätze sprießen aus ihm heraus. Der Verleger fragte, ob man diesen famosen ersten Satz einmal hören dürfte.

Nein.

Hast du ihn etwa noch nicht?, sagte Vater.

Klar hab ich ihn.

Ich klappte das Heft zu.

Rock, ich hatte eine Menge guter Sätze, aber der erste war noch nicht dabei. Ich wusste, wie sich ein perfekter erster Satz anfühlt, ich hatte mal einen geschrieben. Das war während eines Kinderschreibwettbewerbs, den die Versicherung veranstaltet hatte. Ich konnte nicht mehr aufhören zu schreiben, kritzelte wie im Rausch einen riesengroßen Gurkensalat zusammen und gewann einen silbernen Kugelschreiber.

Eine Frau von der Personalabteilung sagte, dass ich großes Talent besitze, da kein anderes Kind so viel geschrieben hatte. Vater erzählte es beim Abendessen meiner Mutter und ich sah, wie sie meine Geschichte nahm und im roten Ordner ablegte, wo sie alle wichtigen Sachen aufbewahrte.

Die Kantine füllte sich. Vater nickte ein paar Kollegen zu. Der Verleger sagte:

Gut. Ich mache es.

Was machst du?

Das Buch.

Ist das wahr?

Mir gefällt es. Diese sprießenden Sätze – toll.

Hast du gehört, Timm? Du hast einen Verlag!

Wir müssen uns noch über den Vorschuss einig werden, meinte der Verleger, aber Vater winkte ab, zuerst wird gegessen, kommt, ich lade euch ein.

Wir nahmen Pasta mit etwas Fisch. Der Verleger kam nochmals auf den Vorschuss zu sprechen und schlug zwanzigtausend vor. Ich war sofort einverstanden, aber leider war es anders gemeint. Der Vorschuss sollte für den Verlag sein, als Kostenbeteiligung für Druck und Vertrieb.

Woher soll ich zwanzigtausend nehmen?, sagte ich.

Ich strecke es dir vor, sagte Vater, aber ich schüttelte den Kopf, er hatte selber kein Geld.

Du willst doch Schriftsteller werden, Timm.

Das bin ich bereits.

Genau genommen ist man es erst, wenn man ein Buch herausgebracht hat, sagte der Verleger.

Und was ist man bis dahin?

Gute Frage. Ich werde das für Sie abklären.

Er machte sich eine Notiz und Vater guckte mich an und sagte, Timm, lass mich den Vorschuss übernehmen. Du kannst es mir zurückzahlen, sobald die Tantiemen fließen.

Und wenn sie nicht fließen?

Oh da bin ich zuversichtlich, sagte der Verleger. Er meinte, man muss sich den Roman gedruckt vorstellen, wie er mit einem schönen Umschlag im Buchladen aufliegt. Ich sah Mutter, wie sie im Regen vor einem Schaufenster stehen bleibt, weil sie darin mein Buch entdeckt hat.

Also gut, sagte ich.

Vater klatschte in die Hände und der Verleger lächelte.

Als ich aus der Kantine trat, war das rote Superbike weg. Die Sonne schien.

94

Zu Hause fischte ich eine Unterhose aus dem Wäschekorb und hielt sie dem Hund vor die Nase. Er weigerte sich, daran zu schnuppern.

Komm, die gehört Marc. Wir müssen sein Bike finden.

Auf der Straße zog er sofort in Richtung Park, dass ich dachte, er hat Witterung aufgenommen. Aber er wollte nur zu seinen Bäumen. Das Superbike war verloren und ich war es auch. Quatsch, ich hatte keine Angst vor Marc.

Der Nachmittag war viel zu hell. Ich ließ den kleinen Rollladen im Zimmer runter und ging schlafen. Abends kam dann deine Mutter zum Essen und verriet mir diesen kleinen, fiesen Trick.

93

Du warst nicht gut drauf. Du aßt eine halbe Zwiebel, die vom Kochen übrig geblieben war, und rauchtest eine Zigarette dazu. Ich deckte den Tisch. Neben dem Herd standen fünf Flaschen Rotwein. Entkork sie alle, sagtest du. Du erträgst deine Mutter nicht nüchtern.

Ist sie so schlimm?

Du wirst schon sehen.

Was ich dann sah, war eine wilde Schönheit mit roten Haaren. Wir mochten uns auf Anhieb. Es lag auch daran, dass wir ein paar gute erste Sätze hatten. Ich machte die Tür auf, als sie klingelte, und sie sagte:

Oh, wer bist du denn?

Ich bin der, der Timm spielt.

Und wen spielst du sonst noch so?

Marc.

Sie lachte und ich nahm ihr die Einkaufstüte ab und trug sie in die Küche. Sie hatte ebenfalls mehrere Flaschen Rotwein dabei. Ich schenkte die Gläser ein, wir setzten uns, aßen und tranken zu viel.

Du hattest Spaghetti mit Tomatensauce gekocht. Du sprachst fast nichts. Dafür redeten deine Mutter und ich umso mehr. Sie wollte alles übers Schreiben wissen, wann und wo ich’s tat und wie ich die richtigen Worte fand. Ich zeigte ihr das Wachstuchheft und sie durfte es sogar in die Hand nehmen und darin blättern.

Wo ist eigentlich Marc?

Bei seiner Großmutter, sagtest du.

Stimmt nicht, sagte ich, er ist hier.

Ich ging in sein Zimmer und holte ein weißes Hemd aus dem Spiegelschrank. Ich zog es an und streckte Brust und Kinn raus. Dann setzte ich mich wieder zu euch und kaute mit ernstem Gesicht Spaghetti. Deine Mutter lachte und du musstest schmunzeln.

Na, Marc, sagte deine Mutter, wie geht es deiner Frau Großmutter?

Großartig, sagte ich, sie ist gestorben.

Die Heiterkeit brach ab.

Trink nicht so viel, wenn du’s nicht verträgst, sagtest du.

Ich schenkte die Gläser voll und sagte, wir Schriftsteller vertragen eine Menge.

Vielleicht sollten wir alle etwas langsamer trinken, schlug deine Mutter vor.

Wir tranken und schwiegen.

Dein Handy läutete. Du reichtest es an mich weiter, es war mein Vater. Er sagte, der Vorschuss ist überwiesen, wir können loslegen.

Bist du beim Essen? Entschuldige, wollte nicht stören. Gute Nacht, Timm.

Gute Nacht, Papa.

Gute Nacht, Papa, äfftest du mich nach.

Wie nennst du denn deinen Vater?, fragte ich und du leertest dein Glas und knalltest es auf den Tisch. Ich soll mir gefälligst ein eigenes Handy anschaffen, du hast es satt, die Telefonistin für meine Familie zu spielen.

Liebes, sagte deine Mutter.

Fotze, sagtest du.

Dann legtest du dem Hund die Leine an und zogst ihn aus der Wohnung. Ich blieb allein mit deiner Mutter zurück. Ihre Augen waren ganz weich geworden. Wir schenkten uns gegenseitig Wein ein, bis es zu diesem blöden Pakt kam. Es steckte keine böse Absicht dahinter, Rock. Deine Mutter und ich kämpften nur um ein Stück Liebe von dir, jeder auf seine eigene, armselige Art.

92

Bist ganz schön verknallt, sagte deine Mutter.

Nein.

Sei ehrlich.

Nein.

Ich gab’s dann doch zu. Ich kleckerte etwas Rotwein auf Marcs Hemd und sagte, ich hätte gern seinen Bums.

Das richtige Rasierwasser würde genügen, sagte deine Mutter.

Was?

Sie meinte, es gibt da eins, das dich ganz verrückt macht. Ich holte Marcs Rasierwasser aus dem Badezimmer, aber sie schüttelte den Kopf:

Eine ältere Marke.

Wie heißt sie?

Sag ich nicht. Ich hab schon zu viel gesagt.

Ich löschte das Licht und zündete eine Kerze an. Deine Mutter holte das Handy aus der Tasche und schaute nach, ob du angerufen hast. Alberne Angewohnheit, sagte sie, du hast sie noch nie angerufen.

Wie, noch nie?

Gar nie.

Sie kratzte sich am kleinen Zebrastreifen-Tattoo am Handgelenk. Ihr Kopf stand in Flammen von den vielen roten Haaren, die jetzt nach allen Seiten abstanden. Sie hatte etwas von einer Hexe, einer sehr attraktiven Hexe mit einer noch attraktiveren Tochter, die, wie ich allmählich spürte, nicht nur mir das Herz gebrochen hatte.

Deine Mutter sagte, sie kann schon froh sein, wenn du nicht jeden ihrer Anrufe wegdrückst und ihr euch alle paar Monate hier in der Küche seht.

Was ist denn passiert?

Das Leben ist passiert. Das nackte Leben.

Sie stand auf und wankte zur Toilette.

Als sie zurückkehrte, schauten wir der Kerze zu. Sie gab ein schönes Licht. Ich erklärte deiner Mutter, ich kann dich vielleicht dazu bringen, sie anzurufen. Nein, das schafft keiner. Du würdest sie nicht mal anrufen, wenn sie im Sterben läge. Aber ich bin gut in solchen Dingen, sagte ich, ich bin ein Familienmensch.

Komm, lass uns wetten.

Hör zu, Timm, ich habe zu viel getrunken.

Wir haben beide zu viel getrunken. Worum wetten wir?

Was willst du?

Wenn Rock dich anruft, verrätst du mir den Namen.

Welchen Namen?

Vom Rasierwasser.

Nein, Timm. Wirklich nicht.

Zwei Gläser später schlug sie ein. Ich streute Salz über unsere Hände, damit es galt. Es gab eine große Sauerei auf dem Tisch und auf dem Wachstuchheft, ich war ziemlich hinüber.

Deine Mutter schaute wieder in die Kerzenflamme. Ihre Augen lösten sich in einem grünen See auf und ich sah auf dem Grund die tiefe Ohnmacht. Dann stand sie auf, zog ihre Tasche vom Boden hoch und ging zur Wohnungstür. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und versank im Treppenhaus.

Nachher blies ich die Kerze aus und aß im Dunkeln kalte Spaghetti aus der Pfanne. Ich war auch traurig. Die ganze Zeit schon, seit Vater angerufen hatte. Ich hatte Heimweh. Drum war die Wette mit deiner Mutter auch nicht unfair gewesen, es war nur ein Spiel unter Traurigen. Doch, es war doof, tut mir leid.

Ich hörte den Hund im Treppenhaus und knipste das Küchenlicht wieder an.

91

Du warst immer noch sauer, das sah man auf den ersten Blick.

Wo wart ihr denn so lange?

Och, hat Papa sich Sorgen gemacht?

Nein, aber deine Mutter. Ruf sie an.

Wohl besoffen.

Ja. Ruf sie an.

Wer hat das ganze Salz ausgeleert?

Ruf sie an und sag ihr, dass du gut nach Hause gekommen bist.

Du bist so ein Idiot, eh.

Und du eine miese Tochter. Das hat sie nicht verdient. Niemand hat dich verdient, Rock.

Du hörst jetzt besser auf, oder –

Oder was?

Du marschiertest auf die Toilette und knalltest die Tür zu. Ich nahm dein Handy und rief deine Mutter an. Sie ging sofort ran, sagte erwartungsvoll:

Ja?

Ich sagte mit verstellter Stimme:

Hab dich lieb.

Ich dich auch, Timm.

Rock ist gut nach Hause gekommen, sagte ich mit normaler Stimme und deine Mutter wünschte uns eine gute Nacht.

Als du wieder in die Küche kamst und sahst, dass ich mit dem Abwasch begonnen hatte, stelltest du dich neben mich und trocknetest ab.

Tut mir leid, sagtest du.

Ja, mir auch, sagte ich.

Ich hasse meine Mutter, sagtest du.

Wie kann man seine Mutter hassen?, sagte ich. Eine Mutter ist doch Liebe pur. Wie kann man Liebe hassen?

Du lächeltest wie über einen kleinen, naiven Jungen. Das ärgerte mich. Ich war genauso erwachsen wie alle anderen auch, nur nicht so steif und abgelöscht. Ich rächte mich, indem ich sagte, du hast zugenommen. Du lächeltest immer noch. Ich sagte:

Deine Spaghetti waren fad wie Schnürsenkel. Wir mussten nachwürzen, deine liebe Mutter und ich, drum das Salz überall. Du bist nicht nur eine miese Tochter, sondern auch eine miese Köchin.

Du schnapptest mein Wachstuchheft und versuchtest es zu zerreißen. Ich packte dich und wrang es dir aus den Händen. Dann wollte ich dich in den Schwitzkasten nehmen, aber wir fielen hin und kämpften auf dem Boden weiter. Das Hemd riss auf und die Knöpfe flogen durch die Küche.

Du hattest eine Wahnsinnskraft, nicht nur weil du wütend warst, auch sonst. Ich musste alles geben, damit du mich nicht mehr für einen kleinen Jungen hieltest. Wir wälzten uns eng umschlungen zwischen den Stühlen, schwitzten und keuchten und ich roch deine Haare, deine Haut und deine Hitze. Irgendwann ließen wir los und blieben zitternd auf dem Rücken liegen. So etwas Schönes hatte ich noch nie erlebt. Wir blieben eine ganze Weile so liegen, bis du aufstandest und ins Bad gingst.

Ich wusch fertig ab und wischte den Boden. Der Hund kam in die Küche und ich fragte ihn, was ich jetzt tun soll.

Wie wär’s mit schlafen?

Er streckte sich vor dem Kühlschrank aus und legte den Kopf auf die Pfoten.

Ich ging zu deinem Zimmer. Du standest nackt vor dem offenen Fenster und zogst dir ein großes T-Shirt über, das dir wie ein Nachthemd über die Hüften fiel. Du hattest ebenfalls ein kleines Zebrastreifen-Tattoo, dasselbe wie deine Mutter, aber versteckt in der Kniekehle.

Als du dich umdrehtest und mich sahst, schien es dir egal zu sein, dass ich dich nackt gesehen habe. Du verkrochst dich in dein Deckenparadies, ich blieb unter der Tür stehen: Darf ich bei dir schlafen?

Keine Antwort. Da zog ich Hose und Socken aus und legte mich auf eine freie Stelle auf der Matratze. Ich lag da in meinen Boxershorts und Marcs geschundenem Hemd und wartete darauf, dass du ausflippst und mich zum Teufel jagst. Aber nichts dergleichen geschah. Du gabst mir sogar ein bisschen von deiner Decke ab.

90

Am Morgen lag dann auch der Hund im Bett. Es war gemütlich zu dritt. Bis Marc ins Schlafzimmer trat, auf uns herunterstarrte und nach Luft schnappte. Deine Augen wurden zu zwei gefährlichen Schlitzen. Es wurde heiß, der Hund hechelte und Marc sagte:

Was habt ihr …?

Wonach sieht es denn aus?

Ha!

Marc blickte zwischen dir und mir hin und her und wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Du kratztest dich durchs Nachthemd-T-Shirt an der Brust und sagtest:

Ich gehör nicht dir, Marc. Ich gehör niemandem.

Er drehte sich um und stapfte aus dem Zimmer. Ich fragte, ob wir wirklich haben und du fuhrst mir durchs Haar und sagtest, träum weiter, Kind.

Wir wechselten in die Küche, du, der Hund und ich. Der Anblick der vielen leeren Flaschen trieb mir den Schweiß aus den Poren. Mein Kopf war mit Holzwolle ausgestopft. Ich stellte mich auf den kleinen Küchenbalkon und schaute zu den hohen Bäumen des Parks hinüber. Ihre saftigen Kronen schüttelten sich im Wind und ich atmete tief ein. Unten auf der Straße hupten die Autos. Sie waren ungeheuer weit unten, sahen aus wie Spielzeugautos und furzten um die Wette. Das dünne Balkongeländer gab nach, wenn man sich zu fest anlehnte.

Ich setzte mich zu dir an den Küchentisch, wir tranken Kaffee. Du sahst umwerfend aus. Ich tat, als beobachtete ich den Hund, der neben dir saß, dabei betrachtete ich deine Beine. Dann schaute ich dir ins Gesicht, direkt in die schwarzen Augen. Ich wusste, dass das gefährlich ist, dass man sich darin verlieren und für immer untergehen kann, aber ich war zu schwach, um zu widerstehen.

Was guckst du?

Du lachtest. Wie gern hätte ich jetzt dieses Rasierwasser gehabt. Marc kam in die Küche geschossen, den Kopf rot wie ein Superbike, er baute sich vor mir auf und sagte:

Wo ist es?

Was?

Hast du es verkauft?

Wovon sprichst du?

Rock, er hat mein Bike gestohlen.

Der spinnt, sagte ich. Ich würde nie etwas von ihm anfassen.

Ach ja? Und was ist das da? Er zeigte auf sein zerschlissenes Hemd, das immer noch an mir hing. Das ist doch auch von mir!

Er nahm mein Wachstuchheft vom Tisch und drohte, es so lange zu behalten, bis ich ihm Hemd und Bike ersetzt habe. Ich stand auf und sagte, er soll mein Heft in Ruhe lassen. Es enthielt ein ganzes Jahr Arbeit, meine verfluchte Zukunft steckte da drin. Er lachte abschätzig. Da sprang ich ihm an den Hals, wollte ihn in den Schwitzkasten nehmen, aber er schwang herum und schleuderte mich zu Boden. Er bückte sich zu mir herunter und hielt mir schnaubend die Faust vors Gesicht.

Komm wieder runter, Alter, sagte ich. Ich hab dein Bike nicht genommen, ich hab nur Rock genommen.

Ein Hammer explodierte an meinem Kopf. Die ganze Holzwolle stob heraus und der Hund jaulte, als wäre er getroffen worden.

Marc richtete sich auf, warf dir unter spöttischem Zucken seiner Oberlippe einen kalten Blick zu und stolzierte aus der Küche. Mein Heft nahm er mit.

89

Ich blieb mit geschlossenen Augen auf dem Küchenboden liegen und rührte mich nicht. Du beugtest dich über mein Gesicht, deine Haare kitzelten mich an der Nase und ich musste lachen.

Doch nicht tot?

Hab ich einen letzten Wunsch gut?

Sag.

Ich wollte dein Lieblingsrasierwasser wissen, aber du sagtest, du benutzt keins. Das Lachen schmerzte im Gesicht. Marc hatte mich am rechten Auge erwischt, da war jetzt alles rot drum herum und über dem Wangenknochen spannte eine schnittförmige Platzwunde. Du sagtest, Manno, dass der so zuschlagen kann, hättest du ihm nicht zugetraut. Es klang fast ein wenig bewundernd, aber die Sorge um mich war größer. Du holtest Salbe und Pflaster aus dem Bad und ich genoss es, von deinen warmen Händen verarztet zu werden.

Hast du’s wirklich nicht genommen?

Sein Bike?

Schwör’s.

Ich richtete mich auf und sagte, ich habe einen anderen letzten Wunsch: dass du deine Mutter anrufst. Wieso ich schon wieder damit komme. Ich soll dich mit deiner Mutter in Ruhe lassen.

Du könntest es eines Tages bereuen, sagte ich.

Wieso?

Ich schaute so ernst drein, wie ich konnte, was dich prompt verunsicherte. Ob ich etwas weiß, das du nicht weißt. Ich schwieg bedeutungsvoll.

Rück schon raus.

Zuerst hattest du Marc wegen unserer Nacht angelogen. Dann hatte ich euch beide wegen des Bikes angelogen. Doch die dickste Lüge kam jetzt. Zuvor musstest du mir dein Ehrenwort geben, dass du deiner Mutter nichts sagst. Sie darf nicht merken, dass ich’s dir erzählt habe. Du versprachst es mir in die Hand, ich streute Salz darüber und sagte feierlich:

Ihr Herz blutet.

Was?

Na ja, Herzinfarkt. Vor ein paar Monaten.

Du wurdest bleich. Deine Augenlider begannen zu zittern. Ich sagte noch, sie wäre beinahe gestorben, da liefen dir die Tränen über die Wange und ich fühlte mich auch nicht mehr gut.

Warte, sagte ich, doch du stürztest aus der Küche. Ich wollte dem Hund erklären, wieso ich das getan habe, aber er mochte es nicht hören und drehte den Kopf ab. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, auch gegenüber Marc und seinem Bike. Ich nahm mir fest vor, alles wiedergutzumachen und nötigenfalls auszuziehen, dass ihr in Frieden weiterleben könnt.

Ich trank ein kleines Gläschen Wein, damit es mir wieder besser ging. Nach einer Weile kamst du aus deinem Zimmer und strecktest mir das Handy hin. Mir schwante nichts Gutes. Ich hielt es mir ans Ohr, es war ganz warm und auf der anderen Seite sagte jemand überglücklich:

Danke, Timm.

Ich erfuhr den Namen des Rasierwassers.

88

Du gingst mit dem Hund raus. Wenig später verließ auch Marc die Wohnung und ich konnte mein Wachstuchheft zurückholen. Seine Tür war zwar nun abgeschlossen, aber ich kam trotzdem rein, der Schlüssel von meinem Zimmer ging auch bei ihm.

Das Heft lag auf dem Schreibtisch. Marcs Handy auch, er würde nicht lange weg sein. Ich nahm das Heft, wollte gehen, da fing das Handy zu vibrieren an. Die Nummer von zu Hause leuchtete auf, ich nahm ab. Es war Mutter, sie fragte, ob ich heute zum Mittagessen kommen mag.

Gern. Warum?

Sag ich dir dann.

Ich konnte es mir denken. Vater hatte ihr vom Verlag erzählt und nun wollte sie mir zur Belohnung etwas Feines kochen. So wie damals, als ich die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium bestanden hatte und sie mir Eierschnittchen mit Weinschaum machte. Und jetzt hatte ich eine noch viel größere Prüfung geschafft, diejenige zum Schriftsteller, was eine doppelte Portion Eierschnittchen zur Folge haben dürfte.

Ich musste auflegen, Marc konnte jederzeit zurückkehren. Mutter sagte, es ist ihr unangenehm, immer auf fremden Handys anrufen zu müssen, um mit ihrem Sohn zu reden. Nicht mehr lange, versprach ich, ich werde mir ein eigenes zulegen, sobald die Tantiemen fließen.

Welche Tantiemen?

Na, von meinem Buch.

Mit Beni stimmt was nicht, sagte sie.

Mit Beni stimmt schon lange was nicht, sagte ich.

Nicht das, sagte sie.