Liebe verlernt man nicht - Lilli Beck - E-Book
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Liebe verlernt man nicht E-Book

Lilli Beck

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Beschreibung

Ü50 – und zu allem bereit! Als ihr Sohn heiratet, will sich Paula vor ihrem Ex-Mann und seiner (deutlich jüngeren) Neuen keine Blöße geben und engagiert den Bruder einer Freundin als Begleiter. Der Abend wird ein Erfolg, Aushilfsmann Karl ist ein echter Volltreffer, und Paula kommt auf den Geschmack. Nie wieder sollen Frauen in ihrem Alter an Männermangel leiden! Gemeinsam mit ihren Freundinnen Biggi und Traudl beginnt sie nun den Verabredungsmarkt zu sondieren und macht sich auf die Suche nach Männern ihrer Altersklasse. Obwohl es immer wieder zu altersbedingten Zwischenfällen kommt und auch mal ein Notarzt gebraucht wird, eröffnen die drei bald ihre Agentur „Herzflimmern“. Währenddessen knistert es gewaltig zwischen Paula und Karl, der sich ein Dauerengagement an ihrer Seite vorstellen könnte. Aber dann taucht Ex-Mann Herbert wieder auf... Drei Freundinnen jenseits der 50 haben genug davon, dass Männer nie da sind, wenn man sie braucht!

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Seitenzahl: 377

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LILLI BECK

Liebe verlernt man nicht

Roman

Impressum

ISBN 978-3-8412-0594-0

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Juli 2013

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Originalausgabe erschien 2013 bei Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung Mediabureau Di Stefano, Berlin

unter Verwendung einer Illustration von © Gerhard Glück

Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, www.letex.de

www.aufbau-verlag.de

Liebe ist das charmanteste Unglück, das uns zustoßen kann!

Curt Goetz

Inhaltsübersicht

Cover

Impressum

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Dank

Leseprobe aus: Lilli Beck - Liebe auf den letzten Blick

Informationen zur Buch

Informationen zur Autorin

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne ...

1

»Lieber geh ich Blut spenden!«, grummle ich ungehalten.

Säßen wir bei mir zu Hause, würde ich laut werden, um hemmungslos Dampf abzulassen. Aber hier, in der Konditorei »Windbeutel«, einem angestaubten Tagescafé aus den späten sechziger Jahren, könnte undamenhaftem Benehmen ein Rauswurf folgen. Wo sollte ich mich dann mit meinen Freundinnen zum samstäglichen Cappuccino-Plausch treffen? Zurzeit der einzige Lichtblick meines öden Singlelebens. Der einzige Tag, an dem ich gutgelaunt aufstehe. Der einzige Tag, an dem ich mich aufbrezle, mir die Haare wasche, Make-up auflege und, wie heute, sogar die Zehennägel rot lackiere.

»Verstehe ich sehr gut.« Biggi gibt mir die silberbeschriftete Einladungskarte aus weißem Hochglanzkarton zurück. »Eine Feier mit den falschen Gästen kann einem den ganzen Abend versauen. Vielleicht sogar die Nacht.«

Traudl, die bisher noch nichts gesagt hat, außer um bei der Kellnerin einen Milchkaffee und ein Stück Mohnkuchen zu ordern, blickt mich mit großen Augen an. »Das ist hoffentlich nicht dein Ernst, Paula?« Es ist dieser geduldig-vorwurfsvolle Tonfall, der sanften Frauen wie Traudl zu eigen ist, die drei Kinder mit nichts als milden Worten großgezogen haben. »Das ist doch nicht irgendeine Veranstaltung. Es ist die Verlobung deines einzigen Sohnes!«, fügt sie noch an, als wäre ich komplett verkalkt.

»Daran musst du mich nicht er…« Ich breche ab, als ich die Bedienung mit unserer Bestellung kommen sehe.

Das blonde Mädchen setzt das Chromtablett auf dem Tisch ab. Wahllos verteilt sie Tassen und Kuchen. Wortlos beobachte ich ihr Tun. Auf junge blonde Frauen bin ich momentan nicht gut zu sprechen. Erst recht nicht, wenn sie so hübsch sind wie dieses Geschöpf. Bei denen steigt mir sofort die Galle hoch. Ja, ich bin ungerecht. Sie kann schließlich nichts dafür, dass mein Ex-Mann mit einer schönen jungen Blondine seinen zweiten Frühling genießt.

»Du wurdest unterbrochen«, sagt Traudl, als das Mädchen außer Hörweite ist und wir uns auf die Kuchenteller stürzen.

»Ich wollte bloß sagen, dass ich den Abend emotional nicht überleben würde«, erkläre ich zwischen zwei Bissen. »Nicht mal mit einer Überdosis Beruhigungspillen.« Biggi kramt in ihrer monströsen geblümten Tasche, in der sie wie immer tausend Unnötigkeiten mit sich herumschleppt. Sekunden später drückt sie mir einen glatten rosa Stein in die Hand. »Hier, das hilft.«

»Huch, das nenne ich mal eine Riesenpille. Aber im Ganzen bekomme ich die niemals runter.« Ich unterdrücke ein Grinsen.

Biggi ist Heilpraktikerin, sie hält Edelsteine für DAS Allheilmittel schlechthin. So weit ich es beurteilen kann, helfen sie gar nicht. Leider. Schaden tun sie aber auch nicht. Es sei denn, man schluckt tatsächlich einen hinunter, der so groß ist wie ein Radieschen.

»Das ist ein Rosenquarz«, erklärt sie, meinen Einwand ignorierend, und legt ihre Hände auf meine. »Trage ihn bei dir, dann verleiht er dir innere Harmonie. Damit bist du gegen alles gewappnet.«

»Danke, das ist wirklich lieb von dir«, antworte ich und gebe ihr das Präsent zurück. »Aber in diesem speziellen Fall würden, wenn überhaupt, nur K. o.-Tropfen helfen. Allein die Vorstellung, das neue Haus meines Ex-Mannes zu betreten, erzeugt bei mir heftigsten Brechreiz. Hab ich euch überhaupt schon erzählt, dass er ein Angeberhaus im Herzogpark gekauft hat? Münchens teuerste Gegend! Bäckermeister Wertheim unter den Millionären. Und wenn ich dieser … dieser … meiner Nachfolgerin nur die Hand schütteln muss, bekomme ich schon Ausschlag. Ich sehe sie genau vor mir, wie sie mich mitleidig ansehen und fragen wird, ob ich allein überhaupt zurechtkäme. Das Schlimme daran ist, dass es wirklich ehrlich gemeint ist. Fairerweise muss ich gestehen, dass sie einfach nur freundlich sein möchte. Trotzdem. Ich habe zwei Kinder groß gezogen, den Haushalt gewuppt, nebenbei den ganzen Schreibkram in der Firma erledigt und mich auch noch um das Personal gekümmert. Gnä’ Frau hat eine Haushaltshilfe, eine Putzfrau fürs Grobe und noch nicht mal ein Kind in die Welt gesetzt. Wer weiß, ob sie dazu überhaupt in der Lage wäre. Die jungen Dinger sind heutzutage schließlich lieber auf Facebook unterwegs und klicken dort Babyfotos an als eigenen Nachwuchs zu gebären.«

Wie immer, wenn ich über diese Frau spreche, deretwegen ich verlassen wurde, fühle ich ein unangenehmes Jucken im Hals. Eilig bekämpfe ich es mit einem großen Schluck Kaffee. Vielleicht sollte ich es doch mal mit Edelsteinen versuchen.

»Du bist also fest entschlossen?«, hakt Traudl nach. Diesmal in erstaunlich strengem Ton.

»Bin ich!« Trotzig rühre ich in meinem Cappuccino.

»Du wirst es bis zu deinem letzten Atemzug bereuen«, prophezeit Traudl kopfschüttelnd.

Biggi hat erneut in ihrer Tasche gekramt und lässt jetzt kleine Rosenquarzsteine in ihr Wasserglas plumpsen. »Also ich würde ja hingehen – mit einem tollen Mann.«

»Ha!«, lache ich spöttisch auf und schlage mir dabei mit der flachen Hand auf die Stirn. »Warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen. Ich rufe einfach einen meiner zweiundsiebzig Liebhaber an, und schon ist die Kuh vom Eis. Falls es dir entgangen sein sollte, Biggi: Ich! Bin! Geschieden! Und seitdem ist mir erst bewusst geworden, dass eine achtundfünfzig Jahre alte Frau für die Männerwelt unsichtbar ist. Nicht mal gleichaltrige Männer gucken mich noch an. Von Verabredungen kann ich nur träumen.«

»Denk positiv«, rät die harmonisierte Biggi. »Manchmal begegnet einem das Glück ganz unverhofft. Neulich erst ist mir einer mit dem Rad gefolgt, der mich zum Kaffee einladen wollte.«

Mir entschlüpft ein genervter Seufzer. »Und mir kam neulich ein Geisterradler auf dem Bürgersteig entgegen, der mich beinahe umgefahren hätte. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden, Biggi. Also, wo soll ich bitteschön einen Mann auftreiben?«, frage ich herausfordernd.

Traudl nickt verständnisvoll. »Ich werde auch ständig ignoriert. Sogar wenn ich den Männern das Wechselgeld direkt in die Hand drücke, gucken sie durch mich hindurch, als wäre ich Luft. Nur uralte Greise grinsen verschämt, weil ihnen die Kürbiskernpillen gegen Prostata peinlich sind.«

»Dabei bist du erst dreiundfünfzig«, erinnere ich sie, »hast kaum graue Haare und siehst überhaupt viel besser aus als ich.«

Das waren keine leeren Worte, um Traudl zu trösten. Vor zwei Jahren wurde sie nämlich Witwe. Noch dazu an ihrem Geburtstag. Versteht sich von selbst, dass ich es ihr nachfühlen kann. Aber solange sie ihre perfekte Figur in einen schwarzen Witwentalar hüllt und ihre rotblonden Traumhaare zu einem achtlosen Zopf bindet, wird sie unsichtbar bleiben. Dabei ist Traudl eine Naturschönheit mit klaren blauen Augen und zarter Sommersprossenhaut. Sie müsste nur etwas mehr Sorgfalt auf ihr Äußeres verwenden, und die Männer würden vor der Drogeriemarktkasse auf die Knie gehen.

»Graue Haare sind kein auswegloses Schicksal«, Biggi fährt sich demonstrativ durch die hennagefärbte rote Lockenmähne. »Und wenn schon grau auf dem Kopf, sollte man nicht auch noch wie eine graubraune Feldmaus rumlau…«

»Was willst du damit sagen?«, unterbreche ich sie angriffslustig, weil sie mich dabei angesehen hat. Seit ich weiß, dass die Verlobung meines Sohnes bei seinem Vater, respektive meinem Ex stattfindet, bin ich hochexplosiv wie eine Tretmine.

Biggis Harmoniesteinchen scheinen toll zu wirken, denn sie betrachtet mich weiter gleichmütig, als wäre sie ein Dalai Lama. Oder müsste es Dalai Lametta heißen, weil sie so gerne Glitzerschmuck trägt?

»Na ja, du trägst schließlich fast immer braune Klamotten, in Kombination mit den ergrauten Haaren wirkt das …« Sie bricht ab und spielt mit dem Stein, der verwaist auf dem Tisch liegt.

»Na, wie? Raus damit. Tu dir keinen Zwang an.«

»Vielleicht probierst du es einfach mal mit frischen Farben«, antwortet sie ausweichend.

»Würden mich die Radler dann nicht umfahren, sondern auch zum Käffchen einladen?«, frage ich spöttisch.

Sie nickt aufmunternd. »Deine Chancen steigen hundertprozentig. Mal davon abgesehen, dass Farben unsere Stimmung positiv beeinflussen, würdest du super aussehen.«

»Oder wie eine Tüte Smarties«, entgegne ich und widme mich wieder meiner Sachertorte. Braun ist auch bei Kuchen meine Lieblingsfarbe.

Traudl lacht verhalten. »Paula als Smarties.«

Wir stimmen laut lachend ein. Nicht wegen des gelungenen Smartie-Scherzes, sondern mit Traudl, die seit dem Unfalltod ihres geliebten Mannes kaum noch fröhlich ist.

»Von der Klamottenfrage mal abgesehen, Paula«, redet Biggi weiter. »An deiner Stelle würde ich mir für den Abend einen attraktiven Begleiter engagieren und mich so in Schale werfen, dass meinem Ex die Spucke wegbleibt. Vielleicht sogar einen jüngeren Mann.«

»Begleiter engagieren?«, wiederholt Traudl ungläubig und schnappt hörbar nach Luft. »Du meinst doch nicht etwa einen Callboy?«

Callboy oder nicht. Ich kann über so eine Schnapsidee nur schwach grinsen. »Nette Idee, wenn du mir noch den Laden verrätst, wo sogenannte Begleiter angeboten werden«, kontere ich dann. »Aber bitte zum Schnäppchenpreis, denn ich muss mich ja auch noch neu einkleiden, damit es meinem Ex auch wirklich die Sprache verschlägt.« Ich schiebe das halb aufgegessene Tortenstück weg. Seit der Scheidung habe ich zehn Kilo zugelegt. Mein Body-Mass-Index hat die Schallmauer längst durchbrochen. Meine Miederhose hat auch schlapp gemacht. Ich musste mir bereits die nächste Größe anschaffen. In bunt würde ich wie ein Knallbonbon kurz vor dem Platzen aussehen.

»Möchtest du eines meiner schwarzen Kleider ausleihen?«, meldet sich Traudl wieder. »Damit ist man auf solchen Feierlichkeiten doch immer gut angezogen. Etwas Schmuck dazu und fertig. Du hast doch diese wunderschöne goldene Gliederkette.«

»Ach ja, die Wurfprämie«, erinnere ich mich. »Ein Geschenk meines Ex-Mannes zu Bennys Geburt. Hmm  … die würde tatsächlich gut zu einem schwarzen Kleid passen  … Schwarz ließe mich vielleicht auch schlanker erscheinen  … Aber mein Geschiedener bildet sich dann garantiert irgendwelchen Schwachsinn ein.«

Biggi nimmt einen großen Schluck harmonisiertes Wasser. Ich vermute, es war Traudls Bemerkung über das schwarze Kleid, die sie versucht unkommentiert hinunterzuschlucken. Wir haben uns schon oft gewünscht, ein Mittel zu finden, damit unsere Freundin endlich die schwarze Kluft ablegt. Zwei Jahre trauern ist mehr als genug. Da fällt mir etwas ein.

»Würdet ihr mich zum Klamottenkaufen begleiten?« Ich gucke mit Unschuldsmiene in die Runde.

Wie erwartet, antwortet Traudl nicht sofort. Biggi dagegen liebt Shoppen über alles. Sie strahlt begeistert.

»Du willst also doch zur Verlobungsfeier gehen?«, schließt Traudl dann aus meiner Frage.

Ich überlege gerade, ob ich tatsächlich hingehen soll, als mein Handy schrillt. Auf dem Display sehe ich Benny ruft an.

»Grüß dich, mein Schatz«, melde ich mich. »Na, genießt du die letzten Tage als freier Mann?«

»Hallo, Mama«, antwortet er. »Du hast die Einladung also erhalten?«

»Natürlich, ich freue mich schon sehr auf den Abend. Wie geht’s Merle?«, erkundige ich mich nach meiner hübschen Schwiegertochter in spe, die ich längst ins Herz geschlossen habe.

»Warum hast du dann nicht geantwortet?«, fragt er vorwurfsvoll, ohne auf meine Frage nach seiner Verlobten einzugehen. »Die Einladung müsste seit mindestens einer Woche bei dir sein. Du bist doch hoffentlich nicht krank?«

»Ja … ähm … Ich meine, nein, ich bin nicht krank … Alles bestens«, stottere ich nach einer Ausrede suchend, die mir zum Glück auch gleich einfällt. »Ich dachte, wir hätten bereits alles ausführlich besprochen.«

»Hmm«, brummt mein Ältester einsilbig.

Er kennt mich gut genug, um meine Panik vor einem Zusammentreffen mit seinem Vater nebst neuer Schnepfe zu erahnen. Benny scheint zu befürchten, dass ich unter irgendeinem Vorwand nicht auftauche.

»Im Moment sitze ich mit Biggi und Traudl beim Cappuccino. Wir besprechen gerade, was ich anziehe«, plaudere ich fröhlich, um ihn zu beruhigen.

»Echt?«

»Ja, ganz in echt«, bestätige ich heiter. »Biggi meint, ich brauche Farbe. Sobald wir ausgetrunken haben, begeben wir uns auf die Jagd nach einem tollen Outfit für deine große Feier. Oder hast du umdisponiert, planst einen Gala-Abend in Frack und langen Roben? Bezüglich Kleiderordnung gab es keine Angaben auf der Karte.«

»Mama, du bist unmöglich«, brummelt er hörbar erleichtert. »Ich feiere doch nicht in einem Schloss. Es wird eine ganz normale Verlobung im engsten Familienkreis und mit ein paar Schulfreunden. Du musst dir also nicht unbedingt ein neues Outfit anschaffen.«

»Ah  … Gut  … Dann könnte ich also auch in Begleitung antanzen?«, frage ich so unverfänglich wie möglich.

Schweigen am anderen Ende, bevor ich ein erstauntes »Mama, hast du einen neuen Freund?« höre.

»Nein, nein. Woher auch?«

»Na, falls doch … klar, bring ihn einfach mit.« Benny verabschiedet sich lachend. »Bis nächsten Samstag, Muttchen.«

»Bis Samstag, Schatz«, sage ich und füge noch ein »Ich freu mich« hinzu, bevor ich auflege. »Zufrieden?«, wende ich mich wieder an meine Freundinnen. »Selbstverständlich lasse ich meinen Sohn nicht alleine Verlobung feiern. Aber ein Mann mit breiten Schultern, an die ich mich notfalls anlehnen könnte, wäre ein nettes Accessoire. Da würde meinem Ex garantiert die Luft weg bleiben, seiner Tusnelda sowieso.«

Traudl runzelt die Stirn. »Der Mietmann war doch nur ein Scherz von Biggi.«

»War es nicht!«, erwidert unsere farbenfrohe Freundin. »Ich an deiner Stelle, Paula, hätte da gar keine Hemmungen.«

»Habe ich auch nicht«, antworte ich zögerlich und überlege, ob ich mir tatsächlich einen Mann engagieren würde. Ja, warum eigentlich nicht? »Aber wo finde ich einen?«, frage ich Biggi. »Wäre ich jung und knackig, würde ich mir an einer Bar oder in einer Disco einen Aushilfsmann anlachen. Aber wo suchen Frauen unseres Alters? Mal abgesehen von der Tatsache, dass die meisten Männer in unserem Alter nicht gerade verrückt nach gleichaltrigen Frauen sind, wie wir vorhin festgestellt haben.«

»Im Internet findest du bestimmt seriöse Hostessagenturen«, sagt Biggi. »Mit Fotos, wo du eine Vorauswahl treffen kannst.«

Für einen Moment bleibt mir jetzt die Spucke weg. Logisch, dass ich auch schon von dieser Möglichkeit gehört habe. Aber mir tatsächlich einen Mann aus dem Netz zu fischen, ist eine absurde Vorstellung. Fehlt nur noch, dass frau einen bei eBay ersteigern kann wie Designer-Handtaschen. Drei, zwei, eins! Das »Schmuckstück« ist meins!

»Jetzt bist du komplett übergeschnappt«, kommentiert Traudl entrüstet. »Paula kann doch nicht mit einem … einem Online-Gigolo zur Verlobung ihres Sohnes erscheinen. Stell dir nur die peinliche Situation vor, wenn das rauskommt!«

Traudls schlimmster Albtraum ist üble Nachrede. Dass irgendjemand hinter ihrem Rücken über sie tuscheln oder sie schief ansehen könnte. Ziemlich spießig könnte man meinen, aber im Grunde denkt sie gar nicht so kleinbürgerlich. Es ist quasi der verstorbene Gatte, der da noch aus ihr spricht. Ihr Fritz war ein sehr liebevoller, aber auf den ersten Blick nicht besonders attraktiver Mann. Verständlich, dass er bei einer so schönen Frau extrem eifersüchtig war.

»Wie sollte es denn?«, fragt Biggi. »Willst du sie verpfeifen?«

Traudl verdreht empört die Augen. »Was denkst du denn von mir?«

»Na, also!«, trumpft Biggi auf. »Und von mir erfährt es auch niema«

»Moment, Moment«, gehe ich dazwischen. »So lustig ich die Idee auch finde, ich werde auf keinen Fall einen wildfremden Mann engagieren. Nicht mal, wenn es garantiert unser Geheimnis bliebe. Ich meine, spielen wir die Situation doch mal durch, spaßeshalber.«

»Dazu braucht man aber einen ganz speziellen Humor«, sagt Traudl. Prompt schießt ihr eine sanfte Röte ins Gesicht, als male sie sich die wildesten Schlüpfrigkeiten aus. Schnell schiebt sie sich das letzte Stück Mohnkuchen in den Mund und tupft sich dann die ungeschminkten Lippen mit der Serviette ab. Anschließend faltet sie das rosa Papier ordentlich zusammen, bevor sie es unter die Kuchengabel legt. »Also, ich finde die Idee absolut unmöglich. Das geht gar nicht, auf keinen Fall!«

Traudls Entrüstung bringt Biggi zum Kichern. »Nun sei doch nicht so engstirnig, wir sind emanzipierte, selbstbewusste Frauen des dritten Jahrtausends, wo vieles möglich ist. Und ich habe Paula schließlich keinen Swingerclub empfohlen. Es geht lediglich um männliche Begleitung. Ganz seriös.« Sie schaut mich gespannt an.

»Tja  …« Ich zögere. »Für diese besondere Gelegenheit wäre es mir dann doch zu … Ach, ich weiß nicht … Ich würde mich nicht wohlfühlen, meinen Kindern einen fremden Mann als Freund vorzustellen. Was ist, wenn ich nach Einzelheiten gefragt werde? Wie und wo ich ihn kennengelernt habe? Was er beruflich macht? Ob er verheiratet war? Oder Kinder hat?«

Biggi nimmt noch einen großen Schluck Harmoniewasser. »Dergleichen bespricht man natürlich vorher«, erklärt sie mit ruhiger Stimme.

»Alles kann man gar nicht besprechen und schon gar nicht vorhersehen«, seufzt die schicksalsgeprüfte Traudl. »Dazu müsste man vorher wissen, wer was fragt oder wie die Unterhaltung verläuft. Was vollkommen unmöglich ist. Das Leben ist schließlich kein Roman. Von einer Sekunde zur anderen kann etwas geschehen, dass alle Pläne über den Haufen wirft.«

»Was ist jetzt mit der Shoppingtour? Wenn ich schon ohne Mann dort antreten muss, dann wenigstens in einem scharfen Fummel«, wechsle ich eilig das Thema, bevor sie uns wieder vorjammert, wie ein Omnibus ihr Leben zerstört hat.

Biggi ist nach wie vor wild darauf, mich zu begleiten, Traudl zu müde.

»Ich nehme ein Taxi«, verkündet Trauertraudl dezent gähnend hinter vorgehaltener Hand. »Die Wäsche wartet seit einer Woche auf mich. Ich hab schon bald nichts mehr anzuziehen.«

Biggi und ich sehen uns an. Wir denken beide das gleiche. Von wegen Wäsche. Sie will auf den Friedhof. Jeden Tag besucht sie ihren toten Gatten. Was im Grunde nur von großer Liebe zeugt. Aber egal, wie oft sie dorthin pilgert, er wird nicht wieder von den Toten auferstehen, und es wird langsam Zeit, dass sie zu den Lebenden zurückkehrt. Aber das Thema ist tabu zwischen uns.

Ich drehe mich nach der hübschen Kellnerin um.

Als ich sie einige Tische weiter entdecke, hebe ich den Arm. Es dauert eine Weile, doch schließlich hat sie mich wahrgenommen.

»Darf ich noch etwas bringen?«, fragt sie freundlich lächelnd.

Nein, sie kann wirklich nichts für Herberts zweiten Frühling.

»Die Rechnung bitte, alles zusammen«, sage ich und wende mich an meine Freundinnen, die meine Einladung wie immer nicht annehmen möchten. »Keine Widerrede. Das ist mein einziges Vergnügen in der Woche, dafür lasse ich gerne etwas springen.« Die unschuldige Blondine bekommt einen Fünfer extra.

Vor dem Café verabschieden wir uns von Traudl, die Richtung Odeonsplatz zum Taxistand läuft. Seit dem Busdrama besteigt sie kein öffentliches Verkehrsmittel mehr. Schätzungsweise geht die Hälfte ihres Verdienstes für diese Angewohnheit drauf. Sie sollte ihr sauer verdientes Geld lieber in hübsche Klamotten oder einen Friseurbesuch investieren.

Biggi und ich schlendern in entgegengesetzter Richtung die Residenzstraße entlang.

»Im Grunde brauchen wir zwei Männer«, überlegt Biggi.

»Willst du dich wieder in die Beziehungsfluten stürzen?«, frage ich vorsichtig.

»Doch nicht für mich«, erklärt sie. »Für Traudl. Unsere trauernde Witwe bräuchte dringend eine richtig heiße Affäre. Damit sie endlich über ihren inzwischen fast heiligen Fritz hinwegkommt.«

»Was macht dich da so sicher, dass das helfen würde?«

»In der Homöopathie bekämpfen wir Gleiches mit Gleichem.«

»Haha, den Teufel mit dem Belzebub austreiben«, lache ich. »Das wird nur schwierig. Hast du nicht gehört, was Traudl erzählt hat? An einer Drogeriemarktkasse lernt man keine heißen Männer kennen.«

»Zugegeben, die Chancen sind gering«, bestätigt sie. »Aber es hat schon Fälle gegeben, wo Amor sich auch mal verlaufen hat.«

»Ich glaube kaum, dass Amor Seife im Drogeriemarkt ersteht und bei der Gelegenheit schnell mal ein paar Pfeile Richtung Kasse verschießt. Aber du bist einfach eine hoffnungslose Romantikerin, die unablässig von großer Liebe und heiler Welt träumt«, entgegne ich und verkneife mir, auf ihre letzte heiße Affäre näher einzugehen.

Biggi war nie verheiratet, knabbert aber noch an einer großen Enttäuschung. Carlos, ein junger rassiger Tauchlehrer, hat ihr zu einem leeren Bankkonto nichts als heiße Tränen beschert. Für ihn hat sie ihre gutgehende Heilpraktikerpraxis verkauft, um zusammen nach Jamaika auszuwandern. Sonne, Strand und Sex. Und weil man in unserem Alter sehr gut weiß, dass man eben nicht nur von Luft und Liebe leben kann, nicht mal auf Jamaika, wollten sie eine kleine Strandbar eröffnen. Carlos sollte zusätzlich seinen Teil mit Unterwasserführungen beitragen. Leider musste Biggi herausfinden, dass er entgegen seiner Behauptung keinen Cent besaß, dafür eine schwangere Freundin sitzen gelassen hatte, die ihm schließlich nachreiste. Letzten Monat kam Biggi dann mit leeren Händen nebst einem gebrochenen Herzen zurück. Momentan ist sie bei ihrem Bruder Karl untergeschlüpft und arbeitet vorübergehend als Hundesitterin, bis ihr das Universum ein Zeichen sendet, ob sie in ihren alten Beruf zurückkehren oder etwas Neues beginnen soll.

»Was hast du gegen eine heile Welt? Es ist die einzige Welt, in der es sich zu leben lohnt …« Sie starrt ins Leere, als hoffe sie, dass sich augenblicklich der Zugang zur Heilen Welt vor ihr auftäte. Doch es dauert nicht lange, schon sprüht sie wieder vor Energie. »Aber du könntest doch einen Mann für Traudl finden!« Sie blickt mich mit glitzernden Augen an. »Du langweilst dich doch seit der Scheidung nur.«

Ich bleibe abrupt stehen. »Wie kommst du denn auf diese Schnapsidee? Ich bin doch keine Partnervermittlung. Langweile hin oder her.«

Biggi schüttelt die rote Mähne. »Nein, aber wie du mir selbst erzählt hast, warst du in der Großbäckerei für alle Personalangelegenheiten zuständig, es gab sogar einige Eheschließungen, an denen du nicht unschuldig warst.«

»Hmm«, bestätige ich schmunzelnd. »Angeblich hatte außer mir niemand so ein feines Gespür für Menschen, wenn ich das mal in aller Bescheidenheit bemerken darf. Man nannte mich sogar Kuppelmama!«

»Na also«, setzt Biggi nach. »Damit bist du schon eher überqualifiziert für diese Aufgabe. Aber es wäre eine sinnvolle Beschäftigung. Außerdem ein gutes Werk«, fügt sie an, als wäre ein solcher Schritt längst überfällig.

»Angenommen, ich nehme den Auftrag an«, sage ich, während wir zur Theatinerstraße hinüberlaufen. »Wie wir vorhin schon festgestellt haben, sind altersgemäße Männer Mangelware. Wo sollte ich deiner Meinung nach suchen? Es wird keiner an meiner Tür klingeln.«

»Apropos klingeln«, entgegnet sie. »Wie schaut denn dein Briefträger aus? Wäre der vielleicht was für Traudl?«

Ich erinnere mich nicht, wie der Postbote aussieht, weil er mir schon ewig nicht mehr begegnet ist. Mich verfolgen keine Radfahrer, und Liebesbriefe schickt mir auch keiner.

»Hey, guck mal, wer uns da entgegenkommt!«, unterbricht sie meine Überlegungen.

»Wer?«

»Da vorne, der Typ auf dem ollen Fahrrad im weißen Maleroverall.«

Ein großer, kräftiger Mann etwa in unserem Alter radelt auf uns zu. Am Lenker baumelt ein blauer Eimer, aus dem einige Pinsel ragen.

»Oh, ein Prinz, als Maler verkleidet. Vielleicht sucht er eine leere Wand, um darauf ein Luftschloss für seine Prinzessin zu pinseln«, kommentiere ich. »Den rostigen Drahtesel denken wir uns einfach als edles weißes Pferd.«

Sie winkt ihm mit beiden Armen zu. »Quatsch, das ist doch Karl.«

Schon hält er vor uns an. »Zwei schöne Münchnerinnen, direkt aus der Galerie des Königs entlaufen. Wohin des Wegs, edle Frauen?« Umständlich steigt er vom Rad.

»Shoppen«, lacht Biggi ihn an. Und zu mir: »Erinnerst du dich an meinen Bruder?«

»Selbstverständlich«, antworte ich. »Auch wenn unser letztes Zusammentreffen ewig her sein muss.«

»Stimmt«, antwortet Karl, wischt sich die farbverklecksten Hände am genauso verschmierten Overall ab und reicht sie mir. »Ich erinnere mich an eine Begegnung im Kindergarten, als ich Biggis Sohn abgeholt habe. Aber du hast dich überhaupt nicht verändert, Paula. Wie geht’s dem reichen Zuckerbäcker?«

Mit Zuckerbäcker ist mein Ex-Mann Herbert Wertheim gemeint, Konditor, Bäckermeister und Inhaber jener Großbäckerei, die mir schnurzpiepegal ist. Jedenfalls so lange, bis mich jemand danach fragt. Herbert verdränge ich schnell aus meinen Gedanken, an die Begegnung mit Karl erinnere ich mich gern. Ihm dagegen scheint entfallen zu sein, dass er unser altes Ladengeschäft ausgeweißelt hat, als es mit seiner Kunst nicht so gut lief. »Alter Schmeichler …« Lächelnd ergreife ich seine Hand. »Ich bin seit einem Jahr geschieden. Aber du … derselbe Charmeur wie eh und je.«

Dass er mindestens zwanzig Kilo zugelegt hat, weshalb ich ihn nicht sofort erkannt habe, lasse ich unkommentiert. Sein ehemals dunkelblondes Haar ist fast weiß geworden und extrem kurz geschnitten. Auf seiner kräftigen Nase sitzt eine randlose Brille, die ihm einen seriösen Touch verleiht. Nur seine türkisblauen Augen sprühen im späten Sonnenlicht genauso vor Energie, wie ich sie in Erinnerung habe.

»So, so, geschieden!« Er blinzelt mir keck zu. »Dann stehen die Verehrer wohl Schlange vor deiner Tür?«

Ach, tut das gut, seufze ich still. Ganz egal, ob seine Komplimente ernst gemeint oder nur so dahin gesagt sind. Es muss Lichtjahre her sein, dass zuletzt ein Mann so freundlich zu mir war. Geschweige denn, mit mir geflirtet hätte. »Konnte noch keinen entdecken«, antworte ich fröhlich. »Vielleicht verstecken sie sich alle im Hinterhof.«

Karl hebt seinen Arm, um seine Muskel zu demonstrieren. »Wenn du einen Beschützer oder männlichen Beistand brauchst, jederzeit.«

»Paula, ich hab ’ne tolle Idee!« Biggi verpasst mir einen übermütigen Schubs in die Seite. »Karl könnte dich doch begleiten!«

2

Biggis Vorschlag lässt mich Karl stumm anstarren, als wäre er tatsächlich mein Traumprinz auf einem prächtigen Pferd.

Er wiederum blinzelt vergnügt. Anscheinend hält er meinen Blick für Flirtalarm. »Wohin auch immer, schönste Paula. Ich bin zu jeder Schandtat bereit. Hauptsache, es gibt etwas zu essen und zu trinken, dann begleite ich dich auch in die nächste Galaxie. Ich habe nämlich den ganzen Tag auf dem Bau geackert wie ein Muli und sterbe vor Hunger.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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