Liebesquartett auf Usedom - Lena Johannson - E-Book + Hörbuch

Liebesquartett auf Usedom Hörbuch

Lena Johannson

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Beschreibung

Vier Singles auf einer Insel. Penelope, genannt Penny, pfeift auf die Liebe – sagt sie zumindest. Als Standesbeamtin muss sie schließlich jeden Tag Paare verheiraten, die schon auf den ersten Blick nicht zu einander passen. Auch ihre beiden Freunde Pit und Heiner haben allen amourösen Abenteuern abgeschworen. Mit ihnen pflegt sie eine strikt platonische Beziehung, die nie etwas aus dem Lot bringen könnte – meint sie jedenfalls. Pit, der Reetdächer repariert, war schon mal unglücklich verheiratet, und Heiner, der eine Fischräucherei in Heringsdorf betreibt, denkt ohnehin nur ans Geschäft. Doch alles wird anders, als aus Berlin die Journalistin Verena May auftaucht. Sie will eine Reportage über Usedomer Handwerkskunst schreiben und heftet sich an Pits und Heiners Fersen. Zuerst amüsiert sich Penny darüber, denn sie ist sicher: Es kann nicht lange dauern, bis die beiden von der aufdringlichen Dame schwer genervt sein werden. Doch das ist nur ein Irrtum unter vielen. Ein wunderbare, heitere Liebesgeschichte auf Usedom. Von der Autorin von „Der Sommer auf Usedom“.

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Zeit:4 Std. 31 min

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Informationen zum Buch

Vier Singles auf einer Insel

Penny pfeift auf die Liebe – sagt sie zumindest. Als Standesbeamtin auf Usedom kennt sie die Scheidungsraten. Mit ihren Freunden Pit und Heiner pflegt sie eine intensive, allerdings strikt platonische Freundschaft, die nie etwas aus dem Lot bringen könnte – meint sie jedenfalls. Doch dann taucht Verena auf der Insel auf. Sie behauptet, Journalistin zu sein, und bringt alles durcheinander.

Ein wunderbare, heitere Liebesgeschichte auf Usedom. Von der Autorin »Der Sommer auf Usedom«.

Penelope, genannt Penny, hat der großen Liebe abgeschworen. Als Standesbeamtin muss sie schließlich jeden Tag Paare verheiraten, die schon auf den ersten Blick nicht zu einander passen. Auch ihre beiden Freunde Pit und Heiner haben allen amourösen Abenteuern abgeschworen. Pit, der Reetdächer repariert, war schon mal unglücklich verheiratet, und Heiner, der eine Fischräucherei in Heringsdorf betreibt, denkt ohnehin nur ans Geschäft. Doch alles wird anders, als aus Berlin die Journalistin Verena May auftaucht. Sie will eine Reportage über Usedomer Handwerkskunst schreiben und heftet sich an Pits und Heiners Fersen. Zuerst amüsiert sich Penny darüber, denn sie ist sicher: Es kann nicht lange dauern, bis die beiden von der aufdringlichen Dame schwer genervt sein werden. Doch das ist nur ein Irrtum unter vielen.

Lena Johannson

Liebesquartett auf Usedom

Roman

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Nachtrag

Über Lena Johannson

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Für Jule und Peer,das perfekte Gastgeber-Duo –nicht nur zu Halloween!

Kapitel 1

»Ich werde es Trio Infernale nennen.« Penny sah die beiden Männer strahlend an. »Drei Kojen. Es ist wie für uns gemacht.« Sie konnte den Blick gar nicht von dem hellblauen Hausboot wenden, das gemütlich auf den Wogen der Ostsee schaukelte. Es hatte runde Fenster, eines sogar in der Dusche! Der achteckige Turm beherbergte unten einen hübschen Salon, darüber lag die Galerie mit Rundumblick und Ausgang zum Sonnendeck. Die Küche war für ein Schiff dieser Größe ausgesprochen großzügig und so gut ausgestattet, dass sie sich schon ausmalte, wie sie für die drei dort ein Willkommensmenü zubereitete.

»Ich würde es Insolvenzia nennen. Es ist nämlich perfekt dafür gemacht, dich in die Pleite zu treiben. Damit kenne ich mich aus, Schätzchen. Du zahlst nur achtzigtausend für den alten Schlorren. Nur …« Pit lachte freudlos und murmelte: »Wenn ich die hätte, wäre ich meine Sorgen los.« Etwas lauter setzte er hinzu: »Kannst dich drauf gefasst machen, dass du noch mal so viel reinsteckst in die Kiste. Das ist Wahnsinn.«

»Pit hat recht, das ist viel Geld. Schlaf wenigstens eine Nacht darüber«, warf Heiner ein.

»Um von unserer ersten großen gemeinsamen Reise zu träumen? Dann kann ich auch gleich unterschreiben.«

»Große Reise!« Pit stieß geräuschvoll die Luft aus. »Kann ich mir sowieso nicht leisten.«

»Ihr seid echt Spielverderber. Ich muss jetzt los. Hab noch ein Katastrophen-Kick-off.«

»Penny, Penny …« Heiner schüttelte langsam den Kopf. »Irgendwann verplapperst du dich noch. Was wohl dein Bürgermeister sagt, wenn er mitkriegt, was seine Standesbeamtin vom Heiraten hält?«

»Der Petersen soll bloß vorsichtig sein. Dank seiner tollen Idee, originelle Außenstellen des Standesamtes einzurichten, bin ich dauernd auf der gesamten Insel unterwegs, anstatt mit dem Rad an meinen Arbeitsplatz zu fahren, wie früher.« Penny warf den Schlüssel ihres alten Käfers in die Luft und fing ihn in einer fließenden Bewegung auf. »Außerdem bin ich sein Fels in der Brandung. Die Personaldecke ist viel zu dünn. Jetzt ist auch noch der Kollege vom Bezirk Koserow auf unbestimmte Zeit ausgefallen.« Sie schnaufte. »Na dann, bis später, Jungs.«

»Gutes Gelingen!« Heiner nickte ihr zu und schob die Hände tief in die Hosentaschen. Pit hob die Hand zum Gruß und wandte sich dann an Heiner.

»Tja, ich muss auch wieder«, hörte sie ihn noch sagen. »Die Arbeit ruft. Mal sehen, wie lange noch.«

Vom Peenemünder Haken im Nordwesten der Insel Usedom fuhr sie immer parallel zum Ostseestrand in Richtung Heringsdorf. Das Rathaus lag in Ahlbeck, was Auswärtige mit schöner Regelmäßigkeit verwirrte. Penny hatte, wie sie es immer tat, wenn Paare vom Festland hier heirateten, mehrfach darauf hingewiesen: Kurparkstraße in Heringsdorf, Ortsteil Ahlbeck. Mal sehen, ob die Gesellschaft rechtzeitig dort sein würde.

Das kommt davon, dass die sich alle auf einer Insel das Jawort geben müssen, auf der sie sich nicht auskennen. Wieso bleiben die nicht zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung?

Ein Blick nach draußen war Antwort genug. Zu ihrer Linken brandeten die Wellen an einen goldgelben Strand, zur Rechten gluckerte das Achterwasser, umrahmt von einem Gürtel aus Schilf und anderen Gräsern. Sehen konnte sie die Pracht genau genommen nicht, denn da waren überall Bäume, knorrige Kiefern meist, die ihr den Blick verstellten. Doch sie wusste, dass das Wasser da war. Und hier und da kam es auch in Sicht, wie etwa auf Höhe des Malerateliers von Otto Niemeyer-Holstein oder ein Stückchen weiter am Kölpinsee. Penny fuhr an diesen Stellen besonders vorsichtig, weil sie wusste, dass Touristen hier gern spontan bremsten, um ein Foto zu machen. Ihr Auto ließen sie nicht selten mitten auf der Straße stehen. Ist ja Urlaub, da kann man das mal machen … Wann immer sie ihren Chef dafür verfluchte, dass er den Kollegen vom Tourismus-Marketing ans Herz gelegt hatte, Usedom als ideale Destination für Heiratswillige anzupreisen, verstand sie doch, warum die Strategie so gut funktionierte. Wenn man sich schon ins Unglück stürzen musste, dann wenigstens an einem schönen Ort. Und das war die Insel ganz sicher. Ihre Gedanken glitten zurück zu dem Hausboot, das sie sich oben am Peenemünder Haken angesehen hatte.

Es ist einfach perfekt. Von genau so einem Schiff habe ich immer geträumt. Jeder hat seine eigene Kajüte, und dann dieser niedliche Salon. Wir können über Ostern, an unseren Geburtstagen und zu Weihnachten einfach abhauen und dem ganzen Friede-Freude-Eierkuchen-Familien-Theater entfliehen. Obwohl … im Dezember auf dem Wasser? Vielleicht ein bisschen frisch. Ach was, das Boot hat schließlich eine Heizung und ist besonders gut isoliert, hat der Eigner gesagt. Jetzt lasse ich mich schon von Heiner und Pit und ihrer Miesepeterei anstecken. Manchmal sind die beiden aber auch wirklich Spaßbremsen.

Sie hatte den Schmollensee hinter sich gelassen, Bansin und Heringsdorf passiert und bog nun in die Kurparkstraße ein. Das Paar, das sie gleich trauen würde, hatte sich für das gute alte Standesamt im Rathaus entschieden. Immerhin. Als sie ihren Käfer auf den Parkplatz lenkte, sah sie sofort die aufgeregte Vorhut, die Sektkisten, Gläser, Batterien von Ballons und diverses anderes Zeug durch die Gegend trug.

Ach je, das volle Programm!

»Guten Morgen!« Sie setzte ihr Berufslächeln auf. »Gesellschaft Winkelmann, nehme ich an?«

»Ja, genau.« Ein junger Mann reichte ihr die verschwitzte Hand.

Mit Sicherheit ein Trauzeuge. Mann, ist der jung. Der sieht aus wie ein Konfirmand.

»Und Sie sind wohl die Standesbeamtin?«

Leider. Manchmal hat das Schicksal echt fiese Tricks drauf.

»Die bin ich.«

»Toll, dass Sie so früh da sind.« Der Rest der Gesellschaft scharte sich augenblicklich um sie. »Wir wollen auf der Seebrücke Ahlberg einen kleinen Sektempfang machen.«

»Das ist aber eine schöne Idee!«

Die haben ungefähr neunzig Prozent aller Hochzeitsgäste. Sehr originell.

»Es heißt übrigens Ahlbeck, nicht Ahlberg.«

»Ach ja, klar. Berge gibt es hier ja eher nicht.« Allgemeines Gekicher. Der Jüngling tupfte sich den Schweiß von der Stirn.

»Eher nicht, nein.«

»Ist das weit bis zur Brücke? Wir wollten dem Paar auf dem Weg dahin nämlich die Augen verbinden«, mischte sich jetzt eine junge Frau in himbeerfarbenem Kleid ein. Sie trug ärmelfrei, hatte aber ein champagnerfarbenes Tuch über die fleischigen Oberärmchen gelegt und war schwer damit beschäftigt, es trotz teilweise kräftiger Böen an Ort und Stelle zu halten. »Damit die nicht gleich sehen, wo es hingeht.«

Die laufen doch schon blind in ihr Verderben. Wozu noch die Augen verbinden?

»Ich fürchte, das ist kein guter Einfall. Fahren Sie lieber ein Stück. Hinter der Touristinformation können Sie parken.«

»Meinen Sie?«

»Die Dame kennt sich doch wohl am besten aus.«

»Okay, dann bauen wir schon mal auf und bringen den Käfig mit den Tauben in Position.« Ein Mann, kaum älter als der Trauzeuge, übernahm die Planung. Er trug einen weinroten Anzug mit passender Fliege und gehörte anscheinend zu der Himbeere. »Dann bleibt uns auch das ganze Gelaber im Standesamt erspart. Ihr filmt doch sowieso, oder?« Jemand nickte. »Siehste, dann gucken wir uns nachher die Highlights an. Das reicht.« Penny hatte ihr Lächeln eingefroren. Es war erst Mai, die Heiratssaison fing gerade erst an, und sie war schon so erschöpft, als sei es Ende August.

Die Zeremonie hatte eine bemerkenswerte Menge von Symptomen ans Tageslicht gebracht, die von einem handfesten Romantikanfall nun einmal ausgelöst wurden. Dem Bräutigam war der Ring heruntergefallen und unter den riesigen Reifrock seiner Braut gekullert, ein befreundetes Pärchen hatte sich dazu hinreißen lassen, »True Love« zu singen. Zweistimmig. Obwohl keiner der beiden einen Ton traf. Nachdem das Jawort gegenseitig gegeben war und das Paar sich derartig leidenschaftlich geküsst hatte, dass selbst Penny nicht wusste, wohin sie schauen sollte – und sie war einiges gewöhnt –, streute eine ältere Dame gelbe und orange leuchtende Blüten der Kapuzinerkresse aus, die sie vermutlich extra für diesen Anlass in einem Gewächshaus vorgezogen hatte. Die Braut setzte sich auf eine der Blüten, was einen knallgelben Fleck auf dem seidigen Stoff ihres Kleides hinterließ. Wie sich herausstellte, war die alte Dame die Großmutter des Bräutigams. Die wurde von der Braut für das angeblich absichtliche Beschmieren der kostbaren Garderobe dermaßen angeschnauzt, dass sie drohte, in Tränen auszubrechen. Zu viel für den Bräutigam, der seiner Lieblingsoma verbal zur Seite sprang. Als die Braut nach dem Fehlversuch der Ringübergabe »Tollpatsch« gezischt hatte, war es ihr mit einem niedlichen Kiekser und einem gekonnten Augenaufschlag gerade noch gelungen, das Kippen der Stimmung zu verhindern. Mit dem Oma-Angriff hatte sie es versaut.

Katastrophen-Kick-off. Ich weiß nicht, was an dieser Bezeichnung respektlos oder ironisch sein soll. Den Start eines neuen Projekts nennen Manager doch Kick-off. Und was startet bei den beiden frisch Vermählten wohl anderes als eine Katastrophe?

Während Penny zu ihrem Büro ging, dachte sie an ihre letzte Beziehung. Der Kerl war Projektmanager gewesen. Allerdings kein sehr guter. Sie hatte seine Unterlagen vor wichtigen Besprechungen und eben den berüchtigten Kick-offs korrigiert und in Form gebracht, damit er sich nicht bis auf die Knochen blamierte. Und was war der Dank gewesen?

Lang ist’s her …

»Ach, Penelope, gut, dass ich Sie treffe.«

Gut für Sie vielleicht.

»Herr Petersen, was kann ich denn für Sie tun?« Sie sah von ihm zu seiner Begleitung, einer einen Hauch zu stark geschminkten Blondierten, die lächelnd neben ihm stand.

»Darf ich vorstellen? Das ist Penelope Anders, unsere Standesbeamtin. Und das ist Verena May.«

»Wie der Wonnemonat, nur mit Ypsilon.« Die Blondierte streckte ihr die Hand hin.

Passt ja perfekt, ein Wonneproppen heißt wie der Wonnemonat. Okay, wohlgenährt sieht sie nicht gerade aus, eher ein bisschen verhungert. Die gehört bestimmt zur Salatblattfraktion.

»Und Sie heißen Penelope, nach der spartanischen Prinzessin, der Frau des Odysseus und dem Inbegriff einer treuen Ehefrau? Das passt ja perfekt zu Ihrem Beruf.«

»Donnerwetter, Sie kennen sich aus!« Petersen war beeindruckt. »Das wusste ich ja gar nicht. Ich meine, dass Ihr Name so eine Bedeutung hat. Wussten Sie das?«

»Ja, leider«, murmelte sie. »Aber eigentlich bin ich nicht nach der Dame, sondern nach der Halbinsel Peloponnes benannt. Meine Eltern haben dort ihre Hochzeitsreise verbracht.«

»Ach, wie romantisch!« Verena May seufzte.

»Ja.« Penny seufzte auch.

Meine Eltern sind trotzdem geschieden. Und ich darf mit diesem altertümlichen Namen herumlaufen. Finden Sie das auch romantisch?

»Frau May ist Journalistin. Sie arbeitet für den Berliner Anzeiger.«

»Aha.« Penny ahnte Schlimmes. Usedom war die Badewanne der Berliner. Wahrscheinlich wollte Petersen mal wieder eine Werbekampagne starten, und Penny sollte dieser Frau May die vielen hübschen Außenstellen der Standesämter zeigen, vom Anklamer Tor bis zu den Salzhütten von Koserow.

»Ich schreibe eine Reportage über alte Usedomer Handwerkskunst.« Sie sah Penny nicht in die Augen. »Das heißt, ich möchte eine solche Reportage schreiben. Deshalb habe ich mich an Herrn Petersen gewandt, und der meinte …«

Keine typische Journalistin. Die haben gewöhnlich doch eher zu viel Selbstbewusstsein. Die hier scheint ein bisschen wenig abbekommen zu haben.

»Sie kennen doch diese beiden …«, fiel Petersen ihr ins Wort. »Den Dachdecker und diesen Fischer mit seiner Räucherei. Können Sie Frau May nicht mit denen bekannt machen?« Penny fiel ein Stein vom Herzen. Sie musste nicht Babysitter für eine weitere Reporterin spielen, die Trau-Orte gezeigt bekommen wollte. Heiner und Pit würden zwar auch nicht gerade begeistert sein, aber vielleicht sprang für die beiden ja ein kleines Honorar heraus. Zumindest Pit würde das mehr als gelegen kommen. Und Werbung für ihre Betriebe konnte auch nicht schaden.

»Es ist so lieb, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.« Verena May hatte unter der Schminke ein offenes freundliches Gesicht. Ihre Dankbarkeit schien echt zu sein. Das hatte Penny von Verenas Berufskollegen schon anders erlebt. »Ich könnte auch ein kleines Stückchen über Sie machen.«

»Ein Stückchen?«

»Entschuldigung, das sagen wir so in der Redaktion. Ich denke an ein Porträt. Na ja, Sie sind Standesbeamtin an einem Ort, der geradezu danach schreit, dort zu heiraten.«

»Finden Sie?«

Verena überhörte den zweifelnden Unterton. »Herr Petersen hat mir erzählt, man kann sich in alten Salzhütten trauen lassen.«

Also doch. Ich hab’s gewusst.

»Wenn man sich traut.«

»Wie? Ach so, ja.« Verena lachte. Sie klang dabei wie ein schnatternder Delfin. Irgendwie ansteckend. »Dann tragen Sie auch noch einen so wundervollen Namen. Penelope.« Sie seufzte. »Zwanzig Jahre hat sie auf Odysseus gewartet und ist ihm treu geblieben.«

»Er ihr nur leider nicht«, bemerkte Penny trocken.

»Oh, er wurde ja auch verhext.«

»Das hat mein Ex auch behauptet, als ich ihn mit einer anderen erwischt habe.«

»Oh.« Penny und Verena hatten sich zwei Stunden, nachdem Herr Petersen sie einander vorgestellt hatte, vor dem Haupteingang des Rathauses getroffen. Mit Pennys gelbem Käfer, der vor gefühlten hundert Jahren für die Deutsche Post im Einsatz gewesen war, waren sie durch dichten Wald, der sich bis weit über die polnische Grenze hinstreckte, Richtung Süden gefahren. Am Wolgastsee hielten sie sich nun rechts.

»Sie sagten, es war Ihr Ex. Dann sind Sie bestimmt längst darüber hinweg und glücklich mit einem netten treuen Mann verheiratet.«

»Punkt eins: Ja, ich bin absolut darüber weg. Punkt zwei: Ich bin glücklich ledig und mit zwei sehr netten Männern befreundet.«

»Oh.«

Verschwende deine Ohs nicht so, sonst ist der Buchstabe in deinem Repertoire bald aufgebraucht.

Das Dorf Korswandt war nicht gerade das touristische Zentrum der Insel. Die meisten Urlauber zogen die Seebäder dem Hinterland vor und verpassten dabei eine Menge. Andere schätzten gerade die Ruhe, die Natur und die größtenteils erschwinglicheren Preise der Ferienhausanlagen, die neben Viehbetrieben entstanden waren. Für Pits Vorfahren war die Lage zwischen dem kleinen Wolgast- und dem um ein Vielfaches größeren Gothensee ideal gewesen, als er seine Firma gegründet hatte.

»Nomen est omen.« Verena sah Penny von der Seite an, während die auf den Hof von »Insel-Reet« fuhr. »Was ich sagen will, ist, dass Penelope geradezu perfekt zu Ihrem Beruf passt. Mein Name Verena bedeutet sowohl die Wahrheitsliebende als auch die Beliebte. Zumindest Ersteres passt ja wohl auch zu meinem Beruf, denken Sie nicht?«

»Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn Journalisten die Wahrheit liebten.«

»Da haben Sie recht. Mit der Beliebtheit ist es um meine Branche wohl nicht sehr gut bestellt.« Sie lächelte schüchtern. »Verena kann auch als die Scheue übersetzt werden. So viel zu Nomen est omen.« Die beiden Frauen stiegen aus.

Von wegen. Passt doch wie die Faust aufs Auge. Du wirkst absolut wie ein scheues Reh und bist bestimmt total beliebt mit deinem Bambi-Blick und der vorsichtigen Art. Scheint was dran zu sein an diesem Nomen-Spruch.

»Ach, Frau May, einen kleinen Moment noch.« Verena, die Kamera um den Hals, den Notizblock mit angeklemmtem Stift im Anschlag, war im Begriff, sich auf dem Gelände umzusehen. Sie blieb stehen und sah Penny erwartungsvoll an. »Der Mann, mit dem ich Sie bekannt mache, heißt Pit Luhrow. Er hat das Handwerk des Reetmachens und der Dachdeckerei schon als Teenager gelernt.«

»Wunderbar!« Verena strahlte.

»Ja. Die Sache ist nur die, Pit, ich meine, Herrn Luhrow gehörte dieser Betrieb bis vor vier Jahren. Dann musste er ihn an seinen Mitarbeiter verkaufen. Herr Luhrow war mal verheiratet. Nicht lange, aber teuer. Ich habe die beiden damals nicht getraut.« Sie hob abwehrend die Hände, obwohl niemand sie angegriffen hatte. »Jedenfalls sprechen Sie ihn lieber nicht darauf an.«

»Verstehe.«

In dem Moment trat Pit aus der Scheune, dem Herz des Betriebes. »Klei mi doch am Mors!«, rief er.

»Moin, Pit, was ist denn los?«

»Ach, Penny.« Er klang erschöpft und warf einen kurzen Blick auf ihre Begleitung. »Tach.«

»Guten Tag!« Verena eilte auf ihn zu. Sie schien nicht das Gefühl zu haben, ungelegen zu kommen.

»Das ist Verena May vom Berliner Tageblatt.«

»Anzeiger.«

»Ah ja, Anzeiger. Jedenfalls möchte sie eine Reportage über alte Handwerkskunst auf Usedom schreiben.«

»Wie sind Sie denn darauf gekommen?«, knurrte Pit und schob sich einen Grashalm zwischen die Zähne. Gleich, als er seine Lehre begonnen hatte, hatte er sich angewöhnt, ständig auf einem Halm herumzukauen. Damals fand er das witzig, heute konnte er nicht mehr damit aufhören.

»Gute Frage. Das ist allerdings eine längere Geschichte.« Sie lachte ihr Flipper-Lachen. Penny beobachtete, wie ein breites Grinsen auf Pits Gesicht erschien. Wie schön, diese Großstadtpflanze mit ihrer eigenwilligen Lache belustigte ihn dermaßen, dass er sogar seinen Ärger vergaß, dem er eben noch Luft gemacht hatte. Penny war froh. Sie konnte es nicht aushalten, wenn Pit Kummer hatte.

»Ist doch eine schöne Idee«, sagte sie. »Und bestimmt gibt es auch ein Honorar, wenn Herr Luhrow sich Zeit für Sie nimmt und Ihnen für ein paar Fotos Modell steht, oder, Frau May?«

»Ja, ja, natürlich.« Sie errötete. »Furchtbar viel ist es nicht. Meine Redaktion hat kein großes Budget. Aber ein Info-Honorar ist selbstverständlich drin. Immerhin könnten wirklich einige Stunden zusammenkommen, ehe ich Bescheid weiß.« Wieder huschte ein zarter Rosé-Ton über ihre Wangen. »Über Ihre Handwerkskunst, meine ich.«

»Klar, was sonst?« Pit schien nicht so recht zu wissen, was er von der Frau mit den etwas zu dick getuschten Wimpern und dem einen Hauch zu grellen Lippenstift halten sollte. Sie musterte ihn ebenso skeptisch, von den derben Sicherheitsschuhen bis hinauf zu seinem blonden strubbeligen Haar.

Wenn da nicht zwei Welten aufeinanderprallen! Berliner Großtstadtgewächs trifft Naturburschen. Ich würde zu gerne Mäuschen spielen, wenn die gute Frau ihr Interview und die Bilder macht.

»Entschuldige, dass wir dich so überfallen, Pit. Petersen hat mich gebeten, euch bekannt zu machen. Ich dachte, wir kommen einfach vorbei, und dann könnt ihr einen Termin ausmachen.«

»Erst mal einen. Vermutlich werden wir uns öfter treffen müssen«, warf Verena ein. »Ist ein Erfahrungswert«, setzte sie schnell hinzu und schenkte Pit ein umwerfendes Lächeln. Der betrachtete sie wohlwollend.

Mensch, Pit, nun lass dir die Vorfreude auf das Honorar mal nicht ganz so deutlich anmerken.

»Wir wollen gleich noch weiter zu Heiner. Der fischt und räuchert ja auch noch, wie schon sein Vater und Urgroßvater es gemacht haben.«

»Ist das denn eine Handwerkskunst?« Pit schob den Halm von einem Mundwinkel in den anderen.

»Aber sicher!«, antworteten die beiden Frauen gleichzeitig und lächelten sich an, wie alte Freundinnen.

»Also, wann passt es Ihnen am besten? Ihr Wunsch ist mir Befehl, ich richte mich vollständig nach Ihnen.«

Nun übertreibe es mal nicht, du kleiner Maykäfer, sonst kommt Pit noch auf dumme Gedanken. Penny schmunzelte. Sie ließ die beiden allein und spazierte ein Stück den Sandweg entlang, der zum Gothensee führte. Im Winter, während der Erntezeit, donnerte ein Trecker samt Anhänger nach dem anderen diesen Pfad herauf und brachte die frisch geschnittenen und schon von Blättern befreiten Halme zum Lagerplatz. Sie war gern hier. Manches Mal hatte sie neben Pit auf der mächtigen Erntemaschine gesessen, die auf ihrem Kettenlaufwerk erstaunlich sanft über das Feld walzte. Das war allerdings schon eine Weile her. In letzter Zeit besuchte sie ihn eher selten auf dem Hof. Es herrschte zu oft dicke Luft.

»Moin, Penny, lange nicht gesehen.« Heiner kam ihnen auf der großen hölzernen Terrasse vor seiner Räucherei entgegen.

»Heiner, ich möchte dir Verena May vorstellen.«

»Wie der Wonnemonat, nur mit Ypsilon«, flötete die und streckte Heiner auch schon die Hand hin.

Wie gut, dass ich ihr nicht noch fünf Handwerker vorstellen muss. Sonst käme mir das Ypsilon zu den Ohren raus. Penny erklärte, warum Verena auf die Insel gekommen war und weshalb sie sie zu Heiner gebracht hatte.

»Ach ja, sie schreibt für den Berliner Anzeiger«, beendete sie ihre Ausführungen.

»Das glaube ich jetzt nicht«, gab Verena heiser von sich.

»Wieder falsch? War es doch das Tageblatt?« Penny und Heiner warfen sich irritierte Blicke zu, während Verena an ihnen vorbeistarrte.

»Das ist doch Reinhard Fuhrmann, der berühmte Theaterschauspieler aus Berlin«, flüsterte sie aufgeregt. »Der hat auch schon im Tatort mitgespielt.« Jetzt sah sie von einem zum anderen, als erwartete sie eine spektakuläre Reaktion.

»Kann sein«, meinte Heiner schulterzuckend. »Wir haben oft irgendwelche Prominenten zu Gast. Sagen jedenfalls meine Mitarbeiter. Es gab da auch schon mal einen Artikel drüber.« Er vergrub die Hände in den Hosentaschen. »Ich erkenne die nie. Ich guck auch nicht so viel Fernsehen«, murmelte er beinahe entschuldigend.

Verena starrte ihn an. »Das hier ist aber nicht dieser Kult-Imbiss Mundfrischer Fisch, oder?« Penny und Heiner blickten gleichzeitig langsam nach oben zu dem großen Holzschild, das über dem Eingang der Räucherei hing, auf dem in türkisen Buchstaben die Worte Mundfrischer Fisch prangten.

»Heiner Mund«, stellte er sich vor und schüttelte Verena noch mal die Hand. »Können Sie ja nicht wissen.«

Nee, aber lesen wird sie doch können, die Journalistin.

»Tja, jetzt weiß ich gar nicht … Es geht mir ja um alte Handwerkskunst. Passt das denn mit so einem In-Lokal zusammen?« Sie heftete ihren Blick auf Heiner, als hoffte sie, dass er sie irgendwie überzeugen konnte. Kein Wunder, ein Reetdachdecker war ein bisschen wenig für ihre Reportage.

»Das müssen Sie schon selbst wissen.« Heiner schob die Hände wieder in die Taschen, noch tiefer dieses Mal. Er sah auf einmal wie ein Junge aus, dem man einen Ball vor die Nase gehalten und wieder weggenommen hatte.

»Herr Mund räuchert noch wie sein Urgroßvater, nämlich über offenem Feuer, das mit Buchen- und Erlenholz der Insel entzündet wird.«

»Also erst Buche und dann Erle«, erklärte er.

»Genau. Und schon der Fischfang mit dem Stellnetz läuft genauso ab wie vor über hundert Jahren.«

»Na dann.« Verenas Augen leuchteten.

Heiner scharrte mit dem Fuß über die Holzbohlen der Terrasse. »Denn fragen Sie man ruhig«, forderte er sie auf. Plötzlich leuchtete auch sein Gesicht. »Na, vielleicht nicht hier so zwischen Tür und Angel. Ich kann Ihnen erst den Ofen zeigen. Den können Sie auch fotografieren, wenn Sie wollen.« Er deutete auf ihre Kamera, die vor ihrem Bauch baumelte. »Sieht man ja nicht mehr oft. Und dann probieren Sie den Fisch.« Er wandte sich an Penny: »Willst du auch bleiben, oder musst du nach Hause?«

Wieso klingt das gerade, als wenn er mich loswerden will?

»Ach, bitte bleiben Sie doch. Ich würde Sie gern zum Essen einladen, als kleines Dankeschön für Ihre Mühe.« Verena lächelte Penny so herzlich an, dass diese jede Verabredung abgesagt hätte, nur um die Einladung anzunehmen. »Und mit Ihnen würde ich lieber einen Termin machen, wenn es Ihnen recht ist.«

Was hat ihre Hand auf Heiners Arm zu suchen? Drollig, das scheint er sich auch gerade zu fragen.

»Ich bereite mich gern auf Interviews vor. Das verstehen Sie bestimmt.«

»Ach so, ja, meinetwegen.« Er führte die beiden an einen Tisch.

»Ich bin Ihnen so dankbar für Ihre Hilfe. Herr Luhrow und Herr Mund entsprechen genau meinen Vorstellungen.«

Ach ja? Warst du nicht eben noch ganz unsicher, ob Heiner in dein Konzept passt? Hm, ist wahrscheinlich besser als nichts.

»Das freut mich.«

»Ich hatte mir noch Segelmacher notiert und Hersteller von Strandkörben. Und bestimmt wurde doch auch Keramik produziert und gesponnen auf der Insel.«

»Gesponnen wird noch immer viel.« Penny schmunzelte.

»Kennen Sie denn auch jemanden, der …? Ach, jetzt verstehe ich.« Verena lachte. Am Nebentisch drehten sich zwei Kinder um und kicherten. »Im Ernst, es wäre toll, wenn Sie noch andere Ideen oder Ansprechpartner für mich hätten. Keine Angst, Sie müssen mich nicht überall hinfahren. Es hilft mir schon, wenn ich weiß, an wen ich mich wenden kann.« Penny dachte nach. Ihr fiel ein Buch ein, das Verena sich ausleihen konnte.

»Die Bücherei ist in Ahlbeck in der Wilhelmstraße ganz in der Nähe des Rathauses. Bestimmt finden Sie in dem Büchlein einige Anregungen. Fragen Sie ruhig außerdem die Bibliothekarin. Das ist eine alteingesessene Usedomerin. Die kann Ihnen sicher auch den einen oder anderen Tipp geben.«

Kapitel 2