Liebestraum am weißen Strand - Jessica Hart - E-Book

Liebestraum am weißen Strand E-Book

JESSICA HART

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Beschreibung

Für Martha geht ein Traum in Erfüllung: Lewis Mansfield hat sie engagiert. Sechs Monate wird sie auf einer romantischen Insel im Indischen Ozean verbringen - mit Lewis in einer Villa am Meer. Kaum auf St. Bonaventure angekommen, muss Martha feststellen, dass sie sich bereits in den Unternehmer verliebt hat. Doch Lewis scheint glücklich zu sein mit seinem unbeschwerten Junggesellenleben. Kann sie es wagen, ihm ihre Gefühle zu gestehen?

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Seitenzahl: 202

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IMPRESSUM

Liebestraum am weißen Strand erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2003 by Jessica Hart Originaltitel: „Herr Boss‘s Baby Plan“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1572 - 2005 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann

Umschlagsmotive: GettyImages_pkanchana

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733753689

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Martha sah auf ihre Armbanduhr. Zwanzig vor vier. Wie lange würde Lewis Mansfield sie noch warten lassen?

Seine persönliche Assistentin hatte sich entschuldigt, als Martha pünktlich um drei Uhr erschienen war. Mr. Mansfield habe sehr viel zu tun, hatte sie gesagt. Das war in Ordnung. Martha wusste, wie es war, viel zu tun zu haben, und sie konnte es sich nicht leisten, verärgert wieder abzurauschen. Lewis Mansfield war im Moment ihre einzige Chance, nach St. Bonaventure zu kommen, also würde sie warten müssen.

Sie wünschte nur, er würde sich beeilen. Noah war aufgewacht und wurde unruhig. Sie hob ihn aus dem Buggy und betrachtete mit ihm die vergrößerten Schwarz-Weiß-Fotos, die an den Wänden hingen. Die Bilder waren nicht besonders interessant. Eine Straße durch eine Wüste. Eine Start- und Landebahn. Ein Hafen. Noch eine Straße, diese mit einem Tunnel. Eine Brücke. Sie hatten etwas Dramatisches, aber Martha zog ein bisschen Leben vor. Personen auf den Fotos hätten die Größenordnung der Bauten verdeutlicht und die Bilder menschlich gemacht. Mit einem Model, das über die Start- und Landebahn schreitet …

„Ich denke wie eine Moderedakteurin“, sagte Martha zu Noah. „Damit sollte ich besser aufhören, stimmt’s? Ich habe jetzt einen neuen Beruf.“

Kindermädchen für sechs Monate. Konnte man das als Beruf bezeichnen? Es war gewiss nicht derjenige, den sie im Sinn gehabt hatte, als sie die Universität verlassen hatte. Martha dachte an ihren aufregenden Job bei „Glitz“ und seufzte. Kindermädchen war irgendwie nicht das Gleiche.

Was Gespräche anbelangte, war mit Noah noch nicht viel los. Er war ja erst acht Monate. Aber er antwortete, indem er mit der Stirn liebevoll gegen Marthas Kinn stieß, und sie drückte ihn an sich. Er war mehr wert als jede großartige Karriere.

Die Tür zu Lewis Mansfields Büro ging auf, und Martha drehte sich hoffnungsvoll um, als seine persönliche Assistentin herauskam.

„Lewis wird Sie jetzt empfangen“, sagte sie. „Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten.“ Sie blickte unsicher Noah an. „Möchten Sie, dass ich auf ihn aufpasse?“

„Danke, aber jetzt, da er wach ist, nehme ich ihn besser mit“, erwiderte Martha. „Kann ich den Buggy hier lassen?“

„Natürlich.“ Die persönliche Assistentin zeigte auf die geschlossene Tür und dämpfte die Stimme. „Er hat ziemlich schlechte Laune.“

Oh, großartig, dachte Martha. „Vielleicht wird er ja fröhlich, wenn er feststellt, dass ich die Antwort auf seine Gebete bin“, sagte sie.

Die persönliche Assistentin lächelte mitfühlend. „Viel Glück“, meinte sie nur.

Lewis schob mürrisch Papiere auf dem Schreibtisch hin und her, während er darauf wartete, dass Martha Shaw hereinkam. Zu behaupten, dass er ziemlich schlechte Laune hatte, war eine Untertreibung.

Bisher war der Tag grässlich gewesen. In aller Herrgottsfrühe war Savannah in schrecklicher Verfassung bei ihm aufgetaucht, und natürlich waren ihr Reporter gefolgt und hatten geklingelt, gespannt auf die schmutzigen Details der letzten Fortsetzung in dem schon lange laufenden Melodram um Savannahs Beziehung zu Van Valerian. Lewis hatte seine Schwester beruhigt, sich durch das Rudel der Paparazzi vor der Tür gekämpft und in endlosen Staus vor Frustration die Zähne zusammengebissen, nur um im Büro mit mehreren Krisen konfrontiert zu werden, mit denen er sich sofort befassen musste. Zur Mittagszeit war das Kindermädchen aufgekreuzt. Ihre Mutter sei ins Krankenhaus gebracht worden, hatte es gesagt und Viola bis zum Abend bei ihm abgeladen.

Zumindest benimmt sich Viola gut, dachte Lewis. Bis jetzt jedenfalls. Er betrachtete skeptisch die Babytragetasche in der Ecke. Seine Nichte schlief friedlich, aber so, wie dieser Tag lief, würde das nicht andauern. Er musste eben das Beste aus der Zeit machen, die ihm noch blieb. Wenn er sich doch nur nicht bereit erklärt hätte, Martha Shaw zu empfangen. Aber Gill hatte so beharrlich behauptet, ihre Freundin sei genau das richtige Kindermädchen für Viola, dass er am Ende nachgegeben hatte, nur um Gill zum Schweigen zu bringen. „Martha ist perfekt für dich“, hatte sie immer wieder betont.

Lewis war da nicht so sicher. Gill war eine Freundin von Savannah und arbeitete für irgendein glamouröses Hochglanzmagazin. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie mit einem Kindermädchen befreundet war, geschweige denn mit einem, das ruhig, vernünftig und zuverlässig war.

Die Tür ging auf. „Martha Shaw“, sagte seine persönliche Assistentin munter und führte genau den Typ Frau herein, den Lewis im Moment am wenigsten sehen wollte.

Ich hätte es wissen sollen, dachte er bitter. Mit dem glatten dunklen Haar und dem sinnlichen Mund war sie durchaus attraktiv, aber sie war viel zu dünn. Lewis zog Frauen vor, die nicht aussahen, als würden sie in zwei Teile zerbrechen, sobald man sie berührte.

So viel zu einem ruhigen, zuverlässigen Kindermädchen. Martha Shaw strahlte Nervosität und Erschöpfung aus. Ihre großen dunklen Augen waren glanzlos vor Müdigkeit, und sie hielt sich angestrengt aufrecht.

Lewis ignorierte ihren Gruß und blickte anklagend auf ihre Hüfte. „Das ist ein Baby.“

Martha folgte seinem Blick zu Noah, der am Daumen lutschte und sich staunend umsah. An Lewis Mansfields Beobachtungsgabe war nichts auszusetzen, auch wenn seine Manieren zu wünschen übrig ließen. „Tatsächlich!“, rief Martha gespielt überrascht. „Wie ist das denn dort hingekommen?“

Lewis Mansfield fehlte es nicht nur an Höflichkeit. Offensichtlich hatte er auch keinen Sinn für Humor, denn er machte ein finsteres Gesicht. Kein guter Start für ihr Vorstellungsgespräch.

Dann sollte sie es wohl mit Charme versuchen. „Das ist Noah“, sagte sie mit ihrem schönsten Lächeln.

Es wurde nicht erwidert. Damit hatte sie irgendwie gerechnet. Lewis Mansfield war die wandelnde und sprechende Verkörperung der Verdrossenheit. Er war groß und sah so aus, als würde ihn nichts umwerfen, hatte ein ernstes Gesicht und einen reservierten Blick. Es war kaum zu glauben, dass dieser Mann mit der glamourösen Savannah Mansfield verwandt war, die für ihr lebhaftes Temperament berühmt war und das Leben einer Prominenten führte.

Gill hätte mich warnen können, dachte Martha ein bisschen verärgert. Zugegeben, Gill hatte gesagt, Lewis sei kurz angebunden. „Aber er ist wirklich ein Schatz“, hatte sie schnell versichert. „Ich bin sicher, ihr werdet sehr gut miteinander auskommen.“

Jetzt, da sie die Zielscheibe seines einschüchternden Blicks war, bezweifelte Martha das. Sie musterte Lewis Mansfield, während sie darauf wartete, dass er sie aufforderte, sich zu setzen. Vergeblich suchte sie nach irgendeinem Anzeichen von Sanftheit oder Sensibilität in dem strengen Gesicht. Es sah verdächtig danach aus, als wäre sein Stirnrunzeln dauerhaft, und er wirkte grimmig und mürrisch. Kurz angebunden war er ja, aber ein „Schatz“? Das glaubte Martha nicht.

„Er ist sehr brav“, sagte sie und zerzauste Noah das Haar. Einer von ihnen musste schließlich das Schweigen brechen. Sie konnten nicht den ganzen Nachmittag hier stehen und sich anblicken. „Er wird keinen Ärger machen.“

„Ha!“ Lewis kam hinter seinem Schreibtisch hervor. „Das habe ich schon gehört. Meistens von Frauen, die ihre Babys abgeben, schnell verschwinden und es anderen überlassen, herauszufinden, wie viel Ärger sie machen!“

Du liebe Güte, das lief nicht gut. Gill hatte den Eindruck vermittelt, dass Lewis Mansfield ein völlig erschöpfter Ingenieur war, der gerade sein eigenes Unternehmen aufbaute und sich plötzlich auch noch um das Baby seiner Schwester kümmern musste. Gill hatte nicht ausdrücklich gesagt, dass er sich die Haare raufe und verzweifelt Hilfe brauche, dennoch war Martha in der Erwartung gekommen, dass er ihr vor Dankbarkeit um den Hals fallen würde, weil sie genau im rechten Moment auftauchte.

Träum ruhig weiter, sagte sie sich sarkastisch. Ein Blick auf Lewis Mansfield, und es war klar, dass er nicht der Typ war, der seine Gefühle zeigte. Verzweifelt sah er nicht aus, und das mit der Dankbarkeit … Tja, an der Front den Atem anzuhalten hatte offensichtlich nicht viel Sinn!

Martha dachte an St. Bonaventure und rang sich ein Lächeln ab. „Deshalb bin ich hier.“ Sie setzte sich auf eins der schwarzen Ledersofas. Noah war schwer, sie müde, und ihr taten die Füße weh. Zum Teufel damit, dass sie nicht dazu aufgefordert worden war, Platz zu nehmen. Sie setzte Noah neben sich und ignorierte Lewis Mansfields alarmierten Blick. Hatte er etwa Angst, dass Noah das todschicke Sofa kaputtmachen würde? Er war acht Monate alt und hatte weder die Zähne noch die Hände für große Zerstörungen.

Noch nicht.

„Gill hat gesagt, Sie würden sich für einige Zeit um das Baby Ihrer Schwester kümmern und es mit auf eine Insel im Indischen Ozean nehmen, weshalb Sie ein Kindermädchen brauchen würden.“

„Es stimmt, dass ich ein Kindermädchen brauche“, erwiderte Lewis. „Meine Schwester Savannah macht gerade eine sehr … stressige … Zeit durch“, erklärte er vorsichtig, als hätte Martha nicht in „Hello!“ alles über die stürmische Affäre, die Hochzeit und jetzt die Scheidung gelesen. „Sie wird im Moment mit dem Baby und allem anderen nicht fertig und möchte in eine Klinik, um zur Ruhe zu kommen.“

Darüber wusste Martha auch Bescheid. Wer bei Glitz arbeitete, musste Hello! lesen, und die Gewohnheit war schwer abzulegen. Sie nahm Lewis Mansfield den missbilligenden Ton nicht übel. Savannah Mansfield war hinreißend schön, aber Martha war sie immer wie eine verzogene Göre vorgekommen, die zu Wutanfällen neigte, wenn sie ihren Willen nicht bekam. Ihre Ehe mit dem grüblerischen Rockstar Van Valerian, selbst nicht gerade für seine Liebenswürdigkeit berühmt, war schon zum Scheitern verurteilt gewesen, als mit ausführlicher Fotoreportage und lächerlich großen Diamantringen die Verlobung bekannt gegeben worden war.

Jetzt ging Savannah freiwillig in eine Klinik, die für ihre prominenten Patienten berühmt war, von denen die meisten nur darunter zu leiden schienen, dass sie zu reich oder zu dünn waren. Die arme kleine Viola Valerian war von beiden Elternteilen im Stich gelassen und ihrem grimmigen Onkel übergeben worden. Sie tat Martha leid. Lewis Mansfield mochte ja ein verantwortungsbewusster Mensch sein, aber nett oder liebevoll wirkte er nicht.

Was schade war, denn er wirkte keineswegs unattraktiv. Sie betrachtete ihn kritisch. Wenn er lächelte, könnte er wahrscheinlich ganz anders aussehen. Als sie versuchte, ihn sich lächelnd und liebevoll vorzustellen, spürte sie ein seltsames Prickeln und sah schnell weg. „Wer kümmert sich zurzeit um Viola?“, fragte sie, nur um irgendetwas zu sagen.

„Das Kindermädchen, das Viola betreut, seit sie auf die Welt gekommen ist, aber die junge Frau heiratet im nächsten Jahr und will nicht sechs Monate lang von ihrem Verlobten getrennt sein.“

Martha fand das nur recht und billig, doch Lewis klang so ungehalten, als wäre die Frau völlig unvernünftig, weil sie bei dem Mann bleiben wollte, den sie liebte.

„Ich brauche jemand, der Erfahrung mit Babys hat und bereit ist, sechs Monate auf St. Bonaventure zu verbringen“, sprach Lewis weiter.

Martha war froh, dass sie endlich zur Sache kamen. „Ich kann mit Babys umgehen. Und ich will nach St. Bonaventure. Ich würde sagen, wir beide sind füreinander bestimmt, meinen Sie nicht auch?“

Sie hätte sich davor hüten sollen, flapsig zu sein.

Lewis blickte sie argwöhnisch an. „Sie sehen nicht aus wie ein Kindermädchen.“

„Heutzutage sind Kindermädchen nicht mehr dralle, rotbackige alte Dienerinnen.“

„Das merke ich gerade“, erwiderte Lewis niedergeschlagen.

Offensichtlich sehnte er sich nach einer grauhaarigen Dame, die seit Generationen bei der Familie war und ihn „Master Lewis“ nannte. Warum hatten die Mansfields eigentlich keine solchen Angestellten? Sie schienen doch eine dieser berühmten reichen Familien zu sein, die legendäre Partys feierten, mit Skandalen kokettierten und sich amüsierten, ohne jemals irgendetwas Nützliches zu tun. Zumindest hatte Martha das gedacht, bis sie Lewis kennen gelernt hatte. Vielleicht war er ein Atavismus?

„Moderne Kindermädchen sind wahrscheinlich nicht gut darin, sich unterwürfig zu benehmen, aber das bedeutet doch nicht, dass sie schlechter mit Babys umgehen können“, meinte sie und lächelte liebevoll Noah an, der mit verwirrtem Gesichtsausdruck auf das Lederpolster klopfte. Auf etwas so Luxuriöses war er noch nie gestoßen.

„Stimmt wohl.“ Lewis klang nicht überzeugt und beobachtete misstrauisch, wie Noah das Sofa erforschte.

Martha kramte in der großen Tasche, die sie jetzt immer bei sich trug, und gab Noah eine Rassel, um ihn abzulenken. Er schüttelte sie und strahlte vor Vergnügen.

Er war so entzückend. Wie könnte ihm irgendjemand widerstehen?

Martha blickte wieder Lewis an und stellte fest, dass er Noah mühelos widerstand. Immerhin war er gekommen und hatte sich auf das Sofa ihr gegenüber gesetzt. Das ist ja schon mal etwas, dachte sie hoffungsvoll.

„Sind Sie zurzeit damit belastet?“, fragte er, als wäre Noah eine Rechnung.

„Er ist meine Dauerbelastung“, antwortete Martha stolz. „Noah ist mein Sohn“, erklärte sie geduldig, als ihr klar wurde, dass Lewis nicht klüger als zuvor war.

„Ihr Sohn?“ Lewis schreckte nicht wirklich zurück, doch er hätte es ebenso gut tun können. „Gill hat nicht erwähnt, dass Sie ein Baby haben.“

Gill hat auch nicht erwähnt, dass er das menschliche Gegenstück zur Eigernordwand ist, dachte Martha. Nicht, dass sie es ihr wirklich verübelte. Gill hatte ihre Stelle als Moderedakteurin bei Glitz übernommen, und offensichtlich wollte sie Martha auf eine Insel im Indischen Ozean verfrachten, damit sie nicht versuchte, ihren alten Job zurückzubekommen. Gill konnte den Job gern behalten, und das hätte Martha auch gesagt, wenn sie dadurch besser darauf vorbereitet gewesen wäre, Lewis Mansfield gegenüberzutreten.

So, wie die Dinge lagen, schien die Sache immer schlimmer zu werden. Unter diesen Umständen würde sie niemals nach St. Bonaventure kommen. „Es tut mir sehr leid“, erwiderte Martha vorsichtig. „Ich habe angenommen, dass Gill Ihnen von Noah erzählt hat.“

„Sie hat nur erwähnt, Sie hätten Erfahrung mit Babys, seien für sechs Monate frei und könnten sofort abreisen. Und Ihnen würde sehr viel daran liegen, nach St. Bonaventure zu kommen.“

Danke, Gill, dachte Martha und änderte gleichzeitig ihre frühere, nicht so dankbare Meinung über ihre Nachfolgerin. „All das stimmt. Ich bin sehr …“ Martha sprach nicht weiter, als Noah nun jauchzte und die Rassel nach Lewis warf. „Nicht so laut, Schatz“, mahnte Martha, aber es war zu spät. Das Baby in der Tragetasche war aufgewacht und stieß leise Schreie aus, die einen großen Ausbruch signalisierten.

„Das hat mir gerade noch gefehlt!“ Lewis verdrehte die Augen.

Martha stand schnell auf, ging zu Viola hinüber, nahm sie hoch und drückte sie an ihre Schulter, bis sich das Baby beruhigte. „Jetzt will ich dich mal richtig ansehen.“ Sie setzte sich wieder aufs Sofa, hielt Viola auf den Knien und betrachtete sie. „Oh, du bist ja wirklich eine Schönheit!“ Martha fand alle Babys entzückend, aber Viola war mit ihren blonden Locken, den blauen Augen und langen Wimpern außergewöhnlich hübsch. „Und du weißt es auch, glaube ich.“

Viola lächelte, und wäre sie nicht noch ein Baby gewesen, hätte man das Lächeln zweifellos affektiert nennen können.

„Wie alt ist sie?“, fragte Martha.

„Wie bitte?“ Lewis klang verwirrt.

„Sie sieht aus, als wäre sie in Noahs Alter.“

Aus irgendeinem Grund hatte ihn Marthas unerwartet süßes Lächeln aus der Fassung gebracht. Lewis riss sich mühsam zusammen. Wie alt war Viola? Er rechnete in Gedanken nach. „Acht Monate.“

„Oh, dann sind sie gleich alt.“ Noah wurde neidisch auf all die Aufmerksamkeit, die Viola bekam. Martha setzte beide Babys auf den Teppich und beobachtete sie einen Moment lang liebevoll. „Sie könnten fast Zwillinge sein, oder?“

„Abgesehen davon, dass einer blond und der andere dunkel ist.“

„Okay, keine eineiigen Zwillinge. Wann hat Viola Geburtstag?“

„Hm … am neunten Mai, glaube ich.“

„Wirklich?“ Martha vergaß sein unfreundliches Benehmen und strahlte Lewis begeistert an. „Noah auch! Ist das nicht ein Zufall? Ihr seid tatsächlich Zwillinge“, sagte sie zu den beiden Babys auf dem Fußboden, die sich noch immer unsicher musterten. Sie sah wieder Lewis an. „Das muss Schicksal sein.“

Sein missbilligender Blick überraschte sie nicht allzu sehr. Sie hatte nicht erwartet, dass er ein Mann war, der viel von Zeichen, Aberglauben und faszinierenden Zufällen hielt.

„Sie haben mir nicht gesagt, warum Sie versessen darauf sind, nach St. Bonaventure zu reisen.“ Lewis konnte sich nicht erklären, warum er so verärgert war. Es hatte irgendetwas damit zu tun, wie sie die beiden Babys auf dem Teppich angelächelt und sich ihr Gesicht vor Begeisterung aufgehellt hatte. Du hast keine Zeit, auf solche Dinge zu achten, ermahnte er sich mürrisch.

„Braucht man einen Grund für den Wunsch, sechs Monate auf einer tropischen Insel zu verbringen?“, erwiderte Martha gelassen.

Lewis hatte jedoch das Gefühl, dass sie etwas verschwieg. „Vielleicht ist Ihnen nicht klar, worauf Sie sich einlassen würden. St. Bonaventure liegt abgeschieden mitten im Indischen Ozean und ist sehr klein. Sobald man eine Rundfahrt gemacht hat, kennt man alles, und man kann zur Abwechslung nur zu einigen vorgelagerten weitaus kleineren Inseln fahren, auf denen es noch weniger zu sehen gibt.“

In genau diesem Moment streckte Viola den Arm aus und schubste Noah um. Er heulte erschrocken auf, und Lewis verzog gereizt das Gesicht.

Hoppla, die Babys zusammenzusetzen war vielleicht doch kein so guter Einfall. Martha hob beide hoch, brachte sie links und rechts von sich auf dem Sofa unter, gab Noah seine Rassel und Viola ein Stofftier, das sie sich sofort in den Mund steckte. „Tut mir leid.“ Martha sah wieder Lewis an. „Was wollten Sie gerade sagen?“, fragte sie höflich.

Lewis beobachtete, wie seine Nichte über Marthas Schoß hinweg hochmütig Noah anblickte, und fast hätte er gelacht. Auch wenn Martha überhaupt nicht wie ein Kindermädchen aussah, machte sie einen erstaunlich kompetenten Eindruck. Viola konnte eine Nervensäge sein, wie ihr jetziges Kindermädchen ihm immer wieder versicherte. Und wenn sie ihrer Mutter nachschlug, würde sich das als eine meisterhafte Untertreibung erweisen. Martha schien Viola jedoch sofort richtig eingeschätzt zu haben und behandelte sie liebevoll, aber bestimmt.

Verspätet wurde sich Lewis bewusst, dass Martha auf eine Antwort wartete, und er war wütend auf sich, weil er sich hatte ablenken lassen.

„Sie wollten mir gerade etwas über die Bedingungen auf St. Bonaventure erzählen“, half ihm Martha freundlich auf die Sprünge.

Nicht, dass sich Lewis dadurch besser fühlte. Er mochte es nicht, dumm auszusehen, und er hatte den Verdacht, dass er im Moment genau das tat. Um Marthas Blick zu entkommen, stand er auf und durchquerte das Zimmer. „Im vergangenen Jahr hat ein Wirbelsturm den größten Teil der Infrastruktur zerstört. Deshalb gehe ich dorthin. Die Weltbank finanziert einen neuen Hafen und einen neuen Flugplatz mit Zufahrtsstraßen. Es handelt sich also um ein großes Projekt.“

„Aber das wird doch sicher länger als sechs Monate dauern?“, fragte Martha überrascht.

„Natürlich! Für die Dauer des Projekts wird ein Ingenieur von uns auf der Insel wohnen, aber ich möchte zumindest in der Anfangsphase dort sein. Es ist ein Prestigeauftrag, und für die Firma ist dies eine kritische Zeit. Wir brauchen einen Erfolg.“

„Sie werden dort also sechs Monate lang alles vorbereiten und dann nach London zurückkommen?“

„So ist es geplant. Vielleicht bleibe ich auch länger, das hängt davon ab, wie die Sache läuft. Wir müssen mehrere Untersuchungen durchführen, und möglicherweise bedeuten sie, dass verschiedene Änderungen in den Entwurf aufgenommen werden. Zunächst ist es wichtig, ein gutes Arbeitsverhältnis mit den Behördenvertretern und Zulieferern aufzubauen. Diese Dinge brauchen Zeit.“ Lewis wünschte, Martha würde aufhören, ihn anzublicken, aufhören, mit einem Baby unter jedem Arm dazusitzen, aufhören, so … beunruhigend zu sein. „Jedenfalls sollte Savannah in sechs Monaten in der Lage sein, sich wieder selbst um Viola zu kümmern“, sagte er kurz angebunden, sich unbehaglich bewusst, dass er den Faden verloren hatte. Was erzählte er da eigentlich alles? Martha brauchte über das Projekt nichts zu wissen, und es ging sie nichts an, warum es für ihn wichtig war. Jeder würde denken, ihm liege etwas an ihrer Meinung. „Der Vertrag des Kindermädchens ist also auf ein halbes Jahr befristet.“

„Ich verstehe.“

„Damit will ich sagen, dass es kein ausgedehnter Strandurlaub sein wird“, sprach Lewis weiter. „Der Tourismus ist wenig entwickelt und die Gemeinschaft der dort lebenden Ausländer sehr klein. Ich werde viel zu tun haben und den ganzen Tag nicht zu Hause sein, wahrscheinlich auch abends oft nicht. Für Violas Kindermädchen werden es einige sehr ruhige Monate. Sicher, das Wetter ist schön, aber man kann nichts unternehmen, außer an den Strand zu gehen. Die Hauptstadt, Perpetua, ist klein, und die wenigen Geschäfte sind von Importen abhängig. Manchmal sind die Regale monatelang leer, was die Ernährung eintönig machen kann.“

„Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.“ Martha lächelte, als wüsste sie genau, dass er sein Bestes tat, um sie abzuschrecken. Und es nicht schaffte.

Lewis blickte finster. „Ich will damit nur sagen, dass Sie es noch einmal überdenken sollten, wenn Sie ein Urlaubsparadies erwarten!“

„Ich suche auf St. Bonaventure nicht nach einem Paradies.“

„Wonach dann?“

Martha zögerte. Sie hatte gehofft, Lewis Mansfield nicht schon jetzt die ganze Geschichte erzählen zu müssen, aber wahrscheinlich war es besser, offen zu sein. „Nach Noahs Vater.“

„Unvorsichtig von Ihnen, jemand so Wichtiges zu verlieren.“ Lewis zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Oder hat er Sie verloren?“

Martha wurde rot. „So war es nicht. Rory ist Meeresbiologe und schreibt seine Dissertation über irgendetwas, was mit Meeresströmungen und Korallenriffen zu tun hat. Die praktische wissenschaftliche Arbeit dafür macht er auf einem Atoll bei St. Bonaventure.“

„Wenn Sie wissen, wo er ist, dann ist er genau genommen nicht verschwunden, oder? Warum nehmen Sie nicht einfach Kontakt zu ihm auf? Als Student hat er bestimmt eine E-Mail-Adresse. Heutzutage ist es eigentlich nicht so schwer, Leute aufzuspüren.“

„Ich muss ihn sehen. Rory weiß nichts von Noah, und so etwas kann man nicht mal eben in einer E-Mail mitteilen. Was soll ich denn sagen? Ach, übrigens, du bist Vater geworden?“

„Das müssen Sie auch sagen, wenn Sie ihn sehen“, erwiderte Lewis.

Martha biss sich auf die Lippe. „Ich denke, es ist besser, wenn Rory seinen Sohn wirklich vor sich hat. Sonst wird ihm Noah nicht real vorkommen.“

„Sie meinen, Sie können eher Geld aus ihm herausholen, wenn Sie mit einem niedlichen Baby bei ihm aufkreuzen?“

„Es geht nicht um Geld!“, erwiderte Martha wütend. „Rory ist viel jünger als ich. Er ist noch Student und muss von seinem Stipendium leben. Finanziell für Noah verantwortlich zu sein kann er sich nicht leisten, und das verlange ich auch nicht von ihm.“

„Und wozu dann die lange Reise?“

„Ich finde, Rory hat das Recht zu wissen, dass er Vater ist.“

„Obwohl er doch anscheinend nicht einmal genug Interesse hatte, um mit Ihnen in Verbindung zu bleiben und sich zu erkundigen, ob es Ihnen gut geht?“

„So war es nicht“, erwiderte Martha. „Ich habe Rory Anfang vergangenen Jahres kennen gelernt. Es war nicht nur ein One-Night-Stand.“ Sie wollte nicht, dass Lewis dachte, es sei nur schäbiger Gelegenheitssex gewesen. „Ich mochte Rory sehr gern, und wir hatten eine sehr schöne Zeit zusammen, aber wir wussten beide, dass es keine dauerhafte Sache sein würde. Er war in Großbritannien, um auf Konferenzen über seine Forschungen zu berichten, und musste danach zurück, um seine wissenschaftliche Arbeit abzuschließen. Ich hatte einen tollen Job hier in London. Es war für uns beide ein …“ Martha suchte nach der richtigen Bezeichnung. „Ein angenehmes Intermezzo.“

„Dann wusste er nicht, dass Sie schwanger waren?“

„Doch. Ich habe es kurz vor seiner Abreise festgestellt und ihm verraten.“

„Und er ist trotzdem zurückgeflogen?“ Lewis klang empört.