Linksrechtsobenunten - Band 2: Der neue König - M.W. Schwarzbach - E-Book

Linksrechtsobenunten - Band 2: Der neue König E-Book

M.W. Schwarzbach

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Beschreibung

Band 2 "Der neue König": Nachdem die Wolkenkrieger Thujus und Aquila ihre Ausbildung beendet haben, will Thujus seine Eltern wiedersehen. Aber in Zwischental ist nichts mehr wie es war. Die Wolkenkrieger erkennen, dass sie mit einem Mal vor der großen Aufgabe stehen, die ihnen prophezeit wurde. Thujus gelangt nach Nordland und erfährt, dass die Norddiminuren einen gemeinen Plan ersonnen haben, um die Herrscher über ganz Linksrechtsobenunten zu werden. Marie und eine riesige Armee von Diminuren begeben sich auf den Grünberg, um die Krapharen zu vertreiben. Doch dort erwartet sie eine böse Überraschung … Band 1 "Die Wolkenkrieger" ist ebenfalls im mainbook Verlag erschienen. Die Serie: Sechs Wochen Sommerferien genießen, das war der Plan. Doch der geht nicht auf, denn urplötzlich findet sich Marie in der fremden Welt Linksrechtsobenunten wieder. Sie landet bei den Diminuren, in unserer Welt als Wichtelmänner bekannt, die sie mit einer gefährlichen Aufgabe betrauen. Dann macht sie eine Entdeckung, die ganz Linksrechtsobenunten in einen schrecklichen Krieg zu stürzen droht ...

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M.W. Schwarzbach

LINKSRECHTSOBENUNTEN

Fantasy-Serie

Band 2:

Der neue König

Die Serie „Linksrechtsobenunten“

Sechs Wochen Sommerferien genießen, das war Maries Plan. Doch der geht nicht auf, denn urplötzlich findet sie sich in der fremden Welt Linksrechtsobenunten wieder. Sie landet bei den Diminuren, in unserer Welt als Wichtelmänner bekannt, die sie mit einer gefährlichen Aufgabe betrauen und macht zu allem Überfluss auch noch eine Entdeckung, die ganz Linksrechtsobenunten in einen schrecklichen Krieg zu stürzen droht ...

Band 2 „Der neue König“

Nachdem die Wolkenkrieger Thujus und Aquila ihre Ausbildung beendet haben, will Thujus seine Eltern wiedersehen. Aber in Zwischental ist nichts mehr wie es war. Die Wolkenkrieger erkennen, dass sie mit einem Mal vor der großen Aufgabe stehen, die ihnen prophezeit wurde.

Thujus gelangt nach Nordland und erfährt, dass die Norddiminuren einen gemeinen Plan ersonnen haben, um die Herrscher über ganz Linksrechtsobenunten zu werden.

Marie und eine riesige Armee von Diminuren begeben sich derweil auf den Grünberg, um die Krapharen zu vertreiben. Doch dort erwartet sie eine böse Überraschung …

„Der neue König“ ist der zweite Teil der Fantasy-Reihe „Linksrechtsobenunten“. Band 1 „Die Wolkenkrieger“ ist ebenfalls im mainbook Verlag erschienen

Der Autor

M. W. Schwarzbach wurde 1971 in Fürth/Bayern geboren, lebt bei Kassel und ist im öffentlichen Dienst tätig. Nach drei Jahrzehnten als kreativer, leidenschaftlicher Musiker/Songwriter begann er Ende 2011, Kurzgeschichten zu verfassen. Bereits Anfang 2012 kamen erste Zusagen. Seitdem veröffentlichte er viele seiner Geschichten in Anthologien und Zeitschriften verschiedener Verlage.

Im April 2016 beendete er die Arbeit an seinem ersten Fantasy-Roman „Linksrechtsobenunten“, der nun vom Mainbook-Verlag als mehrteilige E-Book-Reihe veröffentlicht wird. Weitere Infos: http://www.geschichtenschreibermws.de

Copyright © 2016 mainbook Verlag, mainebook Gerd FischerAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-946413-32-5

Lektorat: Gerd FischerLayout: Olaf TischerCover Bildrechte: © fotolia/ cranach + ThinkstockPhotos/ nezezon2

Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de oderwww.mainebook.de

Inhalt

1. Die Kraphare und der Kabaukauch

2. Die letzte Prüfung

3. Die Sache mit dem Kalk

4. Ein Hinterhalt

5. Eine Art Plan

6. Nordland

7. Eine schreckliche Entdeckung

1. Die Kraphare und der Kabaukauch

Pietschie, Marie und Skarbi befanden sich in der Behausung des Bergmönchs und der junge Späher schob sich genüsslich ein Stück Brot in den Mund.

Marie wandte sich an Skarbi: „Du hast gesagt, du hättest etwas beobachtet. Was war das?“

„Kraphare!“, stieß er aus und sah das Mädchen aufgeregt an. „Tausende Kraphare! Der Himmel war schwärzer als schwarz. So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Der riesige Bergmönch klang wirklich besorgt. „Einen Schwarm Kraphare, der durch den Abend fliegt, kennt man ja, aber in solchen Mengen ... Unmengen sind das! Da stimmt was nicht, oh je oh je!“

„Ich habe da ein Problem“, warf Marie ein, „was um alles in der Welt sind Kraphare?“

„Oh“, bemerkte der Bergmönch, „wie dumm von mir. Ihr kennt diese Biester zum Glück nicht in eurer Welt. Hm“, er überlegte und sagte dann, „am besten kann man sie mit Krähen vergleichen. Sie sind ebenso schwarz und ebenfalls Aasfresser. Aber sie haben auch Ähnlichkeit mit Geiern und Drarken.“

„Drarken? Was sind Drarken?“, fragte Marie und hegte einen Verdacht.

„Drarken heißen in der Menschenwelt Drachen.“ Marie riss die Augen auf. „Aber glücklicherweise gibt es die in eurer Welt nicht mehr und auch hier ist es lange her, als zum letzten Mal welche gesichtet wurden. Aber ein Kraphar ist gerissener und gefährlicher als drei Geier und fünf Krähen zusammen.“

„Okay, also keine Drachen, das ist schon mal gut“, sagte Marie erleichtert, „und was haben die Kraphare nun im Wald gemacht?“

„Sie haben ihn verpestet“, sagte der Riese verärgert.

„Wie denn verpestet?“ Marie sah ihn fragend an.

„Ich weiß nicht, was es war. Sie trugen Säcke in ihren Klauen und ließen sie nacheinander auf den Bergboden fallen. Irgendeine Flüssigkeit war darin und es stank fürchterlich.“

„Das muss ich sehen“, sagte Marie.

„Nicht mehr heute Nacht, es ist zu spät“, erwiderte Skarbi.

„Der Vagahr könnte schon unterwegs sein.“

Wieder sah ihn Marie mit erschrockenen Augen an: „Der was?“

„Der Vagahr“, sagte er, blickte sich verschwörerisch um und fuhr fast flüsternd fort. „Das ist ein Dunkelwesen aus den tiefsten Spalten der Unterwelten. Man sagt, das Böse wurde in seine Haut tätowiert und hat sich mit seinem Blut vermischt wie Zucker mit heißem Tee. Das treibt ihn dazu, Sachen zu tun, die so fürchterlich sind, dass sie nicht einmal der übelste Nachtalb vollbringen könnte. Die Dunkelheit treibt ihn aus seinem Versteck, und er ist unterwegs, um jedem aufzulauern, der bei Nacht unterwegs ist. Die besonders ängstlichen soll er dabei auch besonders gut wittern können. Außerdem soll er die Fähigkeit besitzen, jedes beliebige Aussehen anzunehmen, damit er sich unauffällig nähern kann, um dann seine wahre Gestalt zu offenbaren und ungehindert zuzuschlagen. Jeder, der seine wahre Gestalt gesehen und dieses Zusammentreffen überlebt hat, und das waren nicht viele, wird diesen schrecklichen Anblick nie wieder vergessen können. Derjenige wird für den Rest seines Lebens jede Nacht von den grauenhaftesten Albträumen heimgesucht.“

Marie sah Skarbi mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an und sagte: „Ja klar, und so ein Riesenkerl wie du hat Angst vor Schauergeschichten!“

Beide lachten laut los. Pietschie aber saß kreidebleich daneben und zitterte stumm vor sich hin.

„Es wird einfach zu dunkel draußen“, erklärte Skarbi derweil, immer noch schmunzelnd, „wir könnten bald die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Außerdem kann es hier nachts ziemlich kalt ...“, er stockte, als sein Blick auf Pietschie fiel. „Was hat denn dein Freund plötzlich? Hatten meine Mittel doch nicht die richtige Wirkung?!“

Marie sah Pietschie an und erkannte: „Deine Mittel haben geholfen, aber deine Geschichte hat ihn wohl etwas aufgeregt.“

Sie stellte sich vor den Späher und winkte mit der Hand vor seinen Augen. Sein Blick war starr. Marie schnipste mit den Fingern und er regte sich.

„Wa ..., was ..., was ist? Kommt der Vagahr?“

Pietschie blickte erschrocken und hastig in alle Richtungen und die Farbe, die seinem Gesicht leicht entwichen war, schien nun vollends zu verschwinden.

„Beruhige dich“, sagte Marie und nahm ihn in den Arm, „das ist doch nur ein Schauermärchen, mit dem Skarbi mir Angst einjagen wollte.“

„Nein!“, behauptete der Späher. „Meine Oma hat mir auch schon von dem Vagahr und seinen abscheulichen Taten erzählt. Er lebt also hier auf dem Berg?!“

„Hast du irgendwas, womit du ihn beruhigen kannst?“, fragte Marie und sah Skarbi bittend an.

„Natürlich, ein tolles Zeug!“ Er ging an einen Schrank, in dem viele Flaschen standen die laut klimperten, als er ihn durchwühlte. Hinter einer uralten Flasche Scotch fand er, wonach er suchte – eine schwarze Flasche mit der Aufschrift ‚Schlaf gut‘. Skarbi nahm ein Glas, das zwischen seinen mächtigen Fingern so winzig wie ein Fingerhut erschien, schüttete behutsam eine kleine Menge der schwarzen Flüssigkeit ein und reichte es Marie. In ihren Händen wiederum war das Glas so groß wie eine halbe Maß. Nur der Boden war mit Flüssigkeit bedeckt.

„Ist das Schnaps?“, fragte sie misstrauisch.

„Nein, das ist ein Elixier aus Peru. Es wird aus einem Heilkraut, das man in den Anden findet, gebraut. Völlig ungefährlich, aber es wirkt wahre Wunder. Du wirst sehen.“

Marie hielt Pietschie immer noch im Arm und streichelte beruhigend seine Schulter.

„Trink das“, sagte sie und Pietschie leerte das Glas geistesabwesend.

„Hui“, entfuhr es ihm gut gelaunt und sein Gesicht bekam schlagartig wieder Farbe. „Wer hat hier behauptet, es gäbe den Vagahr?! Hihihihi ...“, ein hohes Kichern entrann seiner Kehle. „Wenn er kommt, pack ich ihn! Hihihihi! Ich pack ihn und zerhack‘ ihn! Hihihihihihi!!!“ Er trällerte seine Worte, verpackt in ein lustiges Lied. „Ich mache Semmelbrösel aus ih ...“ Pietschie blickte noch einmal kurz lächelnd auf und versank dann abrupt schnarchend in einen tiefen Schlaf.

„Das ist vielleicht kein Schnaps“, bemerkte Marie, „aber ich bin mir auch nicht sicher, ob das Zeug wirklich so ungefährlich ist.“

„Das hat mir der Schamane, der mir den Trunk gebraut hat, aber hoch und heilig versichert“, verteidigte sich Skarbi.

Der Bergmönch nahm Pietschie vorsichtig auf und trug ihn in sein Schlafzimmer, wo er ihn sanft auf das riesige Bett legte.

Am nächsten Morgen wurden Marie und Pietschie von einem angenehm süßlichen Geruch geweckt und der Späher sprang umgehend aus dem Bett.

„Oh, Mann“, schnaufte er, „hab ich einen Hunger!“

Dann ist ja alles gut, dachte Marie und grinste. Pietschie warf sich mit beiden Händen kaltes Wasser aus einer der beiden Schüsseln, die Skarbi hinter einem Paravent für sie aufgestellt hatte, ins Gesicht. Dann wuschelte er sich mit den nassen Fingern seine Haare durcheinander. Als er hinter dem Raumtrenner hervor kam, stand Marie ebenfalls auf. Sie wusch sich aber etwas ausgiebiger als ihr hungriger Freund.

Erfrischt gingen die beiden dem interessanten Duft aus Skarbis Stube nach. Der Tisch war gedeckt und der Bergmönch stand mit einer Schürze über seiner Kutte bekleidet davor. Er hielt eine dampfende Kanne in der Hand.

„Guten Morgen, ihr zwei Schlafmützen“, begrüßte er sie und stellte die Kanne auf den Tisch. „Setzt euch und lasst euch diese Köstlichkeiten schmecken.“ Er deutete auf die gefüllten Gläser auf dem Tisch. „In diesem ist Krummbeergelee, in dem dort Grüneichenwurzelmarmelade und in jenem Braunfichtenharzsirup. Hier hätten wir Felspilzpaste, da Bergpilzpastete mit reichlich Pfeffer – eine bekömmliche Leckerei – und hier drin sind gegarte Engerlinge in Bärlauchcreme.“

„Aber ich denke, du isst nur vegetarisch“, gab Marie etwas angeekelt durch die letztgenannte Köstlichkeit von sich.

„Ich sagte, neuerdings sehr oft“, erklärte Skarbi, „manchmal mag ich aber schon gerne eine wohlschmeckende Made, einen saftigen Wurm oder einen knackigen Käfer.“ Sie sah ihn angewidert an und ein schaudernder Laut entrann ihrer Kehle.

„Das tue ich, um meinen Proteinhaushalt aufzufüllen“, verteidigte er sich. „Na gut, na gut“, gab er augenrollend von sich und nahm das Glas mit den Engerlingen vom Tisch.

„Eine Schande, so eine Köstlichkeit unberührt zu lassen“, murmelte er dabei vor sich hin.

Als er zurück kam, setzte er sich, nahm ein Bachbaumrindenbrot, bestrich es dick mit der Bergpilzpastete und biss genussvoll hinein. Marie bestrich ihr Brot mit Krummbeergelee und ließ es sich schmecken. Der Diminur griff auch nach dem Glas mit der Bergpilzpastete, pfiff auf das dazugehörige Brot und schob sich einen Löffel Pastete nach dem anderen in den Mund. Skarbi sah jedem Löffel, der in Pietschies Mund verschwand, verzweifelt hinterher. Der überaus hungrige Späher bemerkte das gar nicht und sein schmatzender Mund zeigte ein breites, zufriedenes Grinsen.

„Lass noch was für unseren Gastgeber übrig“, ermahnte ihn Marie, worauf der Junge den Riesen missmutig ansah. Nach drei weiteren, besonders üppig gehäuften Löffeln reichte er ihm das Glas rüber. Der Boden war noch bedeckt und Skarbi strich sich den dürftigen Rest auf eine kleine Brotkrume.

Marie und der Bergmönch waren schon lang mit dem Essen fertig, als sich Pietschie genüsslich die Felspilzpaste auf sein fünftes Brot strich.

Skarbi fragte höflich: „Junger Diminur, wie lange gedenkst du noch zu essen?“

„Ich bin noch im Wachstum, ich brauche Energie“, entgegnete der Späher.

Marie mischte sich ein: „Ja, wie viel Energie brauchst du denn noch?“

„Ich weiß nicht genau, ein bisschen noch ...“, Pietschie hatte das Brot schon verdrückt und griff nach dem nächsten.

„Ich würde mir jetzt gern ansehen, was die Kraphare hinterlassen haben. Willst du nicht mit?“

„Geht nur, geht nur! Mir wird bestimmt nicht langweilig hier“, antwortete der Junge mit einem Blick auf den gedeckten Tisch.

„Diminuren“, sagte Marie und verdrehte belustigt die Augen. Skarbi nickte dezent und sie machten sich auf den Weg.

Als die beiden den Berg hinunter gingen, lag der Wald in eine dichte Wolkendecke gepackt und nur die Baumwipfel ragten heraus.

„Das ist ja wunderschön“, staunte Marie.

„Es wäre noch schöner“, entgegnete der Riese, „wenn alle Baumwipfel grün wären und es nicht so fürchterlich stinken würde!“

Ein paar der Spitzen hatten tatsächlich eine blassrote Färbung, was Marie erst jetzt bemerkte und ihr wehte ein bitter-süß-scharfer Geruch in die Nase. Sie kannte diesen Geruch, ihr fiel aber im Moment beim besten Willen nicht ein, woher. Sie kamen auf die Lichtung, auf der sie und Pietschie von den Drungas angegriffen worden waren. Der Boden war stellenweise mit einem dünnen, rötlich-braunen Belag bedeckt, der langsam einsickerte.

Der Bergmönch hielt sich die Nase zu. „Was könnte das sein? Buaah, wie das stinkt!“

Beim „Buaah“ des Riesen kam Marie endlich auf des Rätsels Lösung. Immer, wenn sie mit ihren Eltern und Max an einem frisch gedüngten Feld vorbeifuhren, machte ihr kleiner Bruder das gleiche Geräusch und hielt sich die Nase zu. Und genau dieser Geruch war es.

„Das ist Jauche“, bemerkte Marie.

Skarbi blickte fragend drein: „Das ist was?“

„Jauche, Skarbi“, erklärte sie, „Jauche wird zum Beispiel aus ..., naja, aus dem, was Kühe und andere Nutztiere ausscheiden, gewonnen. Damit düngen die Menschen ihre Felder.“

„Wie, was sie ausscheiden? Kacke?“

„Zum Beispiel“, antwortete sie.

„Pfui!“, spuckte der Riese aus. „Ich werde in eurer Welt kein Brot oder Gemüse mehr essen. Da vergeht einem ja alles!“

„Der Vorgang ist ganz natürlich“, erklärte Marie, die dies von ihrem Vater wusste, da er es Max jedes Mal, wenn es von den Feldern her stank, erklärte. „Die Jauche zieht in die Erde ein und die Wurzeln der Pflanzen entziehen ihr den Stickstoff als zusätzlichen Nährstoff. So wachsen sie besser. Sie nehmen also nicht direkt die Kacke der Tiere auf. Bei uns gibt es viel schlimmere Sachen, die auf den Feldern landen!“

„Ja, aber es wird trotzdem Kacke auf die Pflanzen gegeben, pfui, pfui, pfui“, er schüttelte sich.

„Aber du isst doch auch Krummbeeren“, sagte sie.

„Ja, natürlich, aber ich dünge sie nicht mit Hirschkacke.“

„Du vielleicht nicht, aber was ist, wenn sich ein Hirsch genau deinen Krummbeerenstrauch als Klo ausgesucht hat?“

„Iiiihhh“, sagte er entsetzt, „daran hab ich ja noch nie gedacht.“

„Und genau diesen hättest du dir zum Pflücken ausgesucht, weil er besonders dicke Beeren hätte. Ich frage mich nur, warum die Kraphare den Wald düngen“, überlegte sie, „wollen sie ihm beim Wachsen unterstützen?“

„Wenn ja, meinen sie es ziemlich gut mit ihm“, sagte der Riese. „Wenn ich drüber nachdenke, habe ich den Geruch in letzter Zeit schon ziemlich oft wahrgenommen, nur nicht so stark. Ich schlafe gerne lang und es könnte sein, dass der Geruch schon etwas abgeklungen ist, wenn ich aufstehe.“

Er lächelte und sagte mit einem verträumten Gesichtsausdruck: „Hm, schlafen ..., das wär jetzt schön!“

Plötzlich war ein riesiger Schatten auf der Wiese zu sehen und am Himmel flog ein gigantischer Kraphar mit einer Spannweite von gut vier Metern über die Lichtung. Sein durchdringendes Krächzen hallte im Wald wider und er entledigte sich eines dicken Haufens Krapharenkots, der direkt neben den zweien auf die Wiese platschte. Ein mächtiger Spritzer davon flog beim Aufprall hoch und Skarbi direkt ins Gesicht. Marie konnte sich gerade noch ducken, um nicht auch einen Spritzer abzubekommen.

„Buuuuuaaaahhhh“, brüllte der Bergmönch verärgert und der Kraphar krächzte noch einmal lang gezogen. Sein Schrei hörte sich am Ende an wie ein Lachen und er flog gen Norden davon.

„Verdammich, verdammich, verdammich!!!“ Der Riese war außer sich vor Ärger. „Wer hat diesem schwarzen Ungetüm nur sein Benehmen beigebracht? Oh, wenn ich dich erwische!“ Er winkte dem Kraphar mit der geballten Faust hinterher. Marie kämpfte schwer mit sich, um ihr Lachen zu unterdrücken. Während der Riese noch ausgiebig weiter fluchte, fielen ihr seine Worte vor der Krapharenkacke-Attacke wieder ein. Wenn er diesen Geruch schon öfter bemerkt hatte, hieß das, die Kraphare hatten schon mehr Jauche auf den Waldboden gebracht. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit ihrem Vater im Garten Pflanzen gedüngt hatte und er sie darauf hingewiesen hatte, nicht zu viel Dünger zu nehmen.

„Ich weiß, was die Kraphare machen“, verkündete sie und der Riese unterbrach abrupt seine Flüche.

„Wie bitte?“ Er blickte sie fragend an, sah dann noch mal gen Himmel und zog die Augenbrauen nach unten. Laut rief er: „Seuchenvogel, soll dich der Vagahr holen!“

Seine Stimme wurde mit einem Mal wieder nett und sanft. „Warte bitte einen Augenblick, bevor du mir erzählst, was sie machen.“ Er ging ein Stück zurück und drückte zwei große Felsen auseinander. Unter ihnen sprudelte frisches Quellwasser hervor und er wusch sich angewidert sein Gesicht. Dann stand er auf und ging auf sie zu.

„Was sagtest du, Marie?“, fragte er ruhig und mit brummender Stimme und den Blick gen Himmel gerichtet fuhr er fort: „Schwarzes Scheusal, ich werd‘ dir jede deiner Federn einzeln rausrupfen!“

„Ich sagte, ich weiß, was die Kraphare machen. Sie übersäuern den Waldboden“, erklärte sie, und ihr fiel noch etwas ein und sie murmelte: „Deshalb gibt es auch keine Regenwürmer mehr im Waldboden.“ Der Riese sah nicht so aus, als würde er verstehen, was sie meinte.

„Sie machen was?“

„Wenn man die Pflanzen düngen will, um ihnen zu helfen, darf man nicht zu viel Dünger in den Boden bringen. Zu viel davon übersäuert den Boden und die Pflanzen und Lebewesen in der Erde können dann sogar davon sterben!“

Skarbi packte mit seiner Pranke in die Erde und steckte sie in den Mund. Er spuckte sie im nächsten Moment wieder aus. „Puah! Das schmeckt aber nicht sauer, das schmeckt ekelig“, sagte er angewidert.

Marie sah Skarbi stirnrunzelnd an. „Ich habe dir doch gerade gesagt, was die Kraphare auf den Waldboden aufgebracht haben und nun steckst du dir die Jauche direkt in den Mund?!“

Skarbi sah sie erschrocken an und rannte schleunigst wieder zu der Quelle im Fels.

Ich wüsste, dachte Marie indes, was man dagegen unternehmen kann.

„Wir vertreiben die Kraphare“, sagte Skarbi kampfeslustig, als er zurückkam und spuckte noch einmal kräftig aus.

„Ich denke, das müssen wir auf jeden Fall tun“, stimmte sie zu. „Aber das wird noch nicht reichen. Wir müssen den Boden wieder in Ordnung bringen, sonst zerstört das den ganzen Wald! Und wenn es stark regnen sollte vielleicht auch die Felder im Tal. Aber ich weiß nicht wie ...“ Sie grübelte und grübelte.

„Wenn ich auch etwas dazu sagen dürfte“, drang eine seltsam voluminöse, traurig klingende Stimme aus dem Wald. Die beiden drehten sich erschrocken um.

Ein Schatten bewegte sich langsam durch die Bäume auf sie zu. Der riesige Bergmönch ging in Kampfstellung, als ein schlanker Mann, der vielleicht einen halben Meter maß, zum Vorschein kam. Er hatte einen schwarzen Anzug mit weißen Nadelstreifen an und hielt einen Gehstock mit goldenem Griff in der Hand. Auf seinem Kopf saß ein riesiger, schwarzer Zylinder. Seine langen, schwarzen Haare schauten unter dem Hut hervor und seinen Mund zierte ein schwungvoll gezwirbelter Schnauzbart. Unter seiner Weste glänzte eine große, goldene Gürtelschnalle. Das einzige, was Marie an seiner durchaus eleganten Erscheinung störte, waren ein paar abgetragene, braune Lederstiefel.

„Pilzbarth!“, rief Skarbi erfreut. „Pilzbarth Tjockerson! Wo sind deine Leute? Selten, dass man dich allein antrifft.“

Der kleine Mann ließ den Kopf hängen und fing an zu erzählen: „Meine Männer sind ausgezogen, um eine neue Heimat zu suchen. Unsere Untertagespilzzucht ist eingegangen. Das stinkende Zeug, das die Kraphare hier verteilt haben, ist direkt durch den Fels gelaufen und hat alle Pilze vergiftet. Auch die Dunkelrüben sind nach und nach eingegangen. Unsere ganze Lebensgrundlage ist dahin.“

Skarbi sah ihn erschrocken an. „Das ist ja furchtbar! Haben sie dich zurückgelassen, weil sie dir die Schuld dafür geben?“

„Mitnichten! Was für eine Frage! Ich bin natürlich hier geblieben, um den Schatz zu bewachen“, sagte Pilzbarth leicht aufgebracht.

„Oh ... äh, natürlich“, entgegnete der Riese. „Wie konnte mir sowas nur einfallen?!“

Der kleine Mann deutete auf Marie und sagte: „Nun, sei’s drum. Wer ist das hübsche Menschenkind neben dir, mein alter Freund?“

„Oh, Verzeihung“, ging Skarbi auf Pilzbarths Frage ein, „das ist Marie. Ich habe sie zusammen mit einem Diminuren vor ein paar übelgelaunten Drungas gerettet.“ Marie nickte dem kleinen Mann zu und Skarbi fuhr an sie gerichtet fort. „Und das ist Pilzbarth Tjockerson. Der König der Kabaukauchen und Hüter der Bergkristalle.“

„Sehr erfreut, Euer Majestät“, sagte sie beeindruckt und machte einen Knicks.

„Oh“, entgegnete der König etwas verlegen, „so förmlich sind wir hier nicht, Marie. Nenn mich einfach Pilzbarth, das macht hier jeder!“ Er zwinkerte ihr zu.

„Wenn ich fragen darf“, fuhr sie fort, „was ist denn ein Kabaukauch? Sind sie so etwas wie ein Klaubauter ...?“

„Oh nein, Marie“, unterbrach Skarbi sie erschrocken, aber es war schon zu spät. Der kleine König sah sie wutentbrannt an und seine voluminöse Stimme veränderte sich zu einem verzerrten Schreien: „Ich bin ein was?“ Seine Augen waren mit einem Mal blutrot unterlaufen, und Marie dachte, Dampf aus seinen Ohren entweichen zu sehen. Sein Gesicht wurde ebenfalls dunkelrot und aus seinen weißen Zähnen wurden gelbe, spitze Hauer. Der Sabber, der ihm aus dem Mund tropfte, flog Marie mit jedem einzelnen, geschrienen Wort ins Gesicht. Sie bekam es beim Anblick des verwandelten Königs mit der Angst zu tun.

„Was fällt dir ein, du dummes Menschengör, mich mit einer solchen Ausgeburt an Dummheit und Hässlichkeit zu vergleichen?“ Er knurrte und sah sie bedrohlich an.

„Sie weiß es doch nicht besser!“, energisch ging der Bergmönch dazwischen. „Sie wusste bis vor Kurzem nicht einmal, dass es Kabaukauchen, Bergmönche, Diminuren geschweige denn Linksrechtsobenunten überhaupt gibt.“

„Ach so, sag das doch gleich“, sagte Pilzbarth völlig entspannt und im nächsten Augenblick stand er wieder als der adrette Kaubaukauchenkönig vor ihnen. Einen weiteren Augenblick später wurde er von einem schreienden, Knüppel schwingenden Diminuren angesprungen und landete hart auf dem Boden.

„Lass sie zufrieden, du ekelhaftes Untier“, schrie Pietschie aufgebracht. Er saß auf dem Kabaukauchen und holte mit der Keule aus, als sich dieser wieder in den unheilvollen, geifernden Berserker von eben verwandelte. Blitzschnell glitt er unter Pietschie hervor und packte ihn am Hemdskragen und Hosenboden. Er hob den Diminuren hoch, sodass er hilflos in der Luft herum zappelte.

Der König fragte mit seiner veränderten Stimme: „Was willst du halbe Portion vom König der Kabaukauchen?“

Boing ! ! !

Pietschie hatte seinem Gegner den Knüppel über den Kopf gezogen und landete auf seinem Allerwertesten. Der Kabaukauch hatte ihn fallen gelassen und ging selbst zu Boden. Skarbi ging dazwischen und packte die beiden. Er hob sie zwischen Daumen und Zeigfinger an ihren Jacken in die Höhe – den Diminuren an der rechten, den Kabaukauch an der linken Hand. Beide tobten, wobei dem König Qualm aus Ohren und Nase schoss.

„Pilzbarth, beruhige dich“, sagte der Bergmönch. „er hat geschworen, auf die Kleine aufzupassen. Er tut nur seine Pflicht. Das ist der Diminur, der gegen die Drungas gekämpft hat.“

Tjockerson war schlagartig wieder der alte König und in ruhigem Tonfall sagte er: „Tatsächlich? Na, dann ist es ja kein Wunder, dass er auf mich losgeht. Welch ein mutiges Kerlchen.“

Pietschie hingegen war alles andere als ruhig und rief wutentbrannt: „Wen nennst du hier ein Kerlchen?“

Skarbi hielt ihn in Richtung Marie, die sofort verstand, weswegen.

„Pietschie“, sagte sie, so gelassen es ihr in der befremdlichen Situation möglich war, „beruhige dich!“ Der Diminur war zwar noch sehr aufgebracht, aber ihre Worte zeigten doch Wirkung und er schnaufte nur noch einmal. Skarbi ließ die beiden herunter.

„Drungas also“, begann der König, „was machen die hier oben?“ Er sprach, als ob nichts passiert wäre, aber Maries Vertrauen in den kleinen Mann war mehr als angeknackst. Sie hatte Angst, dass er im nächsten Augenblick wieder zu diesem furchteinflößenden Monster werden könnte. Auch Pietschie behielt seinen Knüppel in der Hand.

„Das habe ich mich auch schon gefragt“, sagte Skarbi, dem auch nichts mehr anzumerken war. „Seltsame Dinge passieren hier!“

Pilzbarth nickte nachdenklich. „Und was macht ein Diminur auf dem Berg? Der einzige, den ich je hier oben gesehen habe, war der Weltenwanderer.“

Marie und Pietschie sahen sich an und sagten aufgeregt im Chor: „Der Weltenwanderer?“

Pietschie schob hinterher: „Was weißt du über ihn?“

„Nicht so viel“, sagte Pilzbarth lachend, „er war ja ständig unterwegs!“ Skarbi stimmte mit in sein Lachen ein.

„Also hat es ihn tatsächlich gegeben“, erkannte Pietschie begeistert, „was ist aus ihm geworden?“

„Ich weiß es nicht“, gab Pilzbarth zu. „es ist lange her, dass ich mit Feuerbart geredet habe.“

„Hat es einen bestimmten Grund, warum er Feuerbart heißt?“, fragte Marie.

„Ja“, antwortete Skarbi, „wie dir ja sicherlich schon aufgefallen ist, haben alle Diminuren rote Haare. Aber die Haare und der Bart dieses Diminuren waren so feuerrot, dass er nur diesen Namen tragen konnte.“

„Kanntet ihr ihn gut?“, wollte Marie weiter wissen.

„Nun ja, so gut man jemand kennen kann, der mal hier und mal dort ist“, antwortete Pilzbarth. „Aber zwischen seinen Reisen führten wir oft lange Gespräche über hier und da. Erinnerst du dich, Skarbi?“

„Oh ja! Und er brachte mir auch oft Sachen aus der Menschenwelt mit, wenn ich wieder mal was vergessen hatte ...“ Der Riese lachte ein grunzendes, verschämtes Lachen.

„Vor seiner letzten Reise war er sehr aufgeregt“, berichtete Pilzbarth. „Er sagte, er hätte jemanden kennengelernt und wenn mich meine Augen nicht täuschten, sah ich eine Verliebtheit in seinem Blick ...“ Er verstummte und sein Blick nahm einen traurigen Ausdruck an. „Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.“

„Verliebt?!“ Marie schien die Vorstellung sehr zu gefallen und ihr Gesichtsausdruck erhellte sich. „Oh, ist das romantisch! Hat er mehr über sie erzählt?“ Pilzbarth räusperte sich und wischte sich eine Träne aus dem Auge.

„Ich denke, wir haben jetzt wichtigeres zu bereden, als über ein Techtelmechtel des Weltenwanderers.“ Schnell kam er wieder auf den Punkt. „Die Kraphare scheinen irgendeinen Plan mit der Verunreinigung des Bodens zu verfolgen und ich wüsste einen Weg, ihn wieder zu reinigen.“ Marie, Skarbi und Pietschie blickten ihn überrascht und erwartungsvoll an. „Wir brauchen Kalk“, sagte er.

Pietschie sah ihn fragend an. „Verunreinigter Boden? Kalk?“

Maries Gesichtsausdruck hellte sich abermals auf, denn sie hatte schon denselben Gedanken gehabt. „Ja, das würde den Boden entsäuern und so den Pflanzen helfen.“

„Wie entsäuern?“ Pietschie war ja noch beim Frühstück gewesen, als Marie und Skarbi ihre Erkenntnisse erlangt hatten. Also erklärte Marie dem Diminuren, was sie in Erfahrung gebracht hatten. Bei ihren Erzählungen wurde er zusehends wütender und am Ende rief er: „Worauf warten wir noch? Lasst uns den Kalk auf dem Berg verteilen und dann diese Biester vertreiben.“

Er wollte sofort aufbrechen, aber Pilzbarth stoppte seine Überschwänglichkeit mit den Worten: „Junger Diminur, wenn das alles so einfach wäre, hätten wir das schon längst getan. Es gibt in ganz Grünland und dem Grüngebirge aber nicht ansatzweise ausreichend Kalk, um dem Boden zu helfen. Und um die Kraphare zu vertreiben, bräuchten wir eine Armee von mindestens tausend Mann oder einen Wolkenkrieger. Es sind unendlich viele und drei von ihnen sind so riesig wie der, der unserem Freund Skarbi gerade seinen Haufen vor die Füße geworfen hat!“ Der Bergmönch senkte wieder wütend die Augenbrauen.

Marie musste grinsen, bevor sie nachdenklich bemerkte: „Woher sollen wir denn eine Armee bekommen?“

„Nun, da wüsste ich etwas“, sagte Pietschie entschlossen und die anderen sahen ihn gespannt an. „Wir Diminuren sind ein friedliebendes Volk. Aber was zu viel ist, ist zu viel! Und glaubt nicht, dass wir wehrlos sind!“

„Das stimmt, ich hab den kleinen Helden kämpfen sehen“, bestätigte Skarbi seine Aussage.

„Aber wie willst du so eine große Armee zusammen kriegen?“, fragte Marie erstaunt. „Die Männer im Dorf allein reichen niemals aus.“

„Ich werde dem Rat von den Krapharen und ihren offensichtlichen Absichten erzählen und ihr werdet sehen, wie schnell alle Dörfer und Oberwaldstadt ihre Leute entsenden“, antwortete er stolz und ohne jeglichen Zweifel.