Linksrechtsobenunten - Band 4: Die Macht der Evubachén - M.W. Schwarzbach - E-Book

Linksrechtsobenunten - Band 4: Die Macht der Evubachén E-Book

M.W. Schwarzbach

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Beschreibung

Die Macht der Evubachén ist der vierte Teil und der Abschlussband der Fantasy-Reihe "Linksrechtsobenunten". Band 1 "Die Wolkenkrieger", Band 2 "Der neue König" und Band 3 "Die Prophezeiung" sind ebenfalls im mainbook Verlag erschienen. Band 4: Die Macht der Evubachén. Marie ist endlich wieder bei ihrer Familie, doch die Wiedersehensfreude ist nicht von langer Dauer. In Nordland ist eine alte, verwunschene Burg, einst Sitz eines herrschsüchtigen, skrupellosen Zauberers, zu neuem Leben erwacht. In Linksrechtsobenunten breitet sich ein verheerendes Unheil aus, wodurch Maries Freunde in höchster Gefahr schweben. Ein magisches Wesen offenbart sich dem Mädchen und nimmt es mit auf eine bedrohliche Reise durch die Katakomben der Unterwelten. Auf ihrem dunklen Weg geraten die beiden zwischen die Fronten eines Krieges zweier Städte, begegnen dem Herrscher der tiefsten Unterwelt und treffen auf eine lang verschollen geglaubte Seele. In Marie keimt die Hoffnung auf, dass sich die uralte Prophezeiung schließlich erfüllen könnte … Die Serie: Sechs Wochen Sommerferien genießen, das war der Plan. Doch der geht nicht auf, denn urplötzlich findet sich Marie in der fremden Welt Linksrechtsobenunten wieder. Sie landet bei den Diminuren, in unserer Welt als Wichtelmänner bekannt, die sie mit einer gefährlichen Aufgabe betrauen. Dann macht sie eine Entdeckung, die ganz Linksrechtsobenunten in einen schrecklichen Krieg zu stürzen droht ...

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M.W. Schwarzbach

LINKSRECHTSOBENUNTEN

Fantasy-Serie

Band 4:Die Macht der Evubachén

Die Serie „Linksrechtsobenunten“

Sechs Wochen Sommerferien genießen, das war Maries Plan. Doch der geht nicht auf, denn urplötzlich findet sie sich in der fremden Welt Linksrechtsobenunten wieder. Sie landet bei den Diminuren, in unserer Welt als Wichtelmänner bekannt, die sie mit einer gefährlichen Aufgabe betrauen und macht zu allem Überfluss auch noch eine Entdeckung, die ganz Linksrechtsobenunten in einen schrecklichen Krieg zu stürzen droht …

Band 4: Die Macht der Evubachén

Marie ist endlich wieder bei ihrer Familie, doch die Wiedersehensfreude ist nicht von langer Dauer. In Nordland ist eine alte, verwunschene Burg, einst Sitz eines herrschsüchtigen, skrupellosen Zauberers, zu neuem Leben erwacht. In Linksrechtsobenunten breitet sich ein verheerendes Unheil aus, wodurch Maries Freunde in höchster Gefahr schweben. Ein magisches Wesen offenbart sich dem Mädchen und nimmt es mit auf eine bedrohliche Reise durch die Katakomben der Unterwelten. Auf ihrem dunklen Weg geraten die beiden zwischen die Fronten eines Krieges zweier Städte, begegnen dem Herrscher der tiefsten Unterwelt und treffen auf eine lang verschollen geglaubte Seele. In Marie keimt die Hoffnung auf, dass sich die uralte Prophezeiung schließlich erfüllen könnte …

Die Macht der Evubachén ist der vierte Teil der Fantasy-Reihe „Linksrechtsobenunten“. Band 1 „Die Wolkenkrieger“, Band 2 „Der neue König“ und Band 3 „Die Prophezeiung“ sind ebenfalls im mainbook Verlag erschienen

Der Autor

M. W. Schwarzbach wurde 1971 in Fürth/Bayern geboren, lebt bei Kassel und ist im öffentlichen Dienst tätig. Nach drei Jahrzehnten als kreativer, leidenschaftlicher Musiker/Songwriter begann er Ende 2011, Kurzgeschichten zu verfassen. Bereits Anfang 2012 kamen erste Zusagen. Seitdem veröffentlichte er viele seiner Geschichten in Anthologien und Zeitschriften verschiedener Verlage.

Im April 2016 beendete er die Arbeit an seinem ersten Fantasy-Roman „Linksrechtsobenunten“, der nun vom Mainbook-Verlag als mehrteilige E-Book-Reihe veröffentlicht wird. Weitere Infos: http://www.geschichtenschreibermws.de

Copyright © 2019 mainbook Verlag, mainebookAlle Rechte vorbehalteneISBN 978-3-947612-37-6

Lektorat: Gerd FischerLayout und Covermotiv: Olaf Tischer

Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de oderwww.mainebook.de

Dieser Band ist meinem besten Freund Daff gewidmet. Du wärst der beste Begleiter für Marie gewesen, auf mich hast du auch immer aufgepasst!

Inhalt

1. Eine Begegnung

2. Die Unterwelten

3. Die Maatburg

4. Der Wiederaufbau

5. König Pimpf

6. Vier Möglichkeiten

7. Die Regel des Feuerstroms

1. Eine Begegnung

Am Strand einer einsamen Insel im südlichen Meer von Linksrechtsobenunten lagen zwei wohlgenährte Kropodile und aalten ihre gepanzerten Körper in der Sonne. Hinter den zwei großen Ungetümen öffnete sich eine Tür in einer Düne. Eine wunderschöne Frau mit langen, lockigen, roten Haaren und ausgeprägten Wangenknochen trat hervor. Die Kropodile bemerkten sie, schauten auf und schnüffelten. Die Frau trug zwei schwere Eimer mit Fleischstücken.

„Ich werde sie nicht zu euch bringen“, rief sie, „ihr müsst eure faulen Körper schon bewegen, um an euer Fressen zu kommen!“ Sie kippte die Eimer aus. Als sie zurück in ihre Dünenbehausung ging, brummten die Kropodile und bewegten sich behäbig auf ihre Mahlzeit zu.

„Oha…“, gab eine leise Stimme von sich.

Ein kleiner Sandhüpfer, der der Frau heimlich hinterher geschlichen war, stand zitternd neben dem Fleisch. Vor lauter Aufregung hatte er verpasst, der Frau durch die Dünentür zu folgen.

Die Kropodile erblickten ihn und ihr Jagdinstinkt erwachte. Plötzlich waren sie viel agiler als noch vor einigen Augenblicken. Sie stürmten knurrend auf ihr auserkorenes Opfer zu, das wie versteinert auf der Stelle verharrte. Bebend vor Angst wartete das kleine Wesen auf sein bevorstehendes Ende.

„Reißer, Beißer, Aus!“, war zu vernehmen.

Die rothaarige Frau trat hastig aus der Tür und stand mit drei schnellen Schritten vor dem kleinen Sandhüpfer. Hinter ihr sprangen fünf erwachsene Exemplare der in den südlichen Gefilden von Linksrechtsobenunten vorkommenden, kleinen Wesen blitzschnell zu dem Jungen. Sie stellten sich schützend an seine Seite.

Die Mutter des jungen Sandhüpfers bemerkte seufzend: „Es tut mir leid, Milana. Ich muss mich für Ponki entschuldigen. Er ist viel zu neugierig!“

„Ach was“, gab Milana von sich, „für Neugier muss man sich nicht entschuldigen. Wissensdurst hat die Welten seit jeher weiter bewegt. Ich erinnere mich an deinen Bruder, der ständig nach Neuem gesucht hat. Ihn hätten Reißer und Beißer auch das eine oder andere Mal fast erwischt. Aber er hat sich nicht aufhalten lassen. Er ist in die Welt gezogen, um noch mehr Neues in Erfahrung zu bringen und zu lernen. Es dauert nicht mehr allzu lange, dann ist Ponki erwachsen. Er hat schon jetzt vieles mit deinem Bruder gemeinsam, vielleicht tut er es ihm gleich.“

„Ich will aber nicht, dass er so wird wie mein Bruder“, bekundete Ponkis Mutter. „Er hat sich seit über zwei Jahren nicht mehr hier blicken lassen!“

„Das bringt die Neugier nun mal mit sich.“ Milana wirkte aufgeregt und nachdenklich zugleich. Als ob sie selbst hinaus in die Welt wollte, sie aber irgendetwas davon abhielt.

„Ich weiß nicht“, sagte Ponkis Mutter nachdenklich und folgte Milana, ihren Sohn an der Hand, in die Behausung.

Die Kropodile blieben enttäuscht schnaubend zurück, während der junge Sandhüpfer bereits über seinen Plan für das nächste Mal nachdachte.

Drei Tage später war es soweit, Milana trug wieder einen Eimer mit Fleisch für Reißer und Beißer nach draußen, wobei ihr der Ponki folgte. Nachdem Milana den Eimer ausgekippt hatte und in die Dünenbehausung zurückgegangen war, kam er hinter einem Stein hervor. Er wirbelte neben den Fleischstücken einen kleinen Sandhaufen auf, hinter dem er sich versteckte. Die Kropodile trabten langsam auf ihr Fressen zu. Er sprang hervor und streckte die Zunge raus.

„Bäh, bäh, du faules Viech“, fing er an. „Du kriegst mich nich‘, du kriegst mich nich‘!“ Mit winkenden Armen hüpfte er auf und ab. Die Kropodile setzten brummend zum Sprint an. Als sie ihn fast erreicht hatten, machte er einen riesigen Satz, um auf Reißers Rücken zu landen. Beißer schnappte sofort nach ihm, doch Ponki wechselte die Position mit einem Salto über seinen Kopf auf seinen Rücken. Reißer bemerkte den Sprung des kleinen, frechen Wesens. Er folgte ihm mit geöffneter Schnauze, um ihn zu packen. Da Beißer seinen Kopf in diesem Moment zurückdrehte, erwischte Reißers Biss ihn. Beißer knurrte laut und riss sich los. Die beiden Kropodile fauchten sich an, wobei sie sich zum Kampf positionierten. Ponki, der sich in gebührendem Abstand in Sicherheit gebracht hatte, beobachtete den bevorstehenden Kampf der Kolosse. Die beiden Kontrahenten warfen ihre massigen Körper gegeneinander, dass es nur so krachte. Kopf gegen Kopf, Brust gegen Brust, Beißer drehte sich blitzschnell, wodurch er seinen muskulösen Schwanz gegen Reißers Schädel schleuderte. Der holte zum Gegenschlag aus und sein Schwanz erwischte Beißers aufgerichteten Körper mit voller Wucht. Mit aufgerissenen Mäulern gingen die beiden aufeinander los, als ein angsteinflößendes Brüllen durch die Luft hallte. Beißer, Reißer und Ponki standen wie angewurzelt da und blickten gen Himmel. Zwei riesige, schuppenbesetzte Wesen mit langen Schwänzen und großen Flügeln setzten zur Landung an. Ponki riss die Augen auf und versteckte sich hinter Beißer. Die beiden Kropodile waren ebenso verwundert und verängstigt wie der kleine Sandhüpfer.

„Was ist denn hier los?“, rief Milana, als sie die Tür öffnete. Wütend lief sie auf die beiden Kropodile zu. „Wo ist Ponki?“ Da erblickte auch sie die Wesen. Ponki vermutete bei ihr besseren Schutz als hinter dem Kropodil und sprintete los. Aus den Augenwinkeln sah Milana den kleinen Sandhüpfer auf sie zu rennen. Sie senkte ihren Arm und er kletterte am Ärmel ihres Kleides hinauf.

Erleichtert, aber immer noch beeindruckt von den riesigen Wesen, blieb er auf ihrer Schulter sitzen und fragte mit zitternder Stimme: „Was sind das für Wesen?“

„Das sind Drarken“, antwortete Milana und kniff die Augen zusammen.

Als die Drarken gelandet waren, beugte der größere seinen Körper. Eine alte Frau glitt von seinem Rücken und fiel stöhnend in den Sand. Ponki hatte ein ungutes Gefühl bei der Alten, doch Milana lief auf sie zu. Die Drarken knurrten laut und die Rothaarige blieb in abwehrender Haltung stehen.

„Lasst sie!“, hauchte die Alte.

Der Drarke drehte seinen Kopf und Milana näherte sich ihr langsam. Sie strich der Alten sanft über die grauen Haare und stieß einen Pfiff aus. Aus der Dünenbehausung kamen mehr als dreißig Sandhüpfer gelaufen.

„Tragt sie schnell rein!“, wies Milana sie besorgt an. Die meisten der kleinen Wesen positionierten sich rings um die Alte.

„Und hopp“, rief ein alter Sandhüpfer, worauf sie die Frau vorsichtig anhoben. „Jetzt ihr!“ Die restlichen Sandhüpfer liefen unter den Körper der Frau, um Rücken und Beine zu stützen. Dann trugen sie sie wie Ameisen ein Stück Brot in Milanas Behausung.

„Es tut mir leid, dass dir Ponki so viel Ärger macht. Er ist viel zu neugierig …“, bekundete die Mutter des jungen Sandhüpfers.

Milana antwortete kopfschüttelnd: „Für Neugier muss man sich nicht entschuldigen, sie ist die Mutter der Veränderung und des Fortschritts. Wissensdurst hat die Welten seit jeher weitergebracht. Aus Ponki wird vielleicht einmal ein Forscher, der große, wichtige Entdeckungen macht oder ein Weltenbummler wie dein Bruder Cappo, der am Ende seiner Reise sein Wissen mit euch teilen wird, damit ihr es leichter habt und es euch besser geht.“

„Wenn er denn auch wiederkommt“, sagte Ponkis Mutter. „Ich habe Cappo seit Jahrzehnten nicht gesehen und das soll mir mit meinem Sohn nicht passieren!“

Die Rothaarige kitzelte Ponkis Füße und entgegnete: „Diese Entscheidung wird nicht deine sein. Ponki wird seinen Weg gehen, ob du willst oder nicht. Aber er wird sicher zu dir zurückkehren und dich mit Neuem überraschen …“

In ihrer guten Stube bedankte sich Milana und half der Alten auf das Sofa. Die Sandhüpfer gingen ihrer Wege. Nur Ponki blieb auf Milanas Schulter sitzen.

Die legte sanft eine Decke über die Alte und fragte: „Malusa, wo warst du all die Jahre? Und wer hat dich so zugerichtet?“

Die Hexe war zu schwach zum Antworten, ihr entglitt ein leises Stöhnen. „Ruh dich erst ein wenig aus. Ich mache uns derweil einen Tee.“ Malusa nickte schwach, woraufhin Milana in die Küche eilte.

Sie goss Wasser in einen Kessel, setzte ihn auf den heißen Ofen und gab Ponki die Anweisung: „Hol den Südmeertang-Tee vom Regal.“ Der junge Sandhüpfer sprang von ihrer Schulter und kletterte einen Schrank hinauf, um von da aus auf ein Wandregal zu hüpfen.

Naserümpfend stand er vor gut zwei Dutzend Teedosen und ging laut lesend auf die Suche: „Alraunentee … Kropodiltränentee … Sandwurztee … Krummbeertee …“

„Es ist die kleine, rote Dose ganz rechts“, erklärte Milana.

Ponki hob die Dose mit beiden Armen auf und sprang. Laut krachend landete er auf dem Küchenwagen, der vor dem Schrank stand. Nachdem er die Dose darauf abgestellt hatte, stemmte er sich zwischen Wagen und Schrank, um ihm mit einem Stoß seiner Beine Schwung zu geben. So rollte er bis zum Herd, wo Milana den Tee entgegennahm.

„Danke, mein kleiner Freund“, gab sie augenzwinkernd von sich.

Ponki war neugierig: „Wer ist die Frau?“

„Eine gute, alte Freundin“, erklärte Milana, „die ich seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen habe. Unsere Wege haben sich getrennt, nachdem wir …“ Sie wurde nachdenklich und wischte sich eine Träne aus den Augen. „Ich muss ihr helfen, damit sie schnell wieder gesund wird. Bei Gelegenheit werde ich dir alles erzählen.“

Ponki nickte. „Ist gut. Kann ich dir noch was helfen?“

„Du könntest zwei Teetassen holen.“ Der junge Sandhüpfer nickte, stieß sich mit dem Küchenwagen zu einem weiteren Regal und holte zwei Teetassen nebst Untertassen heraus. Milana goss den heißen Tee in die Tassen. Als sie und Ponki zum Sofa zurückkehrten, war Malusa eingenickt.

Die Rothaarige setzte sich behutsam auf eine Sofaecke und flüsterte: „Nicht erschrecken …“ Malusa öffnete die Augen. „Dieser Tee ist zwar etwas bitter, aber er wird dich wieder zu Kräften bringen.“ Sie hielt Malusa die Tasse mit der grünen, dampfenden Flüssigkeit an den Mund. Die Hexe nippte, um sich gleich darauf zu schütteln.

„Uuuh … Hast du etwas Zucker für mich?“ Milana nickte lächelnd, nahm ihr die Tasse ab und stellte sie neben ihre auf den Sofatisch.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte sie und Ponki folgte ihr in die Küche. Malusa hob schwach den Oberkörper, um sich zu vergewissern, dass niemand mehr im Raum war. Sie hielt ihre Hand über Milanas Tasse und ihre Pupillen drehten sich so weit nach oben, dass sie kaum mehr zu sehen waren. Sie murmelte mit leiser, tiefer Stimme einige unverständliche Worte. Langsam fing der Tee an zu brodeln und wurde tiefschwarz. Nach drei Sekunden zog sie mit zufriedener Miene ihre Hand zurück. Der Tee kam zur Ruhe und nahm wieder seine grüne Farbe an.

Als Milana und Ponki zurückkamen, fragte die Hausherrin: „Einen oder zwei Löffel?“

„Drei bitte“, hauchte die Hexe. Die Frauen tranken schweigend ihren Tee.

Nachdem Malusa den letzten Schluck genommen hatte, bemerkte sie: „Oh ja, das hat gut getan.“ Sie streckte sich. „Würde es dich beleidigen, wenn ich darum bitte, mich eine Weile auf deinem Sofa ausruhen zu dürfen?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Milana, „du musst dich ausruhen, damit du bald wieder die Alte bist.“ Sie nahm die Tassen auf. „Schlaf ist die beste Medizin. Nimm dir ausreichend davon.“ Malusa blickte sie dankend an und schloss die Augen.

Milana ging in die Küche, um sich auf einen Stuhl zu setzten. Sie legte die Stirn in Falten und dachte nach.

2. Die Unterwelten

„Was ist denn heute Morgen los?“, stieß Herr Fuchsner verwundert aus, als er aufwachte und auf den Wecker blickte.

„Was gibt‘s denn?“ Seine Frau drehte sich zu ihm, küsste liebevoll seine Wange und legte den Arm auf seine Brust.

„Es ist halb zehn.“

Frau Fuchsner richtete abrupt den Oberkörper auf und hauchte erschrocken: „Was?“ Sie sprang aus dem Bett, rannte zu Max‘ Zimmer und öffnete die Tür. Sein Bett war leer. Herr Fuchsner war ihr gefolgt und öffnete Maries Zimmertür. Im Licht, das vom Flur herein schien, entdeckten sie die beiden in Maries Bett.

Er ließ die Tür leise ins Schloss gleiten und dachte laut nach: „Ich habe Marie heute Nacht gesehen. Ich glaube, sie sagte, dass sie noch an den PC wollte, weil sie nicht schlafen konnte.“ Er sah seine Frau an und ein Funkeln glitt durch seine Augen. „Wenn die beiden noch schlafen, könnten wir doch auch wieder ins Bett gehen …“ Sie erwiderte seinen Blick und nachdem er ein Lächeln in ihren Mundwinkeln wahrgenommen hatte, verschwanden sie im Schlafzimmer.

Gegen Mittag tat sich etwas in Maries Zimmer. Max wachte auf und streckte sich mit einem langgezogenen „Oooaaahhh!“

„Guten Morgen, kleiner Mann“, sagte seine Schwester. „Gut geschlafen?“

Max grinste sie an. „Ja, ich habe geträumt, dass ich allein auf Kobsings Motorrad durch Linksrechtsobenunten gefahren bin.“

„Wow, das war bestimmt spannend.“

„Und wie! Ich hab alle besucht: Pietschie und seine Familie, Aggadar, den Bürgermeister mit der roten Nase, sogar Skarbi, Isladay und Thujus.“ Max erzählte von seinem Traum und Marie lauschte gebannt. Der Junge beschrieb Gegenden und Wesen, die er noch nie gesehen hatte, so genau, dass es ihr fast unheimlich war. Doch ihr kam der Gedanke, dass auch Max ein Ur-Ur-Ur-Enkel des Weltenwanderers war und in ihm wie in ihr ein Teil von Linksrechtsobenunten lebte.

„Was hältst du davon, Papa und Mama aufzuwecken?“, fragte sie, als er die Geschichte seines Traumes mit einem leckeren Abendessen von Lerissa, der Haushälterin der Wolkenkrieger, beendet hatte.

Max bemerkte stirnrunzelnd: „Um 12:33 Uhr können wir sie nicht mehr wecken. Die sind doch schon längst wach.“

„Dann gibt‘s bestimmt gleich was zu essen. Dein Traum hat mich hungrig gemacht. Komm!“ Die beiden zogen sich an und liefen ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Als Marie in den Spiegel blickte, sah sie, dass ihr Haar nicht mehr die leuchtend rote Farbe hatte wie in Linksrechtsobenunten. Einerseits war sie beruhigt, da sie schon befürchtet hatte, in der Schule zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Andererseits gefiel ihr die Haarfarbe, da sie sie mit Linksrechtsobenunten und Opa Franjo verband. Die beiden rannten ins Wohnzimmer, um ihre Eltern zu begrüßen. Da war niemand und es roch auch nicht, wie gewöhnlich um diese Uhrzeit, nach Essen.

„Mama?“, rief Marie und Max fügte „Papa?“ hinzu, doch nichts rührte sich. Sie gingen auf den Balkon und in die Küche. Sogar in Max‘ Zimmer sahen sie nach, aber ihre Eltern waren wie verschollen.

„Vielleicht im Arbeitszimmer“, fiel Marie ein.

Da sie auch in diesem Raum niemanden vorfanden, wurde Max unruhig und wollte mit weinerlicher Stimme wissen: „Wo sind sie denn?“ Da öffnete sich die Schlafzimmertür und seine Mutter trat im Morgenmantel heraus.

„Mama!“, rief Max, stürmte auf sie zu und umarmte sie freudig.

Marie folgte ihm, legte ihre Arme um die beiden und fragte: „Was habt ihr denn so lange im Schlafzimmer gemacht?“

„Äh … gelesen“, erklärte Herr Fuchsner, als er hinter seiner Frau auftauchte. Max zog ihn zu sich.

Als die kollektive Umarmung der Familie eine halbe Minute angedauert hatte, fragte Herr Fuchsner: „Was ist los mit euch? Ihr tut ja gerade so, als hätten wir uns seit einer Woche nicht gesehen …“

„Wir waren in Link …“, begann Max.

Marie schnitt ihm das Wort ab: „Manchmal muss man seine Eltern einfach umarmen, weil man sie lieb hat.“ Als die vier ihre Umarmung gelöst hatten, sah sie Max an und hielt ihren Finger vor den Mund.

„Wer von euch hat Hunger?“, erkundigte sich Herr Fuchsner.

Die drei Befragten riefen im Chor: „Ich!“

Herr Fuchsner lachte und ging in die Küche. Max folgte ihm und beobachtete das Wasser, das er aufgesetzt hatte.

„Jetzt die Nudeln rein, schnell!“, rief er aufgeregt, als es im Topf endlich anfing zu kochen. Sein Vater gab die Spaghetti ins Wasser und kümmerte sich weiter um seine Sauce. Zwiebeln und Hackfleisch zischten in der Pfanne, als er das Tomatenmark dazu tat. Dann streute er seine geheime Gewürzmischung darüber, verrührte das Ganze und ließ es noch eine Weile ziehen. Marie und ihre Mutter deckten den Tisch.

Das Mädchen genoss ihren Teller Spaghetti Bolognese. So lecker ihr das Essen in Linksrechtsobenunten geschmeckt hatte, Papas Nudeln waren doch die besten. Nach dem Essen machten sie es sich zum Kuscheln auf dem Sofa gemütlich. Die Kinder kosteten die Nähe ihrer Eltern aus, wobei sie bemerkten, wie sehr sie sie vermisst hatten.

Nach einer Weile erklärte Herr Fuchsner: „Wir wollten uns noch auf den Balkon in die Sonne legen. Das gute Wetter muss ja ausgenutzt werden. Wollt ihr mit oder lieber auf den Spielplatz?“

„Auf den Spielplatz“, gab Max erfreut von sich und auch Marie war von dem Gedanken angetan. Sie freute sich, all das da draußen wiederzusehen. Enthusiastisch sprang sie auf, zog sich ihre Vans an und folgte ihrem Bruder die Treppe hinunter. Am Hauseingang trafen sie auf Frau Wortkarg mit ihrem Rauhaardackel Friedrich. An ihrer Seite hatten sie den Postboten Herrn Fritze.

„Wir wollen heute daran arbeiten, dass Herr Fritze seine Angst vor Hunden verliert“, erklärte Frau Wortkarg, während der Postbote seufzend auf Friedrich blickte.

„Das ist toll“, sagte Marie, umarmte die beiden und fügte hinzu: „Und es ist so toll, Sie endlich wiederzusehen!“

„Aber wir haben uns doch erst heute Nacht …“, bemerkte Frau Wortkarg verdutzt.

Herr Fritze fiel auf: „Und wir erst gestern …“ Aber Marie war schon zur Tür hinaus. Friedrich fasste das Hosenbein von Herrn Fritze ins Auge und knurrte leise.

Im Park saß wie immer der alte Herr Davinio und begrüßte die beiden winkend. Max begab sich zum Spielplatz, während sich Marie zu dem alten Mann setzte.

„Hallo Herr Davinio“, sagte sie glücklich, „wie war Ihr Tag bis jetzt?“

„Schön wie immer“, antwortete der Alte. „Ich genieße die Ruhe wie auch den Lärm der Kinder. Ich habe in meinem langen Leben schon so viel erlebt, dass das Sitzen, Zuhören und Nachdenken eine reine Wohltat ist.“

„Ich habe in den letzten Tagen auch ganz viel erlebt und Sie vermisst …“

Während Marie über ihre Worte, die für Herrn Davinio seltsam klingen mussten, nachdachte, rief Max aus dem Sandkasten: „Guck mal, Marie, ich baue Linksrechtsobenunten nach!“

Herr Davinios Blick bewegte sich fragend von Max zu dem Mädchen neben ihm.

„Das war nur ein Traum von mir“, improvisierte sie. „Und, ähm … wir haben dann fast den ganzen Vormittag darüber geredet …“

„Linksrechtsobenunten also“, bemerkte Herr Davinio lächelnd. „Ist das eine fremde Welt? Ich habe in meinen Träumen auch schon ganz viele fremde, seltsame Plätze besucht. Magst du mir von deinem Traum erzählen?“ Marie sah Herrn Davinio aus dankbaren Augen an.

„Ja!“, entfuhr es ihr und sie begann, ihm von ihren Erlebnissen zu berichten. Sie war so froh, jemand gefunden zu haben, dem sie ohne Bedenken von ihren Abenteuern erzählen konnte. Als Traum getarnt klang auch das Verrückteste plausibel. In den nächsten drei Tagen gingen Marie und Max nach dem Frühstück in den Park, wo das Mädchen Herrn Davinio von Linksrechtsobenunten erzählte.

Am vierten Morgen war die Bank von Herrn Davinio leer. Als der alte Mann nach zwei Stunden immer noch nicht aufgetaucht war, machte sich Marie Sorgen. War ihm etwas geschehen? Lag er womöglich mit einem Herzinfarkt in seiner Wohnung und brauchte Hilfe? Wo wohnte er überhaupt?! Vor lauter Überlegen und Panik war ihr ein junger Mann entgangen, der am Sandkastenrand saß und sich mit Max unterhielt.

Als Marie ihn sah, sprang sie auf und rief laut: „Wer sind Sie und was wollen Sie von meinem Bruder?!“ Sie lief zum Sandkasten und ballte die Fäuste.

„Das ist doch Herr Davinio“, erklärte Max.

„Was?!“, entglitt es ihr. „Sind Sie sein Sohn? Ist ihm was passiert?“

Der dunkelhaarige Mann, der einen schwarzen, langen Ledermantel trug, erklärte: „Nein Marie, ich bin er.“

„Was?!“

„Ich weiß, dass das nicht einfach zu verstehen ist. Ich habe mich verjüngt.“

„Was?!“

„Ich bin ein Evubachén.“

„Was?!“, gab Marie zum vierten Mal von sich und sah ihn mit einer Mischung aus Verwirrung und Zorn im Gesicht an. „Sie haben uns belauscht und versuchen jetzt, irgendein krummes Ding abzuziehen. Haben Sie ihm was angetan und wollen sich jetzt an uns ranmachen?!“

Der Mann machte eine beschwichtigende Handbewegung. „Versuch dich zu beruhigen und denk nach. In deinen Erzählungen von Linksrechtsobenunten ging es bis zum Kampf auf dem Grüngebirge. Dort hast du zum ersten Mal die Wolkenkrieger gesehen. Wenn ich euch nur belauscht hätte, könnte ich also gar nichts von den Evubachén wissen.“ Sie überlegte, während er fortfuhr: „Wir Evubachén sind Phöniker. Nach einer erfüllten Lebensaufgabe altern wir, um dann mit einer neuen wieder jung zu werden. Sieh her.“ Er blickte sich um, um sich zu vergewissern, dass sie niemand beobachtete. Dann machte er eine Handbewegung vor seinem Gesicht. Im nächsten Moment hatte es wieder das Antlitz des alten Herrn Davinio. „Glaubst du mir nun?“ Er verwandelte sich wieder in sein junges Ich. Wenn Marie in den letzten Tagen nicht die außergewöhnlichste Zeit ihres Lebens gehabt hätte, hätte sie vermutet, der Mann wollte sie mit billigen Zaubertricks auf den Arm nehmen.

Sie hauchte: „Ja.“

„Wir müssen mit deinen Eltern reden“, sagte Herr Davinio.

„Wenn Sie meinen“, gab sie von sich. „Ich habe sowieso schon vier Tage auf einen passenden Moment gewartet, um meinen Papa auf Linksrechtsobenunten anzusprechen. Der ist wohl jetzt gekommen …“

Frau Fuchsner öffnete die Wohnungstür und entdeckte den jungen Herrn Davinio hinter ihren Kindern.

„Wer ist das?“

„Das erkläre ich dir gleich“, sagte Marie energisch und betrat die Wohnung. „Ist Papa im Wohnzimmer?“

Ihr Mutter antwortete verwirrt: „Ja.“

„Komm mit!“

Als die drei Familienmitglieder gefolgt von Herrn Davinio das Wohnzimmer betraten, richtete sich Herr Fuchsner misstrauisch auf. „Was ist hier los? Wer ist das?“

„Papa“, entgegnete Marie, „was weißt du über Opa Franjo?“

Ihr Vater sah sie verwirrt an. „Warum?“

„Max und ich waren in Linksrechtsobenunten.“ Herr und Frau Fuchsner blickten sie aufgebracht an, brachten aber keinen Ton heraus. „Ich weiß, dass Opa Franjo eigentlich Franjolumus Feuerbart hieß und der mächtigste Zauberer von ganz Linksrechtsobenunten war. Ich weiß nur nicht, warum du uns nie davon erzählt hast, Papa …“

Ihr Vater seufzte schwer, fiel zurück auf das Sofa und senkte den Kopf.

Frau Fuchsner setzte sich neben ihn, legte den Arm um seine Schulter und fing an zu erzählen: „Er dachte, es wäre besser, wenn ihr nichts davon wisst.“

„Warum?“, fragte Marie vorwurfsvoll.

„Euer Vater kannte jede einzelne Geschichte eures Ur-Ur-Ur-Großvaters und hat sie geliebt! Er liebte sie so sehr, dass er in seinen Gedanken und Träumen oft nach Linksrechtsobenunten verschwand, um dort Abenteuer zu erleben. In der Schule war er immer der Träumer, der Sonderling und hatte nur wenige Freunde. Irgendwann entschied er sich dazu, seinem besten Freund das Geheimnis seiner eigentlichen Herkunft zu verraten. Der behielt das aber nicht für sich. Er plauderte alles gegenüber seinen Freunden aus und es verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule. Alle Kinder verhöhnten deinen Vater von da ab als verrückten, durchgeknallten, abartigen Freak …“