Lockruf der Dämonen - Terence Brown - E-Book

Lockruf der Dämonen E-Book

Terence Brown

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Beschreibung

Was verursacht die fürchterlichen Alpträume, unter denen Walter Hanson in letzter Zeit in jeder Nacht leidet? Und was hat es mit dem geheimnisvollen, düsteren Gemälde auf sich, von dem Hanson geradezu besessen zu sein scheint? Ist die junge Frau auf diesem Gemälde wirklich Dorothy Smith, die vor zwanzig Jahren spurlos verschwand? Hansons Frau Susan und der bekannte Psychiater Dr. Reginald Richmond versuchen, diese Geheimnisse zu ergründen, während Walter Hanson immer mehr in den Wahnsinn abdriftet. Dann schlagen die unheimlichen Mächte, die hinter dem Geschehen stehen zu, und Walter Hanson wird in die dämonische Welt des Bildes gezogen. Kann er den dort entbrennenden Kampf mit den Dämonen bestehen? Ein Mystery-Roman der Spitzenklasse.

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Seitenzahl: 129

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Lockruf der Dämonen

Titel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lockruf der Dämonen

 

 

 

 

 

Terence Brown

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2023

 

 

 

Lektorat/ Korrektorat: Franz Groß

Covergestaltung: Hermann Schladt

 

 

Verlagsportal: ww.novobooks.de

 

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig

 

 

 

 

1

Bleiches Mondlicht traf das kleine Haus auf der Bergkuppe. Einzelne Bäume und Büsche bogen sich unter dem Anprall des Windes, der eisig über das Land stürmte.

Aus dem Tal krochen wabernde Nebelmassen.

Wenn sie den Gipfel erreichten, packte sie der Wind, riss sie auseinander und verwehte sie spurlos.

Das Haus war verwahrlost. Schmutz und Unrat häuften sich an seinen Wänden. Einzelne Bretter hingen schief im Gebälk.

Hinter einem Fenster ohne Scheiben flackerte eine Kerze. Eine schattenhafte Gestalt schob sich davor. Sie trat an den Fensterrahmen heran.

Ein blasses Mädchengesicht wurde sichtbar. Über hervortretenden Backenknochen funkelten übergroße Augen. Langes rotes Haar fiel formlos auf schmale Schultern.

Das Mädchen trug ein weißes Kleid. Der hauchdünne Stoff ließ die betörenden Formen des Körpers erkennen.

Schwer atmend hoben sich volle Brüste. Das Gesicht blieb maskenhaft starr.

Das Mädchen presste seine Hände vors Gesicht. An den Gelenken blitzten goldene Handschellen.

Der Mund öffnete sich zu einem wilden Schrei. Er blieb unhörbar. Die aufgerissenen Augen richteten sich gen Himmel.

Vor der riesigen Mondscheibe war ein bizarrer schwarzer Schatten erschienen.

Die junge Frau mit den gefesselten Händen starrte ihn an.

Lautlos schwebte der Schatten heran...

 

*

 

Walter Hanson fuhr aus seinen Kissen hoch. Er war in Schweiß gebadet. Der Schlafanzug klebte an seinem Körper.

Er schluckte krampfhaft. Nur langsam kam er zu sich.

»Was ist los?« Seine Frau wälzte sich auf den Rücken und sah ihren Mann fragend an.

Walter Hanson lehnte sich zurück. Er sah auf seine zitternden Hände und fühlte ein dumpfes Pochen in der Brust.

Susan griff nach seiner Hand und schob sich näher.

»Schon wieder der Traum? Kann ich dir irgendwie helfen?«

Walter Hanson nickte verzweifelt.

»Wieder der schreckliche Traum ... seit vier Wochen jede Nacht.. . wieder und immer wieder. Ich werde verrückt, wenn es so weitergeht. Ich ... ich ... weiß mir nicht mehr zu helfen.«

Susans Händedruck wurde stärker.

»Du gehst morgen zum Arzt. Ich mache einen Termin mit Dr. Richmond

aus. So geht es nicht weiter. Du bist ein einziges Nervenbündel geworden, vernachlässigst deine Arbeit und deine Familie.«

Walter sah seine Frau mit großen Augen an.

»Der Druck in meinem Kopf wird immer stärker. Ich kann bald keinen klaren Gedanken mehr fassen. Irgend etwas geht mit mir vor. Ich ...«

Der hagere Mann fuhr sich durch seine dunkelblonden Haarsträhnen.

Er warf einen Blick auf den Radiowecker. 4.30 Uhr zeigten die Leuchtziffern an.

»Jede Nacht den gleichen Traum und immer zur selben Zeit. Das bedeutet doch etwas. Ich kann es nicht fassen.«

Walter Hansons Stimme klang verzweifelt. Er löste seine Hand aus der seiner Frau und stieg aus dem Bett. Im Bad wechselte er seinen Pyjama und trat dann in den großen Wohnraum, wo er sich an der Bar einen Whisky einschenkte.

Nervös lief er auf und ab.

Er dachte an das bleiche Mädchengesicht und an den riesigen Schatten, der lautlos heranschwebte.

»Doktor. Richmond«, murmelte Hanson. »Susan will mich zu ihm schicken. Hält sie mich schon für verrückt?«

Dr. Richmond war als Psychiater sehr angesehen.

Aber er befasste sich auch mit Okkultismus und Parapsychologie.

»Vielleicht ist Doktor Richmond wirklich der richtige Mann für mich«, sagte er vor sich hin.

»Ja«, sagte Susan. »Er wird dir sicher helfen können.«

Hanson fuhr zusammen. Seine Frau war, von ihm unbemerkt, eingetreten. Sie trug ein durchsichtiges Nachtgewand.

Ihr Mann betrachtete sie. Seit einem Jahr waren sie verheiratet. Hanson war immer noch verliebt. Ihr hinreißender Anblick verscheuchte das Traumbild. Er ging auf sie zu und streckte seine Arme aus. Aber da stockte er.

Susans Gesicht verschwamm, und Hanson sah die Riesenaugen des blassen Traummädchens vor sich.

Jahrelang hatte er diese Augen vergessen wollen. Es war ihm erst gelungen, als er Susan kennen gelemt hatte. Wollte der bleiche Traumschemen die lebendige Schönheit Susans wieder verdrängen?

»Ich möchte dir so gern helfen, Walter«, sagte Susan leise.

Damit war das Traumbild verschwunden. Hanson war wieder in der Wirklichkeit. Er ging lebhaft auf Susan zu und schloss sie in seine Arme. Die Wärme ihres Körpers beruhigte ihn vollends.

Gemeinsam gingen sie zurück ins Schlafzimmer.

Walter Hanson lag auf dem Rücken, den Blick starr zur Decke gerichtet.

Irgendwann schlief er ein.

 

*

 

Dr. Reginald Richmond erhob sich hinter seinem Schreibtisch und streckte Walter Hanson die Hand entgegen.

»Nehmen Sie Platz, Mister Hanson«, sagte er lächelnd und deutete auf einen freien Stuhl vor dem Schreibtisch. »Ihre Frau Gemahlin hat mir schon einige Andeutungen gemacht. Sie müssen mir aber alles ganz genau erzählen. Sie dürfen nichts verschweigen, nichts beschönigen und nichts übertreiben. Sind Sie dazu bereit?«

Walter Hanson war mit besten Absichten hergekommen. Jetzt zweifelte er plötzlich, ob er hier am richtigen Platz war. Durfte er überhaupt alles erzählen?

Der Arzt beobachtete ihn und erriet, was in ihm vorging.

»Sie haben eine schlechte Nacht gehabt«, versuchte er vorsichtig zu helfen. »Soll ich Ihnen zur Beruhigung eine .. .«

»Nein, nein«, fiel ihm Hanson hastig ins Wort.

»Kein Medikament bitte. Ich bin durchaus bereit.« Er sah sich suchend um. »Soll ich hier sitzen bleiben? Oder darf ich mich dort auf das Sofa legen?«

»Wie Sie wollen, Mister Hanson.« Der Arzt stand auf. »Sie sollen sich ganz frei, ungezwungen und vollkommen entspannt fühlen.«

Walter Hanson legte sich auf die Couch. Der Arzt ließ ihm Zeit.

Nach Minuten sagte er sanft: »Wenn Sie bereit sind, schließen Sie die Augen und berichten Sie. Ich bin ganz Ohr.«

Walter gab sich alle Mühe, sich zu entspannen. Aber der seelische Druck wollte nicht weichen. Im Gegenteil! Er versteifte sich zu einer tierischen Angst.

Seine Augenlider flatterten. Der Brustkorb hob und senkte sich.

»Ich bringe ... kein ... Wort... heraus«, stammelte er.

»Es ... ist so, als ... wolle mich .. . jemand . .. hindern, meine Geschichte... zu erzählen.«

Dr. Reginald Richmond hatte sich einen Stuhl herangezogen und saß dicht neben dem Sofa. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er seinen Patienten.

»Ganz ruhig, Mister Hanson«, sprach er ihm suggestiv zu. »Entspannen Sie sich. Sie werden jetzt ganz ruhig. Soistes recht.«

Der Arzt strich Hanson behutsam über die bleiche Stirn, als wolle er ihm alle Furcht nehmen.

Der hagere Mann auf dem Sofa wurde ruhiger. Nur die Mundwinkel zuckten noch nervös.

»Nun erzählen Sie Ihre Geschichte. Berichten Sie alles, was Ihnen gerade einfällt.«

Walter Hansons Gesicht bekam leichte Farbe. Seine verkrampften Hände lösten sich.

»Seit vier Wochen habe ich jede Nacht denselben Traum«, begann er fließend. »Ich sehe vor mir einen dunklen Berg, auf dessen Kuppe ein kleines Haus steht. Es ist Nacht. Die Umgbung des Hauses macht einen unheimlichen Eindruck. In dem Haus brennt Licht.

Kerzenlicht. Ich erkenne die Umrisse eines Mädchens von vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahren. Sie tritt ans Fenster und sieht hinaus. Sie scheint Angst zu haben. Ihre Hände sind mit goldenen Handschellen gefesselt.

Dann nähert sich ein großer schwarzer Schatten. Er deckt alles zu.«

Der Atem des hageren Mannes ging jetzt wieder schneller. Die Schilderung hatte ihn erregt.

Dr. Richmond betrachtete den Patienten nachdenklich.

Walter öffnete die Augen. Wieder lag ein ängstliches Flackern in seinem Blick.

»Es ist in jeder Nacht der gleiche Traum. Ich habe Angst, Doktor. Bin ich verrückt?«

Der Psychiater erhob sich.

Beruhigen Sie sich! Irgendwann müssen Sie mal einen Schock erlebt haben, der sich in Ihrem Unterbewusstsein verklemmt hat. Wir müssen ihn suchen und finden. Das wird keine leichte Aufgabe sein. Aber Sie können ganz zuversichtlich sein. Wir werden es schon schaffen.«

Walter Hanson atmete auf. Er lächelte sogar. Er nahm gegenüber Dr. Richmond Platz.

»Darf ich rauchen?« fragte er. Der Arzt nickte. »Ich bin also nicht im Begriff überzuschnappen?«

»Keineswegs.«

Das Lächeln von Dr. Richmond verstärkte sich.

»Wir schleppen alle irgendwelche Probleme mit uns herum, die tief in unserem Unterbewusstsein verborgen sind. Irgendwann gelingt es ihnen, an die Oberfläche zu gelangen. Ihr Traum spricht dafür. Wir müssen herausfinden, was dahintersteckt.«

Der Arzt hatte sich Notizen gemacht.

»Jetzt werden wir ins Detail gehen. Erzählen Sie von sich! Berichten Sie von ihrer Kindheit, von Ihrer Jugend! Auch noch so belanglose Dinge können von großer Wichtigkeit sein. Ich muss alles wissen. Es bleibt natürlich unter uns«, fügte er hinzu, als er das skeptische Gesicht seines Gegenübers sah.

Dann begann Walter Hanson zu erzählen. Der Arzt steuerte ihn mit geschickt gezielten Fragen.

Stunde um Stunde verging. Dr. Richmond hatte sämtliche anderen Termine durch seine Sekretärin verlegen lassen.

Dann schwieg Walter Hanson. Seine Stirn glänzte vor Schweiß. Mit zitternden Fingern zündete er sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Er blickte den blauen Rauchkringeln nach und wandte sich an den Arzt.

»So, nun kennen Sie mich in- und auswendig. Sind Sie einen Schritt weitergekommen? «

Dr. Reginald Richmond sah auf seinen Block, auf dem er Notizen gemacht hatte.

»Berichten Sie mir doch noch mal von Dorothy Smith, Ihrer ersten Jugendliebe.«

Hanson biß sich auf die Unterlippe. Die Zigarette wollte ihm auf einmal nicht mehr schmecken. Fahrig drückte er sie im Aschenbecher aus.

»Dorothy Smith? Das liegt jetzt über zwanzig Jahre zurück. Ich war damals siebzehn. Wir waren Nachbarskinder.«

»Ähnelte sie vielleicht dem Mädchen, das in Ihrem Traum eine so große Rolle spielt?«

Der hagere Mann runzelte die Stirn, dann legte sich ein schwaches Lächeln um seine Mundwinkel.

»Darauf wollen Sie also hinaus«, sagte er. »Ich glaube nicht, obwohl... «, seine Hände bewegten sich nervös, »... irgendeine Ähnlichkeit besteht wohl. Auch sie hatte rotes Haar. Aber sonst wüsste ich keine Ähnlichkeit. Mein Gott, zwanzig Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich auf Dorothy gekommen bin.«

»Haben Sie das Mädchen nochmal gesehen?

Irgendwann in den letzten Jahren.« Walter Hanson schüttelte den Kopf.

»Nein. Sie ist damals plötzlich verschwunden. Man glaubte an ein Verbrechen. Scotland-Yard wurde eingeschaltet, doch die Nachforschungen blieben erfolglos. Dorothy Smith ist niemals wieder auf getaucht. Die Sache hat mich damals natürlich sehr mitgenommen, doch ich glaube nicht, dass sie etwas mit meinem Traum zu tun hat.«

Dr. Richmonds Gesicht blieb unbewegt, nur in seinen tiefliegenden Augen funkelte es leicht.

Er erhob sich.

»Lassen wir es damit für heute bewenden, Mister Hanson. Kommen Sie morgen zur gleichen Zeit wieder vorbei. Wir werden Ihr Problem lösen. Ich glaube, dass wir heute schon einen schönen Schritt vorwärtsgekommen sind.«

Walter Hanson schüttelte dem Arzt die Hand. Sein Blick war skeptisch.

»Werde ich heute Nacht wieder diesen Alptraum haben?« fragte er. Angst bemächtigte sich seiner Stimme.

»Es ist möglich. Achten Sie auf alles, auf die kleinste Kleinigkeit. Und versuchen Sie, das unbekannte Mädchen mit Dorothy Smith zu vergleichen. Gibt es vielleicht irgendwelche Fotos von ihr?«

»Nicht dass ich wüsste, Doktor, Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Ich bin glücklich verheiratet.«

Dr. Richmond konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.

»So war es nicht gemeint.« Er brachte seinen Patienten zur Tür. »Morgen zur selben Zeit. Good bye, Mister Hanson!«

Dr. Richmond kehrte zu seinem Schreibtisch zurück.

Nachdenklich nahm er Platz.

Er griff zum Telefon.

»Verbinden Sie mich mit der Redaktion von >Daily Mails<, Mabel«, sagte er. »Ich möchte den Redakteur Percy Collins sprechen.«

Gleich darauf summte das Telefon.

»Hallo, Percy«, sagte Dr. Richmond. »Wie geht es dir, altes Haus? Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Mir geht es gut. Ich hätte eine Bitte. Ich habe da einen Patienten, dem du vielleicht helfen könntest. Es ist vor zwanzig Jahren ein Mädchen verschwunden. Ihr Name: Dorothy Smith. Ungefähr siebzehn Jahre alt. Ja, in Warriage. Muss bestimmt damals Schlagzeilen gemacht haben. Würdest du für mich im Archiv nachsehen lassen, was ihr damals darüber gebracht habt? Danke, Percy!

Wenn ich dir mal mit irgendwas nützlich sein könnte, melde dich nur.«

Dr. Richmond legte auf.

 

2

Nebel lag über Londons Straßen. Verzweifelt hatte die Sonne dagegen angekämpft. Doch jetzt senkte sich die Dunkelheit über die Millionenstadt.

Lichtreklamen nahmen den aussichtslosen Kampf gegen die Nebelsuppe auf. Der Verkehr auf den Straßen wurde immer schwächer. Wer nicht unbedingt aus dem Haus musste, ließ es sein.

Walter Hanson stellte seinen Mantelkragen hoch. Es wurde empfindlich kalt. Ein anstrengender Arbeitsnachmittag lag hinter ihm. Hanson, der Mitinhaber des Anwaltsbüros Hanson & Mulligan, hatte vor Gericht einen Erbschaftsprozeß zu führen gehabt und einen Teilerfolg erzielt.

Die Straßenlaternen warfen zuckende Schatten. Ganz in Gedanken versunken, lief der hagere Mann durch die menschenleeren Straßen. Er hatte es vorgezogen, die wenigen hundert Meter von der Kanzlei zur Wohnung zu Fuß zurückzulegen.

Plötzlich stockte sein Schritt. Sein Herz begann schneller zu hämmern.

Er fuhr sich über die Augen und lehnte sich keuchend gegen eine Hauswand.

Der hagere Mann bemerkte eine schemenhafte Gestalt, die von dem bleichen Licht einer Straßenlaterne angestrahlt wurde.

Es musste ein junges Mädchen sein. Lange, rötlich schimmernde Haare fielen bis auf die Schultern.

Angst sprang ihn an. Sein Atem flatterte. Er hatte das Gefühl, als wären seine Füße fest mit dem Boden verwuchsen.

Erst jetzt bemerkte er die unheimliche Stille, die ihn umgab. Kein Geräusch war zu vernehmen, kein Auto befuhr die Straße. Niemand befand sich auf den Gehwegen.

Das junge Mädchen stand noch immer im schwachen Schein der Laterne. Nebelschleier ließen das Gesicht immer wieder zerfließen.

Walter Hansons Hand fuhr zur Kehle.

Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Würgend schluckte er. Aus geweiteten Augen musste er das Mädchen anstarren, das sich nicht von der Stelle rührte.

Ruhig Blut, dachte Hanson. Meine überreizten Nerven spielen mir einen Streich. Ich bilde mir das alles nur ein. Dort steht überhaupt niemand.

Mühsam hob er einen Fuß und bewegte sich wie in Zeitlupe auf die Straßenlaterne zu. Der Nebel schien noch dichter geworden zu sein.

Langsam näherte er sich dem Mädchen, das ihn aus großen dunklen Augen anstarrte. Walter Hanson kannte diese Augen und dieses Gesicht! Seit vier Wochen waren sie ihm nachts im Traum erschienen.

Sein Mund öffnete sich, doch kein Laut kam zwischen den Lippen hervor.

Er starrte in die großen Augen.

Die Gestalt trug das weiße, fast durchsichtige Kleid, und die Hände waren mit goldenen Handschellen gefesselt.

Jetzt reckte sie ihm mit einer verzweifelten Gebärde die Hände entgegen. Ihre Augen veränderten sich.

Panische Angst leuchtete in ihnen auf.

Walter Hanson beschleunigte seine Schritte. Gleich musste er das Mädchen erreicht haben, doch dann prallte er wie vor einer unsichtbaren Mauer zurück.

Das Mädchen war verschwunden.

Träge wogten einige Nebelfetzen im trüben Schein der Laterne.

Ein durch Mark und Bein gellender Schrei brach von den Lippen des hageren Mannes. Seine emporgerissenen Arme fielen kraftlos herunter.

Walter Hanson sah sich nach allen Seiten um. Er konnte niemand erkennen.

Sekunden stand er unter der Laterne und versuchte seiner Erregung Herr zu werden. Allmählich beruhigte sich sein galoppierendes Herz.

»Ich werde verrückt«, murmelte Hanson. »Mein Gott, ich schnappe über. Ich kann nicht mehr Traum von Wirklichkeit unterscheiden. Bald werde ich auch noch kleine grüne Männer sehen.«

Etwas kicherte wenige Schritte von ihm entfernt.

Es war ein kleines grünes Männchen, mit verrunzeltem Gesicht und einem Bart, der fast den Boden berührte.

Aufschreiend setzte sich Walter Hanson in Bewegung und jagte durch den Nebel, als wäre ein Dutzend Dämonen hinter ihm her.

 

*

 

Walter Hanson fuhr mit einem Schrei aus den Kissen hoch. Die Haare standen ihm zu Berge. Sein Gesicht war schweißüberströmt. Grauenhafte Angst verzerrte sein Züge.