Lonesome Traveller - Jack Kerouac - E-Book

Lonesome Traveller E-Book

Jack Kerouac

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Beschreibung

«Lebensmischmasch eines selbständigen, gebildeten, mittellosen, nach allen Seiten offenen Lebemannes.» So hat Kerouac selbst das genannt, was diese acht berühmten Prosaskizzen beschreiben: ein rastloses Hetzen von Ort zu Ort, von Job zu Job, quer durch Nordamerika, durch Mexiko, Nordafrika, Paris, London. Ihre Sprachgewalt, ihre wilde Poesie, ihre Direktheit faszinieren Leser von heute genauso wie seine Zeitgenossen – und die Inhalte dieser autobiographischen Texte haben den Aussteigern und Alternativen ebenso viel zu sagen wie der Beat-Generation von damals.

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Seitenzahl: 309

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Jack Kerouac

Lonesome Traveller

 

 

Aus dem Englischen von Hans Hermann

 

Über dieses Buch

«Lebensmischmasch eines selbständigen gebildeten mittellosen nach allen Seiten offenen Lebemannes.» So hat Kerouac selbst das genannt, was diese acht berühmten Prosaskizzen beschreiben: ein rastloses Hetzen von Ort zu Ort, von Job zu Job, quer durch Nordamerika, durch Mexiko, Nordafrika, Paris, London. Ihre Sprachgewalt, ihre wilde Poesie, ihre Direktheit faszinieren Leser von heute genauso wie seine Zeitgenossen – und die Inhalte dieser autobiographischen Texte haben den Aussteigern und Alternativen ebenso viel zu sagen wie der Beat Generation von damals.

 

«Voller erstaunlicher und wunderschöner Dinge. … Er beschreibt unsere Welt so eindringlich, so poetisch, dass man sie sieht, hört und fühlt.» Sunday Times

Vita

Jack Kerouac, am 12. März 1922 in Lowell/Massachusetts geboren, diente während des Zweiten Weltkriegs in der Handelsmarine, trampte später jahrelang als Gelegenheitsarbeiter kreuz und quer durch die USA und Mexiko und wurde neben William S. Burroughs und Allen Ginsberg der führende Autor der Beat Generation. Mit «On the Road» schrieb er eines der berühmtesten Bücher des 20. Jahrhunderts. Er starb am 21. Oktober 1969 in St. Petersburg/Florida.

Einführung des Autors

NAME

Jack Kerouac

STAATSANGEHÖRIGKEIT

Franko-amerikanisch

GEBURTSORT

Lowell (Massachusetts)

GEBURTSDATUM

12. März 1922

BILDUNGSGANG

(Schulen, Studienfächer, akademische Grade, Dauer des Schulbesuchs)

High School in Lowell (Massachusetts); Horace Mann School for Boys; Columbia College (1940–42); New School for Social Research (1948–49). Geisteswissenschaften. Keine akademischen Grade. 1936–1949. Erhielt am Columbia College von Mark Van Doren eine Eins in Englisch (in einem Shakespeare-Seminar). – Fiel am Columbia College in Chemie durch. – Kam an der Horace Mann School (1939–40) im Durchschnitt auf 92 von 100 möglichen Punkten. Spielte Football in Schulmannschaften. War außerdem Leichtathlet, Baseball- und Schachspieler.

VERHEIRATET

Nee

KINDER

Nein

AUSGEÜBTE BERUFE UND/ODER GELEGENHEITSJOBS

Alles mögliche. Im einzelnen war ich: Schiffsjunge, Tankwart, Decksmann, Sportreporter bei der Zeitung (Lowell Sun),Bremser bei der Eisenbahn, Verfasser von Drehbuchsynopsen für die Twentieth Century Fox in New York, Eisverkäufer, Bahnhofsarbeiter, Gepäckträger, Baumwollpflücker, Möbelpackergehilfe, Blechverarbeitungslehrling beim Bau des Pentagon 1942, Brandwache im Forstdienst (1956), Bauarbeiter (1941).

INTERESSEN

 

HOBBIES

Ich erfand mein eigenes Baseballspiel. Es wird mit Karten ausgetragen und ist äußerst kompliziert. Bin gerade dabei, eine ganze Saison mit acht Klubs und 154 Partien durchzuspielen, mit allem Drum und Dran, mit Ranglisten der besten Schläger und Werfer etc.

AUSGEÜBTE SPORTARTEN

Habe schon alles gespielt, außer Tennis und Lacrosse und Skull.

BESONDERE NEIGUNGEN

Mädchen

BITTE GEBEN SIE EINEN KURZEN LEBENSLAUF

Hatte schöne Kindheit, mein Vater war Drucker in Lowell (Mass.). Streifte Tag und Nacht durch Felder und Wiesen und Uferböschungen, schrieb in meinem Zimmer kleine Romane, den ersten als 11jähriger, führte auch ein ausführliches Tagebuch und schrieb «Zeitungen» mit Berichten über meine erfundene Welt voller Pferderennen und Baseball- und Footballspiele (nachzulesen in meinem Roman Doctor Sax). – Erhielt schon früh guten Unterricht von den Jesuiten der Pfarrschule Sankt Joseph in Lowell, so daß ich später die sechste Klasse überspringen konnte; reiste als Kind mit der Familie nach Montreal (Quebec); erhielt als 11jähriger vom Bürgermeister von Lawrence (Mass.), Billy White, ein Pferd; ließ alle Kinder in der Nachbarschaft drauf reiten; Pferd lief mir davon. Machte unter alten Bäumen Neuenglands lange Spaziergänge mit meiner Mutter und Tante. Hörte ihrem Klatsch aufmerksam zu. Beschloß mit 17, Schriftsteller zu werden, beeinflußt von Sebastian Sampas, einem jungen Dichter unserer Stadt, der später beim Brückenkopf in Anzio fiel; las mit 18 die Lebensgeschichte Jack Londons und beschloß, ebenfalls ein Abenteurer zu werden, ein lonesome traveller; frühe literarische Einflüsse Saroyan und Hemingway; später Wolfe (als ich mir im ersten Jahr am Columbia College beim Football das Bein gebrochen hatte, las ich Tom Wolfe und durchstreifte sein New York auf Krücken). – Beeinflußt vom älteren Bruder Gerard Kerouac, der 1926 mit 9 Jahren starb, als ich 4 war, ein großer Maler und Zeichner in seiner Kindheit – (und außerdem ein Heiliger, wie die Nonnen sagten) – (nachzulesen im noch nicht erschienenen Roman Visions of Gerard). – Mein Vater war ein durch und durch ehrlicher Mann voll Fröhlichkeit; in seinen letzten Jahren durch Roosevelt und den Zweiten Weltkrieg verbittert, starb an Milzkrebs. – Mutter lebt noch, führe mit ihr ein fast klösterliches Leben, das es mir erlaubt, so viel zu schreiben. – Habe aber auch unterwegs geschrieben, als Landstreicher, Eisenbahner, im mexikanischen Exil, auf Reisen in Europa (wie in Lonesome Traveller nachzulesen). – Eine Schwester, Caroline, inzwischen verheiratet mit Paul E. Blake jun. aus Henderson (N. C.), der als Raketenabwehrfachmann für den Staat arbeitet – sie hat einen Sohn, Paul junior, meinen Neffen, der mich Onkel Jack nennt und mich liebt. – Meine Mutter heißt mit Vornamen Gabrielle; lernte alles, was ich vom natürlichen Erzählen weiß, von ihren langen Geschichten über Montreal und New Hampshire. – Meine Familie stammt ursprünglich aus dem bretonischen Frankreich; der erste nordamerikanische Vorfahr, Baron Alexandre Louis Lebris de Kérouac aus Cornwall in der Bretagne erhielt – 1750 oder so – nach Wolfes Sieg über Montcalm ein Stück Land am Rivière du Loup; seineNachfahren heirateten Indianer (Mohawks und Caughnawagas) und wurden Kartoffelfarmer; der erste Nachkomme in den Vereinigten Staaten mein Großvater Jean-Baptiste Kérouac, Zimmermann, Nashua (N. H.). – Die Mutter meines Vaters eine Bernier, verwandt mit dem Forschungsreisenden Bernier – alles Bretonen in der Familie meines Vaters. Meine Mutter hat einen normannischen Namen, L’Evesque. –

Erster eigentlicher Roman The Town and the City, geschrieben in der Tradition des langwierigen Arbeitens und Verfeinerns in den drei Jahren von 1946 bis 1948, erschienen 1950 bei Harcourt Brace. – Stieß dann auf «spontane» Prosa und schrieb, sagen wir, The Subterraneans in 3 Nächten – schrieb On the Road in 3 Wochen –

Las und lernte schon immer allein. – Stellte am Columbia College neuen Rekord im Schulschwänzen auf, um in meinem Zimmer im Wohnheim bleiben zu können und täglich ein Schauspiel zu schreiben und Leute wie, sagen wir, Louis-Ferdinand Céline anstatt, wie verlangt, die «Klassiker» zu lesen. –

Hatte immer meine eigenen Vorstellungen. – Man kennt mich als «irren Vagabund und Engel» mit einem «nackten grenzenlosen Kopf» voller «Prosa». – Auch Verseschreiber: Mexico City Blues (Grove Press 1959). – Habe das Schreiben schon immer für meine Pflicht auf Erden gehalten. Auch das Predigen einer allumfassenden Güte, was hysterischen Kritikern entgangen ist, die nur die hektische Betriebsamkeit in meinen wahren Romanen über die «Beat»-Generation sahen. – Bin eigentlich kein «Beat», sondern ein außenstehender isolierter verrückter katholischer Mystiker …

Pläne für den Lebensabend: Einsiedlerleben im Wald, ruhiges Schreiben über milde Altershoffnungen auf das Paradies (das ohnehin zu jedem kommt) …

Lieblingsklage über die Welt von heute: die derb-komischen Sprüche «angesehener» Leute … die, da sie überhaupt nichts ernst nehmen, alte menschliche Gefühle zerstören, Gefühle, die älter sind als Time Magazine … Dave Garroway, der über weiße Tauben lacht …

BITTE GEBEN SIE EINE KURZE BESCHREIBUNG DES BUCHES, NENNEN SIE ZIEL UND ZWECK DES BUCHES AUS IHRER SICHT

Lonesome Traveller ist eine Sammlung veröffentlichter und unveröffentlichter Stücke, die ein gemeinsames Thema verbindet: das Reisen.

Diese Reisen führen quer durch die Vereinigten Staaten, vom Süden zur Ostküste zur Westküste in den entlegenen Nordwesten, durch Mexiko, Marokko in Afrika, London, per Schiff durch den Atlantischen und Pazifischen Ozean, und sie machen mit allerlei interessanten Menschen und Städten bekannt.

Arbeit bei der Eisenbahn, Arbeit auf See, Mystizismus, Arbeit in den Bergen, Geilheit, Solipsismus, Hemmungslosigkeit, Stierkämpfe, Drogen, Kirchen, Kunstmuseen, Großstadtstraßen, der Lebensmischmasch eines selbständigen gebildeten mittellosen nach allen Seiten offenen Lebemannes.

Ziel und Zweck des Buches ist einfach Poesie oder ein natürliches Beschreiben.

Piere der heimatlosen Nacht

HIER UNTEN AUF DUNKLER ERDE

bevor wir alle in den Himmel kommen

VISIONEN VON AMERIKA

Immer wieder Autos anhalten

Immer wieder auf fahrende Züge springen

Immer wieder zurückkommen

nach Amerika

Über mexikanische & kanadische Grenzen …

Beginnen wir mit einem Blick auf mich, den Kragen eng an den Hals gedrückt und mit einem Halstuch umwickelt, das wärmt und Halt gibt, wie ich dahinstapfe durch die öde, düstere Umgebung der Lagerhäuser am endlosen Kai von San Pedro, und die Ölraffinerien in dieser feuchten nebligen Weihnachtsnacht 1951 stinken wie brennender Gummi und die aus den Tiefen kommenden Geheimnisse der Meereshexe Pazifik, wo sich gleich links von mir die ölige Brühe des alten Hafenwassers heranwälzt und die schaumbedeckten Pfähle umspült, und weiter draußen vor dem schützenden Hafen sieht man das Zucken der Leuchtfeuer in den heranrollenden Wellen und auch das Auf und Ab von Lichtern an Schiffen und Bumbooten, die sich nähern und sich entfernen und diesen letzten Streifen des amerikanischen Festlandes verlassen. – Draußen auf dem dunklen Ozean, dieser wilden dunklen See, wo der Wurm unsichtbar auf den Wellen reitet, wie eine Hexe im Flug und ausgestreckt als liege sie lässig auf traurigem Sofa, aber mit wehendem Haar und entschlossen, das blutrote Glück der Liebenden zu finden und zu verschlingen, Tod ist ihr Name, dort draußen kam nun gespenstisch und lautlos bis auf die gewaltig vibrierenden Maschinen das Schicksals- und Todesschiff die S. S. Roamer, ganz in Schwarz mit orangefarbenen Spieren, um nach ihrer Fahrt von New York und durch den Panama-Kanal an den Pier von San Pedro verholt und bugsiert zu werden, und an Bord ist mein alter Kumpel Deni Blue, nennen wir ihn so, der mich mit seinem Versprechen, mir einen Job auf dem Schiff zu besorgen, überredet hatte, 5000 Kilometer in Bussen über Land zu fahren, und gleich geh ich für den Rest der Reise um die Welt an Bord. – Und da ich fit bin und wieder mal auf Achse & sowieso nichts anderes zu tun habe als mit langem Gesicht das wirkliche Amerika mit meinem unwirklichen Herzen zu durchstreifen, bin ich scharf und begierig drauf, als vorlauter Küchenjunge oder Tellerwäscher auf dem alten Kahn mitzufahren und mir die Nase einschlagen zu lassen, Hauptsache ich kann mir mein nächstes Seidenhemd in Hongkong schneidern lassen oder in irgendeiner alten Bar in Singapur einen Poloschläger schwingen oder bei Pferderennen auf australisch wetten, mir ist alles recht, es muß nur was los sein und um die Welt gehen.

Wochenlang war ich unterwegs auf den Straßen, die von New York in den Westen führen, und wartete dann im Haus eines Freundes in Frisco oben und verdiente mir in der Zeit bei der guten alten Eisenbahn als Gepäckträger im Weihnachtsbetrieb 50 Dollar dazu, bin grade erst die 800 Kilometer von Frisco runtergekommen, und das als geheimer Ehrengast im Bremswagen des Zipper, eines erstklassigen Güterzugs, das verdank ich meinen Beziehungen zu den Eisenbahnern da oben, und jetzt seh ich mich schon als großen Seemann, geh jetzt gleich hier in Pedro an Bord der Roamer und freu mich schon drauf, doch wenn die Sache mit dem Schiff nicht wäre, würde es mir bestimmt gefallen, vielleicht Eisenbahner zu werden, ich würde Bremser lernen und auch noch Geld dafür bekommen, daß ich auf dem rasenden Zipper mitfahre. – Aber ich war krank gewesen, eine plötzliche würgende fürchterliche Erkältung, ein kalifornischer Virus vom Typ X, und so konnte ich kaum aus dem verstaubten Fenster des Bremswagens blicken, hinaus auf die schneeweißen Brecher der Brandung in Surf und Tangair und Gaviota, dort wo die Bahnlinie zwischen San Luis Obispo und Santa Barbara einen großen Halbkreis beschreibt. – Ich hatte mir alle Mühe gegeben, die Fahrt zu genießen, konnte aber nur flach auf der Sitzbank liegen, das Gesicht in meine zusammengelegte Jacke gedrückt, und von San José bis Los Angeles hatte mich jeder Schaffner aufwecken müssen, um mich zu kontrollieren, ich war der Bruder eines Bremsers und selbst ein angehender Bremser, und wenn ich dann den Kopf hob und dachte: «Mein alter Jack, du fährst hier tatsächlich in einem Bremswagen die Küste entlang, und dieser Zug ist so fantastisch wie die Züge in deinen wildesten Wunschträumen, ein Kindertraum ist wahr geworden, wie kommt es da nur, daß du den Kopf nicht heben und nach draußen schauen kannst, um die flaumige kalifornische Küste zu genießen das letzte Land unter dem Flaum fein stäubender Gischt über Türstufen und Schwellen schwappendes Wasser aus jeder Wolke im Orient und den Buchten zwischen hier und Catteras Flapperas Voldivious und Gratteras, Mann», doch dann hob ich den Kopf und nichts war zu sehen, nur meine blutunterlaufene Seeleund vage Andeutungen eines unwirklichen Mondes über einer unwirklichen See und das Vorbeifließen der Kieselsteine des Gleisbettes, die Schienen im Sternenlicht. – Steige am Morgen in L.A. aus und mit dem vollen riesigen Seesack auf der Schulter mache ich mich schwankend auf den langen Weg vom Verschiebebahnhof bis in die Innenstadt Main Street L.A., wo ich mich für 24 Stunden in ein Hotelzimmer zurückzog und Bourbon mit Zitronensaft und Grippetabletten trank und auf dem Rücken liegend eine Vision von Amerika hatte, die kein Ende nahm – und das war erst der Anfang – doch ich dachte nur: «In Pedro geh ich an Bord der Roamer und ruckzuck bin ich auf dem Weg nach Japan.» – Blickte aus dem Fenster, als ich mich etwas besser fühlte, bestaunte die heißen sonnigen Straßen, Weihnachten in L.A., ging schließlich runter und vertrieb mir die Zeit in den schäbigen Spielhöllen und Schuhputzerbuden, wartete nur darauf, daß die Roamer einlief und am Pier in Pedro festmachte, denn dort an der Landungsbrücke sollte ich Deni treffen und den Revolver mitbringen, den er schon mal vorausgeschickt hatte.

Verschiedene Gründe für das Treffen in Pedro – er hatte einen Revolver vorausgeschickt, versteckt in einem Buch, das er sorgfältig ausgehöhlt und hinterher mit Hilfe von braunem Packpapier und Schnur zu einem sauberen Päckchen gemacht und an ein Mädchen in Hollywood adressiert hatte, Helen Soundso, deren Anschrift er mir genannt hatte: «Also, Kerouac, wenn du nach Hollywood kommst, gehst du sofort zu Helen und läßt dir das Päckchen geben, das ich ihr geschickt habe, dann machst du es in deinem Hotelzimmer vorsichtig auf und holst die Kanone raus, aber paß auf sie ist geladen schieß dir keinen Finger weg, dann steckst du sie in die Tasche, hast du mir gut zugehört Kerouac, hat das noch Platz in deinem verrückten Dickschädel – doch jetzt mußt du eine Kleinigkeit für mich erledigen, für deinen Kumpel Denny Blue, denk immer dran: wir sind zusammen zur Schule gegangen, wir haben zusammen ums Überleben gekämpft und Pfennige zusammengeschnorrt wir waren sogar Bullen zusammen wir haben sogar dieselbe Frau geheiratet», kurzes Husten, «ich meine, wir wollten beide dieselbe Frau, Kerouac, jetzt liegt es an dir, jetzt mußt du mich gegen Matthew Peters diesen Schuft verteidigen, bring also die Kanone mit», mich in die Rippen stoßend und jedes einzelne Wort betonend und ein Rippenstoß zu jedem Wort, «und bring sie unauffällig und laß dich nicht erwischen und verpaß vor allen Dingen das Schiff nicht.» – Was für ein absurder Plan, und so typisch für diesen Verrückten, ich kam natürlich ohne den Revolver, war nicht mal bei Helen gewesen, doch jetzt hatte ich es in meiner vergammelten Jacke eilig, denn ich war fast zu spät dran, ihre Masten näherten sich bereits dem Pier, Nacht, überall Scheinwerfer, über den langgestreckten Platz mit seinen Raffinerien und Öltanks, in meinen armen ausgetretenen Schuhen, die jetzt eine richtige Reise angetreten hatten – sie begann in New York und sollte mich zu dem Narrenschiff bringen, aber es zeigte sich dann gleich in den ersten 24 Stunden, daß ich nie auf dieses Schiff kommen würde – wußte das damals noch nicht, war aber dazu verdammt, in Amerika zu bleiben, auf immer, Straße Eisenbahn oder Schiffsschraube, es wird immer Amerika sein (in den Orient fahrende Schiffe tuckern den Mississippi rauf, wie noch zu sehen sein wird). – Ohne Revolver, vermummt gegen die schreckliche Winterfeuchte in Pedro und Long Beach, bei Nacht, vorbei an der Puss-n’ Boots-Fabrik an einer Ecke und davor ein kleiner Rasen und amerikanische Fahnenstangen und eine große Thunfischanzeige im Innern desselben Gebäudes produzieren sie Fisch für Menschen und für Katzen – vorbei an den Matson-Pieren, von der Lurline nichts zu sehen. – Und die Augen halten Ausschau nach Matthew Peters dem Schurken dessentwegen Deni einen Revolver haben wollte.

Es ging, irrsinnig, zurück auf andere weiter zurückliegende Ereignisse in diesem knirschenden gewaltigen Film von der Erde den ich hier nur in einem kleinen Auszug vorführe, wenn er auch lang ist, wie wild kann die Welt sein bis einem endlich klar wird: «Ach was, es ist doch immer wieder dasselbe.» – Aber Deni hatte das Auto von diesem Matthew Peters absichtlich zu Schrott gefahren. Offenbar hatten die beiden zusammen und mit etlichen Mädchen in Hollywood gewohnt, und sie fuhren beide zur See. Es gab Schnappschüsse von ihnen, wie sie in Badehosen an sonnigen Schwimmbecken saßen und mit Blondinen, und immer wieder prahlerische Umarmungen. Deni groß, rundlich, dunkelhaarig, mit dem zähnebleckenden Lächeln des Heuchlers, Matthew Peters ein unverschämt gut aussehender blonder Typ mit selbstbewußtem grimmigem Gesichtsausdruck oder (morbidem) Ausdruck der Sünde und des Schweigens, der Held – der jeweiligen Gruppe, der jeweiligen Zeit – so daß man ständig hören kann, wie hinter vorgehaltener Hand darüber geredet wird, die vertraulichen Geschichten erzählt einem jeder Betrunkene und Nichtbetrunkene in jeder Bar und Nichtbar von hier bis in die fernsten Fernen hinter allen Tathagata-Welten in den 10 Himmelsrichtungen des Universums, es ist wie die Gesamtheit der Geister aller Moskitos, die je gelebt haben, die Dichte der Geschichte der Welt, das alles würde ausreichen, um den Pazifik so oft zu füllen, wie man ein Sandkorn aus seinem sandigen Bett holen könnte. So hörte sich die große Geschichte an, das große Gejammer, das mir immer wieder vorgeleiert wurde, von Deni, einem alten Jammerer und Leierer und Meister im Schimpfen: «Während ich die Mülltonnen und Fässer in Hollywood durchstöberte, stell dir das mal vor, wie ich hinter diese supervornehmen Apartmenthäuser ging, abends, ganz spät, und da lautlos herumschlich und 5-Cent-Pfandflaschen suchte und in meinem Beutel verstaute, um an etwas Geld zu kommen, weil es im Hafen keine Arbeit für uns gab und einfach kein Schiff aufzutreiben war, in der Zeit schmiß Matthew der Angeber große Parties und verputzte das Geld bis zum letzten Cent, den er aus meinen schmutzigen Händen bekommen konnte, und nie, auch nicht ein EINZIGES Mal hörte ich auch nur ein einziges WORT der Anerkennung – du kannst dir vielleicht vorstellen, wie ich reagierte, als er schließlich auch noch mein bestes Mädchen nahm und mit ihr für eine ganze Nacht verschwand – ich stahl mich in die Garage, wo er sein Auto stehen hatte, ich fuhr ganz leise rückwärts hinaus, ohne den Motor anzulassen, im Leerlauf die Straße hinunter, und dann Mann war ich auf dem Weg nach Frisco, trank dabei eine Dose Bier nach der anderen – ich könnte dir da eine Geschichte erzählen Mann –», und so erzählt er immer weiter, auf seine unnachahmliche Art, wie er in Cucamonga California den Wagen zu Schrott fuhr, frontal in einen Baum, wie er sich dabei fast umbrachte, wie das mit den Bullen lief und den Rechtsanwälten und all den Papieren und dem Ärger, und wie er schließlich doch nach Frisco kam und ein anderes Schiff fand und wie Matthew Peters, der wußte, daß er auf der Roamer fuhr, heute in dieser feuchten kalten Nacht bestimmt an der Landungsbrücke in Pedro auf ihn warten würde, mit einer Kanone, einem Messer, mit Gefolgsleuten und Freunden, mit allem und jedem. – Deni wollte beim Verlassen des Schiffes in alle Richtungen spähen, bereit, sich sofort flach auf den Boden zu werfen, und ich sollte ihn am Ende des Landungssteges erwarten und ihm blitzschnell die Kanone geben – und das alles in der nebligen Nacht –

«Also gut erzähl mir eine Geschichte.»

«Immer schön sachte.»

«Immerhin bist du derjenige, der mit dieser ganzen Sache angefangen hat.»

«Sachte, sachte», sagt Deni mit seiner eigenen merkwürdigen Aussprache, «SAHACH» ganz laut mit gerundeten Lippen wie ein Rundfunksprecher um ja nichts zu verschlucken und dann das «TE» nur leicht angehängt, den Trick hatten wir beide an unserer verrückten Prep-School gelernt, wo alle nur Schmus redeten, total blasiert und überkandidelt … balahasierten Schamahus, unerklärlich die albernen Pennälerspielchen von einst, vergessen und verloren – aber nicht für Deni, der in dieser absurden Nacht in San Pedro in den nebligen Himmel hinein blödelte, als hätte sich nichts geändert. – «SAHACHTE» sagt Deni und packt mich am Arm und hält mich fest und blickt mich ernst an, er ist eins neunzig und blickt auf meine kleinen eins fünfundsiebzig herunter, und seine Augen sind dunkel, funkelnd, deutlich zu sehen daß er verrückt ist, deutlich zu sehen daß er eine andere Auffassung vom Leben hat als je ein Mensch vor ihm oder nach ihm, auch wenn er mit dem gleichen Ernst rumlaufen und seine Theorien vertreten kann, zum Beispiel die über mich: «Kerouac ist ein Opfer, ein OHOPfer seiner eigenen Fahantahasie.» – Oder sein Lieblingsscherz über mich, der so lustig sein soll und doch das Traurigste ist, was er oder sonstwer je erzählt hat. «Kerouac hat sich einmal geweigert, seinen Teil von einem Brathähnchen zu essen, und als ich ihn fragte, warum, da sagte er, ich muß an die armen verhungernden Menschen in Europa denken … Haiaa UAAA», und er bricht in sein fantastisches Gelächter aus, ein mächtiges kreischendes Aufwärts in einen Himmel, der speziell für ihn gemacht ist und den ich immer über ihm sehe wenn ich an ihn denke, die schwarze Nacht, die Rund-um-die-Welt-Nacht am Pier in Honolulu, als er geschmuggelte japanische Kimonos trug, gleich vier übereinander, und er mußte sich vor den Zollbeamten bis auf diese Kimonos ausziehen, und da steht er nun in der Nacht auf der Landungsbrücke in japanischen Kimonos, der große und starke Deni Bleu, niedergeschlagen & sehr sehr unglücklich. – Ich könnte dir eine Geschichte erzählen, die ist so lang, da könnten wir zusammen rund um die Welt fahren und ich wär noch nicht fertig damit, Kerouac, aber du aber du willst ja nicht du willst mir nicht du hörst ja nie zu – Kerouac, was WAS willst du den armen verhungernden Menschen in Europa von der Puss-n’Boots-Fabrik da erzählen, mit der Thunfischreklame, H MmHmmh Ja aJJooo Jooo, die produzieren das gleiche Futter für Katzen und Menschen, Jjorr JUUUUUUUUUU!» – Und wenn er so lachte, wußte man, daß er sich verdammt gut amüsierte und ganz allein, denn ich hab das nie anders erlebt, die Kumpels auf dem Schiff und all seinen anderen Schiffen kapierten den Witz so wenig wie all seine anderen Streiche, auf die ich gleich noch komme. – «Ich hab Matthew Peters’ Wagen zu Schrott gefahren verstehst du – aber ich hab’s natürlich nicht absichtlich getan das kannst du mir glauben, auch wenn Matthew Peters mir das anhängen möchte, alle möglichen Querköpfe wollen mir das anhängen, zum Beispiel Paul Lyman der glaubt auch ich hätte seine Frau gestohlen aber ich versichere dir Kerouac der liegt völlig schief, es war mein Kumpel Harry McKinley, der hat Paul Lymans Frau gestohlen – ich bin mit Matthews Auto nach Frisco gefahren, ich wollte es da an der Straße stehen lassen und mich einschiffen, er hätte das verdammte Ding ja zurückbekommen, aber leider Kerouac läuft’s im Leben kommt’s nicht immer so und anders als wir wollen da hast du’s, bloß den Namen der Stadt den kann ich nie und werd ich nie – he, hopp, Mann, Kerouac, du hörst ja gar nicht zu», und er packt mich wieder am Arm, «sachte, sachte, hörst du überhaupt was ich dir SAGE!»

«Klar hör ich dich.»

«Was brummst du dann dauernd rum, mm hmm äh, was’s da oben, die Vögel sind da oben, du hast den Vogel da oben gehört, Mann o Mann», und wendet sich schniefend mit einem einsamen Lachen ab, in dem Augenblick seh ich den wahren Deni, jetzt, wo er sich abwendet, es ist kein toller Witz, es war gar kein toller Witz draus zu machen, er redete mit mir und dann wollte er einen Witz darüber machen daß ich anscheinend nicht zuhörte und es war nicht komisch weil ich eben doch zuhörte, ja sogar sehr genau zuhörte wie immer wenn er ins Jammern und Leiern kam und aber er wandte sich ab und hatte es versucht und mit einem verzweifelten kurzen Blick in seine eigene als ob Vergangenheit siehst du das Doppelkinn oder Grübchenkinn eines großen Babys, ein Versagen der Natur, und wehmütig und mit herzzerreißender französischer Nachgiebigkeit durchlief er bescheiden, ja demütig, die ganze Skala vom absolut boshaften Intrigieren und Ränkeschmieden und Streichespielen zum großen Engel Ananda dem trauernden Baby in der Nacht, ich sah ihn ich weiß Bescheid. – «Cucamonga, Practamonga, Calamongonata, ich kann nie behalten, wie der Ort heißt, aber ich steuerte das Auto frontal gegen einen Baum, Jack, und damit war alles gelaufen und sie stürzten sich auf mich, jeder nichtsnutzige Bulle Anwalt Richter Doktor Indianerhäuptling Versicherungsvertreter all die Bauernfänger in der – ich sage dir ich hatte Glück daß ich da lebend rauskam ich mußte nach Hause telegrafieren und jede Menge Geld anfordern, wie du weißt ist all mein Erspartes bei meiner Mutter in Vermont und wenn ich echt in der Klemme bin telegrafiere ich immer nach Hause, es ist mein Geld.»

«Klar Deni.» Aber um allem die Krone aufzusetzen, gab es da noch Matthew Peters’ Kumpel Paul Lyman, der eine Frau hatte, die mit Harry McKinley durchbrannte oder sich irgendwie absetzte, ich hab das nie begriffen, sie nahmen eine Menge Geld und dampften mit einem Schiff in den Fernen Osten und wohnten nun bei einem versoffenen Major in einer Villa in Singapur und lebten auf großem Fuß in weißen Leinenhosen und Tennisschuhen, aber Lyman der Ehemann, ebenfalls ein Seemann und sogar Schiffskamerad von Matthew Peters und (auch wenn Den das zu der Zeit nicht wußte, beide an Bord der Lurline) (das kommt noch) PÄNG, er war überzeugt daß Deni auch da seine Finger im Spiel hatte, und so hatten sich die beiden geschworen, Deni umzubringen oder Deni zu erwischen, und Deni rechnete nun damit, daß sie in dieser Nacht beim Einlaufen des Schiffes am Pier stehen würden, mit Revolvern und Freunden, und ich sollte dort in Bereitschaft stehen, wenn Deni mit raschen Schritten den Landungssteg herabkam, ein elegant gekleideter Mann auf dem Weg nach Hollywood zu seinen Stars und Mädchen und all den großen Dingen, von denen er mir geschrieben hatte, ich soll sofort auf ihn zugehen und ihm den Revolver in die Hand drücken, geladen und entsichert, und Deni, mit wachsamen Augen darauf achtend, daß ihn nicht irgendwelche Schatten anspringen, stets bereit sich flach auf den Boden zu werfen, nimmt den Revolver in Empfang, und zusammen tauchen wir in das Hafendunkel und jagen in die Stadt – vor uns weitere Ereignisse, Entwicklungen –

Nun war die Roamer also angekommen, sie machte längsseits an dem Betonpier fest, ruhig stand ich da und sprach einen Achterdecksmann an, der sich mit den Tauen abmühte: «Wo ist der Carpenter?»

«Wer Blue? der – ich seh ihn gleich und sag ihm Bescheid.» Ein paar weitere Fragen und da kommt Deni grade als das Schiff anlegt und festgemacht wird und der Leichtmatrose die Rattenabweiser aufstellt und der Kapitän sein Pfeifsignal gegeben hat und diese unfaßbare langsame gewaltige zeitlupenhafte Ewigkeitsbewegung von Schiffen zum Stillstand gekommen ist, du hörst die Strudel die zurückströmenden Strudel, das Pissen aus den Speigatten – die große gespenstische Fahrt ist vorüber, das Schiff ist im Hafen – die gleichen Menschengesichter sind an Deck – und da kommt Deni in seiner Arbeitskleidung und unglaublich in der nebligen Nacht sieht er seinen Mann direkt vor sich am Kai stehen, wie ausgemacht, die Hände in den Taschen, könnte fast die Hand ausstrecken und ihn anfassen.

«Da bist du ja Kerouac, ich hab nie geglaubt, daß du wirklich kommst.»

«Du hast mich doch herbestellt, oder nicht –»

«Wart hier, eine halbe Stunde noch, dann bin ich gewaschen und umgezogen und alles, dann komm ich – irgend jemand da?»

«Ich weiß nicht.» Ich sah mich um. Ich hatte mich eine halbe Stunde lang umgesehen, geparkte Autos, dunkle Ecken, offenstehende Schuppen, Türöffnungen, Nischen, Krypten in Ägypten, Rattenlöcher in der Kaimauer, gähnende Löcher und zerknitterte Bierdosen, Mittelmastbäume und fischende Adler – bah, nirgends, die Helden waren nirgends zu sehen.

 

ZWEI DER TRAURIGSTEN GESTALTEN die man je gesehen hat (ho ho ho) verließen diese Landungsbrücke, im Dunkeln, vorbei an ein paar Zollbeamten die Deni mit einem kurzen Routineblick streiften und den Revolver in seiner Tasche sowieso nicht entdeckt hätten aber er hatte sich die ganze Mühe gemacht und das Ding in dem ausgehöhlten Buch mit der Post geschickt, und jetzt flüsterte er während wir sorgfältig die Umgebung absuchten: «Nun, hast du sie dabei?»

«Klar Mann in meiner Tasche.»

«Behalt sie, gib sie mir draußen auf der Straße.»

«Klar, kein Problem.»

«Ich glaub die sind nicht da, aber man kann nie wissen.»

«Ich hab alles abgesucht.»

«Dann machen wir uns jetzt auf die Socken – ich hab alles geplant Kerouac, für heut nacht und morgen und das ganze Wochenende; ich hab auch mit den Köchen schon geredet, es ist alles geplant, ein Brief für dich runter zu Jim Jackson ins Gewerkschaftshaus und du schläfst an Bord in der Kadettenkabine, was sagst du dazu Kerouac eine ganze Kabine nur für dich, und Mr. Smith will mitkommen und mit uns feiern, hmm aa mahaia.» – Mr. Smith war der fette blasse dickbäuchige Hexenmeister aus den tiefsten Tiefen des Maschinenraums, ein Putzer oder Schmierer oder Wasserträger, der komischste Vogel den man sich nur denken kann, und Deni lachte bereits und war in bester Stimmung und vergaß die eingebildeten Feinde – draußen auf der Kaistraße waren wir endgültig aus dem Schneider. Deni trug einen blauen Kammgarnanzug aus Hongkong mit stark wattierten Schultern und einem eleganten Schnitt, es war ein teurer und schöner Anzug, in dem er, jetzt, neben mir in meinen alten Klamotten, wie ein französischer Bauer dahinstapfte und sich in seinen derbsten Ausdrücken über die Reihen de bledeine ausließ, wie ein Ganove am Samstagabend auf den Straßen Bostons unterwegs zur Billardspelunke und zu seinen Kumpels aber auf seineeigene Art, mit dem engelhaften Deni-Lächeln, das an diesem Abend noch stärker wirkte, denn der Nebel machte sein Gesicht jovial rund und rot aber nicht alt, doch mit dem ganzen Sonnenschein von der Fahrt durch den Kanal sah er aus wie ein Romanheld von Dickens unterwegs zu seiner Postkutsche auf staubigen Straßen, nur welch trostlose Szenerie lag da vor uns in der Nacht. – Mit Deni geht man immer nur zu Fuß, man geht und geht, er würde keinen Dollar für ein Taxi ausgeben, denn er geht gern zu Fuß aber es gab auch andere Tage damals als er noch mit meiner ersten Frau ausging und sie durch das Drehkreuz der U-Bahn schob bevor sie wußte wie ihr geschah, von hinten natürlich – ein reizender kleiner Trick – um ein paar Pfennig zu sparen – und darin ist der alte Den unschlagbar, wie sich nachweisen ließe – Wir kamen zum Bahngleis der Pacific Red Car nach einem flotten Spaziergang von etwa 20 Minuten vorbei an diesen öden Raffinerien und baufälligen Bruchbuden am Brackwasser, unter einem unmöglichen Himmel ich nehm an mit Sternen übersät aber man sah nur einen trüben verschwommenen Eindruck in der südkalifornischen Weihnacht – «Kerouac wir sind jetzt am Gleis der Pacific Red Car, hast du die leiseste Ahnung was das Ding ist kannst du mir das sagen du glaubst du kannst es, aber Kerouac du warst für mich schon immer der komischste Mensch auf der Welt …»

«Nein, Deni Du bist der komischste Mensch auf der Welt –»

«Unterbrich mich nicht, fasle nicht, und überhaupt –», seineArt zu antworten und ständig zu reden und er ging voraus über die Red-Car-Schienen, auf dem Weg zu einem Hotel im Zentrum von Pedro wo angeblich jemand mit Blondinen auf uns wartete und deshalb kaufte er unterwegs ein paar Kartons Bier damit wir was zu tragen hatten, und als wir zu dem Hotel kamen, vor dem Eingang Palmen in Töpfen und Topfpflanzen in den Fenstern und geparkte Autos davor, und alles tot und windstill in diesem toten kalifornischen traurigen windstillen Rauchsmog, und die Pachucos fahren in einem frisierten Wagen vorbei und Deni sagt: «Du siehst die Mexikaner dort, die Clique im Auto in ihren Blue Jeans, die haben letztes Jahr an Weihnachten einen von unseren Matrosen erwischt, heute vor einem Jahr, der wollte gar nix von denen, doch die sprangen auf einmal aus dem Auto und schlugen ihn grün und blau – sie nehmen sein Geld – kein Geld, sie wollen nur zeigen daß sie brutal sind, es sind Pachucos, die schlagen einfach gern Leute zusammen, für nichts und wieder nichts –»

«Als ich in Mexiko war, sind mir die Mexikaner dort aber nicht so vorgekommen –»

«Die Mexikaner in den Staaten das ist eine andere Geschichte Kerouac, wenn du in der Welt herumgekommen wärst wie ich dann könntest du wie ich ein paar harte Tatsachen des Lebens kapieren aber du mit deinen armen verhungernden Europäern, du wirst das nie NIE beGREIFEN …», und wieder packte er mich am Arm und schwenkte ihn beim Gehen, wie in unseren Pennälertagen als wir immer den sonnigen Morgenhügel an der 246. Straße in Manhattan hinaufgingen, zur Horace-Mann-Schule auf den Felsklippen drüben beim Van-Cortlandt-Park, das Sträßchen, an den englischen Fachwerkvillen und Mietshäusern vorbei nach oben zu der efeuumrankten Schule, armeschlenkernd strömte die ganze Horde nach oben aber keiner war jemals so schnell wie Deni der nie eine Verschnaufpause einlegte, der Anstieg war sehr steil, die meisten hatten zu kratzen und kämpfen und keuchen und stöhnen aber Deni packte es mit seinem großen fröhlichen Lachen – Damals verkaufte er immer Dolche an die reichen kleinen Viertkläßler, hinter den Toiletten – An diesem Abend hatte er neue Tricks auf Lager – «Kerouac ich mach dich heut mit zwei Cucamongas in Hollywood bekannt falls wir noch rechtzeitig hinkommen, ganz bestimmt aber morgen … zwei Cucamongas in einem Haus, einem Mietshaus, und das Ganze ist um ein Schwimmbecken herum gebaut, hast du verstanden, was ich da gesagt habe, Kerouac? … ein Schwimmbecken, in dem man schwimmen kann –»

«Ich weiß, ich weiß, da war doch das Bild von dir und Matthew Peters und all den Blondinen, toll … Was ist, wolln wir die hernehmen?»

«Warte, Moment noch, bevor ich dir den Rest erkläre, gib mir erst mal die Kanone.»

«Ich hab die Kanone nicht du Idiot, ich hab das nur gesagt um dich vom Schiff runterzubekommen … Falls was los gewesen wäre, ich hätt dir schon geholfen.»

«DU HAST SIE NICHT?» So allmählich begriff er, daß er der ganzen Crew was vorgemacht hatte: «Mein Kumpel steht da draußen am Pier mit der Kanone, was hab ich euch gesagt», und er hatte schon vorher, als das Schiff in New York ablegte, ein großes absurdes typisch Deni lächerliches Plakat angeschlagen, Blockschrift in roter Tinte auf einem Blatt Briefpapier: «WARNUNG, AN DER WESTKÜSTE GIBT ES EIN PAAR TYPEN NAMENS MATTHEW PETERS UND PAUL LYMAN DIE WÜRDEN NICHTS LIEBER TUN ALS DEN CARPENTER DER ROAMER DENI E. BLEU ZUSAMMENZUSCHLAGEN WENN SIE NUR DIE GELEGENHEIT DAZU HÄTTEN ABER ALLE SCHIFFSKAMERADEN DIE BLEU HELFEN WOLLEN HALTEN AUSSCHAU NACH DIESEN ZWEI ÜBLEN STROLCHEN WENN DAS SCHIFF IN PEDRO FESTMACHT UND HILFE WIRD DANKBAR ANGENOMMEN GEZEICHNET DER CARPENTER DER HEUTE ABEND EINEN AUSGIBT» – und dann hatte er in der Messe lauthals mit seinem Kumpel angegeben.

«War mir doch klar, daß du allen erzählst, ich hätte die Kanone, drum hab ich auch gesagt, ich hätte sie. Ist es dir so nicht leichter gefallen, vom Schiff runterzukommen?»

«Wo hast du sie?»

«Ich hab sie nicht mal abgeholt.»

«Dann ist sie noch dort. Wir müssen sie gleich heut abend holen.» Er hing seinen Gedanken nach – alles war okay.

Deni hatte große Pläne, es würde schwer was los sein in dem Hotel, dem El Carrido Per To Motpaotta California Potator Hotel, wie gesagt mit Zimmerpalmen davor und drinnen Matrosen und auch autogeile Söhne von Flugzeugkonstrukteuren aus Long Beach, die ganze breit gefächerte und wirklich trostlose kalifornische Kultur war hier offensichtlich zu Hause, hier sah man die düsteren Innenräume hier sah man die Hawaiihemden tragenden und mit Armbanduhren bewehrten sonnengebräunten kräftigen jungen Männer die die langen schlanken Biergläser schräg zum Mund führten und mit begehrlichen Blicken und geziertem Getue Weiber anmachten die feine Halsbänder trugen und an den sonnengebräunten Ohren kleine weiße Elfenbeinfigürchen und in den Augen ein ganz und gar ausdrucksloses Blau, dazu eine versteckte bestialische Grausamkeit und der Gestank von Bier und Rauch und der gepflegte Duft im kühlen feudalen Foyer diese ganze amerikanische Art die mich in meiner Jugend so wild machte denn ich wollte dazugehören und mein Zuhause aufgeben und losziehen wollte der große Held sein in der amerikanischen romantisch verjazzten Nacht. – Das hatte auch Deni den Kopf verlieren lassen, der vor Jahren als ein verdrossener wütender französischer Junge mit dem Schiff herübergekommen war um amerikanische Privatschulen zu besuchen und damals glühte Haß in seinen Knochen und in seinen dunklen Augen und er wollte die Welt kaputtschlagen – doch es brauchte nur wenig vom weisen und gelehrten Einfluß der Lehrmeister des Hohen Westens und schon wollte er seinen Haß und seine Zerstörungswut in den feudalen Foyers ausleben, wie gesehen in Franchot-Tone-Filmen und weiß Gott wo sonst und was sonst noch. – Wir nähern uns diesem Bau auf dem trostlosen Boulevard, einer Phantomstraße mit sehr hellen Straßenlaternen und sehr hellen aber düsteren Palmen die ananasähnlich aus dem Gehweg sprießen und darüber der undefinierbare kalifornische Nachthimmel und kein Wind. – Im Innern wartete keiner auf uns denn Deni lag wie üblich daneben und wurde von keinem beachtet (besser für ihn, nur weiß er das nicht) wir trinken also ein paar Bier, tun so als ob wir warten, Deni serviert mir weitere Tatsachen & Trugschlüsse, doch kommen tut keiner, nicht Freund und nicht Feind, Deni der perfekte Taoist, dem nie was passiert, die Schwierigkeiten prallen wie Wassertropfen von seinem Rücken, als sei er mit Schweinefett eingerieben, so’n Dusel hat er und weiß es nicht, und jetzt ist sein Kumpel bei ihm der alte Ti Jean der überall hingeht jedem folgt für jedes Abenteuer zu haben ist. – Plötzlich beim dritten Bier oder so läßt er einen Schrei los, wir haben die stündlich stadteinwärts fahrende Red-Car-Bahn verpaßt und jetzt sitzen wir noch eine Stunde in dem trübsinnigen Pedro fest, wir