Lore-Roman 212 - Gitta van Bergen - E-Book

Lore-Roman 212 E-Book

Gitta van Bergen

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Beschreibung

Apothekertochter Inge Diepholz träumt von der Liebe. Seit Jahren schon schlägt ihr Herz für einen einzigen Mann: Jobst Graf von Stauffen. Und endlich scheint das Schicksal es gut mit ihr zu meinen, als er ihr seine Zuneigung gesteht - von einer gemeinsamen Zukunft spricht. Inge beginnt zu glauben, dass Träume tatsächlich wahr werden können. Doch dann wendet sich alles. Aus heiterem Himmel zieht sich Jobst zurück - und schenkt seine Aufmerksamkeit einer anderen: der neuen Gesellschafterin seiner kränklichen Mutter. Jutta von Bargen, eine Frau von rätselhafter Schönheit, kühl, stolz - und undurchschaubar. Inge ist tief verletzt, beschämt, voller Zweifel. Was hat sie falsch gemacht? Während Inge sich zurückzieht, beginnt Jutta ein gefährliches Spiel. Zwischen schmeichelnden Worten und raffinierten Lügen spinnt sie ein Netz, das Schloss Eulenburg zu verschlingen droht ...

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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Das Mädchen mit dem Engelsblick

Vorschau

Impressum

Das Mädchenmit dem Engelsblick

Der Roman um ein verwunschenes Schloss

Von Gitta van Bergen

Apothekertochter Inge Diepholz träumt von der Liebe. Seit Jahren schon schlägt ihr Herz für einen einzigen Mann: Jobst Graf von Stauffen. Und endlich scheint das Schicksal es gut mit ihr zu meinen, als er ihr seine Zuneigung gesteht – von einer gemeinsamen Zukunft spricht. Inge beginnt zu glauben, dass Träume tatsächlich wahr werden können.

Doch dann wendet sich alles. Aus heiterem Himmel zieht sich Jobst zurück – und schenkt seine Aufmerksamkeit einer anderen: der neuen Gesellschafterin seiner kränklichen Mutter. Jutta von Bargen, eine Frau von rätselhafter Schönheit, kühl, stolz – und undurchschaubar. Inge ist tief verletzt, beschämt, voller Zweifel. Was hat sie falsch gemacht? Während Inge sich zurückzieht, beginnt Jutta ein gefährliches Spiel. Zwischen schmeichelnden Worten und raffinierten Lügen spinnt sie ein Netz, das Schloss Eulenburg zu verschlingen droht ...

Komtess Margot bog in den Laubwald ein, der sich den Berg hinaufzog bis zur Eulenburg, die sich seit Urzeiten im Besitz ihrer Familie befand und ihren Namen einer alten Sage verdankte.

Finster war es im Wald. Mit Windesschnelle zogen dicke schwarze Wolken heran und verschlangen gierig ein Stückchen Himmelsblau nach dem anderen. Besorgt blickte Margot von Stauffen nach oben und strebte schneller vorwärts.

Ein Brausen und Säuseln bewegte die Wipfel der Bäume und kühlte angenehm ihre erhitzte Stirn. Da fegte ein heftiger Windzug durch die Äste. Über und über hatte sich der Himmel bezogen, und fast laufend erreichte sie aufatmend den sich an den Wald anschließenden Schlosspark.

Weiße Marmorfiguren leuchteten zwischen grünen Taxushecken, die, in Rundbogen geschnitten, einen wundervollen Ausblick ließen, weithin über das tiefer liegende Dorf. Treppen führten allmählich zum Schloss hinauf, und aufatmend verharrte die Komtess auf der überdachten Terrasse, die der Familie einen angenehmen Aufenthalt im Sommer bot.

Die junge Dame lehnte sich weit über die Brüstung der Terrasse, um die sich blühende Gloxinien rankten, und winkte einem heranstürmenden Reiter zu, in dem sie ihren Bruder erkannte.

In elegantem Satz schwang er sich aus dem Sattel. Mit einem seidenen Tuch fuhr er sich über das tiefgebräunte Gesicht, das sehr sympathisch war, aber doch Leichtsinn verriet.

»Tolle Hitze, Kleine«, schnarrte er im Offizierston und dehnte seine schlanke elegante Reitergestalt, pfiff den Burschen heran, der mit dem wertvollen Gaul zu den Boxen ging.

Nachlässig warf sich der junge Graf in einen der bequemen Korbsessel der Schwester gegenüber, und beide sahen zunächst schweigend in den Park hinunter. Ein Sturmwind heulte durch die Luft und gab den Auftakt für ein gefährliches Unwetter. Die Wetterfahne auf dem linken Turme drehte sich quietschend um ihre Achse. Da teilte ein greller Blitz das düstere Gewölk, und krachend sauste ein gewaltiger Donnerschlag, der die Eulenburg in ihren Grundfesten erbeben ließ, zur Erde.

Komtess Margot verspürte sonst keine Angst vor einem Gewitter, doch jetzt bat sie den Bruder mit angstzitternden Lippen: »Jobst, bitte, wir wollen ins Haus gehen.«

Gutmütig erfüllte er ihren Wunsch und reichte ihr seinen Arm, dabei deutete er auf den großen Hut, den sie in der Hand hielt.

»Du warst auch fort, Schwesterlein?«

»Ich machte der Familie Diepholz einen Besuch. Sie lassen dich alle recht schön grüßen.«

Neckend sah sie in das errötende Gesicht des Bruders, wusste sie doch, dass er ihre Freundin gern leiden mochte. Deshalb fuhr sie fort: »Inge wird uns morgen einen Besuch machen. Vielleicht hältst du dich dann im Hause auf.«

Überlegen lächelnd schnippte er mit den sehnigen Fingern.

»Was du dir so denkst, Kleine. Es gibt eine Menge Arbeit auf den Feldern.«

Ein knatternder Donnerschlag unterbrach ihn und verwischte das Lächeln der Komtess.

»Komm mit zu Mama«, bat sie. »Sie mag nicht gern allein sein bei schweren Gewittern.«

So schritten sie nebeneinanderher zur Halle, an dem dienstbeflissen herbeieilenden Diener vorbei, dem sie Hut und Reitpeitsche zureichten.

Erleichtert aufatmend lächelte ihnen Gräfin von Stauffen entgegen, als sie nach kurzem Anklopfen bei ihr eintraten. Die Herrin des großen Besitzes war eine sehr gepflegte Erscheinung, doch ein müder Zug um den Mund verriet, dass ihre Gesundheit nicht die beste war. Kleine Fältchen umgaben die Augen, die der Tod des Gatten hineingegraben hatte. Ein schwarzes Gewand aus schwerer Taftseide umschloss ihre hohe schlanke Gestalt. Um den Hals geschlungen trug sie eine lange Kette aus Platin mit einem Kreuz aus Brillanten von unermesslichem Wert.

»Nun, meine lieben Kinder, erbarmt ihr euch der Mama?«, scherzte sie, fuhr jedoch im gleichen Augenblick nervös zusammen, da ein neuer Blitz aufzuckte, dem sogleich ein schwerer Donnerschlag folgte.

Gewaltige Wassermassen stürzten zur ausgedörrten Erde nieder, klatschten gegen die Scheiben. Die kiesbestreuten Parkwege waren im Nu in Morast verwandelt.

Die jungen Herrschaften ließen sich in zwei Sessel nieder, und mit der höflichen Bitte um Erlaubnis, reichte Graf von Stauffen erst seiner Schwester, dann sich selbst Feuer für Zigaretten.

»Wird die höchste Zeit, dass Petrus seine Himmelsschleusen schließt«, scherzte er, »sonst ist die Ernte zum Teufel, wenn's noch toller kommt.«

Doch keine der Damen antwortete. Margot war in ihren Gedanken bei den Apothekersleuten und im Besonderen bei dem Sohn des Hauses, und die Gräfin lauschte angsterfüllt dem Toben der Natur. Krachend brachen Äste von den riesigen Parkbäumen und wurden zu Boden geschleudert wie von mutwilliger Riesenhand.

***

Unterdessen fuhr ein Mietwagen in gemäßigtem Tempo auf der Landstraße lang, die sich in Windungen zur Eulenburg hinaufzog. Als dicht hinter ihm ein Blitz in eine der großen Pappeln einschlug, die die Chaussee säumten, stieß der Fahrer einen Fluch aus. Er wandte sich zu seinem Fahrgast um, einer jungen Dame, die mit bangen Augen in das Unwetter hinausschaute.

»Haben Sie keine Angst, mein Fräulein, gleich haben wir es geschafft«, tröstete er und schaute in ihr totenbleiches Antlitz, über dem sich lockeres, duftiges Haar in auffallend rötlicher Farbe unter einer flotten Reisekappe bauschte. Der Teint war, wie häufig bei Rotblonden, von zartem Weiß. Hinter granatroten Lippen schimmerten zwei Reihen weißer Perlzähnchen. Tiefe dunkle Wimpern umsäumten zwei grünlich schimmernde Augen. Ein elegantes dunkelblaues Reisekostüm umschloss eng ihre zierliche Gestalt. Er wies mit der Hand zu dem hinter einem Regenschleier sichtbar werdenden Gemäuer.

Wieder zuckte die junge Dame nervös zusammen. Ein flammender Blitz erhellte den schwarzen Himmel, doch die Einfahrt des Schlosses war soeben erreicht, und der Wagen hielt unter dem überdachten Portal.

Aufatmend stieg sie aus und entlohnte den Fahrer, der wendete und zurückfuhr.

Jutta von Bargen, die neue Gesellschafterin und Pflegerin der Gräfin von Stauffen klingelte und befahl dem sie einlassenden Diener, seiner Herrin ihre Ankunft zu melden.

Mit einem erstaunten Blick musterte er das auffallend zierliche Persönchen.

»Einen Moment bitte, mein Fräulein.«

Er klopfte an eine der vielen Türen, die von der Halle abgingen, und kehrte schon nach kurzer Zeit mit der Meldung zurück, Fräulein von Bargen möchte ihm folgen. Ihr Zimmer wäre gerichtet. Frau Gräfin ließe sie später zu sich bitten.

Mit einem kurzen, hochmütigen Danke folgte sie dem alten Mann, der ihr voran in einen düsteren Gang einbog, der sich, wie es ihr schien, fast endlos hinzog. Sie machten in der äußersten Ecke des linken Flügels halt. Er öffnete stumm die letzte Tür und ließ sie vor sich in ein kreisrundes Gemach eintreten. Es war das eine der beiden Turmzimmer des Schlosses.

Schweigend betrachtete sie, nachdem der Diener das elektrische Licht eingeschaltet hatte, die teure Einrichtung. Sie durfte zufrieden sein. Es war sehr anheimelnd und gemütlich ausgestattet mit hellen modernen Möbeln, die eigentlich in dieses Gemach nicht ganz hineinzupassen schienen. Ein breites, bequemes Bett war hinter einen bunten Wandschirm geschoben worden, ebenfalls ein kleiner Waschtisch.

»Es ist gut, Sie können gehen«, bedeutete ihm Jutta herablassend.

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, und sie war allein in dem fremden Gemach. Sie zwang sich, ihre Jacke und die Kappe abzulegen, denn am liebsten wäre sie stehenden Fußes davongelaufen. Doch schalt sie sich selbst des bangen Gefühls wegen, das gewiss nur dem draußen tobenden Gewitter entsprang.

Jutta von Bargen war sonst nicht so kleinmütig, doch das altertümliche Gemäuer mit seinen beiden trutzigen Türmen machte einen so gespenstigen Eindruck in dem trostlosen Wetter. Eigentlich hatte sie erst einen späteren Zug nehmen wollen, doch dann hatte sie es sich anders überlegt und bereits den Morgenzug benutzt, der sie gegen Nachmittag hierherbrachte.

Überrascht vernahm Gräfin Mathilde vom Diener die Meldung, dass Fräulein von Bargen bereits angekommen sei.

»Ich hoffe, wir haben die Richtige gefunden«, meinte sie ein wenig zögernd, nachdem sich die Tür hinter dem Diener geschlossen hatte. »Ich gewöhne mich so schwer an ein fremdes Gesicht.«

»Aber Mama«, lachte Graf Jobst. »Ihr Bild war doch ganz reizend.«

»Findest du«, gab sie zur Antwort. »Mein Geschmack ist sie eigentlich nicht so ganz. Nun, wir werden ja bald sehen, wes Geistes Kind sie ist.«

»Lasse sie doch sofort hierherbitten«, drängte er eifrig. »Meines Erachtens ist das die einfachste Lösung der Streitfrage.«

»Wenn du meinst?« Fragend blickte sie auf die Tochter, und diese nickte sofort.

Wenig später betrat Jutta von Bargen das Gemach ihrer neuen Herrin.

Einen Moment verharrte sie an der offenen Tür und glitt dann mit wiegendem, graziösem Gang näher, sich ehrfurchtsvoll vor der älteren Dame, die ihr aufmerksam durch eine goldene Lorgnette entgegenschaute, verneigend. Mit einem zweiten Blick musterte sie die jungen Herrschaften, und überrascht blitzte es in ihren grünlich schimmernden Augen, als Graf Jobst sich aus seinem Sessel erhob und zu ihr herantrat.

Sie fühlte das Interesse des Mannes, obwohl sie ihn nicht zu beachten schien.

»Ah, Fräulein von Bargen, ich heiße Sie willkommen bei uns«, kam es ein wenig zögernd über die Lippen der Gräfin. »Ihr Einzug ist freilich nicht gerade friedlich zu nennen, doch wir wollen es nicht als böses Omen deuten.«

Liebenswürdig machte sie die jungen Leute miteinander bekannt und bot ihr einen der Sessel an, in den sie sich ungezwungen, doch keinesfalls nachlässig in der Haltung, hineinschmiegte.

»Sie hatten bereits mehrere Stellungen inne?«, erkundigte sie sich freundlich, doch, wie es Margot nicht entging, mit deutlicher Abwehr vor dem edlen jungen Geschöpf.

»Ich legte Frau Gräfin in meinen Briefen alle Einzelheiten vor. Ja, ich hatte bereits mehrere Stellungen inne. Man war stets mit meinen Leistungen zufrieden.«

»Und aus welchem Grunde gaben Sie Ihren letzten Posten auf?«

Ein kurzes Zögern, dann sagte Jutta gelassen: »Ich wurde überflüssig, da der Herr gesundete, bei dem ich die Pflege übernommen hatte.«

»Ah, so. Nun, Fräulein von Bargen, gewiss wünschen Sie noch ein wenig zu ruhen. Um neunzehn Uhr nehmen wir den Abendtee.«

Sofort erhob sich das schöne Geschöpf und verließ auf leisen Sohlen das Gemach der Gräfin, sich noch einmal tief verneigend vor den Herrschaften. Unter gesenkten Wimpern flog jedoch ein glutvoller Blick zu dem jungen Grafen in der enganliegenden Reiteruniform, die seine sehnige Gestalt vorzüglich kleidete.

»Ich weiß nicht, mir missfällt das Mädchen.«

Gräfin Mathilde hielt den Kopf gesenkt, so entging ihr das enttäuschte Aufblitzen in den Augen ihres Sohnes, der scheinbar nachlässig einwarf: »Ich versteh dich nicht, Mama. Sie scheint sehr gut erzogen zu sein und doch einiges von ihrer Sache zu verstehen, sonst würde man sie in den Zeugnissen nicht derart loben.«

»So sehr sympathisch ist sie mir auch nicht«, gab Komtess Margot ihr Urteil ab. »Doch möchte ich ihr die Stellung hier im Hause nicht erschweren oder schuld daran sein, dass sie, die gewiss mit großen Hoffnungen hierherreiste, gleich wieder abfahren muss. Lasse sie nur einige Zeit hierbleiben. Passt uns ihre Art dann immer noch nicht, nun, so kündigen wir ihr eben.«

Die Gräfin war ein viel zu vornehm denkender Mensch, um ihrer Tochter nicht sogleich recht zu geben und mit ihrem Vorschlag einverstanden zu sein, wenngleich auch ein wenig zögernd.

»Nun gut, mag sie erst einmal dableiben. Wer weiß, was mir an der Nächsten wieder missfallen würde. Ob es immer so schwer ist, einen sympathischen Menschen zu finden, oder ob ich darin zu anspruchsvoll bin?«

Da niemand antwortete, trat sie an eines der hohen Fenster. Das Gewitter war vorübergezogen, und ein schüchternes Stückchen Himmelsblau stahl sich zwischen die abziehenden Wolkenbänke, die der Sturm davonfegte. Ein breiter Sonnenstrahl verschaffte sich Bahn und ließ die Regentropfen an den Halmen und Gräsern aufblitzen wie unzählige Diamanten.

»Übrigens, Mutter«, unterbrach Graf Jobst die Stille, »mein Freund Lothar von Dengern fragte mich vor einigen Tagen, ob es möglich wäre, bei uns eine praktische Lehrzeit durchzumachen. Sollte es dir recht sein, so möchte ich ihm umgehend bejahenden Bescheid zukommen lassen.«

Erfreut nickte ihm die Gräfin zu.

»Gewiss doch. Er ist mir sehr angenehm, der blonde Riese.«

Vergnügt schlug sich Graf Jobst gegen die hohen Reitstiefel, um sich sodann bei seinen Damen zu entschuldigen mit dem Bemerken, er wolle noch einmal auf die Felder hinausreiten.

***

»Inge, sei doch so nett und nimm uns mit«, bettelten die Rangen Männe und Max und hängten sich jeder an einen Arm der Schwester.

Inge Diepholz schüttelte sie jedoch entrüstet von sich ab wie zwei reife Pflaumen.

»Das könnte der Frau Gräfin so passen, euch Wildlinge um sich zu haben. Ihr wisst doch, dass sie leidend ist. Also müsst ihr zu Hause bleiben.«

»Wir werden bestimmt ganz lieb und brav sein«, versprachen sie mit dem treuherzigsten Gesicht und schauten zur Mutter hin, die gutmütig ausrief: »Nun nimm sie schon mit, die beiden. Hier stellen sie doch nur wieder alles menschenunmögliche an. Vielleicht haben sie im Schlosse droben mehr Respekt als vor ihrer Mutter.«

Ein Indianergeheul war die Antwort. Stürmisch wurde die rundliche Frau Apotheker im Kreise herumgewirbelt, bis sie entrüstet aufschrie: »Ruhe, wer noch einen Mucks sagt, bleibt zu Hause. Benehmt euch anständig dort droben, wie es sich für gesittete Jungen versteht.«

»Aber selbstverständlich«, versprachen beide wie aus einem Munde, was sie jedoch nicht daran hinderte, wie die Wilden davonzustürmen, um sich ausgehfein zu machen.

In tadellos weißen Anzügen, mit akkurat gescheiteltem Haar zogen die Zwillinge und ihre Schwester um die Nachmittagsstunde bergaufwärts.

»Gleich haben wir den Wald erreicht«, tröstete die Schwester. »Da ist es angenehm kühl.«

Unter Stöhnen und Ächzen ging es bergauf, als sie plötzlich lauschend die Köpfe hoben. Ungeniert deuteten sie mit den Fingern seitwärts.

»Du, Inge, da kommt jemand.«

Ein hochgewachsener, breitschultriger Herr im hellen Jackettanzug schien ebenfalls die Eulenburg zum Ziel zu haben, denn freundlich lachte er die Jungen an und wies dann den Berg hinauf.

»Eine ganz respektable Höhe, nicht wahr, gnädiges Fräulein? Verzeihen Sie meine Neugier. Beabsichtigen Sie auch, der Familie Stauffen einen Besuch zu machen?«

»Allerdings«, erwiderte sie freimütig. »Komtess Margot ist meine Freundin. Ihr gilt unser Besuch.«

»Ach so, ich darf den Grafen Jobst meinen Freund nennen«, lachte er. »Da wir nun das gleiche Ziel haben, ist es unbescheiden, wenn ich die Bitte ausspreche, mich Ihnen anschließen zu dürfen?«

»Aber nein«, willigte sie, bezwungen durch seine offensichtliche Freude, den Weg nicht allein machen zu müssen, rasch und verwundert über sich selbst, ein, denn sonst blieb sie Fremden gegenüber kühl und zurückhaltend.

Doch dieser blonde Riese schien ihr gar nicht fremd oder beängstigend. Sein derb geschnittenes, kantiges Gesicht war ihr sofort sympathisch.

»So darf ich mich vorstellen: von Dengern.«

Fragend sah er sie an, als warte er darauf, dass auch sie ihren Namen nennen würde.

»Und wir stammen drunten aus der Engel-Apotheke«, gab sie lächelnd zur Antwort.

»Ach so, jetzt weiß ich, wo ich die beiden da hintun soll. Wenn ich mich nicht sehr irre, hatten wir drei bereits einmal ein Zusammentreffen, was?«

Inge horchte auf und forschte hastig: »Jungs, was habt ihr wieder ausgefressen?«

Argwöhnisch schaute sie von einem zum anderen, bis Männe sich einen Ruck gab und stotternd eingestand, dass sie einst auf dem Pflaumenbaume gesessen hätten, als jener Herr gerade auf der Straße entlanggekommen wäre.

»Er sah uns nicht, und ehe wir noch wussten, wie es geschah, flogen einige unreife Dinger nach unten, verstehst du?«

»Verstehe schon. Das wird ja wirklich immer schöner«, ereiferte sie sich entrüstet. »Da bitte ich Sie im Namen meiner Brüder nachträglich herzlich um Verzeihung.«

Fest umschloss er die kleine gebräunte Mädchenhand, sie kameradschaftlich schüttelnd, dass Inge eine kleine Grimasse schnitt.

»Einen festen Druck haben Sie schon, Herr von Dengern.«

Sie wies ihm die geröteten feinen Finger.

»Ätsch«, klang da die Stimme Männes triumphierend. »Jetzt sind wir wieder quitt, juchhuh.« Und wie die wilde Jagd brachen beide durch das Unterholz und waren verschwunden.

»Männe und Max, sofort kommt ihr hierher«, rief Inge ihnen beschwörend, tiefrot vor Verlegenheit, nach, doch nur ein lautes Lachen schallte von irgendwo zu ihnen herüber.

»Lassen Sie die beiden doch«, bat er. »So junges Blut will sich austoben. Sie werden sich schon nicht verirren, und oben treffen wir sie wieder.«

»Wenn Sie meinen?«, erwiderte sie, mit einem ungewissen, verlegenen Blick zu ihm aufsehend, der ihn sichtlich berührte.

»Sie dürfen sich mir getrost anvertrauen, gnädiges Fräulein. Außerdem wird die Eulenburg in Kürze auch meine Heimat sein«, rief er so frisch und unbekümmert aus, dass sie allmählich ihre Ruhe wiederfand. »Ich will mich in der Landwirtschaft vervollkommnen, um einmal unser eigenes Gut übernehmen zu können, das eine gute Wegstunde von hier entfernt liegt. Jobst und ich sind, wie bereits erwähnt, gute Freunde, und er machte mir das Angebot, doch zu ihnen zu kommen.«

Sonderbar forschend ruhte der Blick seiner treuherzigen blauen Augen auf dem Gesicht seiner Begleiterin, die leichtfüßig neben ihm auf dem moosigen Waldwege dahinschritt. Ein helles Kostüm umschloss ihre anmutige Gestalt. Die schlanken Beine steckten in leichten Sandalen.

Goldblonde Locken bauschten sich um die gebräunte Stirn. Dunkle Wimpern umsäumten zwei Augen von leuchtendem Blau. Sollte ihr Jobst von Stauffen nicht ganz gleichgültig sein? Ein leichter Schatten legte sich über sein Gesicht, denn die junge Dame gefiel ihm wie noch keine zuvor.

Doch dann schalt er sich selbst seiner Gedanken. Liebe auf den ersten Blick? Was wusste er bisher von Liebe? Seinem Herzen war noch kein weibliches Wesen nähergetreten.

Einen Moment schritten sie schweigend nebeneinanderher, aber da war das Ende des Waldes erreicht, und sie bogen in den Schlosspark ein.

Erleichtert atmete Inge auf, als die beiden Brüder auf sie zustürmten.

»Dass ihr euch anständig benehmt, verstanden?«, drohte ihnen die Schwester wohlmeinend.

Hoheitsvoll wehrten sie ab. »Versteht sich von allein. Wir werden so vernünftig und wohlerzogen sein, dass du uns gar nicht wiedererkennst«, versprach Max ernsthaft, was ihn jedoch nicht davon abhielt, dem Bruder einen Knuff zu versetzen, den dieser prompt mit einer schallenden Ohrfeige und einem Entrüstungsgeschrei beantwortete.