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Christiane Burkert hat alles verloren: Ihr Mann verstößt sie, und im Gerichtssaal zerreißt Dr. Claus Goldmann, der gefürchtete Scheidungsanwalt, ihr Leben in Stücke. Vor aller Welt gebrandmarkt, bleibt ihr nur ein Halt - ihr kleiner Sohn Malte. Für ihn erträgt sie die Demütigung, verkauft nachts Blumen und Zigaretten im "Kakadu" und kämpft Tag für Tag gegen Hunger, Armut und Verzweiflung. Als sie glaubt, am Ende zu sein, geschieht das Unfassbare: Eine schöne, elegante Dame nimmt sich ihrer an und bietet ihr eine Stellung als Hausmädchen. Voll Dankbarkeit willigt Christiane ein - bis sie erfährt, wessen Haus sie betreten hat. Es ist das Heim von Dr. Claus Goldmann. Und ihre neue Herrin ist niemand anderes als seine Frau Sonja. Nun muss Christiane unter dem Dach jenes Mannes leben, der sie vor Gericht erniedrigte - und doch um Maltes Zukunft stark bleiben ...
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Scheidungsanwalt Dr. Claus Goldmann
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Er trennte Paare – bis ihn dieLiebe fand
Von Gitta van Bergen
Christiane Burkert hat alles verloren: Ihr Mann verstößt sie, und im Gerichtssaal zerreißt Dr. Claus Goldmann, der gefürchtete Scheidungsanwalt, ihr Leben in Stücke. Vor aller Welt gebrandmarkt, bleibt ihr nur ein Halt – ihr kleiner Sohn Malte. Für ihn erträgt sie die Demütigung, verkauft nachts Blumen und Zigaretten im »Kakadu« und kämpft Tag für Tag gegen Hunger, Armut und Verzweiflung.
Als sie glaubt, am Ende zu sein, geschieht das Unfassbare: Eine schöne, elegante Dame nimmt sich ihrer an und bietet ihr eine Stellung als Hausmädchen. Voll Dankbarkeit willigt Christiane ein – bis sie erfährt, wessen Haus sie betreten hat. Es ist das Heim von Dr. Claus Goldmann. Und ihre neue Herrin ist niemand anderes als seine Frau Sonja. Nun muss Christiane unter dem Dach jenes Mannes leben, der sie vor Gericht erniedrigte – und doch um Maltes Zukunft stark bleiben ...
Christiane setzte den kleinen Hut auf ihr Blondhaar und warf einen letzten Blick in den Spiegel. Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht, dann schlich sie zur Tür und lauschte – Maltelein schlief. Befreit atmete sie auf, nahm die Handtasche mit dem blauen Umschlag und schloss leise hinter sich.
An der Haltestelle wartete sie auf die überfüllte Straßenbahn. Die stickige Luft machte ihr fast übel, sie war froh, bald auszusteigen. Vor ihr lag ein modernes Bürohaus. Auf dem Schild stand: Rechtsanwalt Wilhelm Roden.
Er war ein alter Freund der Familie, oft Gast bei ihren Eltern und Verwalter des Nachlasses. In der Not suchte sie ihn wieder auf.
Das Büro war voller Geschäftigkeit, ein Mädchen führte sie zu Roden. Der weißhaarige Herr kam ihr an der Tür entgegen.
»Gnädige Frau ...?« Er drückte ihre Hand, forschte in ihrem Gesicht.
»Guten Tag, Herr Roden.« Ihr Lächeln wirkte schwach, in den Augen lag Flehen.
»Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Seit Vaters Tod«, bestätigte sie leise.
Er wusste, dass das fröhliche Mädchen von einst viel gelitten hatte.
»Nun, was bedrückt Sie?«
Christiane zog den Umschlag aus der Tasche. »Diesen Brief erhielt ich heute.«
Roden las die eisigen Zeilen von Rechtsanwalt Dr. Claus Goldmann und blickte mitleidig auf sie.
»Haben Sie gewusst, dass Ihr Mann die Scheidung einreicht?«
»Nein! Peter und ich leben zwar seit einem halben Jahr getrennt, aber ...«
»Er hat den besten Anwalt der Stadt gewählt. Darum müssen Sie mir alles offen erzählen.«
Christiane berichtete stockend von ihrer Ehe: der raschen Verliebtheit, dem Elternhaus, den Geldsorgen, Peters Kündigung und Spielsucht. Er habe sie nur wegen ihres Vermögens geheiratet, sie verspottet, gedemütigt – bis er sagte: »Wir haben nie zueinander gepasst.«
»Das genügt nicht als Scheidungsgrund«, erklärte Roden nüchtern.
»Aber ich habe nichts getan ...«
»Gerade deshalb wird es schwer. Doch wir kämpfen.«
Als Christiane später nach Hause kam, lief ihr Malte entgegen.
»Mami, wo bleibst du denn?«
Sie nahm ihn in die Arme, strich über sein rosiges Gesicht und flüsterte: »Liebling ...«
Für ihr Kind lohnte es sich, durchzuhalten – selbst wenn sie abends in einem verrauchten Lokal Blumen und Zigaretten verkaufen musste.
***
Die Tage vergingen.
Christiane eilte jeden Abend in den »Kakadu«, trug zuerst die Zigaretten von Tisch zu Tisch und musste sich dann umkleiden, die kleine Kappe mit einem Spitzenhäubchen und den Boyanzug mit einem Kleid vertauschen und sich einen Korb an den Arm hängen, in dem Blumen lagen.
Sie kam immer spät heim und war oft noch sehr müde, wenn Malte bereits munter und ausgeschlafen war. Der Kleine krabbelte dann schnell zu ihr ins Bett und erwartete, dass sich seine Mutter mit ihm unterhielt.
Er wurde auch nie enttäuscht. Aber oft musste sie sich zusammennehmen. Es wurde besonders in letzter Zeit so spät. Sie legte sich zwar mit Malte nach dem Essen hin, aber bis dahin war der lange Morgen zu überstehen, musste sie ihren kleinen Haushalt in Ordnung bringen und hatte zu kochen ...
Aber Christiane war zufrieden, hatte keinen Grund zum Klagen, denn sie verdiente bei ihrer Tätigkeit recht gut, bekam oft ein ansehnliches Trinkgeld, sie, die einzige Tochter des Regierungsrates Burkert.
Nach einigen Tagen erhielt sie von Wilhelm Roden einen Brief. Er teilte ihr mit, dass sie ihn umgehend aufsuchen sollte.
Sie wählte wieder die Zeit, da Malte schlief.
Rechtsanwalt Roden begrüßte sie wieder sehr herzlich und forderte sie auf, Platz zu nehmen. Er übersah die nervöse Spannung Christianes und plauderte vorerst über unwichtige Dinge.
»Wie geht es dem Söhnchen?«
»Danke, gut.« Christiane hielt das Hinauszögern nicht mehr aus. »Was gibt es Neues?«, fragte sie also unumwunden.
»Ich habe mich mit Dr. Goldmann in Verbindung gesetzt«, begann der alte Herr vorsichtig. »Ich glaube ... er plant einen schweren Angriff gegen uns.«
»Schweren Angriff?«, murmelte Christiane tonlos. »Das verstehe ich nicht!«
Als der Anwalt in die großen, erschreckten Frauenaugen blickte, nickte er bekümmert.
»Frau Christiane«, murmelte er dann langsam und eindringlich, »haben Sie ... hm ... außereheliche Beziehungen ...?«
Die Lippen Christianes lagen plötzlich wie ein Strich aufeinander. Ihr Gesicht war von einer Blässe überzogen.
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie fest.
»Ich dachte es mir«, antwortete der Anwalt nachdenklich. »Und doch ...«
»Was heißt hier und doch?«, forschte Christiane ängstlich.
»Ich will Sie nicht beunruhigen, Frau Christiane, aber wie gesagt, mir schwant nichts Gutes. Dr. Goldmann lässt es jedenfalls zu keiner Verständigung kommen.«
»Ich habe nichts getan, was in den Augen des Gerichtes als Schuld angesehen werden kann!«
Wilhelm Roden seufzte unwillkürlich. Er ahnte, dass es Schwierigkeiten geben würde.
»Frau Christiane ... überlegen Sie einmal, ob Ihr Gatte ... nicht doch irgendeine Handhabe gegen Sie ...«, drängte er jetzt.
Christiane lächelte sehr sicher und überlegen.
»Nein, Herr Roden, es gibt nichts in meinem Leben, was ich dem Gericht verschweigen müsste ...«
»Sie brauchen nebenbei gesagt gar nicht mitzukommen — jedenfalls nicht zum Sühnetermin!«
»Umso besser.« Die junge Frau atmete auf.
Als sie dem Freund ihres Vaters die Hand reichte, trug sie den Kopf gerade und stolz erhoben. Sie verstand den alten Herrn nicht. Er schien Angst vor seinem Kollegen zu haben.
Die junge Frau atmete auf. Frühlingsahnen lag in der Luft. Ein warmer, sanfter Wind streichelte ihre Wangen. Sie hatte noch einige Minuten Zeit und machte einen kleinen Umweg zur Redaktion einer bekannten Zeitung. Vielleicht hatte sie diesmal mit einem ihrer Stellengesuche Erfolg gehabt.
Aber als sie dem Angestellten ihre Chiffre nannte, überreichte er ihr nur zwei Briefe. Sie öffnete sie sofort und ließ sie gleich in den Papierkorb flattern. Nein, sie hatte einfach kein Glück! Man bot ihr eine Stellung als Hausmädchen an. Natürlich würde man für das Kind eine Regelung finden müssen, schrieb man weiter. Sie durfte Malte also nicht mitbringen, denn das bedeutete dieser letzte Satz.
Malte schlief noch, als sie nach Hause kam, schlief tief und fest. Christiane zog sich langsam, beinahe etwas schwerfällig, aus. Sie war zum Umfallen müde. Jedes Glied schmerzte, sie sehnte sich nach Ruhe und hoffte, dass die Scheidung bald überstanden sein würde.
***
»Der Sühnetermin ist ohne Zwischenfälle vorübergegangen, Frau Christiane. Aber ... zu dem in acht Tagen anberaumten Haupttermin müssten Sie schon erscheinen ...«
Christiane wusste noch nicht, wo sie während der Zeit Malte lassen sollte, aber es musste wohl einmal so gehen.
»Ja, natürlich«, antwortete sie schwer.
»Mein Kollege Goldmann ... scheint sehr sicher zu sein, dass das Urteil für Ihren Gatten günstig ausfallen wird, Frau Christiane.« Der alte Rechtsanwalt ließ jetzt alle Rücksicht auf die blasse, junge Frau fallen. »Können Sie mir nicht irgendwelche Beweise bringen, dass ... Ihr Gatte mit einer anderen Frau ... zusammengelebt hat oder noch lebt?«
»Nein, Herr Roden. Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich ihn niemals wiedergesehen habe. Mir ist es auch gleichgültig, wie man entscheidet. Wenn nur erst alles vorbei ist.«
»Nun, so gleichgültig hat es Ihnen aber nicht zu sein, Frau Christiane!«, warnte der alte Herr. »Für Sie steht allerhand auf dem Spiel ...«
»Ich habe nichts mehr zu verlieren«, kam es herb zurück. »Und ich kann auch nichts verlieren, denn ich habe bis zum heutigen Tage nichts getan, was ich nicht verantworten könnte.«
***
Christiane hatte kaum geschlafen. Malte weckte sie früh, doch sie wusste nicht, wo sie ihn lassen sollte. Die Nachbarinnen mieden sie, wahrscheinlich wusste jeder, dass sie sich scheiden ließ und in einem Nachtlokal arbeitete. Schließlich redete sie den Jungen zum Alleinbleiben.
»Mami muss fort, Liebling.« Er begann zu weinen. »Es ist ja das erste und letzte Mal«, versprach sie.
Im dunklen Kleid verließ sie die Wohnung und traf Wilhelm Roden im Gerichtsflur.
»Setzen wir uns noch kurz«, schlug er vor. Sanft erklärte er, er habe eben erfahren, dass sie im »Kakadu« arbeitete.
»Ich ahnte nicht, dass das von Belang ist«, entgegnete sie müde.
»Sache Nölken contra Nölken!«, rief da der Gerichtsdiener.
Peter ging starr an ihr vorbei, ohne zu grüßen. Neben ihm saß Dr. Claus Goldmann, jung, groß, breit – der gefürchtete Anwalt. Christiane fröstelte, doch ihr Schrecken schwand beim Anblick seiner Haltung.
Der Richter eröffnete die Verhandlung. »Kläger Peter Nölken erhebt gegen seine Ehefrau die Anklage wegen Ehebruchs.«
Christiane erhob sich langsam. »Ich protestiere.«
Roden verteidigte sie mit bewegten Worten, schilderte ihr schweres Schicksal. Christiane aber empfand es als peinlich, dass ihr Leben so offengelegt wurde.
Dann sprach Dr. Goldmann. Seine Stimme klirrte wie Eis. Mit schneidenden Worten zeichnete er das Bild einer leichtsinnigen Frau, deutete alles ins Schmutzige und blieb doch formal korrekt. Schließlich legte er Fotos vor: Aufnahmen von Christiane mit Gästen des »Kakadu«. Ein Mann hielt sie im Arm, ein anderer wurde von ihr geküsst.
»Ich musste mich fotografieren lassen«, flüsterte sie unter Tränen. Man glaubte ihr nicht.
»Ein Nachtlokal ist kein Ort für eine Frau wie Sie«, meinte der Richter kühl.
Das Urteil wurde vertagt. Christiane verließ den Saal gebrochen.
»Gegen solch ein Lügennetz kämpft man mit ehrlichen Waffen vergebens«, sagte sie bitter zu Roden.
Zu Hause suchte sie verzweifelt nach Malte. Dann fand sie ihn, zusammengerollt unter dem Tisch. Weinend klammerte er sich an sie.
»Mami, nicht wieder fortgehen.«
Sie drückte ihn fest. »Nein, Liebling, nie wieder.«
Für ihr Kind musste sie stark bleiben.
***
Christiane hörte nichts mehr von ihrem Anwalt und der Scheidung. Seit dem Termin war eine beängstigende Unruhe über sie gekommen. Sie wusste nicht, warum sie sich jetzt noch beunruhigen sollte. Schließlich hatte man ihr ja alles genommen, was sie besessen hatte. Ob sie nun schuldig oder nichtschuldig geschieden wurde, sollte ihr gleichgültig bleiben. Ganz kurz vor dem nächsten Termin teilte ihr Wilhelm Roden mit, dass es der Schlusstermin sei.
»Sie brauchen nicht zu kommen«, schrieb er ihr.
Christiane war darüber von Herzen froh, ahnte sie doch, dass sich diese letzte Verhandlung gewiss in ähnlicher Weise wie die vorige abspielen würde.
Aber sie kämpfte vergeblich gegen eine innere Unruhe, als der bewusste Tag herangekommen war. In ihr war es plötzlich, als presse eine unsichtbare Hand ihr die Kehle zu. Ihre Nerven rebellierten, sie musste sich mehr zusammennehmen.
Als es am Nachmittag klingelte, fuhr sie verstört zusammen. Sie ging zur Tür, öffnete und prallte dann zurück. Peter stand vor der Tür, Peter, der überlegen lächelte und sie kühl von unten bis oben musterte.
»Was willst du von mir?«, fragte sie verächtlich, wich keinen Schritt zurück und hielt noch immer den Griff in der Hand.
Peter zog lässig seinen Hut. »Zu dir will ich nicht.«
»Bei mir wohnt niemand, das weißt du genau, Peter Nölken!«, fuhr sie ihn scharf an.
»O doch, Christiane — mein Sohn wohnt bei dir«, kam es kalt zurück.
»Malte ...?« Christiane taumelte. »Seit wann kümmerst du dich um deinen Sohn?«, fragte sie, bestrebt, ihre Furcht hinter einem spöttischen Ton zu verbergen.
»Du weißt, ich habe nicht gern Streit«, betonte der Mann da lässig, der einst nur durch Prahlen überzeugt hatte. »Das Gericht hat entschieden«, fuhr er mit grausamer Ironie fort.
»Nein«, murmelte Christiane verstört. Sie fühlte, dass er die Wahrheit sagte, und ging einen Schritt zurück, noch immer den angstvollen Ausdruck in ihren Augen.
»Es tut mir leid«, klang es sehr gemessen zu ihr her, während Peter Nölken über die Schwelle trat und den Hut an die Garderobe hängte. »Den Mantel werde ich gleich anbehalten — es dauert wohl nicht lange.«
»Was dauert nicht lange, was ...« Christiane stand plötzlich vor ihm, ihre schlanken, nervigen Hände zu Fäusten geballt. Die Worte überstürzten sich fast.
Malte kam aus dem Wohnzimmer. Als er den Vater erblickte, verkroch er sich angstvoll hinter seiner Mutter.
»Malte, sieh nur, was ich dir mitgebracht habe.«
Christiane musste sich zusammennehmen, um nicht in das glatte Gesicht des Mannes zu schlagen, dem sie einst angehört hatte. Sie verabscheute seinen falschen Ton. Peter Nölken, der Malte niemals ein Vater gewesen war, glaubte nun wohl, das Kind mit einer Tafel Schokolade erobern zu können.
Malte versteckte sich noch immer hinter seiner Mutter. Er spürte die feindliche Atmosphäre.
»Höre mit dem Unsinn auf, Peter, und geh endlich! Hast du nicht genug gelogen?«, fuhr Christiane auf.
»Mein liebes Kind, zügle deine Zunge«, entgegnete er gemessen, doch seine Haltung wirkte lächerlich. Nervös steckte er die Schokolade wieder ein.
Christiane nahm Malte auf den Arm. »Was willst du noch von mir?«
»Das Gericht sprach mir das Kind zu — was ja selbstverständlich war.«
»Malte bleibt hier!«, weinte der Junge.
»Du solltest dich schämen«, rief Christiane. »Deinen Erfolg verdankst du nur deinem Rechtsanwalt.« Die Angst, Malte zu verlieren, machte sie wild.
»Mach keine Szene. Packe Maltes Sachen.«
»Nein! Du hast keine Wohnung, du ...«
»Da irrst du dich. Ich habe eine sehr helle Wohnung in gutem Stadtteil.« Sein Blick glitt spöttisch über die Dächer.
»Peter, nimm doch Vernunft an!«
Malte begann monoton zu weinen.
Peter schien Gefallen daran zu finden, sie zu quälen. »Außerdem muss ich die Hälfte der Möbel haben.«
»Natürlich«, murmelte sie matt. Hauptsache, er ließ Malte.
Er reichte ihr eine Liste mit den angekreuzten Stücken. »Sonst muss auch das noch gerichtlich entschieden werden.«
»Nein, nicht nötig.« Sie nahm den Zettel. »Unter einer Bedingung: Du gibst mir die Zusicherung, dass Malte für immer bei mir bleibt.«
Peter hob überrascht die Brauen. »Du hast in diesem Nachtlokal gelernt, Bedingungen zu stellen.«
»Wenn nicht, werde ich meinen Anwalt fragen, ob ich die Möbel überhaupt herausgeben muss. Und auf Unterhalt klagen.«
Peter wurde unsicher. Schließlich schrieb er eine Erklärung, in der er auf Malte verzichtete.
»Die Möbel lasse ich noch heute abholen.«
»Sicher«, erwiderte Christiane bitter. Er fühlte sich plötzlich lächerlich gemacht.
Als er gegangen war, öffnete sie die Fenster.
»Mami, Papi war böse«, klagte Malte.
»Nein, Liebling, Papi ist nicht böse.« Später, wenn er groß war, wollte sie ihm die Wahrheit sagen.
Am Abend kam Peter mit Möbelträgern. »Wir holen meine Möbel.«
»Bitte«, antwortete Christiane müde.
Sie stand still da, Maltes Hand in ihrer, während Teppich, Sessel und Vitrine hinausgetragen wurden. Ihr Herz blutete, doch sie schwieg.
»Mami, warum nehmen die Onkel alles mit?«
»Ich weiß es nicht, Liebling.«
Später, als Malte schlief, wirkte das Wohnzimmer fremd und kahl. Sie dachte bitter: Einen neuen Teppich werde ich mir kaufen müssen.
Doch an diesem Abend verlor sie mehr. Im »Kakadu« wurde sie vom Direktor vorgeladen. In einer blauen Rauchwolke brüllte er: »Sie geben mich als Zeugen an! Mich! Ich dulde keine Verleumdung!«
Er tobte, stellte sich großspurig als »wie ein Vater« dar und entließ sie kurzerhand.
Christiane stand wie erstarrt. Draußen im Flur begegnete ihr schon die »Neue« in Uniform. Sie holte schweigend ihr Geld, verließ das Haus in den Regen.Nass, erschöpft, ziellos lief sie durch die Straßen. Endlich kehrte sie heim, weinte in den kahlen Räumen und schlug die Hände vors Gesicht.
***
Tage vergingen, Christiane brauchte nicht mehr zur Arbeit zu gehen — und sie hätte es jetzt auch gar nicht gekonnt, fieberte stark und schleppte sich mühsam durch die kleine kahle Wohnung, um Malte wenigstens einigermaßen zu versorgen.
Dann fiel sie erschöpft ins Bett. Christiane hatte sich eine anständige Grippe zugezogen.
Malte war seltsam ruhig und still. Er kroch oft zu Christiane ins Bett.
»Mami«, klagte er wohl, als fürchte er sich. »Mami«, wiederholte er, als verlange er eine Auskunft über die schrecklichen Dinge, die um ihn herum vor sich gingen.
Christianes fieberglühende Hände tasteten dann zu dem Köpfchen des Kleinen. Ihre trockenen, rissigen Lippen berührten die kühle, glatte Stirn. Sie konnte ihm keine Antwort geben — wusste ja selbst nicht, wie es weitergehen sollte. Sie betete, dass sie die Krankheit bald überstanden haben würde.
Ihre Vorräte schmolzen zusammen. Sie hatte keine Kohlen mehr oben und konnte keine aus dem Keller heraufholen, sie hätte es nicht geschafft. Und sie konnte noch weniger einkaufen gehen. Malte war noch zu klein dazu. Ja, die bedauernswerte Frau stand allein auf der Welt, besaß keinen Freund, keinen Menschen, der zu ihr gehörte.
Aber sie hatte eine kräftige Natur. Das Fieber sank so überraschend, wie es aufgetreten war. Als Christiane sich dann erhob und versuchte, die Wohnung einigermaßen zu säubern, sank sie aber wieder erschöpft auf einen Stuhl zurück. Die Knie zitterten.
Aber es half nichts. Sie musste einkaufen gehen und einheizen. Sie wankte die Treppe hinunter. Sie hielt sich krampfhaft am Geländer fest, weil sich der Boden um sie herum zu drehen schien. Christiane war froh, als sie ihre Einkäufe getätigt hatte und im Wohnzimmer nach langen Tagen endlich wieder ein Feuer brannte.
Aber sie selbst war wie aus dem Wasser gezogen, hatte sich zu viel zugemutet. Sie konnte nicht mehr, musste sich wieder hinlegen. Malte aß das Milchsüppchen, das sie ihm in aller Eile zubereitet hatte. Sie selbst bekam keinen Bissen herunter, lag hastig atmend mit geschlossenen Augen da und grübelte. Sie hatte in den letzten Tagen viel gegrübelt und oft an den Menschen mit dem eiskalten Herzen gedacht, an jenen Menschen, der sie in dieses Chaos stürzte: an Dr. Claus Goldmann!
Dann fiel ihr der Brief ein, den sie aus dem Kasten genommen hatte und der noch in ihrer Kleidertasche steckte. Aber sie hatte einfach keine Kraft, sich aufzuraffen, um ihn zu holen und zu öffnen. Morgen, dachte sie. Ja, morgen war auch noch ein Tag, dann konnte sie es nachholen.
