Lore-Roman 89 - Karin Weber - E-Book

Lore-Roman 89 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

Für den renommierten Gehirnchirurgen Dr. Lennart Wittstock bricht eine Welt zusammen, als ihm seine reizende Frau Stefanie gesteht, dass sie ihn verlassen will, weil es einen anderen Mann in ihrem Leben gibt. Lennart hat stets für seinen Beruf gelebt und darüber seine Frau und sein Töchterchen sträflich vernachlässigt. Stefanie konnte ihre Einsamkeit nicht länger ertragen und ist auf die Liebesschwüre des Frauenhelden Victor Tiedtke hereingefallen.
Wenig später liegt ausgerechnet dieser Mann nach einem schweren Autounfall auf dem OP-Tisch, und Dr. Wittstock soll operieren. Weil kein anderer Operateur verfügbar ist, muss Lennart widerwillig zum Skalpell greifen. Ausgerechnet da stirbt Victor Tiedtke während des Eingriffs, und Dr. Wittstock gerät in einen schweren Verdacht ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Der Mann, der ihm die Frau genommen

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Pavel Ilyukhin / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0038-2

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Der Mann, der ihm die Frau genommen

Roman um ein dramatisches Schicksal

Von Karin Weber

Für den renommierten Gehirnchirurgen Dr. Lennart Wittstock bricht eine Welt zusammen, als ihm seine reizende Frau Stefanie gesteht, dass sie ihn verlassen will, weil es einen anderen Mann in ihrem Leben gibt. Lennart hat stets für seinen Beruf gelebt und darüber seine Frau und sein Töchterchen sträflich vernachlässigt. Stefanie konnte ihre Einsamkeit nicht länger ertragen und ist auf die Liebesschwüre des Frauenhelden Victor Tiedtke hereingefallen.

Wenig später liegt ausgerechnet dieser Mann nach einem schweren Autounfall auf dem OP-Tisch, und Dr. Wittstock soll operieren. Weil kein anderer Operateur verfügbar ist, muss Lennart widerwillig zum Skalpell greifen. Ausgerechnet da stirbt Victor Tiedtke während des Eingriffs, und Dr. Wittstock gerät in einen schweren Verdacht …

„Das ist bestimmt Oma.“ Die kleine Susanne Wittstock raste zur Tür, als sie das Klingeln hörte. Ihre Mutter lächelte nachsichtig.

Sie hörte tatsächlich die Stimme ihrer Mutter und das entzückte Kreischen ihrer Tochter. Einen Moment später kam Susanne schon zurück.

„Hat Oma mir mitgebracht … ein Elefant …“ Sie zitterte förmlich vor Aufregung, als sie Stefanie das Stofftier entgegenhielt. „Und Schokolade hat sie auch mitgebracht. Und Bananen und Erdnüsse und …“

„Du sollst die Kleine doch nicht immer so verwöhnen“, wandte sich Susis Mutter an die eintretende Frau, aber sie lächelte dabei, denn im Grunde genommen freute sie sich, dass ihre Mutter so an der Kleinen hing.

„Erst einmal guten Tag.“ Frau Klose musterte die junge Frau von oben bis unten. „Du bist noch nicht umgezogen?“ Eine überflüssige Frage, sie sah es selbst. „Ist dein lieber Mann etwa wieder verhindert?“

„Lennart? Nein. Aber ich habe ja noch Zeit. Wie lieb von dir, dass du heute Abend wieder bei Susanne bleibst.“

„Hab ja nie etwas vor, tu es gern. Wenn man Witwe ist …“ Sie schaute sich im Wohnzimmer um und nickte dann. Alles sauber und aufgeräumt, wie es sich gehörte.

„Das Telefon“, schrie Susanne, obwohl die beiden Frauen schließlich nicht taub waren. „Ich geh ran.“

„Nein, lass nur, das ist bestimmt dein Vati.“ Ein Schatten war über Stefanies wunderschönes Gesicht geglitten, als sie den Hörer abnahm und sich meldete. „Ja … nein, dann hab ich auch keine Lust …“ Sie hörte einen Augenblick zu, und dabei vertieften sich die Schatten auf ihrem Gesicht. „Also gut, wenn du meinst … aber ohne dich macht mir alles keinen Spaß. Ja, Mutter ist schon da. Ich werde es ausrichten. Bis dann.“

Stefanie Wittstock drehte sich zu ihrer Mutter herum und lächelte gequält. „Das war Lennart.“

„Und er kann wieder einmal nicht pünktlich nach Hause kommen.“ Gertrud Klose nickte. „Auf jeden nimmt er Rücksicht, nur auf dich nicht. Aber du bist ja auch bloß seine Frau.“

„Ein Unfall ist eingeliefert worden, Lennart muss operieren … Es ist doch nicht seine Schuld, dass …“

„Nimm ihn nur in Schutz, nimm ihn nur in Schutz! Ich habe dich von Anfang an gewarnt, Stefanie.“

„Sein Kollege ist verhindert … Bei Ärzten muss man nun einmal Rücksicht nehmen, Mutti … Ich soll allein zu den Wulfs gehen. Wenn er es schafft, kommt er nach, sonst …“

„Ja, so habe ich mir eigentlich immer eine Ehe vorgestellt. Die Frau geht allein zu Partys, während der Mann arbeitet. Du hättest ein besseres Leben verdient, Stefanie. Dass du ausgerechnet einen Arzt heiraten musstest … Hättest du nur auf mich gehört.“

„Bitte Mutti …“

„Schon gut. Ich bin ja bloß eine alte, dumme Frau, sprich es nur ruhig aus. Willst du nun wirklich hingehen?“

„Ich muss wohl … Sie warten auf uns, und …, und … Vielleicht kommt Lennart ja tatsächlich nach.“

„Und wenn nicht, dann sitzt du da wie eine junge Witwe. Dein Mann vernachlässigt dich, Stefanie, und du nimmst das einfach so hin.“

„Was soll ich denn tun?“, fragte die junge Frau gequält.

„Dich zu Wehr setzen. Du darfst dir nicht alles gefallen lassen. Männer nutzen so etwas aus, und eines Tages nimmt Lennart dann überhaupt keine Rücksicht mehr auf dich.“

Stefanie kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Sie hatte sich sehr auf den Abend bei den Freunden gefreut, aber ohne Lennart würde ihr alles keinen Spaß machen. Für diese Gelegenheit hatte sie sich ein neues Kleid gekauft, das auch Lennart noch nicht kannte, ein sehr hübsches Kleid, in dem sie unglaublich mädchenhaft aussah.

„Zieh dich um. Wenn er schon keine Lust hat, sich um dich zu kümmern, dann solltest wenigstens du versuchen, dich zu amüsieren. Was für ein Wunder, dass er nicht von dir verlangt, dass du zu Hause bleibst und treu und brav auf ihn wartest.“

„Lennart ist kein Egoist. Nur … ein Kollege ist in Urlaub, und da …“

„Um Ausreden war Lennart nie verlegen. Aber mach doch, was du willst, es ist dein Leben. Ich will dir nicht reinreden. Aber hättest du damals Abelsen geheiratet …“

„Er war doch viel zu alt für mich.“

„Ein Millionär, der dich angebetet hat. Von ihm hättest du alles bekommen können. Und was hast du jetzt? Dieses kleine Haus, bis oben hin belastet mit Hypotheken, und sonst …“

„Ich bin zufrieden, Mutti.“

„Das kannst du mir nicht einreden. Eine Frau wie du darf Ansprüche stellen, braucht sich nicht mit dem ersten besten Mann zu begnügen, der ihr einen Heiratsantrag macht.“

„Lennart ist nicht der erste beste Mann.“

„Nur ein Mann, der dich vernachlässigt. Und warum? Weil du dir von ihm alles gefallen lässt. Das nutzt er natürlich aus. Du bist eine bequeme Frau.“

„Aber wenn er doch jetzt operieren muss …“, wandte die junge Frau verzagt ein. „Ich zieh mich dann um, Mutti …“

„Siehst du aber schön aus!“, stieß die kleine Susanne hervor, als sie eine halbe Stunde später zurückkam.

Dieses Kompliment trieb eine zarte Röte der Freude in Stefanies Wangen.

„Viel zu schade für Lennart“, lautete der Kommentar ihrer Mutter. „Was könnte eine Frau wie du alles erreichen, wäre sie nur etwas vernünftiger. Du könntest alles haben.“

„Ich bin zufrieden mit dem, was das Schicksal mir gegeben hat. Es wird Zeit, dass ich losfahre … Hoffentlich bekomme ich gleich ein Taxi.“

„Nicht einmal einen Zweitwagen habt ihr.“

„Was würde der mir nützen? Ohne Führerschein …“

„Den könntest du machen.“

„Ich hab es doch versucht, Mutti“, erinnerte Stefanie. „Ich … schaffe es einfach nicht … ich habe Angst am Steuer.“

„Verstehe ich nicht. Na ja, … ruf dir ein Taxi. Und dann wünsche ich dir heute Abend viel Vergnügen. Amüsiere dich gut. Brauchst nicht auf die Uhr zu schauen, ich bleibe gern, solange es nötig ist. Mich vermisst ja niemand.“

„Wenn wir dich nicht hätten …“ Versöhnlich legte Stefanie einen Arm um die Schultern der Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich weiß, du meinst es nur gut …“

„Ja, und deshalb … Aber hören wir auf davon, jetzt ist es zu spät. Du hast dich nun einmal entschieden … aber schade ist es doch“, schloss sie ergrimmt. Sie war ungeheuer stolz auf ihre bildhübsche Tochter, die ihr eigentlich immer nur Freude bereitet hatte – bis sie sich für den falschen Mann entschied.

Dabei hatte Gertrud Klose gegen Dr. Wittstock als Mensch nichts einzuwenden. Nur als Mann für ihre Tochter war er nicht gut genug, ein angestellter Arzt, der niemals ein Vermögen verdienen würde. Es reichte für ein bequemes Leben, sicherlich, aber war das genug für Stefanie? Nein. Stefanie hatte Anspruch auf mehr, auf alles, was es auf dieser Welt gab.

„Du siehst richtig böse aus, Oma“, stellte Susanne fest.

Sofort nahm Gertrud Klose sich zusammen und lächelte.

„Was du dir alles einbildest … Soll ich dir noch etwas vorlesen?“

„Ich möchte lieber fernsehen.“

„Kommt überhaupt nicht infrage. Fernsehen macht dumm. Wo ist dein Buch? Hole es.“ Gertrud Klose war eine Frau mit starkem Willen, die vor allem glaubte, immer im Recht zu sein. Besonders ihrer Tochter und ihrem Enkelkind gegenüber.

Gelegentlich war sie mit ihrem Schwiegersohn aneinander geraten, weil Lennart keineswegs bereit war, alles zu akzeptieren, was sie bestimmte. Nur seiner Stefanie zuliebe hatte er bisher einen offenen Streit vermieden. Er war allerdings froh, seine Schwiegermutter nicht allzu oft sehen zu müssen.

Das beruhte ganz auf Gegenseitigkeit. Stefanies Mutter kam meistens, wenn sie wusste, dass er nicht zu Hause war. Sie würde ihm nie verzeihen, dass er ihre Tochter geheiratet hatte.

„Das Taxi … also auf Wiedersehen dann. Und sei brav, Susi, hörst du?“

„Sag nicht immer Susi. Deine Tochter heißt Susanne.“

„Ja … Also bis nachher dann. Wenn du noch Hunger hast, im Kühlschrank steht etwas für dich.“

„Schon gut. Ich wünsche dir viel Vergnügen. Amüsiere dich bei deinen Freunden.“

Stefanie Wittstock war stolz auf ihren tüchtigen Mann – und gleichzeitig wünschte sie sich, er würde etwas mehr Zeit für sie und Susi haben.

***

Renate Wulf runzelte leicht die Stirn, bevor sie lächelte, als sie sah, dass Stefanie allein gekommen war. Fast spürte sie etwas Ähnliches wie Neid, als sie die Hand der jungen Frau nahm, die so entzückend aussah.

Ihr Mann starrte Stefanie mit unverhohlener Bewunderung an, und dann glitt sein Blick vergleichend zu seiner Frau. Scheusal, dachte die erbittert. Sie sah nett aus, war aber keine Schönheit, neben Stefanie jedenfalls verblasste sie völlig.

Sie hatten einige befreundete Ehepaare und einen Kollegen ihres Mannes geladen, und dank des reichlich angebotenen Alkohols erreichte die Stimmung bald einen ersten Höhepunkt.

Es ergab sich ganz natürlich, dass der einzige Junggeselle sich besonders mit der jungen Strohwitwe befasste.

Anfangs hatte Stefanie die Bewunderung des blendend aussehenden Mannes nicht gefallen, schließlich war sie verheiratet, eine ehrbare Frau, und da durfte sie eigentlich nicht dulden, dass ein fremder Mann ihr so viele und teilweise gewagte Komplimente machte.

Andererseits genoss sie es natürlich, einem Mann zu gefallen. Und auch sie verglich diesen Herrn Tiedtke unwillkürlich mit Lennart. Selbst vor ihrer Ehe hatte Lennart ihr nie so nette Komplimente gemacht wie dieser Herr Tiedtke.

Stefanie blühte richtig auf, und sie wäre keine rechte Frau gewesen, hätte sie nicht Vergnügen daran gefunden, auch ihrerseits ein bisschen mit Herrn Tiedtke zu flirten. Er wusste ja, dass sie verheiratet war, und deshalb würde er wissen, dass alles nur ein kleines Spiel war, völlig unverbindlich, mit Schluss dieses Abends auch zu Ende.

„Hast du die beiden mal beobachtet?“, fragte Renate Wulf ihren Mann zu vorgerückter Stunde, als sie ihn zufällig in der Küche traf. „Wird Zeit, dass Lennart nachkommt und seine Frau zur Vernunft bringt.“

Dieter Wulf grinste nur. „Ich glaube nicht, dass Lennart Grund zur Eifersucht haben muss. Was ist schon dabei, wenn die beiden ein bisschen miteinander flirten?“

„So fängt es meistens an. Es wäre besser gewesen, wäre Stefanie auch zu Hause geblieben.“

„Du magst sie nicht besonders“, stellte Dieter grinsend fest. „Ein bisschen eifersüchtig, Kleines?“

„Nein“, brummelte Renate, aber die Lüge war so offenkundig.

Abbittend legte Dieter seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie einen Moment an sich.

„Brauchst keine Angst zu haben, Mädchen, ich weiß, was ich an dir habe“, sagte er halblaut, bevor er ihr einen Kuss auf die Nasenspitze gab. „Und nun muss ich wieder hinein, sonst verdursten uns unsere Gäste noch.“ Er war nur in die Küche gekommen, um ein paar Weinflaschen zu holen.

Stefanie hatte sich seit Jahren nicht mehr so gut unterhalten wie auf dieser Party. Herr Tiedtke hieß Victor mit Vornamen, und sie hatte keine Hemmungen, ihn so anzureden. Ihr war, als kenne sie ihn schon lange, so vertraut war er ihr in seiner offenen, fröhlichen Art.

Als getanzt wurde, zuckte ihr Kopf zwar im ersten Moment zurück, als sie seine Wange an ihrer spürte, aber dann nahm sie sich zusammen und erwiderte den sanften Druck.

Victor war ein blendender Tänzer, tanzte viel besser als Lennart. Lennart war ein bisschen steif, und am liebsten drückte er sich überhaupt vor dem Tanzen. Aber jetzt nicht an Lennart denken, er hatte sie ja versetzt, und es geschah ihm ganz recht, wenn sie zur Strafe mit einem netten Mann ein bisschen flirtete.

Ein Spiel mit dem Feuer, sicherlich, aber Stefanie war überzeugt zu wissen, wann sie aufhören musste. Und Victor natürlich auch. Er war ein Ehrenmann und respektierte, dass sie nicht mehr frei war.

Erst um zwei Uhr morgens ging die Party zu Ende. Lennart war nicht nachgekommen. Dabei müsste er seine Operation längst abgeschlossen haben, dachte Stefanie, als Victor Tiedtke ihr in den Mantel half. Er hatte einfach keine Lust gehabt, noch hierher zu kommen. So wenig bedeute ich ihm?, fragte sich die junge Frau.

Victor würde eine Frau bestimmt nicht so vernachlässigen wie Lennart sie. Victor war ein Mann, der wusste, was Frauen sich wünschen, und er schien dafür zu leben, ihre Wünsche zu erfüllen. Sie fuhren mit einem Taxi, denn auch Victor hatte zu viel getrunken, um sich noch ans Steuer setzen zu können.

„Jetzt merke ich, dass die Erde sich dreht“, stellte Stefanie lachend fest, als sie auf den wartenden Mietwagen zu tänzelte. „Wie komisch …“

Sie hatte einen Schwips, der sie geradezu unwiderstehlich machte. Aber nicht nur der Alkohol allein war daran schuld, mehr noch lag es wahrscheinlich an Victor, an der Art, wie er ihr den Hof machte, ihr das Gefühl gab, eine wunderbare, begehrenswerte Frau zu sein.

Lennart nimmt mich als etwas Gegebenes hin, er ist gleichgültig geworden, abgestumpft, schoss es Stefanie vergleichend durch den Kopf. So war es in der Ehe nun einmal, hatte sie sich immer wieder gesagt, aber umso schöner war dann ein Erlebnis wie das heute Abend.

Im Taxi lächelte sie verträumt vor sich hin. Und sie rückte nicht zur Seite, als der Mann den Arm um ihre Schultern legte. Warum auch? Es war ja nichts dabei. Außerdem geschah es Lennart ganz recht, wenn sie mit einem anderen flirtete.

„Das war für mich der schönste Abend seit vielen Jahren“, murmelte Victor dicht neben ihrem Ohr, und dann hauchte er einen Kuss auf ihr Ohrläppchen.

Ein wohliger Schauer durchrann Stefanie. „Das darfst du nicht tun, Victor, bitte …“

Der Mann verstärkte den Druck seines Armes.

„Du bist die entzückendste Frau der Welt … Und ich bin glücklich, dich endlich getroffen zu haben. Dich habe ich immer gesucht.“

„Bitte Victor …“ Aber es klang eher, als hätte sie gesagt, sprich weiter. Wie nett er war, so einfühlsam, ein Mann, dem sie vertraute. Und morgen war ja alles zu Ende, morgen begann wieder der Alltag, ihr gewohntes Leben, aber heute war heute, und sie wollte keine Minute davon verschenken.

„Nein“, flüsterte sie, als der Mann sie ein wenig herumdrehte, um sie auf den Mund küssen zu können. Sie versuchte schwach, ihn zurückzuschieben, aber der Frauenkenner Victor Tiedtke spürte natürlich, was sie wirklich wollte.

Und er hatte keineswegs übertrieben, als er sagte, sie sei die entzückendste Frau, die er bisher getroffen hatte. Erst als seine Küsse immer leidenschaftlicher und fordernder wurden, als seine Hände sich verirrten, kam Stefanie wieder zu sich.

Jetzt hatte sie auch die Kraft, ihn zurückzuschieben. Ihr Atem ging schwer.

„Wir müssen vernünftig sein, Victor“, stieß sie heiser hervor.

„Sind wir es nicht? Ich liebe dich, Stefanie …“

„Das darfst du nicht sagen, Victor, bitte … ich bin verheiratet, glücklich verheiratet …“

Der Mann lachte überlegen.

„Dein Mann ist nicht gut genug für dich“, erwiderte er im Brustton der Überzeugung. „Denk jetzt nicht an ihn. Wir werden uns wiedersehen …“

„Nein, Victor, bitte … Es geht wirklich nicht …“

„Doch, es geht. Und du willst es auch.“ Mit sanftem Ruck hielt das Taxi. „Sind wir schon da?“, murmelte Victor Tiedtke enttäuscht. Die Fahrt war ihm sehr kurz vorgekommen.

„Ja … Gute Nacht … und ruf mich nicht an. Es war sehr schön heute …“

Selbstverständlich begleitete der Mann sie bis zur Haustür, nahm ihr den Schlüssel ab, den sie aus der Handtasche genommen hatte, und schloss die Tür auf.

„Gute Nacht“, brachte Stefanie tonlos hervor.

Dann drückte sie die Tür ins Schloss, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und atmete ein paarmal tief durch. Sie war froh, wieder zu Hause zu sein. Hier konnte ihr nichts passieren, hier war sie sicher.

„Bist du es, Steffi?“, fragte Lennart. Er kam aus dem Schlafzimmer und gähnte herzhaft, während er sich mit beiden Händen durch sein Haar fuhr. „Ist spät geworden. Wie war es?“

„Nett. Du bist nicht nachgekommen …“

„Lohnte sich nicht mehr. Außerdem war ich ehrlich gesagt hundemüde. Ich habe fünf Stunden hintereinander operiert … Hoffentlich nicht vergeblich. Der arme Kerl braucht einen Haufen Glück, wenn er durchkommen will. Na ja …“ Er gähnte schon wieder und hielt erst ziemlich spät eine Hand vor den Mund. „Hatte schon geschlafen … Leg dich auch gleich hin, morgen früh ist die Nacht zu Ende.“

„Ja …“ Stefanie schaute ihn an, diesen Mann im zerknitterten Schlafanzug der nicht einmal Hausschuhe trug, sondern auf nackten Sohlen herumlief.

„Ich habe einen netten Mann kennengelernt“, sagte sie herausfordernd.

„Fein. Dann hast du dich also auch ohne mich gut amüsiert“, erwiderte Lennart grinsend.

„Du hättest nachkommen sollen.“ Ihre Stimme klang böse. „Du bist ein richtiger Gesellschaftsmuffel, Lennart.“

„Mag sein. Ein Erbfehler. Hauptsache, du hast die Party genossen. Wer war denn alles da?“ Er musste schon wieder gähnen, und diesmal nahm er nicht einmal die Hand vor den Mund. „Morgen früh um acht ist meine erste Operation angesetzt. Ein Hundeleben! Warum nur hat mich niemand gewarnt, ausgerechnet Gehirnchirurg zu werden?“

Eine Antwort auf seine Frage hatte er nicht abgewartet. So wenig interessiert ihn, was ich tue, folgerte Stefanie. Sein Beruf ist ihm tausendmal wichtiger als ich.

Lennart drehte sich um und ging erschöpft ins Schlafzimmer zurück. Als Stefanie zwanzig Minuten später kam, schlief er schon wieder.

Aufgebracht starrte seine Frau in sein entspanntes Gesicht. Am liebsten hätte sie ihn gepackt und durchgeschüttelt. Sie hatte heute etwas Wichtiges erlebt, etwas Großes, etwas, das sie beschäftigte, ja aufwühlte.

Und Lennart begriff das nicht. Er lag seelenruhig da und schlief. Und ich dummes Ding hatte ein schlechtes Gewissen, als Victor mich küsste, dachte seine Frau. Lennart hat es nicht besser verdient.

Sie ließ sich ins Bett fallen, zog die Decke hoch und knipste die Nachttischlampe aus. Aber obwohl es spät geworden war, lag sie noch lange wach. Im Geiste erlebte sie wieder das Gefühl, das sie ganz ausgefüllt hatte, als Victor sie im Arm hielt und küsste. So war es früher, ganz früher einmal gewesen, als Lennart sie noch umwarb. Da hatte auch er so leidenschaftlich geküsst, aber jetzt …