Lore-Roman 3 - Katja von Seeberg - E-Book

Lore-Roman 3 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

"Weshalb küsst du mich nicht?", fragt die leise Mädchenstimme dicht an seinem Ohr. "Ich warte doch darauf, Jörg."
Der adrette Seeoffizier schüttelt den Kopf, während er gleichzeitig zärtlich den Arm um Gudruns schmale Schultern legt. Er spürt das Beben, das bei dieser Berührung durch ihren Körper rinnt.
"Es hat keinen Zweck, kleines Mädchen. Wir beide gehören nicht zusammen. Auf mir lastet ein Makel."
"Das ist mir egal." Gudruns Mund hebt sich sehnsüchtig seinem Gesicht entgegen.
Jörg sieht die leicht geöffneten Lippen, er fühlt ihre vertrauensvolle Hingabe und würde ihre Wünsche nur zu gern erfüllen. Doch er weiß, dass er kein Recht hat, dieses bezaubernde Mädchen an sich zu binden und ins Verderben zu reißen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Warum darf ich dich nicht küssen?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Nejron Photo

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4806-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Warum darf ich dich nicht küssen?

Bewegender Roman um eine schwere Prüfung

Von Katja von Seeberg

„Weshalb küsst du mich nicht?“, fragt die leise Mädchenstimme dicht an seinem Ohr. „Ich warte doch darauf, Jörg.“

Der adrette Seeoffizier schüttelt den Kopf, während er gleichzeitig zärtlich den Arm um Gudruns schmale Schultern legt. Er spürt das Beben, das bei dieser Berührung durch ihren Körper rinnt.

„Es hat keinen Zweck, kleines Mädchen. Wir beide gehören nicht zusammen. Auf mir lastet ein Makel.“

„Das ist mir egal.“ Gudruns Mund hebt sich sehnsüchtig seinem Gesicht entgegen.

Jörg sieht die leicht geöffneten Lippen, er fühlt ihre vertrauensvolle Hingabe und würde ihre Wünsche nur zu gern erfüllen. Doch er weiß, dass er kein Recht hat, dieses bezaubernde Mädchen an sich zu binden und ins Verderben zu reißen …

„Weshalb küsst du mich nicht?“, fragte die leise Mädchenstimme dicht an seinem Ohr. „Ich warte doch darauf, Jörg.“

Der Mann schüttelte den Kopf, während er gleichzeitig zärtlich den Arm um ihre schmalen Schultern legte. Er spürte das Beben, das bei dieser Berührung durch ihren Körper rann.

„Es hat keinen Zweck, kleines Mädchen. Wir beide gehören nicht zusammen. Auf mir lastet ein Makel.“

„Das ist mir egal.“ Gudruns Mund hob sich sehnsüchtig seinem Gesicht entgegen.

Und da vergaß Jörg alle guten Vorsätze. Er sah nur noch die leicht geöffneten Lippen, er fühlte ihre vertrauensvolle Hingabe.

Als er sie stürmisch an sich zog und ihren Mund mit glühenden Küssen bedeckte, versank die Welt um sie her.

„Das hätte ich nicht tun dürfen“, gestand Jörg eine Ewigkeit später. Er schob Gudrun sanft, aber bestimmt von sich. „Verzeih mir.“

„Es musste so kommen“, erwiderte das Mädchen nachdenklich. „Wir beide gehören zusammen, ob du es zugeben willst oder nicht. Ich werde auf dich warten, ganz gleich, wie lange es auch dauern mag. Denn … ich liebe dich.“

Jörg betrachtete sie überrascht. Ihre tiefblauen Augen blickten ihn offen und liebevoll an. Solch ein Mädchen war für ihn wie ein Wunder. Sie ist genauso arglos wie meine Mutter, dachte er bestürzt. Aber ich bin nicht wie Vater, ich würde sie niemals hintergehen.

„Mach nicht solch ein böses Gesicht, Jörg“, hörte er wieder ihre Stimme. „Vergiss, was gewesen ist. Nur mich darfst du niemals vergessen. Und wenn du wieder einmal in Deutschland bist dann komm zu mir. Du hast gesagt, dass du keine Heimat hast. Wenn du willst – lass mich deine Heimat sein.“

Er zog ihre Hand an die Lippen. „Du“, flüsterte er überwältigt.

Gudrun fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Mit offenen Augen starrte sie in die Dunkelheit. Sie hätte jubeln mögen vor Glück – aber dennoch empfand sie eine dumpfe Angst.

Wie war das alles nur möglich gewesen? Sie kannte Jörg Helmhude, den jungen gut aussehenden Schiffsoffizier der „Aurora“, erst seit heute Morgen. Aber sie glaubte, schon immer auf diesen Mann gewartet zu haben.

Sie war sicher, Jörg zu lieben. Was hatte sie bloß derart an ihm fasziniert? Seine blendende Erscheinung, die weltmännische Art oder dieses geheimnisvolle Etwas, das ihn umgab?

Gudrun Eichenhorn hielt im Allgemeinen nicht viel von heiratslustigen jungen Herren. Sie lebte sehr zurückgezogen. Die Arbeit im väterlichen Betrieb, einer Schiffsausstattungsfirma in Kiel, genügte ihr vollauf. Seeleuten war sie bislang stets mit größter Skepsis begegnet. Ihr zukünftiger Mann sollte einmal nicht nur besuchsweise nach Hause kommen.

Aber wie war das mit Jörg? All ihre Prinzipien schienen plötzlich gegenstandslos. Er war ins Kontor gekommen, wo sie während des Urlaubs ihrer Eltern residierte und hatte in Vertretung von Kapitän Kastendiek um neue Verproviantierung der „Aurora“ gebeten.

Gewiss, Kapitän Kastendiek war ein guter, alter Kunde des väterlichen Unternehmens. Aber weshalb hatte sie sich plötzlich entschlossen, die Auslieferung der bestellten Vorräte abends selbst zu überwachen? Wo doch dieser Helmhude so arrogant in ihrem Büro aufgetreten war und sie sogar um ein Rendezvous gebeten hatte.

Es war einfach Schicksal, dachte Gudrun beglückt, ich liebe ihn und werde auf ihn warten. Selbst der alte Lagerverwalter Jan, das Faktotum des Hauses, schien sichtlich angetan von dem adretten Seeoffizier Helmhude.

Eigentlich sollte sie ja Paul Böckler, den Sohn von einem Geschäftsfreund ihres Vaters, heiraten. Paul war ein Jugendgespiele von Gudrun. Sie mochte ihn gern, diesen strebsamen, grundanständigen jungen Mann. Aber einem Vergleich mit Jörg hielt er einfach nicht stand.

Für Paul hegte sie höchstens geschwisterliche Gefühle – Jörg aber war die erste wirkliche Liebe in ihrem Leben. Sie würde sich zu ihm bekennen, notfalls auch gegen den Willen ihrer Eltern.

***

Gudruns Eltern trafen am nächsten Morgen in Kiel ein.

Ihre Tochter saß im Büro, einen Abrechnungsblock vor sich, in der Rechten den Kugelschreiber.

„Was gibt es denn schon wieder, Jan?“, fragte sie, ohne den Kopf zu heben.

„Hoffentlich störe ich nicht zu sehr“, antwortete da Frau Margarete schmunzelnd.

Freudig sprang Gudrun auf und eilte ihrer Mutter entgegen.

„Ich habe euch erst morgen erwartet“, stammelte sie überrascht. „Wie schön, dass ihr wieder da seid.“

Frau Margarete hielt ihre Tochter eine Armlänge weit von sich ab und betrachtete sie.

„Elend siehst du aus, Kind“, stellte sie stirnrunzelnd fest. „War dir die Arbeit zu viel? Ich habe ja gleich zu Vater gesagt, dass wir nicht so lange fahren dürfen, aber du kennst ihn ja, gegen seinen Dickkopf kommt man als Frau einfach nicht an.“

„Ziehst du schon wieder über mich her“, meinte Vater Karl und lachte behäbig. „Was gibt es Neues, mein Mädchen?“ Er zog Gudrun an sich, küsste sie flüchtig auf die Stirn und griff mit der Rechten schon nach dem Hauptbuch. „Kastendiek war auch da, sehe ich“, murmelte er. „Ein ganz schöner Auftrag. Hast du ihm auch einen Kognak angeboten? Du kennst doch seine Marke?“

Gudrun wich dem fragenden Blick des Vaters aus und machte sich an ihrem Kleid zu schaffen.

„Er hat seinen ersten Offizier geschickt“, meinte sie. „Ich denke, ich gehe jetzt mit Mutter in die Wohnung. Oder hast du noch irgendwelche Fragen?“

„Ich glaube nicht.“

Die Wohnung lag, nur durch den Flur getrennt, auf der Südseite des großen Hauses.

„Es ist schön, wieder daheim zu sein“, schwärmte die Mutter, so recht aus dem Herzen heraus. „Weißt du, wen wir zufällig getroffen haben?“ Sie schaute gespannt in Gudruns Gesicht, als erwarte sie tatsächlich eine Antwort auf ihre Frage. „Du wirst es nicht glauben: die Böcklers.“

„Mit Sohn?“, erkundigte sich Gudrun wenig interessiert.

„Nein, Paul kümmert sich um den Betrieb. Du weißt ja, wie tüchtig er ist. Charlotte hat nur Gutes von ihm erzählt. Mädchengeschichten und so etwas kennt er nicht. Er lebt sehr solide.“

„Und raucht nicht und trinkt nicht“, spottete Gudrun. „Du sprichst wie eine Heiratsvermittlerin, Muttchen. In den Zeitungen findet man auch solche Männer, aber ich glaube, auch nur dort.“

„Paul ist ein wirklich netter, junger Mann“, verwahrte sich Frau Margarete gekränkt. „Ich verstehe gar nicht, was du gegen ihn hast. Er ist sehr liebenswürdig, bescheiden, also ein Mann, wie ihn sich eine Frau nicht besser wünschen kann.“

„Und wann soll unsere Hochzeit sein?“, fragte Gudrun lachend. „Die habt ihr doch bestimmt auch schon festgesetzt.“

„Was du auch immer gleich denkst. Sie wollen übrigens morgen Abend kommen. Wir wollen die Fotos anschauen. Sie sind schon fertig.“

Gudrun träumte mit offenen Augen von einem Offizier, der schon übermorgen den Hafen verlassen würde. Und wer weiß, wann er einmal wiederkam. – Die „Aurora“ gehörte zu den Frachtern, die keine feste Route fahren, sondern sich jeweils nach dem Ladungsbedarf der einzelnen Häfen richten.

„Ich möchte nur einmal wissen, woran du jetzt denkst“, äußerte ihre Mutter misstrauisch. „Irgendetwas stimmt mit dir nicht. Sag mal, hast du vielleicht irgendeinen netten jungen Mann kennengelernt, der dir schöne Augen gemacht hat? Ich warne dich, Gudrun. Traue keinem Mann, sie taugen alle nichts.“

Ihre Tochter stieß ein klingendes Lachen aus.

„Und das musst ausgerechnet du mir sagen. Behandelt Vater dich so schlecht?“

Frau Margarete runzelte die Stirn.

„Vater ist auch eine Ausnahme“, erklärte sie kategorisch. „Aber die meisten Männer sind nicht viel wert. Paul zum Beispiel ist wie Vater, solide, zuverlässig, treu … das ist nämlich auch etwas, worauf man als Frau achten muss. Denk nur an diese Windhunde von Seeleuten, mit denen wir geschäftlich zu tun haben. Hier eine Braut und dort eine Braut, und zu Hause sitzt die Frau und weint sich die Augen aus.“

„Und ihre hungernden Kinder unterstützen sie dabei.“ Gudrun konnte nicht anders, sie musste einfach lachen, als ihre Mutter so maßlos übertrieb.

Heute war sie mit Jörg verabredet. Um fünfzehn Uhr wollte er sie im Büro abholen. Sie fieberte dem Zusammensein förmlich entgegen, schaute immer wieder auf die Uhr und überhörte so manche Frage ihrer Mutter.

Frau Margarete machte sich ihre eigenen Gedanken, und ihre Vermutungen kamen der Wahrheit recht nahe. Sie wusste nur nicht, wer der Mann war, an den ihre Gudrun mit diesem verträumten Lächeln dachte.

„Also, du bist wirklich ein Prachtstück“, lobte Vater Karl seine Tochter beim Mittagessen. „Besser hätte ich es auch nicht machen können. Ich glaube, ich muss dir bald eine Gehaltserhöhung bewilligen.“

„Deine Tochter spart auf eine Aussteuer, glaube ich“, warf Frau Margarete ein.

„Ach, ist sie mit Paul einverstanden?“, fragte der Mann, und erst der Fußtritt, den seine Frau ihm unter dem Tisch versetzte, machte ihm klar, dass seine Frage wohl etwas voreilig gewesen war.

„Euer Schwiegersohn wird einmal nicht Paul heißen“, verkündete Gudrun geheimnisvoll.

„Wie denn?“, fragte Frau Margarete gespannt.

Ihre Tochter lächelte nur vor sich hin. Sie wusste es selbst noch nicht. Sie liebte Jörg, und sie glaubte, dass er ihre Gefühle erwiderte.

Um fünfzehn Uhr betrat Jörg Helmhude das Büro. Ein strahlendes Lächeln lag auf seinem Gesicht, denn genau wie Gudrun hatte er sich den ganzen Vormittag auf diese Stunde gefreut.

Aber hinter dem Schreibtisch saß ein fremder Herr, der bei seinem hastigen Eintritt verdutzt den Kopf hob. Er stand höflich auf und ging Jörg ein paar Schritte entgegen.

„Das ist Herr Helmhude.“ Unmittelbar hinter ihm war Gudrun eingetreten. Seit einer geschlagenen halben Stunde hatte sie am Wohnzimmerfenster stehend auf ihn gewartet.

„Der erste Offizier der ‚Aurora‘.“ Sie stellte den Vater vor. „Waren irgendwelche Beanstandungen?“, fuhr sie fort und zwinkerte Jörg verstohlen zu.

Helmhude bestätigte ihre Worte durch eine leichte Verneigung.

„Ich möchte Sie bitten, sich selbst zu überzeugen, gnädiges Fräulein.“

„Es muss sich um die Dosen mit dem Speck handeln“, erklärte Gudrun dem Vater eilig. „Ich habe eine öffnen lassen, der Inhalt schien mir nicht mehr ganz frisch zu sein. Selbstverständlich werden wir Ihnen die Dosen ersetzen, Herr Helmhude.“

Sie winkte dem Vater zu, packte Jörgs Ärmel und zog den Mann einfach mit sich hinaus, bevor er sich noch ordentlich von Karl Eichenhorn verabschieden konnte.

„Hoffentlich hat Vater das alles geschluckt“, sagte Gudrun auf dem Flur und seufzte. „Es ist schrecklich, lügen zu müssen, findest du nicht auch?“

Verzaubert starrte Jörg in ihr reizendes Gesicht. Am liebsten hätte er sie schon hier in die Arme gerissen und geküsst.

„Ich bin so froh, dass es dich gibt“, gestand Gudrun innig. „Komm jetzt, bevor Mutter uns noch auffängt. Was haben wir heute vor?“

„Alles, was du willst“, antwortete er ernst. „Wenn du wüsstest, was du mir bedeutest, Kleines.“

Durch die nur angelehnte Wohnzimmertür hörte Frau Margarete jedes Wort. Sie trat ans Fenster, als die beiden das Haus verließen.

Der Blick, mit dem sie ihnen nachschaute, war nicht gerade sehr freundlich.

Paul sollte Gudruns Mann einmal heißen, Paul Böckler. Die Böcklers besaßen eine große Firma, die vorwiegend mit Schweröl handelte. Die meisten Schiffe bunkerten bei ihnen, und es schien, als würde sich das Geschäft noch von Jahr zu Jahr mehr ausdehnen.

Und was passte besser zusammen als Heizöl für die Maschinen und Lebensmittel für die Mannschaften? Es war, fand Frau Margarete, eine geradezu ideale Ehe.

„Womit habe ich dich nur verdient?“, fragte Jörg seine reizende Begleiterin, als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten. Er hatte sich einen Wagen gemietet, um mit ihr allein sein zu können. „Ich wusste nicht, dass ich so für einen anderen Menschen empfinden kann wie jetzt für dich. Ich habe nicht an Liebe geglaubt.“

Mit glänzenden Augen schaute Gudrun ihn an.

„Ich wünschte, ich könnte immer bei dir bleiben“, fuhr Jörg fort. Plötzlich stand eine steile Falte auf seiner Stirn. „Es geht leider nicht.“

„Ich weiß, die ‚Aurora‘ läuft übermorgen aus.“ Gudrun senkte den Kopf und verschlang ihre Hände im Schloss. „Es ist schade, dass du keinen anderen Beruf hast, einen Beruf, den du an Land ausüben kannst. Es ist schwer, dich gehen zu lassen. Meine Gedanken werden immer bei dir sein.“

Jörg zog sie an sich. Er wusste, dass er eigentlich kein Recht hatte, dieses Mädchen an sich zu binden.

„Erzähl mir von dir“, bat Gudrun. „Aber nur, wenn du willst. Sag mir, dass du mich gernhast, das ist wichtig. Du brauchst mir nichts von dir zu verraten, nur … vergiss mich nicht, wenn du weit fort bist. Und schreib mir ganz oft. Willst du es mir versprechen?“

„Ja. Ich werde immer an dich denken. Und vielleicht … habe ich ja noch einmal Glück. Nein, das ist ausgeschlossen“, fuhr er gequält fort. „Ich weiß tatsächlich nicht, ob ich froh sein darf, dich kennengelernt zu haben. Vorher war mein Leben so einfach, unkompliziert. Ich hatte meine Arbeit, und … und keinen Menschen, der sich um mich sorgt. Außer meiner Mutter. Sie war die Einzige, die …“

Sie legte ihre Hand liebevoll gegen seine Wange.

„Denk doch nicht mehr an das, was gewesen ist. Die Zukunft liegt vor uns, sie gehört uns beiden. Wenn du willst …“

„Liebste“, flüsterte Jörg innig.

Er zog sie ins Gras, und Gudrun legte ihren Kopf an seine Brust. Über ihnen wölbte sich ein wolkenloser, blauer Himmel. Schwalben schossen dahin, und ein paar Möwen zogen mit majestätischem Flügelschlag vorbei.

Ihr heiseres Krächzen erschien Jörg wie ein böses Vorzeichen. Er war ein Mann, der weder Tod noch Teufel fürchtete. Jetzt zum ersten Mal lernte er die Angst kennen.

Die Angst, dieses Mädchen an seiner Seite zu verlieren. Ganz fest legte er den Arm um sie, als könne er sie so halten.

***

Gudrun hatte leuchtende Augen, als sie spät abends das Elternhaus betrat.

Der alte Jan, der hinter dem großen Lagerraum ein Zimmer besaß, schmunzelte verständnisinnig vor sich hin.

„War es nett?“, fragte er und zwinkerte ihr zu.

Gudrun beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die welke Wange.

„Er liebt mich“, erklärte sie. „Er wird mich heiraten. Ich bin so glücklich, Jan.“

„Man sieht es Ihnen an“, meinte der Alte und nickte ihr zu. „Ich habe ja immer gesagt, dass Sie einmal glücklich werden, Fräulein Gudrun. Und bei dem Herrn sind Sie gut aufgehoben. Das ist einer, auf den man sich verlassen kann.“

Ihre Eltern saßen im Wohnzimmer, und beide wirkten nicht allzu glücklich, als ihre Tochter strahlend hereinkam.

Karl Eichenhorn konnte sich ungefähr zusammenreimen, was geschehen war. Ihm fehlte zur Bestätigung nur noch der Name des Mannes, der seiner Tochter den Kopf verdreht hatte.

Aber vorerst erfuhr er nichts. Gudrun lachte nur, als er sie direkt fragte.

Und sie lachte auch noch am nächsten Abend, als Paul Böckler in Begleitung seiner Eltern das Wohnzimmer betrat.

Gudrun bekam bald den Eindruck, dass man heute noch ihre Verlobung feiern wollte. Paul trug nämlich einen würdigen dunklen Anzug, und im Kühlschrank hatte sie ein paar Flaschen Sekt stehen sehen.

Sie würden heute nicht geöffnet werden, und Gudruns einziges Bestreben war, Paul die Peinlichkeit eines Korbes zu ersparen.

Der junge Mann betrachtete sie immer wieder hingerissen von der Seite. Sie trug zwar nur ein schlichtes Hauskleid, aber es stand ihr ganz bezaubernd. Wenn Paul die Augen schloss, sah er sie schon in der Villa, die er sich bauen lassen wollte.

„Habt ihr nicht Lust, noch ein bisschen spazieren zu gehen?“, fragte Vater Karl augenzwinkernd, als das Gespräch der beiden immer wieder ins Stocken geriet.

Gudrun zog sich einen leichten Sommermantel über, lehnte aber Pauls Arm ab, den er ihr höflich anbot.

Paul ging nachdenklich an ihrer Seite. „Gudrun, wir kennen uns lange Jahre. Wir sind fast miteinander aufgewachsen, kann man sagen. Und deshalb … wird es dich vielleicht auch nicht überraschen, wenn ich nun …“

„Bitte, nein“, fiel Gudrun ihm ins Wort. „Ich muss dir etwas gestehen, Paul. Du sollst der Erste sein, der es hört.“

Der junge Mann sah nicht aus, als sei er an ihrem Geheimnis im Augenblick sehr interessiert.