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Als Louisa glaubt, nach ihrem ersten Abenteuer wieder in Sicherheit zu sein, ruft das Zeichen des Mondlichts sie erneut. Seltsame Träume, ein verborgenes Portal und eine neue Bedrohung aus der Schattenwelt zwingen sie, tiefer in das Mysterium einzutauchen, als je zuvor. Gemeinsam mit Siran begibt sie sich auf eine gefährliche Reise zwischen Licht und Dunkelheit, Magie und Wahrheit. Doch das Zeichen verändert nicht nur ihr Schicksal, es stellt alles in Frage, woran sie bisher geglaubt hat. Ein magischer, spannender und gefühlvoller zweiter Band der Mondlicht-Chroniken für Leserinnen und Leser ab 10 Jahren, die den Zauber von Freundschaft, Mut und Geheimnissen lieben.
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 - Rückkehr in den Alltag
Kapitel 2 - Erster Ausbruch
Kapitel 3 - Die zweite Sicht
Kapitel 4 - Die Warnung
Kapitel 5 - Das Erwachen des Amuletts
Kapitel 6 - Der Garten, den niemand sieht
Kapitel 7 - Die Hüterin des Zeichens
Kapitel 8 - Die Schatten finden sie
Kapitel 9 - Keine Zuschauerin mehr
Kapitel 10 - Spuren im Verborgenen
Kapitel 11 - Der Hof mit dem Brunnen
Kapitel 12 - Jenseits des Brunnens
Kapitel 13 - Das, was nicht geplant war
Kapitel 14 - Das Echo im Dunkeln
Kapitel 15 - Die Jagd beginnt
Kapitel 16 - Der Pfad aus Licht
Kapitel 17 - Die Nachricht in der Dunkelheit
Kapitel 18 - Der Entschluss
Kapitel 19 - Aufbruch zum Spiegelsee
Kapitel 20 - Der Spiegelsee
Kapitel 21 - Das erste Aufleuchten
Kapitel 22 - Der Kunde vom Licht
Kapitel 23 - Der Kreis schließt sich
Kapitel 24 - Das Herz des Stabs
Kapitel 25 - Die verborgene Weberei
Kapitel 26 - Linien im Licht
Kapitel 27 - Der Ruf aus der Spirale
Kapitel 28 - Der unausweichliche Test
Kapitel 29 - Herzschlag im Stillstand
Kapitel 30 - Der Weg ohne Schatten
Kapitel 31 - Licht im Nebel
Kapitel 32 – Die Warnung
Kapitel 33 - Das Pochen in der Ferne
Kapitel 34 - Die Brücke des Vergessens
Kapitel 35 - Der verbotene Blick
Kapitel 36 - Der Schatten in mir
Kapitel 37 - Das Flackern
Kapitel 38 - Fremde Schritte
Kapitel 39 – Der Ruf im Laub
Kapitel 40 - Fesseln aus Licht
Kapitel 41 - Die unsichtbare Wand
Kapitel 42 - Die Hand im Schatten
Kapitel 43 - Der Griff ins Ungewisse
Kapitel 44 - Zwischen Wahrheit und Lüge
Kapitel 45 - Der Funke erwacht
Kapitel 46 - Das Tor aus Licht
Kapitel 47 - Im Herzen des Licht
Kapitel 48 - Funken in der Dunkelheit
Kapitel 49 - Die Jäger der Funken
Kapitel 50 - Der Fluss ohne Namen
Kapitel 51 - Das Herz der Tiefe
Kapitel 52 - Wenn die Tiefe atmet
Kapitel 53 - Schatten im Wasser
Kapitel 54 - Der Atem aus Eis
Kapitel 55 - Zwei Kräfte, ein Herzschlag
Kapitel 56 - Die Stille danach
Kapitel 57 - Der Weg ins Verborgene
Kapitel 58 - Das verborgene Tal
Kapitel 59 - Der Riss
Kapitel 60 - Die Wahl
Kapitel 61 - Der Pfad aus Licht
Kapitel 62 - Wenn der Riss atmet
Kapitel 63 - Funken in der Stille
Kapitel 64 - Die silbernen Augen
Kapitel 65 - Die erste Probe
Kapitel 66 - Unterbrochen
Kapitel 67 - Feuer im Blut
Kapitel 68 - Augen im Dunkeln
Kapitel 69 - Die Sprache der Elemente
Kapitel 70 - Wenn die Elemente fühlen
Kapitel 71 - Die Prüfung im Schattenwald
Kapitel 72 – Die Gestalt am Waldrand
Kapitel 73 - Die Jäger
Kapitel 74 - Klingen und Schatten
Kapitel 75 - Das Versteck im Wurzelwald
Kapitel 76 – Funke im Dunkeln
Kapitel 77 – Der Wald erwacht
Kapitel 78 – Labyrinth aus Wurzeln
Kapitel 79 – Die Hütte am Rand
Kapitel 80 – Die Frau mit den glühenden Augen
Kapitel 81 – Worte aus Asche
Kapitel 82 – Das Flüstern im Holz
Kapitel 83 – Silberner Atem
Kapitel 84 – Durch den Riss
Kapitel 85 – Der Wächter im Nebel
Kapitel 86 – Die Warnung vor dem Osten
Kapitel 87 – Der Ruf im Traum
Kapitel 88 – Entschluss wider jede Warnung
Kapitel 89 – Der erste Schritt in den Osten
Kapitel 90 – Schritte im Nebel
Kapitel 91 – Der Atem des Nebels
Kapitel 92 – Feuer in den Adern
Kapitel 93 – Augen über den Wolken
Kapitel 94 – Der Bote aus dem Nichts
Kapitel 95 – Zweifel im Lager
Kapitel 96 – Die Warnung im Traum
Kapitel 97 – Misstrauen im Morgenlicht
Kapitel 98 – Der Schatten im Zeltgang
Kapitel 99 – Jagd im Mondlicht
Kapitel 100 – Das Echo des Blutes
Kapitel 101 – Die Karte, die atmet
Kapitel 102 – Der Pfad, der sich windet
Kapitel 103 – Die Stimme unter der Brücke
Kapitel 104 – Feuer im Wind
Kapitel 105 – Das Tor im Nebel
Kapitel 106 – Der Atem des Tores
Kapitel 107 – Jenseits des Passes
Kapitel 108 – Die erste Prüfung der Kräfte
Kapitel 109 – Wenn Schatten wachsen
Kapitel 110 – Der Pfad der Drei Ströme
Der Regen hatte den Asphalt in ein schwarzes, glitzerndes Band verwandelt. Louisa stand am Fenster ihres Zimmers und beobachtete, wie die Tropfen gegeneinander rannten, sich vereinten und als kleine Flüsse in der Fensterbank verschwanden. Berlin wirkte an diesem Nachmittag wie in Watte gepackt – gedämpft, grau, unscheinbar.
Fast so, als wolle die Stadt verschweigen, dass vor wenigen Wochen noch Magie durch jede Faser ihres Lebens geströmt war.
Sie presste die Stirn leicht gegen das kühle Glas. Das Spiegelabenteuer schien manchmal wie ein Traum, so unwirklich und weit weg. Aber dann gab es wieder diese Momente – wenn das Amulett an ihrer Kette warm wurde oder das Zeichen auf ihrer Haut im Verborgenen pulsierte –, in denen sie wusste, dass es kein Traum gewesen war.
Das geschwungene Symbol, wie der Halbmond in einer klaren Nacht, lag unter dem Stoff ihres Pullovers verborgen. Niemand durfte es sehen.
„Louisa!“, rief ihre Mutter aus der Küche. „Essen ist fertig!“
Sie zuckte zusammen, als hätte sie etwas Verbotenes getan, und zog den Pulli glatt.
Der Duft von Tomatensuppe drang die Treppe hinauf. Ein Geräusch von klapperndem Besteck und das leise Summen des Kühlschranks folgten ihr, als sie nach unten ging. Alles war wie immer. Alles sollte wie immer sein.
Sie setzte sich an den Küchentisch, während ihre Mutter den Teller vor ihr abstellte.
„Danke“, murmelte Louisa und nahm den Löffel in die Hand.
In dem Moment blitzte das Amulett an ihrer Kette schwach auf. Nur für den Bruchteil einer Sekunde – kaum sichtbar, aber genug, dass Louisa den Löffel sinken ließ.
„Alles okay?“ Ihre Mutter sah sie prüfend an.
„Ja… ich glaube schon.“ Louisa zwang ein Lächeln auf die Lippen, nahm den Löffel wieder auf und tauchte ihn in die Suppe.
Doch das Gefühl blieb – ein Kribbeln unter der Haut, als würde etwas in ihr aufwachen.
Sie versuchte, den Blick auf die Suppe zu richten, aber aus dem Augenwinkel sah sie eine Bewegung am Küchenfenster. Nur ein Schatten, der sich rasch zurückzog. Zu schnell, um ein Vogel zu sein.
Louisa hielt inne, das Herz klopfte schneller.
„Hast du’s gesehen?“, fragte sie leise.
„Was denn?“
„Am Fenster… nichts. Schon gut.“ Sie zwang sich, ruhig weiter zu essen.
Aber tief in ihrem Inneren wusste Louisa, dass die Ruhe, die sie nach dem letzten Abenteuer erwartet hatte, nur eine Illusion war.
Etwas regte sich. Etwas, das stärker war als zuvor.
Und es würde nicht lange still bleiben.
Der nächste Morgen begann wie jeder andere – zumindest auf den ersten Blick.
Die Sonne kämpfte sich zwischen den Wolken hindurch, und in Louisas Zimmer lag der Geruch von frisch gewaschener Wäsche.
Sie zog den Pulli vom Vortag über, nahm das Amulett in die Hand und spürte sofort die leichte Wärme, die seit einigen Tagen nicht mehr verschwunden war.
In der Schule redeten alle durcheinander.
Die Ferien waren vorbei, und jeder wollte erzählen, was er erlebt hatte.
Louisa lächelte mechanisch und nickte, während ihre Freundin Mia von einem Urlaub am Meer berichtete.
Aber in ihrem Kopf liefen ganz andere Bilder ab: silbernes Licht, flüsternde Stimmen, das Glühen ihres Zeichens.
„Louisa?“, riss Mia sie aus den Gedanken.
„Hm?“
„Du wirkst… irgendwie abwesend. Alles gut?“
„Ja, klar. Bin nur müde.“
Die Stunden zogen sich, und mit jedem Klingeln schien Louisa unruhiger zu werden.
Als sie in der großen Pause mit Mia auf dem Schulhof stand, bemerkte sie drei ältere Jungs, die einen jüngeren Schüler bedrängten.
Sie lachten, stießen ihn gegen die Mauer, rissen ihm den Rucksack weg.
„Nicht hinsehen“, flüsterte Mia, „die lassen dich sonst nicht in Ruhe.“
Doch Louisa spürte, wie in ihrem Inneren etwas hochstieg – eine Mischung aus Zorn und diesem seltsamen Kribbeln, das vom Zeichen ausging.
Bevor sie darüber nachdenken konnte, trat sie vor.
„Lasst ihn in Ruhe!“ Ihre Stimme klang fester, als sie erwartet hatte.
Die Jungs drehten sich um, einer grinste höhnisch. „Sonst was?“
Louisa ballte die Fäuste – und in diesem Moment flackerte das Amulett auf, so hell, dass sie es sogar durch den Pulli sah.
Ein warmer Schub ging von ihrer Brust aus, breitete sich in ihren Armen aus und entlud sich in einer unsichtbaren Welle.
Die Jungs wichen erschrocken zurück. Einer stolperte, als hätte ihn jemand geschubst, obwohl Louisa ihn nicht berührt hatte.
Der jüngere Schüler nutzte die Gelegenheit und rannte davon.
„Was… war das gerade?“, hauchte Mia.
Louisa spürte ihr Herz bis in die Fingerspitzen schlagen.
„Ich… ich weiß es nicht.“
Aber tief drinnen wusste sie genau: Das Zeichen und das Amulett hatten zum ersten Mal zusammengearbeitet.
Und das war erst der Anfang.
Louisa lag in dieser Nacht lange wach.
Der Vorfall auf dem Schulhof spielte sich immer wieder vor ihrem inneren Auge ab – das Licht unter ihrem Pulli, die unsichtbare Welle, die die Jungs zurückweichen ließ.
Sie hatte niemandem davon erzählt, nicht einmal Mia.
Kurz vor Mitternacht stand sie auf und öffnete das Fenster.
Die Stadt lag still da, nur das Summen einer fernen Straßenbahn und vereinzelte Autogeräusche drangen zu ihr.
Der Mond hing groß und klar am Himmel, und sein Licht legte sich wie ein silberner Schleier über die Häuser.
Als sie zum Amulett griff, passierte es.
Ein warmer Stoß ging durch ihren Körper, das Zeichen auf ihrer Haut begann zu leuchten – und die Welt veränderte sich.
Die grauen Häuserwände schimmerten plötzlich in sanften Farben, als würden darunter verborgene Muster pulsieren.
Zwischen den Bäumen im Park gegenüber bewegten sich Gestalten – zu groß für Katzen, zu schmal für Menschen, ihre Umrisse flirrten im Mondlicht.
Und über den Dächern glitten schattenhafte Vögel, deren Flügel funkelten wie Sternenstaub.
Louisa blinzelte. Die Gestalten blieben.
Es war, als hätte jemand einen Vorhang beiseitegezogen und ihr eine zweite Welt gezeigt – eine, die immer schon da gewesen war, aber nur für wenige sichtbar.
Plötzlich blieb eine der Gestalten im Park stehen.
Langsam hob sie den Kopf, als wüsste sie, dass Louisa sie beobachtete.
Selbst aus der Entfernung spürte Louisa den Blick – scharf, wissend, nicht feindlich, aber auch nicht freundlich.
Das Wesen legte den Kopf schief und hob eine Hand, als wollte es sie zu sich rufen.
Louisas Herz raste.
Ein Teil von ihr wollte hinüberlaufen, herausfinden, wer oder was das war.
Ein anderer Teil flüsterte: Bleib, wo du bist. Noch nicht.
Sie trat zurück, zog das Fenster zu und lehnte sich dagegen.
Das Licht auf ihrer Haut verblasste, die Gestalten verschwanden, und die Welt war wieder so, wie sie immer gewesen war.
Doch Louisa wusste: Das hier war keine Einbildung.
Die zweite Sicht hatte sich geöffnet – und es würde nicht lange dauern, bis sie wiederkam.
Der Morgen danach fühlte sich seltsam an.
Louisa ging durch die Straßen wie durch einen Traum, jeder Schatten schien ein Stück zu dunkel, jeder Windhauch ein wenig zu kalt.
Sie konnte den Blick der Gestalt aus dem Park nicht vergessen – diese stumme Aufforderung, die zwischen Neugier und Gefahr schwebte.
In der Schule war sie abgelenkt, verwechselte Arbeitsblätter und vergaß, bei Mathe überhaupt mitzuschreiben.
„Du bist heute irgendwie… woanders“, stellte Mia fest, als sie nach Hause gingen.
Louisa zuckte mit den Schultern. „Nur schlecht geschlafen.“
Als sie später allein durch den kleinen Park am Ende ihrer Straße ging, blieb sie abrupt stehen.
Dort, auf der Bank unter der alten Linde, saß jemand.
Ein Junge, vielleicht ein, zwei Jahre älter als sie, mit dunklen Haaren, die ihm in die Stirn fielen.
Er wirkte, als würde er auf jemanden warten – und als er Louisa sah, lächelte er.
„Ich dachte, wir treffen uns endlich.“ Seine Stimme war ruhig, fast zu ruhig.
„Kennen wir uns?“
„Noch nicht offiziell.“ Er tippte sich an den Hals, genau an die Stelle, wo Louisa ihr Zeichen trug – als wüsste er genau, dass es da war.
„Du solltest vorsichtig sein. Es gibt Leute, die sehen dein Licht… und wollen es für sich.“
Louisa spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. „Wer bist du?“
„Jemand, der schon zu lange zwischen den Welten steht. Und der weiß, dass du beobachtet wirst.“
Er stand auf, ging ein paar Schritte, dann drehte er sich noch einmal um.
„Wenn sie dich finden, bevor du deine Kräfte kontrollierst, wird das Licht verlöschen. Und mit ihm… du.“
Bevor Louisa reagieren konnte, war er zwischen den Bäumen verschwunden – einfach weg, als hätte er sich im Wind aufgelöst.
Sie blieb allein zurück, das Pochen ihres Zeichens so laut, dass sie es fast hören konnte.
Wer war dieser Junge?
Und wer genau suchte sie?
Louisa konnte kaum stillsitzen.
Seit der Begegnung im Park brannten die Worte des Fremden in ihrem Kopf wie glühende Kohlen: Wenn sie dich finden, bevor du deine Kräfte kontrollierst…
Am Abend schloss sie die Tür zu ihrem Zimmer und zog den Vorhang zu.
Das Amulett hing schwer um ihren Hals, und als sie es in die Hand nahm, fühlte es sich wärmer an als sonst.
Das Zeichen auf ihrer Haut pulsierte im gleichen Rhythmus – wie Herzschlag und Atem zugleich.
„Na schön…“, murmelte sie. „Wenn ich es kontrollieren soll, muss ich wissen, was es kann.“
Sie setzte sich auf den Boden, legte das Amulett in die Handfläche und konzentrierte sich.
Zuerst geschah nichts – nur das leise Summen ihres Laptops im Hintergrund.
Doch dann…
Ein Kribbeln breitete sich von der Handfläche aus, wanderte den Arm hinauf und sammelte sich in ihrer Brust.
Das Licht im Raum schien sich zu verändern, weicher zu werden, und plötzlich konnte sie jedes Detail sehen – den winzigen Riss im Holz ihres Schreibtisches, Staubpartikel, die in der Luft tanzten, als wären sie kleine Sterne.
Louisa hielt den Atem an.
Sie dachte an die Gestalt aus dem Park – und sofort formte sich in der glänzenden Fläche des Amuletts ein Bild.
Verschwommen zuerst, dann klarer: dieselbe Silhouette, die diesmal vor einem alten Tor stand, halb verborgen von Schatten.
„Was bist du?“ flüsterte Louisa.
Das Bild flackerte – und dann formten sich Worte, nicht laut, sondern direkt in ihrem Kopf:
Finde mich, bevor er es tut.
Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie öffnete die Hand, und das Amulett fiel zurück gegen ihre Brust, das Licht erlosch.
Der Staub im Zimmer tanzte wieder ganz normal, die Welt war wieder grau.
Aber Louisa wusste jetzt zwei Dinge:
Das Amulett konnte Bilder senden.
Und jemand – vielleicht der Fremde, vielleicht ein anderer – wollte, dass sie ihn findet.
Am nächsten Nachmittag konnte Louisa an nichts anderes mehr denken.
Das Bild im Amulett – der Fremde vor dem Tor – brannte sich in ihr Gedächtnis wie eine Erinnerung, die gar nicht ihre eigene war.
Sie beschloss, durch den Park zu gehen, in der Hoffnung, irgendeine Spur zu finden.
Es war später Nachmittag, die Sonne hing tief, und das Licht schimmerte golden durch die kahlen Äste.
Kinder spielten auf dem kleinen Spielplatz, Jogger liefen vorbei, doch Louisa spürte schon nach wenigen Schritten, dass etwas nicht stimmte.
Ein Kältehauch wehte an ihr vorbei, ohne dass sich ein Blatt bewegte.
Ihr Zeichen begann zu kribbeln.
Und dann sah sie es – zwischen zwei alten Linden stand ein schmales Tor aus schwarzem Eisen, überwuchert von Ranken.
Die meisten Passanten gingen achtlos daran vorbei, als wäre es gar nicht da.
Louisa verstand: Sie konnte es nur sehen, weil ihr Zeichen offen war.
Zögernd legte sie die Hand an den kalten Griff.
Ein leises Summen vibrierte unter ihrer Haut, das Amulett glühte schwach.
Mit einem sanften Ruck schwang das Tor auf – und der Lärm des Parks verstummte.
Hinter dem Tor erstreckte sich ein Garten, wie sie ihn noch nie gesehen hatte.
Bäume mit silbernen Blättern, deren Äste im Wind flüsterten.
Blumen, die sich nach ihr zu neigen schienen, als wollten sie sie begrüßen.
Ein schmaler Bach zog sich durch das Gras, und das Wasser funkelte wie flüssiges Glas.
Louisa machte ein paar Schritte hinein.
Die Luft war warm, obwohl es draußen kühl war.
Vögel mit schillernden Flügeln flogen lautlos über ihren Kopf, und am Rand des Baches saß eine Gestalt – nicht der Fremde aus dem Park, sondern eine Frau mit Haaren, die wie fließendes Mondlicht wirkten.
„Du bist zu früh hier, Louisa“, sagte die Frau, ohne sich umzudrehen.
„Wo bin ich?“
„An einem Ort zwischen den Welten. Er gehört nicht ganz zu deiner… und nicht ganz zu meiner.“
Louisa trat näher. „Warum kann ich ihn sehen?“
„Weil das Zeichen dich dafür erwählt hat. Aber mit dieser Gabe kommt auch die Pflicht, ihn zu schützen.“
Die Frau wandte sich ihr zu – ihre Augen leuchteten in einem sanften, fast unirdischen Blau.
„Und das, Kind, wird gefährlicher, als du dir vorstellen kannst.“
Louisa blieb stehen, unsicher, ob sie einen Schritt näher wagen sollte.
Die Frau im silbernen Licht wirkte gleichzeitig sanft und gefährlich, wie jemand, der lächeln und im nächsten Moment ein Schwert ziehen könnte.
„Wer bist du?“
„Man nennt mich Elyra“, sagte die Frau und legte eine Hand in den Bach. Das Wasser kräuselte sich, als würde es ihre Finger erkennen.
„Ich bin eine Hüterin. Und du… bist eine Trägerin.“
Louisa verschränkte die Arme. „Und was soll das heißen?“
Elyra musterte sie lange, als würde sie abwägen, wie viel sie sagen durfte.
„Es gibt zwölf Zeichen in dieser Welt – und in den Schatten, die sie umgeben. Sechs für das Licht, sechs für die Dunkelheit. Du trägst eines der Lichtzeichen. Das bedeutet, dass du Zugang zu Orten hast, die anderen verborgen bleiben. Und zu Kräften, die man dir entweder nehmen oder zerstören will.“
Louisa schluckte. „Wer will das?“
„Jemand, den du noch nicht sehen sollst. Nicht bevor du bereit bist.“
Das Amulett an ihrem Hals begann sanft zu glühen, als wollte es die Worte der Frau bestätigen.
„Warum gerade ich?“
Elyra lächelte traurig. „Weil das Zeichen dich gewählt hat. Und weil du imstande bist, mehr zu opfern, als du denkst.“
Louisa wollte etwas erwidern, doch ein fernes, tiefes Dröhnen vibrierte durch den Garten.
Die Blumen schlossen sich, die Vögel verschwanden im Laub. Elyra stand auf, die Augen plötzlich ernst.
