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Die Menschheit wird unbemerkt von einer Alienrasse beobachtet. Einer weiblichen Alien, Observer 00102, eine von mehr als 10.000 Außerirdischen, die von ihren getarnten Beobachtungsschiffen und durch Oberflächeneinsätze Informationen sammeln, wurden vor einiger Zeit Finn und die inzwischen schwangere Louisa zugeteilt.
Die Beobachterin erfährt zum ersten Mal Liebe und Zuneigung in ihren stärksten Formen, da ihre Spezies nur zu rudimentären eigenen Emotionen in der Lage ist. Aber sie kann die Gefühle anderer spüren, wenn auch nicht selbst empfinden.
Doch 00102, eine Wissenschaftlerin namens Blem Lun Ga, entwickelt sich, und in ihren Berichten für ihre Vorgesetzten schreibt sie diese Erfahrungen und ihre Gedanken nieder. Als Lea auf die Welt kommt, empfindet die Beobachterin dieselbe Freude wie Louisa und Finn, und als Louisa und Lea bei einem Unfall sterben, fühlt sie Finns Schmerz und Trauer wie einen eigenen Verlust.
Finn ist in der Folge stark depressiv und wiederholt suizidgefährdet, und selbst sein jüngerer Bruder Sasha kann dies nicht ändern. Lun Ga ist sehr besorgt, doch eine Beobachterin ist nur zum Beobachten da, und ihre Vorgesetzten untersagen ihr, zu intervenieren.
Lun Ga muss eine Entscheidung treffen: Hält sie sich an die Direktive, oder versucht sie, Finn zu helfen und von einem schlimmen Entschluss abzuhalten? Doch wie könnte sie dies tun, ohne sich als Außerirdische zu erkennen zu geben? Unerwartet erhält sie inoffizielle Unterstützung aus ihrer Heimatwelt ...
Der Roman ist eine Variante des Originals mit dem Titel "Beobachterin 00102: Wohin die Reise führt ...". Diese alternative Version hat grundsätzlich denselben Umfang und Handlungsverlauf, aber Delia ist durch Finn ersetzt worden. Notwendige Anpassungen wurden berücksichtigt.
Eine feinfühlige, das Herz berührende Geschichte aus Sicht einer Außerirdischen über ewige Liebe und schmerzhafte Trauer. Gibt es trotzdem ein Happy End?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Kapitel 1: Sommertraum
Kapitel 2: Sommerregen
Kapitel 3: Herbsttrauer
Kapitel 4: Winterschmerz
Kapitel 5: Frühlingserinnerungen
Kapitel 6: Frühlingsträume
Kapitel 7: Sommerentscheidungen
Kapitel 8: Sommerbegegnungen
Kapitel 9: Zärtliche Fürsorge
Kapitel 10: Geburt und Tod
Kapitel 11: Das Rätsel des rosafarbenen Planeten
Kapitel 12: Danach ...
Epilog: Von Träumen, Viskositäts-Theorien und wie wir Ehloyih über die Menschen denken
Kleine Rechenaufgabe:
Hinweise:
Zitate und Quellen:
Impressum:
Virtueller Buchrückentext:
Rapport Nummer: 00092
Erdenzeit: 14. Juni
Observer Nummer: 00102 Geschlecht Observer: weiblich Geschlecht der beobachteten Personen (2): 1 x männlich, 1 x weiblich Status der Personen: intime Beziehung überwiegender Gefühlszustand: verliebt, glücklich
äußere Anmutung der Beziehung: liebevoll, harmonisch
Wieder einmal stelle ich fest, dass die Menschen so ganz anders sind als wir. Diese Tiefe der Zuneigung, die auf der Erde zwischen zwei Menschen möglich ist, ist uns fremd. Wie ich schon in einem der früheren Berichte mitteilte, nennen sie das Gefühl "Liebe". Empfinden zwei Menschen füreinander dasselbe, sprechen sie von "verliebt sein". Ich kann ihre Liebe spüren, aber ich kann sie nicht selbst empfinden oder nachvollziehen. Niemand von uns kann das - eigentlich. Aber je länger ich auf diesem Planeten verweile, oder in meinem Raumschiff über ihm, umso mehr kann ich das erahnen, was zwischen ihnen ist. Ich komme nicht umhin, zu bemerken, dass mir das Erahnen nicht mehr genügt.
Wir kennen diese Art der engen Verbindung nicht. Ich frage mich, ob wir es lernen könnten, in der langen Zeit, die uns zur Verfügung steht? Aber ich SPÜRE ihr Glück, wenn sie zusammen sind, und ihre Freude, wenn sie sich sehen. Diese emotionalen Zustände sind mir etwas zugänglicher als die Liebe, und ich finde es wunderschön, daran Anteil zu haben; schöner als alles, was ich in unserer Heimat jemals erlebt habe. Beinahe beneide ich sie, um ihr Menschsein, selbst wenn ich an ihre schnelle Vergänglichkeit denke.
Ich ziehe ernsthaft in Betracht, nach meiner Mission auf diesem Planeten zu verbleiben, und in diesem menschlichen Körper zu verbleiben, den ich von Zeit zu Zeit annehme, falls Der Weise Rat einer dauerhaften Transformation zustimmen sollte, und falls unsere Wissenschaftler dies ermöglichen sollten.
Wie ich hörte, haben auch andere von uns diesen Wunsch; nicht die Mehrheit, aber doch einige, obwohl sie wissen, welche Risiken sie damit eingehen und welchen Preis sie letztendlich zahlen würden.
Die schwangere Louisa fühlt so viel Liebe in sich, dass ich zuversichtlich bin, es besser zu verstehen und die Grenzen meiner eigenen Empfindbarkeit zu überwinden. Sie hat Liebe für zwei in sich: Für ihren langjährigen Freund Finn und für das ungeborene Kind.
Ich schließe den Bericht, um meine Beobachtungen fortzusetzen, und ich komme nicht umhin, zu fühlen, dass ich mich darauf ... freue! Dies lässt mich hoffen, dass wir lernfähig sind, was die Entwicklung neuer und stärkerer Emotionen angeht. Es ist eine Eigenschaft, die es wert zu sein scheint, unseren Eigenarten hinzugefügt zu werden.
Beobachterin 00102, Ende.
.....
Es war ein schöner meteorologischer Frühsommertag, nicht heiß, sondern angenehm warm; vierundzwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Grad. Louisa hatte die Vorhänge zugezogen und lag auf dem gemeinsamen Bett. Vor zwei Jahren waren sie zusammengezogen. Hier, in ihrer Dachgeschosswohnung mit Balkon und Blick über die Wiesen am Stadtrand bis zum nahegelegenen Wald, waren sie glücklich. Manchmal konnten sie Rehe beobachten, früh morgens oder während der Abenddämmerung.
Sie trug ein rot-schwarzes Kleid mit romantischem Rosendruck und schmalen Trägern. Das Kleid war eng, aber sehr dehnbar. Es war nicht teuer gewesen; ein günstiges Schnäppchen aus dem Sommerschlussverkauf. Es endete in Höhe der Mitte der Oberschenkel und spannte sich über Louisas prallem Schwangerschaftsbauch, der wie eine Kugel unter ihren Brüsten hervorstand.
Louisa lag auf der rechten Seite und hatte die nackten Beine angezogen, so dass ihr Babybauch gut geschützt in der Mitte lag. Wie jede Schwangere, legte auch sie die Hände hin und wieder auf ihren Bauch, streichelte und fühlte ihn und erfreute sich an seiner täglich ein wenig größer werdenden, runden Form. Dass er sich im Alltag generell eher störend auswirkte und dazu führte, dass sie sich in manchen Situationen unsicher und wie in Zeitlupe bewegte, nahm sie gern in Kauf.
Sie vertrug die Schwangerschaft entgegen ihren Befürchtungen gut, und für nichts auf der Welt würde sie auf diese Erfahrung verzichten wollen, denn das Gefühl war mit nichts zu vergleichen. Das Aussehen allerdings auch nicht. Obwohl sie ihre kugelige Form selbst sehr schön und ästhetisch fand, nahm sie sich vor, sich dies von Finn wieder einmal bestätigen zu lassen, wie so oft in den letzten Monaten. Denn dass Finn sie nicht mehr begehrenswert fand, war eine Vorstellung, die sie kaum ertragen konnte, obwohl sie wusste, dass seine Liebe nicht nur auf ihren Äußerlichkeiten basierte.
Sie hatten sich im letzten September für ein Kind entschieden, und es hatte auch schnell geklappt. Dies war gut, denn sie wollten eine glückliche, kleine Familie werden, wie schon unzählige Paare vor ihnen.
Es konnte nur noch ein paar Minuten dauern, bis ihr Liebster nach Hause kam. Louisa wechselte die Position. Sie wollte eine Haltung einnehmen, in der sie möglichst toll aussah. Zunächst drehte sie sich auf den Rücken und brachte ihren Oberkörper langsam und stöhnend in eine halbwegs aufrechte Lage. Bei der Bewegung spürte sie das Gewicht des kleinen Lebewesens in sich. Sie sah über ihre Brüste auf den hervorstehenden Babybauch hinab. Sich so weit wie möglich vorbeugend, versuchte sie, auf das untere Ende des Kleides zu blicken, das hochgerutscht war und sich direkt unter ihrem Bauch befand. Vergeblich. Die kugelige Körperregion war so groß, dass sie den Saum des Kleides nicht sehen konnte, so sehr sie sich auch bemühte. Allerdings war es ein Kleidungsstück, das unmittelbar unter den Busen und ebenso unter Louisas Schwangerschaftspracht wieder sehr eng am Körper anlag, wie eine zweite Haut. Kein Wunder: Größe 36. Louisa hatte es vor ihrer Schwangerschaft gekauft. Aber aufgrund der extremen Dehnbarkeit konnte sie es auch jetzt sehr gut tragen. Es war eines ihrer Lieblingsteile im Sommer. Sie lächelte, als sie an den Tag zurückdachte, an dem sie es bei einer Shoppingtour gekauft hatte, und wie Finn sie bei der Anprobe bewundert hatte. Eigentlich waren Shoppingtouren nichts für ihn, aber er machte sie ihr zuliebe stets mit und tat, als würde es ihm Spaß machen.
Louisa überlegte, ob sie sich in der Haltung von vorhin auf die linke Seite legen sollte. Finn würde sie beim Betreten des Schlafzimmers von hinten sehen und sein Blick würde auf Louisas Po fallen, der sich ihm wegen der angezogenen Beine förmlich entgegenstrecken würde. Louisas Po war in den letzten Wochen ebenfalls runder geworden. J.Lo wäre vor Neid erblasst ...
Louisa probierte die Haltung aus. Der Bauch war wie immer ein wenig im Weg, wenn sie zu sehr auf der Seite lag, also korrigierte sie ihre Haltung etwas. Sie berührte die vorstehende Körperregion unterhalb ihrer Busen zärtlich mit der linken Hand und fuhr gleichzeitig mit rechts über ihren Po. Die an sich schlanke Frau genoss ihre kurvigen Formen, die sie der Schwangerschaft verdankte. Sie richtete den Oberkörper ein wenig auf, strich mit der rechten Hand die blonden Locken aus dem Gesicht und betrachtete abwechselnd ihre Busen, ihren Bauch und den Po. Louisa war sehr zufrieden und fühlte sich toll.
Aber vor allem freute sie sich auf das Mädchen, das in ihr heranwuchs. Die Ultraschallbilder waren so süß. Sie hatten sie sich schon stundenlang gemeinsam angesehen. Das Leben an sich kam ihr bereits wie ein Wunder war, aber als noch größeres Wunder erschien ihr das kleine Lebewesen, das sie in sich trug und nährte. Alles an dem zusammengekauert wirkenden Körper wirkte so winzig und zerbrechlich. Louisa fragte sich, was ihr Baby fühlte und bereits von seiner Umgebung wahrnahm. Welche Eindrücke es auch immer waren: Sie würden bald in Vergessenheit geraten, denn Menschen konnten sich nicht an die Zeit vor ihrer Geburt erinnern; an das kleine Universum aus Flüssigkeit, Wärme, gedämpften Geräuschen sowie sanften Bewegungen und Drehungen in schützender Schwerelosigkeit. Zum ersten Mal wurde Louisa klar, dass sie ein kleines Vermögen geben würde für Erinnerungen an die Zeit, als sie selber noch ungeboren war. Doch dies lag viele Jahre zurück, und nun war sie die Mutter. Der Geburtstermin rückte näher, und schon bald würden sie die Kleine in ihren Armen halten. Die Liebe, die sie bereits jetzt empfand, war nicht in Worte zu fassen.
Nach einigen Minuten legte sich Louisa erneut auf die rechte Seite. Es dauerte ein wenig, bis sie die perfekte Position wiederfand, aber nachdem sie mehrmals die Haltung der Beine und Arme verändert hatte, lag sie endlich sehr bequem.
Sie schloss die Augen und erfreute sich an der friedlichen Stimmung des Tages, dessen Harmonie sie auch in sich selbst spürte.
Durch das schräg geöffnete Fenster drangen leise Geräusche. Hier, am Rand der Siedlung, waren menschliche Aktivitäten eher selten zu hören. Selbst das Zwitschern der Vögel drang an diesem Nachmittag nur gelegentlich ins Zimmer vor. Vermutlich hatten die Tiere es sich im wohltuenden Schein der Sonne bequem gemacht und ruhten sich, wie Louisa, aus.
Eine Viertelstunde später kam Finn nach Hause. Er zog seine Schuhe aus, wusch sich im Bad die Hände und ging zu Louisa ins Schlafzimmer. Die Schwangere sah ihn durch ihre teilweise vor dem Gesicht hinabhängenden blonden Haare an und lächelte verliebt. Sie wusste, dass ihr Freund den ganzen Tag lang sehnsüchtig an sie gedacht hatte.
Finn lächelte zurück. „Hallo, meine zuckersüße Liebeskugel“, sagte er als Begrüßung mit seiner angenehm warmherzig klingenden Stimme.
Louisa Lächeln verstärkte sich. Sie freute sich darüber, dass es Finn gelang, immer neue Kosenamen für sie zu erfinden. Ihr Gefährte setzte sich aufs Bett, beugte sich vor, strich ihr die Haare zur Seite und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
„Wie geht es euch beiden?“
„Es geht uns gut …“
Finn streichelte über Louisas Bauch und genoss das Gefühl der Berührung, als seine Handfläche über die runde, kugelige Form fuhr. „Es fühlt sich toll an“, sagte er. Er mochte es, wenn seine schwangere Freundin dieses Kleid trug. Es betonte ihre Formen so schön.
Louisa legte ihre linke Hand auf Finns und lächelte ihn an. Ihre Augen strahlten regelrecht, denn sie war mit der Liebe ihres Lebens zusammen.
„Fühlt sich die Schwangerschaft immer noch gut an?“ Finn hatte diese Frage schon häufiger gestellt, aber es störte Louisa nicht. Sie fand es gut, dass ihr Lebensgefährte, der zugleich ihre große Liebe war, so besorgt war.
„Ja, es ist ein wenig anstrengend, aber ich fühle mich nach wie vor gut – und sexy“, ergänzte sie mit einem verführerischen Lächeln und leicht gesenktem Kopf.
„Das ist gut!“ Finns Augen blickten fürsorglich.
„Findest du mich auch sexy?“
Finn beantwortete geduldig, wie schon viele Male vorher, diese Frage: „Ja, natürlich. Beinahe noch mehr als vor deiner Schwangerschaft.“
Louisa wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder Sorgen machen sollte. „Dir ist schon klar, dass die Schwangerschaft nur vorübergehend ist und ich nicht immer so aussehen werde, oder?“
„Ja, Gott sei Dank!“
„Also gefalle ich dir schlank doch besser?“, fragte Louisa und stellte fest, dass sie nun doch etwas enttäuscht war.
„Jein; aber ich meinte das eher in Bezug auf die Kleine. Ich kann es kaum erwarten, sie endlich in den Armen zu halten ...“ Finn streichelte erneut zärtlich über Louisas Bauch, und die Sommerwärme schien endgültig in das Herz der Schwangeren einzudringen.
Louisa war glücklich; genauso glücklich wie die seit einigen Minuten wieder häufiger zwitschernden Vögel und die unstet von einer Blüte zur nächsten fliegenden Schmetterlinge im Garten hinter dem Haus. Und sie sah in Finns Augen, dass auch er glücklich war.
„Ich freue mich so auf unsere Zukunft als kleine Familie ...“, hörte sie ihn sagen. Dann beugte Finn sich hinab und sie küssten sich zärtlich.
Louisa schloss ihre Augen. Es wird so schön werden ...
Beide glaubten, dass ihre Zukunft perfekt würde, so perfekt wie jener längst vergangene Sommertag.
Rapport Nummer: 00133
Erdenzeit: 15. September
Observer Nummer: 00102
Geschlecht Observer: weiblich Geschlecht der beobachteten Personen (3): 2 x weiblich, 1 x männlich Status einer Person: lebendig (m)
Status zweier Personen: verstorben (w) Gefühlszustand der verbliebenen Person: sehr traurig
äußere Anmutung der verbliebenen Person: hoffnungslos
Finns und Louisas Glück war vollkommen gewesen; eine gewisse Zeit lang: in den Jahren vor Leas Geburt - sie kannten sich ja schon lange vor Beginn meiner Beobachtungen - und für die Dauer von fast zwei Monaten, nachdem Lea auf die Welt gekommen war. Dann jedoch geschah der furchtbare Unfall, der Louisa und Lea als völlig Unbeteiligte aus dem Leben gerissen hatte. Ein medizinischer Notfall am Lenkrad eines Automobils, eines dieser gummibereiften, erdgebundenen Fahrzeuge, das hier auf der Erde fast jeder besitzt, und die bei uns schon seit Jahrtausenden der Vergangenheit angehören. Louisa und das kleine Mädchen waren noch an der Unfallstelle gestorben; zeitgleich, fast in derselben Sekunde. Der Unfallfahrer war seinem Herzinfarkt kurz nach Eintreffen im Krankenhaus erlegen.
Ein Geschehen, drei Tote. "Zur falschen Zeit am falschen Ort", heißt es hier auf der Erde. Dies traf auf Louisa und Lea zu. Es war ein tragisches Ereignis, das mich sehr erschütterte, weil mir hier, bei den Menschen, die Möglichkeit und die Bedeutung enger Verbindungen klargeworden waren. Als Finn die Nachricht erhielt, brach er regelrecht zusammen, und es brach eine Welt für ihn zusammen. Er weinte und litt so sehr, dass ich es vor lauter Mitleid kaum ertragen konnte. Ich musste meine Beobachtung sogar unterbrechen, weil es mich emotional überforderte, und weil ein minutenlanger Weinkrampf mich dazu zwang. Ich kann nicht beschreiben, wie verwirrend dies für mich als Ehloyih war.
Ich erinnere mich noch gut an den Tag von Leas Geburt, den 12. Juli. Ich konnte dank unserer technischen Ausstattung alles genau beobachten. Der Vorgang der Geburt war schmerzhaft, wie auch bei uns, jedoch in noch stärkerer Form. Für menschliche Frauen ist es eine grausame Tortur aus Schmerz, Anstrengung und Erschöpfung. Aber kaum hatte Louisa es überstanden; kaum hörte sie das Kind schreien und hielt es schließlich in ihren Armen, war der Schmerz vergessen. Louisa und Finn weinten vor Freude und Glück.
Mir schlug ein Welle geballter Freude und Emotionen entgegen, die mich trotz meiner Erfahrungen mit den Gefühlen der Menschen unvorbereitet traf. Da ich all dies ungefiltert empfinden konnte, weinte auch ich über das Ereignis und über ihr gemeinsames Glück. Doch dies hatte ich schon berichtet, und ich bin sicher, damit Erstaunen bei unseren Wissenschaftlern ausgelöst zu haben. Wie ich von den anderen Beobachtern hörte, ist dies ein allgemeines Phänomen, das unsere Rasse betrifft, wenn wir auf eine andere Spezies treffen; eine Spezies wie die Menschen, die so viel Freude, aber auch so viel Trauer und Leid empfinden können.
Wie gnadenlos das Schicksal manchmal zuschlägt, und wie grausam die menschliche Existenz sein kann; auch für die Hinterbliebenen. Finn ist seit dem Unfall untröstlich und lethargisch. Oft weint er. Er vernachlässigt sich vollständig selbst. Er isst und trinkt kaum etwas, ist körperlich und emotional erschöpft, und abends weint er sich oft in den Schlaf.
Für einen Mann ist er nach meinen Beobachtungen außergewöhlich feinsinnig und sensibel. Ich glaube, Louisa hat dies sehr an ihm gemocht. Doch seine Art der Trauer ist mir, ist unserem gesamten Volk, unbekannt. Wir sind niedrigemotionale Wesen, ohne intensive Beziehungen, aber wir können die Emotionen der anderen spüren; besonders dann, wenn es sich um hochemotionale Wesen handelt, was auf die Menschen zutrifft. Ich wusste bislang nicht, dass uns Freude oder Schmerz so tief berühren können, dass selbst ich nun persönlich betroffen bin und um die Gestorbenen trauere. Es ist also mehr als nur die Wahrnehmung von Finns Emotionen. Diese Wahrnehmung geht in die Tiefe und in mein eigenes Herz. Sie erfüllt meinen Geist und das, was die Menschen Seele nennen.