Love - Er liebt ihn - Sissi Kaipurgay - E-Book

Love - Er liebt ihn E-Book

Sissi Kaipurgay

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Beschreibung

7 Storys aus HSN-Bänden Zwanzig Jahre Aus dem HSN-Band Von Trennungen und Versöhnungen Johann ist frisch von Martin getrennt. Er macht Urlaub mit Chris, seinem Ex, der ihn einst für einen Älteren verlassen hat. Inzwischen sind beide 40 und befinden sich in Palma de Mallorca Wiedergeburt? Aus dem HSN-Band Zufall oder Schicksal? Am Grab seines verstorbenen Freundes hat Dennis eine unerwartete Begegnung. Das Tier in dir Aus dem HSN-Band Tierisch verliebt Aus einem gemütlichen Spaziergang wird ein Outing der besonderen Art. Sommerglück Aus dem HSN-Band Sommerabenteuer Sherif verbringt die Semesterferien am Badeteich in Tonndorf. Ausgerechnet Jannes, einer seiner Feinde aus Schultagen, hat das Freibad auch zum Lieblingsaufenthalt auserkoren. Obwohl seit dem Abitur fünf Jahre vergangen sind, fühlt sich Sherif erneut wie der Außenseiter, der er einst war. Wie im Märchen Aus dem HSN-Band Verzauberte Herzen Zwischen Tee- und Brotsorten kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung. Wenn der Weihnachtsmann zweimal klingelt Aus dem HSN-Band Heißkalte Herzen Barnaby hat sich von Holger getrennt, weil der fremdgegangen ist. An Heiligabend taucht sein Ex als Weihnachtsmann verkleidet auf. Was für eine blöde Masche! Griechischer Wein Aus dem HSN-Band Schicksalsklänge Luis versucht, mit einem Urlaub auf Kreta die Trennung von Emil zu verwinden. Das Ganze ist eine Idee seiner Freunde Marvin und Helge, die Stammgäste im Hotel Petridis in Agia Marina sind. Vielleicht liegt’s am griechischen Wein, vielleicht an Stavros, Inhaber der Taverna Petridis, dass Luis immer weniger an Emil denken muss. Rund 39.000 Worte

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Inhaltsverzeichnis

Zwanzig Jahre

1.

2.

3.

Epilog – 20 Jahre später

Wiedergeburt?

1.

2.

7 Jahre später

Das Tier in dir

1.

2.

3.

Epilog - fünf Jahre später

Sommerglück

1.

2.

3.

4.

Epilog - 1 Jahr später

Wie im Märchen

1.

2.

Wenn der Weihnachtsmann zweimal klingelt

1.

2.

3.

Griechischer Wein

1.

2.

3.

4.

5.

Epilog

Love

Er liebt ihn

Meine Storys aus HSN-Bänden

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Korrekturen: Aschure, Dankeschön!

Foto Cover: Depositphotos_4160048_l-2015, Depositphotos_217067690_xl-2015

Cover: Sissi

Kontakt:

Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

c/o Karin Rogmann

Kohlmeisenstieg 19

22399 Hamburg

Zwanzig Jahre

Aus dem HSN-Band Von Trennungen und Versöhnungen

Johann ist frisch von Martin getrennt. Er macht Urlaub mit Chris, seinem Ex, der ihn einst für einen Älteren verlassen hat. Inzwischen sind beide 40 und befinden sich in Palma de Mallorca

1.

Johann streckte seine Beine aus, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Es war herrlich, neben Chris in der mallorquinischen Sonne zu sitzen. Dank des räumlichen Abstandes und der lieben Urlaubsbegleitung, schmerzte die Trennung von Martin inzwischen etwas weniger. Es war aber auch beschissen, wenn man zusammenwohnte und praktisch live miterlebte, wie der Ex mit dem Neuen rummachte. Also, nur im übertragenen Sinne, nämlich dadurch, dass Martin nachts durch Abwesenheit glänzte.

Ehrlich gesagt hatte er das Ende ihrer Beziehung schon lange kommen sehen. Wo mal glühende Leidenschaft blühte, war nur noch Gewohnheit übriggeblieben. Andererseits: Ging es nicht den meisten Paaren so? Wer schaffte es denn, die Verliebtheit der ersten Zeit in den Alltag hinüberzuretten? Johann kannte niemanden, mit Ausnahme seiner Eltern. Wie oft die beiden ihren zweiten Frühling erlebt hatten, konnte er gar nicht zählen.

„Ich hätte Lust auf einen Café con leche“, meldete sich Chris zu Wort.

„Hast du das nicht immer?“, spottete Johann milde. Gleich nach ihrer Ankunft hatten sie welchen in der Hotellobby getrunken.

„Der letzte ist über eine Stunde her.“

„Was sagt denn dein Blutdruck zu deiner Kaffeesucht?“

„Der ist völlig okay, genau wie mein Cholesterinspiegel.“ Chris feixte und stand auf. „Also, was ist? Kommst du mit?“

Sie schlenderten die Promenade entlang, bis sie ein Café entdeckten, das ihnen gefiel. Chris bestellte Milchkaffee, Johann eine Saftschorle. Zu viel Koffein vertrug er nicht. Mit Anfang vierzig musste man auf einiges achten und ihm graute davor, wie es erst mit fünfzig werden würde.

Er musterte sein Gegenüber. An Chris waren die Jahre auch nicht spurlos vorübergegangen. Fältchen in den Augenwinkel, silberne Strähnen an den Schläfen. Johann fand, dass sein Begleiter dadurch noch attraktiver wirkte. Sein eigenes Spiegelbild hingegen mochte er momentan gar nicht. Vermutlich, weil er durch einen Jüngeren ersetzt worden war. Martins Neuer war Mitte zwanzig. Dagegen sah er uralt aus.

Der Mallorca-Urlaub war eine spontane Idee gewesen. In seinem Kummer hatte er durch die Kontaktliste seines Handys gescrollt und war bei Chris‘ Namen hängengeblieben. Sie hatten sich zum Abendessen getroffen und dabei festgestellt, dass sie beide einen Ortswechsel brauchten. So war es zu der Buchung der Reise gekommen.

Die Ironie an der Geschichte: Damals hatte sich Chris ebenfalls von ihm getrennt, um mit einem anderen zusammen zu sein, allerdings einem älteren Mann. Anfangs war Johann dermaßen verletzt gewesen, dass er jeglichen Kontakt vermied. Im Laufe der Monate hatte er sich besonnen und es war Freundschaft zwischen Chris und ihm entstanden. Je nachdem, ob einer von ihnen in einer festen Beziehung steckte, sah man sich mal mehr mal weniger. Martin mochte Chris nicht, weshalb ihr Verhältnis geruht hatte. Im Nachhinein fand Johann es unverständlich, wegen seines Ex ihre Freundschaft vernachlässigt zu haben.

„Übrigens hab ich das Riesen-Arschloch letzte Woche im Sky getroffen“, berichtete Chris. „Sein Neuer kann dir nicht das Wasser reichen.“

Mit Riesen-Arschloch war Martin gemeint. „Sein Neuer hat wesentlich weniger Jahre auf dem Buckel.“

„Ja und? Dann hat er eben ein paar Falten weniger, dafür aber auch weniger Charakter.“

„Und straffere Hinterbacken.“

„Pft.“ Chris machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sex ist nicht alles.“

„Es läuft aber immer darauf hinaus.“

„Zugegeben: Eine platonische Beziehung wäre nichts für mich. Trotzdem muss auch der Rest stimmen.“

„Womit wir wieder bei Mr. Perfekt wären.“ Früher hatten sie oft darüber sinniert, wie der perfekte Partner sein sollte. Als er Martin traf, dachte er, sein Ideal gefunden zu haben. Erfolgreich, gutaussehend, zärtlich und monogam. Vielleicht hatten sie zu wenig an ihrer Beziehung gearbeitet.

„Übrigens mache ich eine Therapie wegen meines Vaterkomplexes“, wechselte Chris das Thema. „Das hätte ich schon viel eher tun sollen.“

„Wieso? Wenn du mit Greisen glücklich bist, ist das doch in Ordnung.“

Chris zeigte ihm einen Vogel. „Der Altersunterschied mag ja okay sein, so lange man jung ist. Inzwischen ist meine Zielgruppe über sechzig. Das ist ja schon fast Leichenschändung.“

„Wieso? Viele werden heutzutage achtzig und älter.“

„Aber nicht bei voller Manneskraft.“

„Ach, geht’s jetzt doch wieder um das eine.“

„Wie gesagt: Platonisch ist nicht mein Ding. Dazu poppe ich zu gern.“

Entweder verstand der Kellner kein Deutsch oder hatte seine Miene gut unter Kontrolle. Mit unbewegtem Gesichtsausdruck stellte er die Getränke vor ihnen ab und eilte wieder davon.

„Und was war noch gleich der Grund, weshalb du deinen letzten Macker abgeschossen hast?“, erkundigte sich Johann süffisant. Laut Chris hatte jener unter Sexsucht gelitten und es jede Nacht dreimal treiben wollen.

„Zu viel ist eben zu viel.“ Chris nippte am Kaffee. „Wie sieht’s aus? Leihen wir uns einen Wagen?“

„Heute schon?“

Chris lüpfte die Augenbrauen. „Gibt es eine Regel, nach der man nicht am ersten Urlaubstag zum Autoverleiher gehen darf?“

Wenig später saßen sie in einem weißen Cabrio und fuhren in Richtung Ballermann. Noch spürte Johann keine Müdigkeit. Sie hatten den ersten Flug um fünf vor sechs ab Hamburg genommen, weshalb er mitten in der Nacht aufgestanden war. Wahrscheinlich würde er den Schlafmangel jedoch bald spüren, denn sie planten, in El Arenal Currywurst zu essen. Natürlich Chris‘ Idee. Sein Freund war diesbezüglich immer noch der Alte: Stets bereit, irgendwelchen Unsinn zu verzapfen.

Als sie gemächlich die Straße am Strand entlang gondelten, äußerte Chris das, was er auch dachte: „Was für eine Scheißidee. Lass uns woanders hin.“

Gesagt -getan. Letztendlich hielten sie in einem Bergdorf und aßen in einem winzigen Restaurant, von dessen Terrasse man bis zum Meer blickte. Currywurst gab es dort glücklicherweise nicht. Anschließend düsten sie noch ein bisschen durch die Gegend, bevor sie nach Palma zurückkehrten, den Wagen abgaben und in ihr Hotel gingen.

Auf die Schnelle hatten sie nur ein Doppelzimmer ergattert. Da sie einander körperlich in- und auswendig kannten, sah Johann darin kein Problem. Derzeit war ihm sowieso nicht nach Alleinsein zumute.

Chris belegte das Bad, während er es sich auf dem Balkon gemütlich machte. Sie hatten Glück: Von dem Freisitz aus konnte man den Hafen sehen. Das andere, verfügbare Zimmer war etwas günstiger, dafür guckte man in eine Seitenstraße.

Er trank einen Schluck Mineralwasser, wobei er das Treiben beobachtete. Unglaublich, wie viele Menschen derart viel Geld besaßen, sich eine große Yacht zu leisten. Andererseits waren diese Luxusobjekte vielleicht durch Darlehen finanziert. Bestimmt galt für sie das Gleiche, wie für dicke Autos.

Chris gesellte sich zu ihm, ein Fläschchen Orangensaft in der Hand. Der Inhalt der Minibar war unverschämt teuer, aber im Urlaub war das okay.

„Und? Wie geht’s dir?“, fragte Chris leise.

„Gut.“ In den letzten Stunden hatte er kaum an Martin gedacht.

„Warum zieht das Riesenarschloch nicht zu dem Neuen?“

„Damit will er noch warten. Er sucht schon nach einer anderen Bleibe.“

„Du könntest erstmal bei mit unterkriechen, bis Mr. R.A. ausgezogen ist.“

„Nenn ihn nicht immer so.“

„Aber es stimmt doch. Er hätte sich erst eine Wohnung suchen sollen, bevor er dir den Arschtritt verpasst.“

„Das ist, wie du weißt, nicht so einfach.“

„Am Geld mangelt’s bei ihm nicht, also ist es doch einfach.“

Das stimmte, aber Martin war nun mal sparsam. Wohlweislich sprach Johann das nicht laut aus, weil er wusste, was Chris dazu sagen würde. Geizhals wäre wohl noch das harmloseste Schimpfwort. „Es ist nun so, wie es ist.“

Wäre die Wohnung nicht sein Eigentum, würde er ausziehen. Manchmal war es ganz schön lästig, etwas zu besitzen.

„Du bist zu gut für diese Welt“, stellte Chris fest, leerte die Flasche und erhob sich. „Gehen wir eine Runde bummeln, bevor‘s Abendessen gibt?“

Bereichert um eine Sonnenbrille mit rotem Gestell, quietschbunte Badehose und einen Mini-Ventilator, - alles Dinge, die er auf Chris‘ Drängen hin erstanden hatte – kehrten sie in ein Lokal ein. Zu Paella gönnten sie sich einen guten Tropfen Rotwein.

Angenehm beschwipst und vollgefressen begaben sie sich zurück ins Hotel. Als Johann ins Bett fiel, dauerte es keine zwei Sekunden, bis er eingeschlafen war.

Am nächsten Morgen war er einige Momente orientierungslos, bis er sich an die Geschehnisse des Vortags erinnerte. Neben ihm: Chris‘ blonder Schopf auf dem Kopfkissen. Das weckte weitere Erinnerungen.

Damals, in ihrem ersten Studienjahr, waren sie rund acht Monate zusammen gewesen. Unzertrennlich, bis Nathan auftauchte. Es kam nicht unerwartet, dass sich Chris von heute auf morgen dem zwanzig Jahre älteren Mann zuwandte. Johann hatte von der Neigung zu Vaterfiguren gewusst. Er konnte es sogar ein bisschen verstehen. Chris‘ Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann, dafür im Privatleben ein Versager. Stets hatte Chris um Zuneigung gebettelt und nie erhalten. Nach dem Outing war’s endgültig vorbei gewesen. Chris‘ Eltern hatten ihren eigenen Sohn rausgeworfen, allerdings mit ordentlicher Mitgift ausgestattet. Schließlich wollten sie sich nicht vorwerfen lassen, ihr Kind zu einer Drogen- oder Stricherkarriere getrieben zu haben.

Johann mochte sich gar nicht vorstellen, wie es in dem lieblosen Elternhaus zugegangen war. Er hatte das genaue Gegenteil erlebt. Auch nach seiner Offenbarung, auf Männer zu stehen, war ihm keine Zuneigung entzogen worden. Dafür war er unendlich dankbar. Vielleicht hätte er sonst ebenfalls einen seelischen Defekt davongetragen, wobei der Hang zu Älteren ja nicht unbedingt von einem Trauma ausgelöst wurde. Manche mochten es eben lieber, wenn ihr Partner mehr Erfahrung besaß.

Chris drehte sich zu ihm um und blinzelte ihn an. „Wer bist du und was tust du in meinem Bett?“

„Erinnerst du dich nicht? Du hast mich gestern abgeschleppt. Wir hatten dreimal heißen, wilden, schmutzigen Sex.“

„Ach so. Dann ist ja alles gut.“ Chris gähnte. „Ich brauch Koffein.“

„Überraschung“, murmelte Johann spöttisch, schwang die Beine aus dem Bett und trottete ins Bad.

2.

Die folgenden drei Tage verbrachten sie mit langen Spaziergängen, ein bisschen Kultur und Ausruhen. Am vierten mieteten sie erneut ein Auto, um die Insel zu erkunden. Dank der späten Jahreszeit waren die Attraktionen nicht überlaufen. Dafür mussten sie allerdings einige Regenschauer und kühlen Wind in Kauf nehmen. Zum Glück hatten sie sich für einen geschlossenen Wagen entschieden. Chris wollte zwar unbedingt wieder ein Cabrio, doch diesmal hatte sich Johann durchgesetzt. Angesichts des fadenscheinigen Stoffverdecks bei dem letzten hielt er seine Entscheidung für sinnvoll.

Beim Abendessen, das sie im Hotelrestaurant einnahmen, geschah es: In dem einen Moment betrachtete er Chris noch als Freund, im nächsten trug er die berühmte rosarote Brille. Hatten seine Gefühle nur auf eine Gelegenheit gewartet, um nach all den Jahren wieder zutage zu treten?

Später, als sie im Bett lagen und Chris schlief, dachte er über die Sache nach. Damals hatte er unter ihrer Trennung sehr gelitten. Mehr als unter der von Martin. Letztendlich hatte er entschieden, dass er lieber ein bisschen Chris als gar keinen wollte. So war ihre Freundschaft entstanden. Konnte es sein, dass seine Liebe die ganze Zeit überdauert hatte? War es mit jedem seiner Partner schiefgelaufen, weil er sie mit Chris verglichen hatte? Wäre es besser gewesen, jeglichen Kontakt zu unterbinden? Andere Frage: Hatte er überhaupt eine Chance bei Chris? Das mit der Therapie klang ja vielversprechend, aber konnte sich ein Mensch derart stark verändern?

Am nächsten Tag bemühte sich Johann redlich, seine Gefühle zu verbergen. Ein schwieriges Unterfangen. Das Bedürfnis, Chris zu berühren, zu küssen, war in manchen Augenblicken übermächtig. Ab und zu gewann er den Eindruck, dass Chris ihm näher als sonst auf die Pelle rückte. Das bildete er sich aber bestimmt ein.

Gegen Abend, als sie sich im Hotelzimmer für das anstehende Essen frisch machten, - Johann stand im Bad vorm Waschbecken und rasierte sich – erschien plötzlich Chris hinter ihm.

„Was hältst du davon, wenn wir für den Rest unseres Urlaubs einen auf Freunde plus machen?“ Fragend schaute Chris ihn im Spiegel an.

Es verschlug Johann die Sprache. Erstens: Wie kam Chris mit einem Mal auf sowas? Zweitens: Wie erteilte er eine Absage, ohne seinen Freund zu verletzen? Drittens: Oder sollte er darauf eingehen, um wenigstens ein kleines Stück des begehrten Kuchens zu bekommen?

„Du guckst, als hätte ich dir einen unsittlichen Antrag gemacht“, beschwerte sich Chris, die Augenbrauen mürrisch zusammengezogen.

„Ähm … das hast du doch auch.“

„Wir waren doch aber schon zusammen im Bett.“

„Vor zwanzig Jahren.“

„Und in den letzten Nächten.“

„Das ist was anderes.“

„Vergiss einfach, dass ich gefragt habe“, brummelte Chris und verließ das Bad.

Johann starrte sein Spiegelbild an. Hatte er das gerade geträumt? Hoffentlich, denn er kam überhaupt nicht damit klar.

Als er sich fertig rasiert hatte, wusste er immer noch nicht, was er von dem Ganzen halten sollte. Hatte Chris Druck auf der Leitung? Dafür war er sich eigentlich zu schade. Dennoch flüsterte ihm sein Herz ständig zu, dass er den Brosamen mitnehmen sollte. Sein Schwanz war der gleichen Meinung. Auf den zu hören, hatte bisher immer Unglück gebracht.

Kaum hatte er das Badezimmer geräumt, belegte Chris es mit Beschlag. Es dauerte eine Viertelstunde, die er weiter grübelte, bis sein Freund wieder aufkreuzte.

„Wir tun so, als hätte unsere Unterhaltung nie stattgefunden“, teilte Chris ihm mit, steckte Börse und Zimmerschlüssel ein und ging zur Tür.

Leichter gesagt als getan. Dass auch Chris damit ein Problem hatte erkannte er daran, dass zwischen ihnen Schweigen der unangenehmen Sorte herrschte. Es war, als stünde ein Elefant im Raum und sie versuchten beide krampfhaft, diesen zu übersehen.

Im Restaurant hielt die Stille weiter an. Schließlich, als sie bestellt hatten und ihre Getränke auf dem Tisch standen, schenkte Chris ihm ein zaghaftes Lächeln. „Da hab ich wohl ziemliche Scheiße gebaut, nicht wahr?“

„Sagen wir es mal so: Damit hab ich nicht gerechnet.“

„Ich auch nicht.“ Chris seufzte und spielte mit dem Besteck, die Wimpern gesenkt. „Es ist nur so, dass ich … na ja, du weißt, dass ich nicht lange ohne Sex auskomme und da dachte ich … aber, wie gesagt, vergiss es.“

„Klassischer Samenstau“, konstatierte Johann trocken.

Chris schüttelte den Kopf. „Nicht nur. Ich finde dich eben höllisch attraktiv und dazu bist du auch noch ein toller Typ.“

Das war ganz schön dick aufgetragen. Hässlich fand er sich nicht, aber eine Schönheit war er auch nicht. „Meinst du nicht, dass Sex unsere Freundschaft kaputtmachen würde?“

„Wieso?“ Chris schaute hoch, die Stirn gerunzelt. „Wir hatten doch schon welchen und sind immer noch befreundet.“

„Das ist was anderes. Damals waren wir verliebt. Zumindest ich.“

„Ich auch!“

„Deshalb hast du mich auch für Nathan verlassen.“

Wieder fixierte Chris die Tischdecke.

„Tschuldige. Das war unfair.“

„Du hast ja recht.“ Chris seufzte und hob den Blick. „Ich weiß nicht, was damals mit mir los war. Ich war so durcheinander und dachte, Nathan könnte Ordnung schaffen.“

„Das hat er doch auch geschafft.“ Unter Tisch trat er sanft gegen Chris‘ Schienbein. „Schwamm drüber. Lass uns von was anderem reden.“

„Vielleicht musste ich ein alter Knacker werden, um von alten Knackern die Schnauze voll zu haben.“

„Das hast du schön formuliert.“ Johann feixte.

„Mein Therapeut würde passendere Worte finden. Er ist der Meinung, dass ich mich praktisch schon selbst geheilt habe.“

„Es ist keine Krankheit, reife Personen sexy zu finden.“

„Deshalb finde ich dich ja auch so sexy.“ Chris schenkte ihm ein Lächeln, das die Schmetterlinge in seinem Bauch aufscheuchte.

Und da war er wieder, der Eindruck, dass seine Gefühle erwidert wurden. Im Geiste schalt er sich einen Narren, der sah, was er sehen wollte.

„Okay, Themawechsel. Was hältst du davon, das Problem der Überbevölkerung dadurch zu lösen, alle Menschen zu verhomosexualisieren?“

Ungläubig blinzelte er Chris an.

„Das würde auch weitere Probleme lösen“, fuhr Chris fort. „Stell dir doch nur vor, den Muftis in Saudi-Arabien wird befohlen, ab sofort schwul zu sein. Die würden doch alle Harakiri begehen.“

„Öhm … verwechselst du da nicht was?“

„Ja, ja, ich weiß, das machen die Japaner. Es wäre doch aber toll, wenn die Muftis diesen Brauch übernehmen.“

„Das heißt: Menschen mit arabischen Wurzeln.“

„Mit doch egal, woher die ihre Wurzeln nehmen.“

Der Kellner brachte ihre Vorspeisen. Als der Mann wieder gegangen war, fragte Chris: „Was treiben eigentlich deine Eltern?“

Damit hatten sie genug Gesprächsstoff, um erstmal heikle Themen zu umgehen. Chris war von Johanns Eltern gleich adoptiert wurden. Ihre Trennung hatte bei den beiden große Bestürzung ausgelöst. Es war, als hätten sie einen Sohn verloren. Übertrieben, da sie ja nur kurz zusammen gewesen waren, aber sie hatten Chris nun mal ins Herz geschlossen.

Benebelt von reichlich Rotwein, der zum Essen geflossen war, begaben sie sich auf den Heimweg. Chris griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. Das half, einigermaßen geradeaus zu gehen. Wie zwei Teenager kicherten sie, wenn einer von ihnen stolperte.

Im Hotelzimmer wechselten sie sich im Bad ab. Dann lagen sie im Bett. Johann knipste die Nachttischlampe aus. Er blinzelte ins Dunkel und überlegte, ob er ein schlechter Mensch war, dass er die Trennung von Martin bereits verwunden und sich wieder verliebt hatte. Sollte man nicht etwas Zeit zwischen solchen Ereignissen verstreichen lassen?

„Krieg ich einen Gutenachtkuss?“, murmelte Chris.

Dazu konnte er nicht nein sagen, weil es ihn zu sehr danach verlangte. Er drehte sich also in Chris‘ Richtung und spitzte die Lippen. Seine Augen hatten sich inzwischen an die Lichtverhältnisse gewöhnt, so dass er sah, wie sich Chris zu ihm beugte. Ihr sanfter Kuss war nicht annähernd genug. Dennoch zog er sich zurück, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Chris rückte hinterher und küsste ihn erneut.

Ab dem dritten Kuss hörte Johann auf zu zählen. Sein Herz summte glücklich und sein Schwanz signalisierte Bereitschaft. Er protestierte weder, als Chris ihm ganz auf die Pelle rückte, noch, als sich eine Hand unter den Bund seiner Shorts schob. Dann ging alles sehr schnell. Plötzlich hing sein T-Shirt unter seinen Achseln, die Pants in seinen Kniekehlen und Chris wälzte sich auf ihn. Finger schlossen sich um ihre Ständer. Unter weiteren Küssen holte Chris ihnen einen runter.

Danach, als sich seine Atmung allmählich normalisierte, sprang sein Verstand wieder an. Sofort begann er, die vergangenen Minuten zu analysieren und nach Anzeichen zu suchen, dass Chris seine Liebe erwiderte. Leider sprach nichts dafür. Küsse und einen Handjob tauschten auch Leute, die einander nichts bedeuteten.

„Mhm … schön“, nuschelte Chris, der sich an seine Seite geschmiegt hatte, gegen seine Schulter.

Im nächsten Moment verrieten gleichmäßige Atemzüge, dass er der letzte Wache im Raum war. Obwohl es so vieles gab, über das er nachdenken musste, forderten Alkohol und Orgasmus ihren Tribut: Er schlief ebenfalls ein.

3.

Im Morgengrauen wachte Chris auf. Vom reichlichen Rotweingenuss hatte er Kopfschmerzen. Als er sich an die Vorkommnisse in der Nacht erinnerte, verstärkte sich das Pochen.

Leise schlüpfte er aus dem Bett, in seine Klamotten und verließ das Zimmer. In der Lobby bestellte er einen Café von leche, bevor er die Toilette aufsuchte, um sich etwas frisch zu machen. Der Typ, der ihm aus dem Spiegel überm Waschbecken entgegen guckte, war ihm fremd. Mit einem übergriffigen Arschloch, das seinen Freund zu sexuellen Handlungen nötigte, wollte er nichts zu tun haben.

Nachdem er sich seine Koffeindröhnung verpasst hatte, ging er nach draußen. Beide Hände in den Hosentaschen marschierte er zum Strand, wo er am Wassersaum entlangwanderte.

Als Johann vor zwei Wochen anrief und von der Trennung von Martin erzählte, hatte das bei ihm widerstreitende Emotionen ausgelöst. Einerseits tat ihm sein Freund leid, andererseits war er erfreut und das nicht nur, weil er Johanns Ex nicht ausstehen konnte. Er hatte darüber mit seinem Therapeuten gesprochen. Doktor Kuschel – im Ernst, so hieß der Mann tatsächlich und sah auch so aus – meinte dazu: „Geben Sie Johann Raum und Zeit, um sich von dem traumatischen Erlebnis zu erholen. Erst wenn das verwunden ist, kann sich etwas Neues entwickeln.“

Statt sich an diesen Rat zu halten, hatte er Johann erst mit der Freunde-plus-Sache brüskiert und dann im Rotweinrausch begrabbelt. Anscheinend hatte er sein Gehirn in Hamburg vergessen. Sein Herz hingegen war mitgereist und es schlug für Johann. Das hatte es immer getan, aber er brauchte eben die Anerkennung eines älteren Mannes, um sich gut zu fühlen. Mittlerweile war das Geschichte. Sein letztes Verhältnis mit Gustav, dem sexsüchtigen, hatte das bewiesen. Es war ihm mächtig auf den Zeiger gegangen, auf Händen getragen zu werden. Entweder hatte die Therapie ihn geheilt oder die Zeit dieses Wunder vollbracht. Bekanntermaßen heilte die ja alle Wunden.

Tja … und er hatte es versaut. Vielleicht war Johann, wenn er ins Hotel zurückkehrte, schon abgehauen. Verdenken könnte er es seinem Freund nicht. Wer wollte schon mit einem Grabsch-Monster das Bett teilen? Er auch nicht.

Seufzend kickte Chris ein Steinchen ins Wasser. So früh am Morgen war der Strand verwaist. Ihm war bisher nur ein Jogger begegnet.

Schließlich drehte er um. Davon, wegzulaufen, wurde nichts besser. Er musste sich Johanns Vorwürfen stellen. Mit ganz-ganz viel Glück verzieh ihm sein Freund. Leider konnte er sich selbst nicht verzeihen.

---ENDE DER LESEPROBE---