Love Play - Alexander Eliot - E-Book

Love Play E-Book

Alexander Eliot

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Beschreibung

Ist Frivolität das Vergnügen des Geistes an der Schwäche des Fleisches, dann ist dies ein frivoler Roman. Ein Roman, dessen Figuren immer wieder von solcher Schwäche heimgesucht werden und der ganz besonderes Vergnügen bereitet, weil es sich bei den Betroffenen sozusagen um Männer des Geistes handelt, die über den Lauf der Welt meditieren und ihre Gedanken noch im Erliegen unverdrossen weiterspinnen – freilich bei leicht verminderter Konzentration. Hauptheldin des Buches ist die begeisterungsfähige und stets lernbegierige, blutjunge Ellen Freeman, die an einem Mädchenpensionat kichernde Backfische in der Kunst damenhaften Gesangs unterweist. Da Ellen vom Himmel nicht allein mit einer goldenen Stimme, sondern auch mit einem goldenen Körper beschenkt worden ist, sind jene Männer des Geistes nur allzu bereit, ihr umgehend die erwünschten An-, Auf- und Abregungen zu verschaffen: Connie, der Dichter, erschließt ihr die Poesie; Ernie, der Apostel der Wissenschaft, methodisches Denken; Waldo, der Pfarrer, die Sünde. Sobald Pans heitere und betörende Flöte zum Liebesspiel lädt, erliegt die Heldin des Lustspiels dem Lockruf des Gottes, doch im Herzen (allerdings nur da), das sei versichert, weiß sie stets ihre Unschuld zu bewahren.

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Alexander Eliot

Love Play

Eine Romankomödie

Aus dem Englischen von Leonore Schwartz

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Ist Frivolität das Vergnügen des Geistes an der Schwäche des Fleisches, dann ist dies ein frivoler Roman. Ein Roman, dessen Figuren immer wieder von solcher Schwäche heimgesucht werden und der ganz besonderes Vergnügen bereitet, weil es sich bei den Betroffenen sozusagen um Männer des Geistes handelt, die über den Lauf der Welt meditieren und ihre Gedanken noch im Erliegen unverdrossen weiterspinnen – freilich bei leicht verminderter Konzentration. Hauptheldin des Buches ist die begeisterungsfähige und stets lernbegierige, blutjunge Ellen Freeman, die an einem Mädchenpensionat kichernde Backfische in der Kunst damenhaften Gesangs unterweist. Da Ellen vom Himmel nicht allein mit einer goldenen Stimme, sondern auch mit einem goldenen Körper beschenkt worden ist, sind jene Männer des Geistes nur allzu bereit, ihr umgehend die erwünschten An-, Auf- und Abregungen zu verschaffen: Connie, der Dichter, erschließt ihr die Poesie; Ernie, der Apostel der Wissenschaft, methodisches Denken; Waldo, der Pfarrer, die Sünde. Sobald Pans heitere und betörende Flöte zum Liebesspiel lädt, erliegt die Heldin des Lustspiels dem Lockruf des Gottes, doch im Herzen (allerdings nur da), das sei vor allem weiblichen Lesern versichert, weiß sie stets ihre Unschuld zu bewahren.

Über Alexander Eliot

Alexander Eliot, in Cambridge, Massachusetts, geboren, schrieb Romane und Sachbücher sowie Beiträge für «The Saturday Evening Post», «Life», «Vogue» und «Harper’s Bazaar». Er begann seine Karriere beim Dokumentarfilm und als Feuilletonredakteur bei «Time».

Inhaltsübersicht

SYDNEY KENDALL PUTNAMVorwortPersonenSpaß im BuffaloexpreßAntrag im SalonAuf die HandAuf einem FlügelJunger Mann mit poetischen Neigungen sucht Verbindung mit kulturbeflissener BlondineClub-SandwichEin geborener Sportsmann und sein Westöstlicher DiwanZuneigung – AbneigungWaldofants AugeTrauriger BernhardinerWirbelMilch um MitternachtBathseba im BadeJugend braucht FührungDie überreizte MenschheitAuftritt AmalekPopovskys Baum der ErkenntnisRaumfahrtSchlechte AkrobatikGläub’ger TraumDer Wurm windet sichEin unterschätztes SexorganGleicht Liebe nicht dem tapfren Herkules?Das Haus des StierköpfigenHerbstfarbenHoffnung etceteraKraftfutter für den GockelPhysisches, MetaphysischesDas lustige JägerlebenWillkommen, Feuerwasser!BettgeschichtenEiner zuvielTunnelVorwärts!Pans WeidegründeDie transparente Spitze

SYDNEY KENDALL PUTNAM

zur Erheiterung

Vorwort

Das vorliegende Buch ist, genaugenommen, weder ein Roman noch ein Bühnenstück. Hier ist vielmehr der Versuch gemacht worden, die gemächliche, traditionsreiche Kunst des Romanschreibens mit der Unmittelbarkeit der modernen Komödie zu verbinden. Anders ausgedrückt, eine einigermaßen ungewöhnliche Liebesgeschichte verknüpft sich mit vielseitigen, temperamentvoll und hart geführten Diskussionen. Ich könnte mir vorstellen, daß in all diesem Für und Wider der Meinungen auch Ihre eigenen Schwächen, Ängste, Illusionen und Sehnsüchte eine Rolle spielen. Ich hoffe es sogar, denn ich ernenne Sie hiermit zum Produzenten und Regisseur dieser Romankomödie. Sie steht Ihnen zur Verfügung – zur Aufführung auf der größten, mit den besten Kulissen ausgestatteten und dazu ganz und gar privaten Bühne – der Drehbühne in Ihrem eigenen Kopf.

In Fleisch und Blut haben die auftretenden Figuren keine Vorbilder, doch es mag sein, daß man sie an ihrer Haltung und ihren Ansichten wiederzuerkennen glaubt. Und wo es um zwischenmenschliche Beziehungen geht, zählen da nicht Ansichten allemal mehr als Fakten? Hier tun sie’s jedenfalls.

 

A.E.

Personen

in der Reihenfolge ihres Auftretens

ELLEN FREEMAN

eine Gesanglehrerin

MAGUS JONES

ein Forscher

HARRIET DUBROW

eine Schuldirektorin

CONNIE QUINCE

ein Dichter

FATS

ein Gebrauchtwagenhändler

SOPHIA HOOPER

eine Biologielehrerin

MAXINE URQUHART

eine Hexe

BURT CLAFFERTY

ein Football-Spieler

WALDO WHITTIER

ein Priester

ERNIE POPOVSKY

ein Disc-Jockey

DEE PRATT

eine Jungfrau

PHIL MELLOW

ein Barkeeper

AUGUSTUS PRATT

ein Großkapitalist

Bürger von Adam, Vermont, und Schülerinnen des Dubrow-Instituts

Spaß im Buffaloexpreß

Ein Schlafwagenabteil. Vor dem Zugfenster erhellt die Morgendämmerung eine blasse, taufeuchte Landschaft, betäubt noch vom Schlaf, aber schnell vorüberfließend wie Telefondrähte von Mast zu Mast. Hin und wieder huschen Plakatwände, betupft mit vertrauten Reklamebotschaften, vorbei. Zeitweise wird das schmutzige Grün der Felder und Bäume abgelöst von Asphalt, Ziegeln, Glas und pastellfarbenen Autos, die träumerisch an Straßenkreuzungen verharren. Die wenigen Fußgänger, meist in Arbeitsanzügen und breitschirmigen Kappen, erscheinen in dieser Umgebung wie Überbleibsel. Der Zug rast, schlittert, gleitet durch schläfriges Strandgut, erwachendes Treibholz. Lautlose Regengüsse versilbern das Fenster. Auf dem Bett liegen ELLEN FREEMAN und MAGUS JONES und erfreuen sich aneinander.

Magus ist ein großer rotbärtiger Mann – etwa um die Vierzig – mit dem gesunden, sturmerprobten, herben Aussehen eines Odysseus. Seine grünen Augen leuchten in einem von Wind und Sonne gezeichneten Gesicht. Ellen ist im Gegensatz zu ihm ein schlankes junges Ding, reizvoll wie der Widerschein von Flammen auf kaltem beschlagenem Glas. Das helle Haar legt sich weich um ihr klassisches Gesicht. Ihre Augen sind blau, ihre Glieder haben einen rosigen Goldton. Mit ihren langen wohlgeformten Beinen umklammert sie Magus’ Taille. Ihre Fersen bearbeiten seinen sich auf- und abbewegenden Hintern. Sie stöhnt in seinen Bart, gegen seine Kehle, beißt in seinen muskulösen Hals. Er zieht sich halb zurück, um festen Halt auf dem Boden zu finden. Nun greift er nach ihren Oberarmen und beugt sie zu sich herüber, spannt sie wie eine Bogensehne. Er wirbelt sie einmal, zweimal, dreimal im Raum herum, wie den rotierenden Propeller eines Hubschraubers, bevor er sie auf das Bett zurückfallen läßt. Der Zug fährt schaukelnd und ratternd mit nachlassender Geschwindigkeit in Buffalo ein. Er hält.

Ein Bremser, der mit seiner Ölkanne über den Bahnsteig schlendert, wirft einen Blick in das Abteil und sieht die beiden, Körper an Körper, regungslos auf dem Bett liegen. Der Mann runzelt die Stirn und klopft mit der Kanne seitlich gegen das Fenster. Ellen winkt schwach mit der Hand, indes der Zug sich keuchend weiterbewegt, tiefer in den Bahnhof hinein. Magus löst sich von ihr, steht auf und macht den Vorhang zu. Wie ein massiger Schatten in der jähen Dunkelheit kommt er zum Bett zurück.

Ellen: «Um Himmels willen, laß mich bitte einen Augenblick.»

Magus: «Okay. Dann kommt halt das Beste nach dem Frühstück. Könntest du nicht Kaffee bestellen? Eier? Vielleicht etwas Speck?»

Ellen: «Essen! Wie kannst du jetzt nur an so was denken?»

Magus: «Tut mir leid aber es macht mich nun mal hungrig. Wir fahren übrigens schon wieder, rangieren wahrscheinlich. Soll ich den Vorhang öffnen?»

Ellen: «Ich mache Licht.» Sie klettert über ihn hinweg und drückt auf den Schalter neben der Tür. Gelbes Licht flutet über ihre rotgoldenen Locken, ihre großen Brüste mit den aufrechtstehenden Spitzen und über das brennende, schweißverklebte Haarbüschel zwischen ihren Schenkeln.

Magus legt sich bequemer, schiebt ein Kissen unter seine Schultern. «Weißt du eigentlich, Ellen, daß du so etwas wie eine Schönheit bist? Du hast so eine gewisse Leere, die deinem hübschen Aussehen Tiefe gibt. Wie ein herrlicher, wolkenloser blauer Himmel.»

Ellen wickelt sich in ein Leintuch und setzt sich auf den Bettrand. «Vielleicht fühlst du dich deshalb so zu mir hingezogen? Ich muß zugeben, es stimmt, was du da sagst. Ich bin wirklich wie ein leerer Himmel unter deinem Kugelschreiber, ein unbeschriebenes Blatt unter deinem Federkiel … Was wollte ich doch sagen?»

Magus: «Nichts. Denk nicht drüber nach. Wo kommst du eigentlich her?»

Ellen: «Aus Wisconsin. Hast du das nicht gewußt, du Schlauberger? Irgendwie kommt’s mir so vor, als ob du alles von mir wüßtest.»

Magus: «Bist du das erste Mal von zu Hause weg?»

Ellen: «Wirklich weg? Ich glaub, ja. Denn als ich zum College ging, hab ich noch daheim gewohnt. Himmel, wenn die mich jetzt sehen könnten! Dad hat eine Musikalienhandlung. Praktisch auf dem Collegegelände. Er macht ganz gute Geschäfte …»

Magus: «Hört sich an, als ob du dich ziemlich gelangweilt hättest.»

Ellen: «Ich konnte mich nie richtig mit meinen Leuten unterhalten, es sei denn auf ihrem Niveau. Das ist schon scheußlich langweilig und dazu noch aufreibend. Um die Wahrheit zu sagen, meine Eltern sind nicht nur Mittelklasse aus dem Mittelwesten, sie sind obendrein noch in mittleren Jahren. Ab und zu kommt mir mal eine Idee von ganz tief innen, und wenn das passiert, ist bei ihnen entweder überhaupt keine Resonanz da, oder sie sagen wütend: ‹Also Kindchen, rede doch nicht so blöd daher!› Blöd, sagen sie. Sie haben überhaupt keine Maßstäbe, keine Bildung und kein Verständnis.»

Magus: «Wer hat das schon?»

Ellen: «Und dann sind sie auch noch so verdammt patriotisch, so ekelhaft amerikanisch! Wenn sie doch bloß einsehen wollten, daß Amerika nicht ‹fortschrittlicher› – wie ich das Wort schon hasse – oder intelligenter und erfindungsreicher oder kultivierter ist als Europa. Ich behaupte, daß uns die europäischen Länder in jeder Hinsicht überlegen sind. Der größte Reichtum an Wissen und Kunst ist von dorther zu uns gekommen. Sie konnten in vielen Jahrhunderten aufnehmen, was wir heute mit aller Kraft nachzuholen versuchen.» Sie hält sich schwankend fest, als der Zug sich in eine Kurve legt. Das Abteil scheint sich, da die Vorhänge geschlossen sind, in keine bestimmte Richtung zu bewegen. Das gedämpfte Dröhnen der Räder wird intensiver. «Stell dir nur vor, sie meinen, wenn der FBI mich hörte, würden die mich zur Vernehmung bestellen und für einen Kommunisten halten. Sie regen sich furchtbar auf über meine ‹verschrobenen Ideen›. Aber ich fühle mich eben mehr als ein Teil des Universums – nicht als Teil irgendeiner Nation oder Rasse. Um mich richtig entfalten zu können, brauche ich mehr als nur ein Land oder ein Volk.»

Magus: «… und mehr als einen Mann.»

Ellen: «Wie meinst du das?»

Magus: «Du bist keine Jungfrau mehr.»

Ellen: «Na ja, eine Affäre muß ich zugeben. Wenn du’s genau wissen willst, mit einem Footballstar, mit Burt Clafferty. Die Leute sagten, wir wären ein großartiges Paar. Während wir nur daran dachten, wo und wann … Wir haben ein paar ganz verrückte Nester ausfindig gemacht und zu den tollsten Tageszeiten. Letztes Jahr hatte er ein großes Spiel nur fünfzehn Minuten, nachdem er mit mir zusammengewesen war. Und es gelang ihm auch gleich zu Anfang ein Touchdown.»

Magus: «Hattet ihr nicht manchmal Angst, daß es euch erwischt?»

Ellen: «Du meinst, daß ich schwanger geworden wäre?» Sie beißt sich auf die Lippen. «Ich glaube, mir war’s ziemlich egal, wo ich so viel Spaß dran hatte. Ich bin ja schon zweiundzwanzig, nicht mehr so jung. Ich würde ganz gern irgendwo seßhaft werden. Ich möchte eine eigene Familie haben, um mit Kinderpsychologie und Liebe zu experimentieren.»

Magus: «Kinderpsychologie – ist das nicht nur so eine Redensart?»

Ellen: «Ja, vielleicht.»

Magus: «Und Liebe? Was ist denn Liebe? Gibt’s da was zu experimentieren?»

Ellen: «Wie! Hab ich das gesagt? Ich glaub, die Experimente sollten vorher kommen. Aber ich muß gestehen, allmählich zweifle ich daran, daß ich den Mann finde, den ich wirklich will. Nicht gerade, daß ich an kindlichen Jugendträumen festhalte … aber es ist so, daß ich für das, was ich von einem Mann verlange, einfach nicht genug zu bieten habe!»

Magus: «War dir denn Burt völlig gleichgültig?»

Ellen, mit Würde: «Physisch fühlte ich mich verdammt zu ihm hingezogen. Seelisch nur teilweise. Geistig überhaupt nicht.»

Magus: «Mit anderen Worten: die ganze Angelegenheit war nichts als Sex und nochmals Sex.»

Ellen: «Das ist nicht fair. Ich will ja gerade auch das andere: einen geistigen Partner! Wenn ich ihn nur erfühlen könnte … Ich möchte alles über ihn herauskriegen, ihn richtig bis ins tiefste erforschen. Und dann das Meine dazutun. Aber ich kann’s nicht. Burt spricht kaum über sich selbst. Irgendwie komm ich nicht an ihn heran. Das Schlimme ist, er war ziemlich oft nahe vor dem seelischen und körperlichen Zusammenbruch. Sogar während der Footballsaison mußte er noch studieren. Und Burt ist nun mal psychisch nicht der stärkste. Vielleicht war’s die Anstrengung am College, die ihn so nervös gemacht hat. Sein Energieaufwand für unwesentliche Dinge. Aber ich hab ihn doch sehr gern. Was ich eben gesagt hab, stimmt gar nicht so richtig. In der letzten Nacht, die wir zusammen verbrachten, hat er eine Andeutung gemacht, über die ich seitdem immer wieder nachdenke. Er sagte, unsere Leidenschaft sei so verzehrend, daß sie vielleicht alle Zärtlichkeit verbrannt habe. Es kann ja sein, daß wir eben deshalb am Ende waren, weil wir unseren Gefühlen so freien Lauf gelassen hatten. Na ja, du weißt, wie ich das meine. Was wir, Burt und ich, zusammen hatten, das war keine unreife Liebelei, sondern reines Feuer, glühend heiß und beinah grenzenlos. Wir haben alles ausgezehrt, jeden Rest von Empfindung, der in uns war. Wir haben uns zu sehr verausgabt. Das konnte einem schon Angst machen bei seiner Intensität, sie war erschreckend. Verstehst du?»

Magus: «Vielleicht wollte er dir bloß zu verstehen geben, was für einen unerhörten Spaß er an deiner unteren Hälfte hatte, so daß er sich mit dem Rest gar nicht abgeben konnte.»

Ellen, stirnrunzelnd: «Glaub ich nicht. Ich meine, was Burt am meisten Kummer machte, war, daß er sich meiner ganz und gar nicht würdig fühlte. Er weiß einfach nicht, wie er in kultureller Beziehung weiterkommen soll. Ich sagte dauernd, daß ich ihm helfen möchte, aber er wollte ja nicht. Und doch … in dieser letzten Nacht sagte er etwas über seine Fehler. Er sagte, es sei meine Schuld, daß sie ihm bewußt geworden seien. Darüber bin ich froh! Burt braucht’s manchmal, daß man ihn hart anfaßt.»

Magus: «Geht’s nicht jedem von uns so? Würdest du bitte das Licht wieder ausmachen?»

Ellen läßt das Leintuch fallen und streckt sich nach dem Lichtschalter. «Sofort, mein Herz. Verzeih, ich hab dich vernachlässigt.»

Magus: «Macht nichts.»

Ellen: «Ich freu mich so, daß du dich gestern abend im Speisewagen an meinen Tisch gesetzt hast.»

Magus: «Ich auch. An dir vorbeizulaufen, wär doch wirklich idiotisch gewesen.»

Ellen: «Magus?»

Magus: «Ja?»

Ellen: «Ich kann mir nicht helfen, ich muß drüber nachdenken, was wohl bei dieser Reise herauskommen wird.»

Magus: «Der Osten.»

Ellen: «Sehr witzig. Macht’s dir was aus, wenn diesmal ich oben bin? Du bist so schwer, weißt du.»

Magus: «Gut. Nur keine Angst. Faß mal nach hinten und leg deine Hand dahin, kitzel ein bißchen.»

Ellen: «Okay. Hast du was dagegen, daß wir weiterreden, während wir …»

Magus: «Im Gegenteil, mir gefällt das.»

Ellen: «Mir auch. Aber Burt war’s immer irgendwie unbehaglich. Als ob’s unanständig wäre … Magus, wer bist du?»

Magus: «Du kennst doch meinen Namen?»

Ellen: «Aber wer bist du nun wirklich? Ich meine, was tust du, wenn du allein bist?»

Magus: «Rate mal.»

Ellen: «Ich glaube, du bist ein Forscher. Stimmt’s?»

Magus: «Gar nicht so falsch. Einer meiner Führer sagte einmal …»

Ellen: «Führer?»

Magus: «Natürlich, jeder Forscher hat solche Vorbilder. Ich spreche von einem bestimmten Mann, der selbst Forscher war.»

Ellen: «Und was sagte der?»

Magus: «Er empfahl mir, dem Weg des Chang zu folgen!»

Ellen, sich sanft wie eine duftende Brise, wie ein breites Segel an seinem hohen, ächzenden Mast wiegend: «Chang?»

Magus: «Das ist ein ganz alltäglicher Name. Aber mein Führer meinte den Schutzheiligen der … Forscher, wie du sagst. Chang Ch’ien. Sein Name ist in vielen Dokumenten zu finden, sogar in westlichen Geschichtswerken. Die Bücher berichten übereinstimmend, daß Chang im Jahre 138 vor Christus die Stadt Baktra besuchte. Ich weiß nicht, was er da wollte, aber bald darauf rief ihn sein Kaiser zurück an den Hof, um ihn mit einer anderen Aufgabe zu betrauen. Er sollte die wahre Quelle des Gelben Flusses finden. Des ‹Drachenstroms› …»

Ellen: «Drachenstrom … das klingt wie das Land Oz.»

Magus: «Chang fuhr zu Schiff, soweit wie es ging. Als die Stromschnellen begannen, sagte er seinen Weggenossen Lebewohl, stieg bergan und verschwand aus ihren Augen. Die Landschaft wandelte sich in felsiges Blau. An der Schneegrenze umwickelte er seine Füße mit Fetzen aus seinem seidenen Umhang und stapfte behutsam höher. Nach einigen Wochen erreichte er einen Hohlweg zu den Sternen. Hier entsprang der heilige Fluß, perlte dampfend aus schwarzem Eis. Ein steilgiebliges Haus stand an der Quelle, seine von Eis überzogenen Fensterladen ächzten und schlugen im Wind. Chang öffnete die Tür. Er taumelte in einen hellen, hohen Raum, an dessen Wänden Wolfsfelle und fest gespannte Bogen hingen. Ein schönes Mädchen mit elfenbeingetönter Haut saß nackt, schweißglitzernd, vor dem lodernden Feuer. Sie webte reine weiße Wolle. Chang sprach ein paar chinesische Grußworte zu ihr, aber das Mädchen kicherte nur höflich. Sie wusch das Blut von seinen Füßen und gab ihm Wasser in einem Achatbecher zu trinken. Dann schenkte sie ihm mit scheuer Gebärde ihr Weberschiffchen.»

Ellen: «Was für ein Märchen! Wer war denn das Mädchen? Hatte sie ihn gern?»

Magus: «Das alles ist Geschichte. Man kann es in alten Archiven nachlesen. Aber im gewissen Sinn hast du doch recht. Es ist auch ein Märchen, eine Erzählung vom Schicksal anderer Welten.»

Ellen: «Ist Chang zurückgekommen? Aber sicher, er mußte ja, denn sonst …»

Magus: «Monate später erschien er am kaiserlichen Hof, das Geschenk des Mädchens in der Hand. Seine Geschichte kam dem Kaiser verdächtig vor. Aber überraschenderweise nicht den Hofastrologen. Denn während Changs Abwesenheit hatten sie einen wandernden Stern in der Konstellation der Lyra entdeckt – die im Osten als ‹Die Weberin› bekannt ist. Dieses winzige Licht, so sagten sie übereinstimmend, sei Chang gewesen. Und seine Trophäe sei ihm von der Weberin selbst überreicht worden. Aus diesem Grund wurde der Gelbe Fluß auf chinesischen Karten als eine Fortsetzung des Silbernen Flusses – nämlich der Milchstraße – eingetragen.»

Ellen: «Wie unsinnig!»

Magus: «Warum? Werden nicht auch unsere Tage vom Tau der Nacht genährt? Fließt nicht Phantasie immer in Tatsachen über und umgekehrt?»

Ellen, zusammenzuckend, als er sich in ihr bewegt: «Natürlich. Wenn du so willst.»

Magus: «Ja, so ist es. Die Drachenflut der Wirklichkeit schäumt zum Himmel der Phantasie empor und zeigt uns immer neue Bilder.»

Ellen läßt sich über ihn fallen: «Ich meinte nicht …»

Magus: «Dem einen glückt mehr als dem andern. Und als sich Chang damals in die Schneegipfel des Weltraums hinaufwagte, da ist er eben wirklich der Weberin begegnet.»

Ellen überläßt sich dem an- und abschwellenden Rhythmus des Zugs. «O Gott, ich hab das Gefühl … ich bin … ich hab noch nie …»

Magus: «Er stand auf der Schwelle zwischen Himmel und Erde. Er fand die niemals versiegende Quelle.»

Ellen: «Ich hab sie jetzt auch gefunden.»

Magus: «Was ist das, diese Türschwelle aus grüner Jade, berührt vom fließenden Widerschein der Welt? Der plätschernde Fluß wirbelt auf silbernen Tasten. Glasaale gleiten stromaufwärts.»

Ellen, schwach: «Zusammen, Magus.»

Magus: «Jetzt …» Seine Fingernägel schreiben rote Schrift auf ihr Rückgrat.

Ellen: «Aaaaach! Ich wußte ja gar nicht …»

Magus: «Halt dich fest. Nicht aufhören. Was wußtest du nicht?»

Ellen windet sich wild. Ihre Finger graben sich in seinen Bart: «Ni … nichts!»

Magus, halb erstickt, schlägt mit dem Handrücken gegen ihre schaukelnden Brüste. Ellen läßt seinen Hals los. «Bitte nicht bru … bru …»

Magus, sich rhythmisch unter ihr auf- und abbewegend: «Reite!»

Stoß, Schaudern, Stille, Stoß, Schaudern, Stille, Stoß, Schaudern, Stille, Stoß, Schaudern, Stille, Stoß, Schaudern, Stille, Stoß, Schaudern, Stille kontrapunktieren das Rütteln der Räder.

Antrag im Salon

Ein fast peinlich aufgeräumter Salon in dem kleinen Ort Adam, Vermont. Die Nußbaummöbel mit gediegen gearbeitetem Schnitzwerk haben Roßhaarpolsterung und Seidenbezüge. Das Sonnenlicht fällt durch die hohen, viktorianisch-gotischen Fenster auf einen rohrgeflochtenen Schaukelstuhl. Der Stuhl schaukelt leise vor sich hin, als ob die Wärme ihm Freude mache. Über eine der Armlehnen hängt ein Strickzeug herab wie ein lässig baumelnder Handschuh. Auftritt HARRIET DUBROW, gefolgt von CONNIE QUINCE. Harriet ist eine kleine Frau, ungefähr siebzig, mit festem, ruhigem Blick. Ihr Gesicht scheint geprägt von melancholischer Selbstsicherheit wie die Marmorbüste eines römischen Senators. In ihren kleinen Lackstiefelchen bewegt sie sich leicht und aufrecht. Ihre Gesten sind sparsam und genau. Das graue faltenreiche Seidenkleid trägt sie wie ihr natürliches Gefieder. Nun zu Connie: Er ist ein Mann von etwa zwei- undzwanzig Jahren in einem sportlichen Tweed, das Hemd am Hals offen. Seine blasse Schönheit und seine dunklen Samtaugen drücken Zartgefühl aus und werben um Sympathie.

Harriet läßt sich auf ihrem Schaukelstuhl wie auf einem Thronsitz nieder und winkt Connie zu, es sich auf dem Sofa so bequem wie möglich zu machen. «Junger Mann, es war für mich ein ziemlich schwerer Schock, jemanden wie Sie auf meiner Türschwelle vorzufinden.»

Connie, im Begriff, sich hinzusetzen, steht wieder auf, schluckt und sinkt zurück: «Wie bitte?»

Harriet: «Nach Ihrem Brief hatte ich eine junge Dame erwartet. Zu meiner Zeit war wohl Connie ein Mädchenname. Ist’s nicht heute noch so? Die Verkleinerungsform von Constanze, würde ich meinen. Nun ja. Aus Ihrem Brief glaubte ich entnehmen zu können, daß Sie alle notwendigen Qualifikationen besitzen, um hier am Dubrow-Institut Unterricht zu geben. Das richtige Geschlecht natürlich inbegriffen! Aber das ist leider nicht der Fall. Noch niemals, Mr. Quince, habe ich eine männliche Lehrkraft eingestellt.»

Connie: «Verflixt! Jetzt bin ich viel zu spät dran, um für dieses Jahr noch woanders eine Stelle als Erzieher zu finden.»

Harriet: «Ja. Die meisten Privatschulen beginnen, wie ich, in der nächsten Woche. Das tut mir wirklich leid für Sie.» Ihr Gesicht hellt sich auf. «Zufällig ist aber unser Schulchauffeur im letzten Frühjahr bei einem Unfall ums Leben gekommen. Vielleicht, wenn Sie einen eigenen Wagen haben, würden Sie gern seine Stelle bei uns einnehmen?»

Connie schüttelt bekümmert seine schimmernden Locken: «Ich habe keinen Wagen, und außerdem brenne ich darauf, mein Spezialfach zu lehren.»

Harriet, lebhaft: «Bisher ist der Stoff von Beowulf bis, ich glaube, Robert Louis Stevenson durchgenommen worden. Wir legen großen Wert darauf, daß unsere Schülerinnen alle bedeutenden Schriftsteller der Vergangenheit gründlich kennenlernen. Zugleich sollen sie aber auch ihre Orthographie verbessern und in der Lage sein, in flüssigem Stil Aufsätze zu schreiben. Tatsächlich achten die Eltern der Mädchen sehr auf eine verbesserte Ausdrucksweise in den Briefen, die nach Hause geschrieben werden. Wären Sie zu alledem imstande?»

Connie, mit Wärme: «Ich hoffe, ich kann den Mädchen noch viel mehr beibringen!»

Harriet: «Ach?»

Connie: «Ich meine, ich will ihre Herzen erwecken!»

Harriet: «Ihre Herzen.» Sie legt ihre runzlige Hand auf den faltenüberzogenen Busen. «‹Seid guten Herzens›, wie der Psalmist sagt.» Sie lacht kurz und scharf. «Herzen sind wie Blumen, wissen Sie. Sie erwachen um die Zeit, die ihnen bestimmt ist. Wenn Sie vergessen sollten, Mr. Quince, daß Sie für die Mädchen nur ein Gärtner sind, werden Sie bald finden, daß man Sie mißtrauisch zurückweist. An dem gleichen Tag, an dem Sie spontan versuchen, die Herzen der Ihnen hier Anvertrauten zu erreichen, werden Sie für mich nicht mehr von Nutzen sein.»

Connie, strahlend: «Also wollen Sie’s doch mit mir versuchen!»

Harriet: «Da ich nun mal keine andere Wahl habe.»

Connie: «Nein, ich glaube nicht.»

Harriet: «Natürlich müssen Sie für Ihre Aufgabe als Chauffeur einen Wagen kaufen. Zu diesem Zweck werde ich Ihnen fünfhundert Dollar Vorschuß geben.»

Connie: «Aber …»

Harriet: «Dem anderen Chauffeur, dem armen Mann, habe ich sechs- undneunzig Dollar pro Woche bezahlt. Aber er war auch eine ungewöhnlich lange Zeit bei uns. Ich werde Ihnen achtzig Dollar geben. Und Mittagessen in der Schule.»

Connie: «Als Ihr Englischlehrer habe ich gedacht, ungefähr …»

Harriet: «Papperlapapp, Mr. Quince! Habe ich denn davon gesprochen, daß Sie Englisch unterrichten sollen?»

Connie, errötend: «Sicher, das ist alles sehr gut gemeint von Ihnen. Trotzdem, ich hatte kaum an einen Chauffeurposten gedacht. Und noch dazu ein Fahrergehalt!» Harriet wartet stumm ab. Connie: «Ich … weiß nicht. Diese ganze Unterhaltung war …»

Harriet: «Verwirrend für Sie?»

Connie: «Ja.»

Harriet nickt mit dem Kopf: «So ist das nun mal mit allen entscheidenden Verhandlungen im Leben. Fitz-James Stephens hat das sehr gut ausgedrückt. Wie war das noch …» Sie schließt fest die Augen, ballt gleichzeitig die Hände und murmelt vor sich hin wie ein Medium bei einer spiritistischen Sitzung. «Nebelundschnee. Stürzenundzerbrechen. Hm. Ah.» Sie öffnet die Augen, die nun eiskalt glitzern, und beginnt zu zitieren: «Wir stehen hoch oben auf einem Berggipfel inmitten von wirbelndem Schnee und verschleierndem Nebel, durch den wir nur hin und wieder einen Blick auf vielleicht trügerische Pfade erhaschen. Bleiben wir stehen, so werden wir erfrieren. Wählen wir den falschen Weg, so werden wir abstürzen und in der Tiefe zerschellen. Mit Gewißheit können wir nicht sagen, welches der rechte Weg ist. Was aber sollen wir tun? Stark sein und Mut fassen. Zum Besten handeln, auf das Beste hoffen und hinnehmen, was kommt!»

Connie: «Das hört sich ja ziemlich grimmig an, aber …»

Harriet, lächelnd: «Sehen Sie.»

Connie: «Wegen des Wagens. Habe ich Sie recht verstanden, daß Sie mir fünfhundert für einen gebrauchten vorschießen wollen?»

Harriet nickt: «Fats hier im Ort soll am billigsten sein, sagt man.»

Auf die Hand

Ein Gebrauchtwagenpark im Zentrum von Adam. Helles Sonnenlicht umreißt scharf die Konturen der buntleuchtenden, mit Preisschildern versehenen Autos. Es glitzert auf der darüber gespannten Girlande von Glühbirnen und schimmert auf der schwarzgoldenen Fahne, die laut verkündet: Am billigsten bei Fats! FATS, der kegelförmige Besitzer, hockt auf einem einfachen Küchenstuhl an der Schuppenwand. Er tut, als döse er vor sich hin. Aber seine halbgeschlossenen Augen folgen den Bewegungen von Connie Quince, der über den Platz schlendert.

Connie, scheinbar ziellos, wirft ein abschätzendes Auge auf rostende Kühler und verbogene Stoßstangen. Mit finsterer Konzentration begutachtet er die zerrissenen Polster einer alten schwarzen Limousine. Schließlich geht er lässig, halb wider Willen, auf einen altmodischen knallroten chromblitzenden MG zu. Er betrachtet den Sportwagen, als wittere er Gefahr, und tritt gegen einen der Reifen.

Fats reißt die Augen auf und ruft ihm zu: «Tritt die Kiste nicht, mein Junge. Die ’s sensibel wie’n kleines Mädchen, jawohl.» Er steht langsam auf und geht schwerfällig zu Connie hinüber.

Connie umkreist wie im Traum den Wagen und prallt, noch ganz in Gedanken, gegen Fats Bauch. Erschreckt stottert er: «V-verzeihung! Eh … was kostet der?»

Fats: «Du willst den Wagen da haben. Du willst sie wirklich haben, Kleiner. Du willst sie unbedingt, und ich sag dir auch weshalb. Mit dem süßen kleinen Ding da kannst du dich überall zeigen, alles machen. Verstehste?» Er tut, als wolle er Connie kameradschaftlich in die Rippen stoßen. Connie weicht ihm rasch aus.

Fats schwillt an wie ein Frosch: «Na, nur keine Aufregung, mein Söhnchen.»

Er streckt seine lange Zunge vor und leckt nachdenklich die Spitze seiner eigenen Nase.

Connie: «Die Karre ist wohl bereits Jahrhunderte im Dienst, was? Wieviel Playboys haben sich denn schon damit überschlagen? Tun’s denn wenigstens die Bremsen?»

Fats, säuselnd: «Also zunächst mal ist dieses süße kleine britische Modell überhaupt kaum in seinem Leben aus der Garage rausgekommen. Die Kiste hat so ’nem reichen Collegefritzen gehört, verstehste? Der hat sie nur mal kurz in den Ferien gebraucht. So um Weihnachten oder Ostern rief er einfach seinen Chefmechaniker an und …»

Connie: «Chefmechaniker! Ha ha!»

Fats: «Sag ich dir doch! Der beste im ganzen Staat. Also dem sagte er bloß, bring sie mal auf Zack, mein Lieber! Ich will ’ne Runde drehen. Kannst mir glauben, alles, was sie zu sehen gekriegt hat, war Liebe bei Mondschein! Junge, du mußt die Puppen dahin schleppen, von wo sie so schnell nicht mehr zu Fuß nach Hause können. Und dann paß mal auf, was so’n bißchen Mondschein alles ausmacht! Siebenhundertundfünfzig.»

Connie, wütend: «Mehr als fünfhundert hab ich nicht.»

Fats, schnell: «Richtige Lappen?»

Connie klopft sich auf die Tasche.

Fats: «Wer abwartet, verliert. Ich hab noch zwei andere Spaßvögler – Spaßvögel, wollt ich sagen –, die scharf auf den Wagen sind. Können jede Minute hier sein. Also los, Junge! Laß mal die Piepen sehen!»

Connie gibt ihm das Geld.

Fats zählt zweimal nach:

«Eins

zwei

drei

vier

fünf,

in

Fuffz’gern

bar!

Druff,

Kleiner,

bei

Mondschein

nichts

wie

druff!»

Auf einem Flügel

Eine Küche, blitzsauber. SOPHIA HOOPER – eine rotnasige Jungfer um die Fünfzig – steht am Herd. Sie löffelt dünnen dunklen Schaum aus einem brodelnden Topf auf ein Papiertuch. Im Fenster zeichnet sich gegen den silbern und orange getönten Abendhimmel die Spitze einer Zypresse wie die zottige Mütze eines Zauberers ab. In der Ferne knallt eine Tür, und eine heisere Stimme ruft laut: «Ich bin wieder da, Liebes!» Einen Augenblick später betritt MAXINE URQUHART die Küche.

Maxine, groß und furchteinflößend, hat eine starke, vitale Ausstrahlung. Doch ihre kurzgeschnittenen Locken sind weiß und ihre Zähne gelb. Sie leert auf dem Küchentisch ihre Einkaufstasche aus: Möhren, Eier und Joghurt. Dann streift sie ihre Kordjacke ab und hängt sie über einen Stuhl. Sophia steht immer noch am Herd.

Maxine beugt sich vornüber wie bei einer Gymnastikübung, die Zehenspitzen berührend. Sie legt die Hände flach auf den Linoleumboden. Ächzend wirft sie die Füße in die Luft und steht voll obszöner Strammheit auf den Händen. Ihre Schenkel über den aufgerollten derben Netzstrümpfen sind fischweiß, üppig und fest. Ihr Satinschlüpfer schillert wie ein elektrisierter Muskel im Licht der untergehenden Sonne, als sie sich, auf den Händen gehend, ihrer Freundin nähert.

Sophia dreht sich um. Den Mund zum Sprechen geöffnet, sieht sie Maxines deftige Straßenschuhe unmittelbar vor sich. «Oh!»

Maxine, von unten zu ihr hinauf schmunzelnd: «Ist meine Pille fertig?»

Sophia: «Gott im Himmel, ja. Das heißt, fast. Aber ich muß dir sagen, es war ganz verteufelt schwierig, die Fledermaus zu fangen. Waldo hat mir seine Hilfe nicht mal angeboten.»

Maxine richtet sich grinsend auf und glättet ihren Rock: «Waldo Whittier ist ein eitler, unhöflicher Mann. Was natürlich nicht heißen soll, daß ich vor seinem schwarzen Rock keinen Respekt hätte. Ich hab ihn noch nie galant erlebt, außer bei der guten alten Harriet.»

Sophia: «Der Kirchturm sieht von außen doch so weiß und reinlich aus, nicht? Aber der Glockenturm ist übervölkert von – du weißt schon, was. Das Schlimme ist nur, die Viecher erschrecken so leicht. Und bei ihrem Radarinstinkt ist’s eben schwierig …»

Maxine: «Was geht mich ihr Radar an? Solange du die Biester nicht ins Haar kriegst.»

Sophia: «Nur keine Angst, ich hatte ein Kopftuch um.»

Maxine: «Du hast nur den linken Flügel gekocht?»

Sophia: «Ja, ich hoffe, es reicht.»

Maxine: «Es wird schon reichen. Wo ist denn der Rest?»

Sophia, geistesabwesend: «Im Eisschrank.»

Maxine bläht sich wütend auf: «Nimm ihn raus. Nimm ihn raus, verdammt noch mal! Hast du denn gar kein Taktgefühl? Nicht den mindesten Anstand?»

Sophia: «Ich … Oh, du Böse!» Sie fängt an zu weinen.

Maxine: «Wolltest du etwa deine kleine Flattermaus sezieren?»

Sophia, schluchzend: «Du kannst dir deine Zaubersprüche für jemand anderen aufheben. Mit dir gemeiner alter Hexe will ich nichts mehr zu tun haben!»

Maxine, kühl: «Also gut. Dann bleibst du eben nur eine dumme, ahnungslose Wissenschaftlerin! Ich werde dir jedenfalls keine Hexenweisheit mehr beibringen. Das ist endgültig vorbei jetzt. Ich wollte einen Lehrling, der kochen kann, und was hab ich gekriegt? Eine ängstliche kleine Ratte in Weiberröcken.»

Sophia: «Ratte? Ratte? Nur weil ich unsere Fledermaus schön kaltgestellt und vor der Katze in Sicherheit gebracht habe?»

Maxine, einlenkend: «Na, na! Nun reg dich doch nicht gleich so auf. Tut mir leid, daß ich grob geworden bin. Du kannst den Leichnam meinetwegen in deinem eigenen Zimmer zur Ruhe betten. Nur denk dran, daß du ihn in ein feuchtes Tuch einwickelst.» Sophia hört nicht zu, sie vergräbt den Kopf in ihrer Schürze. «Ich hab gesagt, du kannst das verdammte Biest behalten!»

Sophia läßt die Schürze fallen, mit heißem, verweintem Gesicht: «Vielen, vielen Dank!» Zum Eisschrank stürzend, nimmt sie einen Unterteller mit einem zerfetzten, zusammengefallenen Stück Aas heraus.

Maxine bedeckt mit der einen Hand die Augen und fuchtelt energisch mit der anderen: «Raus! Mach schon! Los!» Sophia stolpert mit dem Teller aus der Küche. Maxine prüft sorgfältig den faltigen Schleim des dunklen, dünnen Bodensatzes auf dem Papiertuch. Sie kostet ein wenig davon mit dem Fingernagel und rollt das Zeug dann zu einer Pille von der Größe einer Aspirintablette. Sich die Nase zuhaltend, schluckt sie die winzige Kugel hinunter. Sie würgt heftig, das lose Fleisch unter ihrem Kinn läuft grün an. Hastig stürzt sie zum Küchentisch, öffnet einen Joghurtbecher und ißt ein paar Löffel voll.

Inzwischen ist die Sonne untergegangen. Es wird zusehends dunkler in der Küche. Maxines kalte Augen beginnen in ihrem breiten Gesicht zu glühen. Die Zypresse am Fenster neigt sich im Abendwind. Plötzlich breitet Maxine die Arme aus, so daß die Einkäufe vom Tisch gefegt werden, und intoniert mit heiserer Stimme:

«Ramanur und Reianur,

Ramanur und Reianur,

Ramanur und Reianur,

Ramanur und Reianur,

Eribiu, xmatsikat!

Ramanur und Reianur,

Eribiu, xmatsikat!

Schnaschumensikat!

Schumenumen, eribiu

Schnaschumensikat!

Ramanur und Reianur,

Ramanur und Reianur,

Ramanur und Reianur …

Eribiu, Kmat!»

In der wallenden, dampfenden Luft über dem Ausguß erscheint Maxine ein gleichschenkliges Dreieck, von dem feurige Perlen herabtropfen. Sich drehend und wendend, entfaltend und vervielfachend, schwillt es an zu einem achteckigen Labyrinth. Der Mittelpunkt verdunkelt sich. Jetzt bewegt sich das Labyrinth vor und zurück, zischt, speit Feuer wie ein ans Nichts genageltes Rad.

Schneller, schneller …

Maxine, schwankend, ekstatisch, krächzt: «Wirble, kristallenes Nest! Dreh dich, blutiger Leuchter! Kreise, o Labyrinth! Schüttle dich, heilige Leere! Gefangener, erwache! Brich aus zu mir! Bald nun wird der weißgehörnte Sklave erscheinen, Scharlach wird ihm aus Nase und Ohren triefen!»

Statt dessen verschwindet die Vision. Maxine läßt den Kopf auf den Tisch sinken. Ihre Schultern zucken. Wie Quallen auf dem Trocknen verkrampfen sich ihre plumpen Hände. Sophia schleicht sich herein, schließt die Küchentür und lehnt sich zitternd dagegen.

Sophia, leise: «Ist er …?»

Maxine, den Kopf hebend, stöhnt: «Der Stierköpfige? Er fing an, aber dann zog er sich wieder zurück. Ich weiß schon, ich hätte auch den rechten Flügel nehmen sollen. Aber ich hab’s nicht gewagt, das ist alles. Kannst du dir etwas Traurigeres vorstellen als eine feige Hexe?»

Sophia tritt zu ihr und streicht der Freundin über die Stirn: «Mach dir nichts draus, Liebste. Morgen ist auch noch eine Nacht!»

Junger Mann mit poetischen Neigungen sucht Verbindung mit kulturbeflissener Blondine

Rosige Septemberdämmerung. Connie Quince, am Steuer seines offenen MG, fährt zügig und mit offensichtlichem Vergnügen. Neben ihm sitzt Ellen Freeman, ihre goldroten Locken flattern im Fahrtwind. Der Sportwagen erklimmt mit zufriedenem Motorengebrumm eine kurvenreiche Straße.

Connie: «Sie fragten nach Harriet Dubrow. Also mich bringt sie immer wieder auf eine andere Art durcheinander. Sie ist vollkommen geradeheraus, und doch bin ich noch nie im Leben einer so widerspruchsvollen Persönlichkeit begegnet … Sie steckt sozusagen von Kopf bis Fuß in Waffen. Man kann sich Harriet ebensowenig nackt vorstellen wie einen Falken gerupft!»

Ellen: «Meine Güte, lieber nicht!»

Connie: «Stellen Sie sich die alte Dame so vor, wie ich sie gestern zum erstenmal gesehen habe: eine kleine, schmächtige Frau, die in der Tür steht und mit unverhohlener Enttäuschung zu mir aufschielt. In diesem Augenblick erschien sie mir wie ein Wesen voller Melancholie, Würde und Macht. Ich hatte das Gefühl, wenn sie jemals einen Schutzengel gehabt hat, dann muß er mit ihr alt geworden sein und ihre Zerbrechlichkeit mit ergrauten Flügeln beschirmen. Dann, als wir hineingingen und ich Gelegenheit hatte, in ihre Augen zu sehen …»

Ellen: «Das haben Sie wirklich getan? Ich hätte nicht den Mut gehabt, so schnell, meine ich …»

Connie: «Es hat mir auch nichts genutzt. Weil sie’s zuerst tat! Und warum wohl? Weil sie so viel älter ist oder geistig so auf Draht? Wenn’s stimmt, daß die Augen die ‹Fenster der Seele› sind, dann hat sie jedenfalls Spitzenvorhänge davor. Ständig spürt man ihre Gegenwart hinter dem Vorhang, spähend … ihre Augen sind von einem besonders durchdringenden Grau.»

Ellen: «Das hört sich so an, als ob sie ungewöhnlich viel – wie sagt man? – Haltung hätte.»

Connie: «Zweifellos hat sie die, ohne dabei steif zu sein. Sie ist snobistisch ohne Hochmut und freundlich ohne Liebe. Ich würde sagen, sie gehört zu jenen praktizierenden Christen, bei denen die Frage: Was ist Christentum? nur gelinde Verwirrung anrichtet.»

Ellen: «Was für eine Frage! Machen Sie sich über so was wie Christentum wirklich Gedanken?»